TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/7 W169 2216407-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.11.2019
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Entscheidungsdatum

07.11.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 2216407-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde XXXX , geb XXXX StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.01.2019, Zl. 1213508107-181137564, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin, eine indische Staatsangehörige, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 27.11.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll, dass sie aus dem Bundesstaat Punjab stamme und die Sprachen Punjabi, Hindi und Englisch spreche. Sie gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Im Herkunftsstaat habe die Beschwerdeführerin zehn Jahre die Grundschule und zwei Jahre das College besucht. In Indien würden die Eltern, der Bruder und die Schwester der Beschwerdeführerin leben. Zu ihrem Ausreisegrund führte sie an, dass ihre Eltern sie zwangsverheiraten hätten wollen, sie aber dagegen gewesen sei. Sie sei daraufhin von ihrer Familie mit dem Umbringen bedroht worden, weshalb sie Indien verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr fürchte sie umgebracht oder vergewaltigt zu werden.

2. Anlässlich ihrer Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 18.01.2019 gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll, dass sie aus dem Bundesstaat Punjab stamme. Sie gehöre der Religionsgemeinschaft der Sikhs und Volksgruppe der Jat an. Im Herkunftsstaat habe sie zwölf Jahre die Schule besucht. Danach habe sie einen Kurs in "Dress Design" absolviert. Sie sei gesund, ledig, kinderlos und habe mit ihren Eltern im gemeinsamen Haushalt gelebt. Ihre Familie besitze ein Eigentumshaus und eine Landwirtschaft und habe für den Unterhalt gesorgt. Sie habe keinen Kontakt mit ihrer Familie oder Verwandten. Sie verstehe sich nur noch mit der Tante väterlicherseits im Bundesstaat Utarakhand, zu der aber ebenfalls kein Kontakt mehr bestehe. Sie habe keine Probleme mit den Behörden in Indien gehabt.

Zu ihrem Fluchtgrund brachte die Beschwerdeführerin Folgendes vor (VP: nunmehrige Beschwerdeführerin; LA: Leiterin der Amtshandlung):

"(...)

LA: Warum haben Sie Ihr Heimatland verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt? Nennen Sie bitte all Ihre Fluchtgründe.

VP: Ich hatte einen Freund. Meine Familie war jedoch gegen ihn, da er nicht von so einer wohlhabenden Familie kommt. Als ich ihn meinen Eltern vorgestellt habe, waren alle strengstens gegen ihn. Meine Familie suchte einen Mann für mich, der geschieden war und dass er Kinder hat. Allerdings kommt er von einer sehr wohlhabenden Familie, deshalb war meine Familie für ihn. Ich war gegen die Hochzeit wegen diesem Mann. Der Mann bedrohte mich. Er sagte, dass er viele Politiker und Anhänger kennt. Wenn ich gegen die Hochzeit bin, wird er mich vergewaltigen lassen und wenn es sein muss dich töten. Ich habe mit meinen eigenen Ohren gehört, dass mein Onkel mütterlicherseits sich mit meiner Mutter über die Hochzeit unterhalten hat. Er sagte meiner Mutter, wenn ich mich weigere zu heiraten, breche ich die Ehre der Familie. Sie werden nicht in der Lage sein, ihr Gesicht der Gesellschaft zu zeigen. Wenn es wirklich so sein wird, dass ich die Hochzeit absage, würde er mich ebenso vernichten. Als ich das gehört habe, habe ich mir gedacht, dass ich nicht mehr sicher sein werde. Der Bruder meiner Mutter ist eine äußerst anti-feministische Person. Er ist immer gegen Mädchen und gegen Frauen, die ihre Meinung äußern. Er möchte, dass Frauen das tun, was Männer ihnen befehlen. Ich glaube sie kennen bereits die Lage in Indien speziell in Punjab. Wenn Frauen gegen den Willen der Eltern heiraten, tötet man sie auf Grund der Ehre. Es gibt zahlreiche solcher Ehrenmorde. Da ich selbst bedroht wurde, einmal von dem Mann den ich heiraten hätte sollen und einmal von meinem Onkel, habe ich mich dazu entschieden nicht mehr in meinem Land zu leben, da ich Angst hatte ein Opfer des Ehrenmordes zu werden. Ich habe mich in Verbindung mit meinem Verwandten in Utrakhand gesetzt, die mir geholfen haben, sicher aus meinem Land zu flüchten. Das wars.

LA: Haben Sie nun all Ihre Fluchtgründe genannt?

VP: Ja.

LA: Wurden Sie persönlich bedroht oder verfolgt?

VP: Ja. Mein Onkel sagte mir in Anwesenheit meiner Eltern, wenn ich gegen die Entscheidung der Familie bin, dass wird dein Leben in Gefahr sein. Du weißt wie wichtig die Ehre der Familie ist.

LA: Wie oft wurden Sie bedroht oder verfolgt?

VP: Einmal wurde ich auch von dem Mann bedroht, das war kurz vor meiner Ausreise. Meine Familie hat mich des Öfteren bedroht. Sie gaben mir sehr viele Beispiele die Aufgrund der Ehre getötet wurden. Mental ging es mir nicht mehr gut. Ich hatte ständig Angst dass sie es mit mir tun. Fünf bis sechs Mal haben sie mich verbal bedroht.

LA: Wann wurden Sie zum ersten Mal und wann zum letzten Mal bedroht?

VP: Im Mai 2018 hat man mir gesagt, dass sie mich töten werden, wenn ich nicht heirate. Das letzte Mal war im November 2018. In diesem Zeitraum habe ich mich entschieden dass ich aus Indien ausreisen will.

LA: Wann fanden diese Vorfälle genau statt! Geben Sie mir einen zeitlichen Überblick!

VP: Von Mai bis November 2018.

LA: Wie gestalteten sich diese Vorfälle? Machen Sie mir umfangreiche Angaben darüber!

VP: Sie hatten kein Vertrauen mehr in mir, sie hatten Angst dass ich aus dem Haus flüchten würde. Sie hatten sogar so Angst, wenn ich alleine war, sie die Haustür zugesperrt haben, dass ich nicht raus kann. Einmal kam es zu einem großen Streit. Mein Onkel mütterlicherseits hat mich vor meiner ganzen Familie verprügelt. Ich hatte sogar einen Schal umgebunden und er sagte zu mir, dass er mich mit dem Schal auf der Stelle töten könnte. Aufgrund dieser Würgung konnte ich zwei Wochen lang nicht essen. Ich hatte auch Atemprobleme. Als ich gesehen habe, dass mein Onkel so weit geht und mich würgt, würde es ihm nicht schwer fallen mich zu töten. Deshalb habe ich innerlich schon den Entschluss gefasst auszureisen. Der Mann der mich heiraten hätte wollen, fragte mich ob die den Begriff Gruppenvergewaltigung kenne. Er sagte, wenn ich den Begriff kennenlernen möchte, müsste ich gegen die Hochzeit sein.

Wh. der Frage. Wie gestaltete sich dieser Streit mit dem Onkel? Machen Sie detailliertere Angaben!

VP: Zuerst gab es ein normales Gespräch mit meinem Onkel, er versuchte mich von diesem Mann zu überzeugen. Er sagte er würde glücklich leben, weil er sehr reich und wohlhaben ist und ich keinerlei Probleme haben werde. Er versuchte mich zu überzeugen, aber ich sagte, egal was passiert, ich werde den Mann mit Sicherheit nicht heiraten. Als ich das gesagt habe, ist er plötzlich aufgestanden mit voller Wut, hat meinen Schal genommen und mit dem versucht mich zu würgen. Aus Angst und wegen dem plötzlichen Aufstehen meines Onkels bin ich auf den Boden gefallen.

LA: Wie gestaltete sich der Streit mit diesem Mann? Machen Sie mir substantiierte Schilderungen über diese Ereignisse!

LA: Sein Name ist XXXX . Die Bedrohung hat telefonisch stattgefunden. Zuerst haben wir normal miteinander gesprochen. Ich habe ihm versucht zu erklären, dass ich ihn nicht heiraten möchte. Ich sagte, dass er viel älter als ich bin und Kinder hat. Wir werden miteinander nicht zurecht kommen, wegen dem Altersunterschied und weil es gegen meinen Willen ist. Er sagte mir, falls du dich gegen die Hochzeit entscheidest kannst du Ahnen was auf dich zukommen wird. Du weißt ich habe guten Kontakt zu politischen Anhängern. Egal wo du dich versteckst, ich habe die Macht, dich zu finden und es dir heimzuzahlen in dem ich dich töte.

LA: Mehr können Sie darüber nicht angeben?

VP: Er hat gesagt, dass er mir jeden Wunsch erfüllen kann, wenn ich ihn heirate. Ich habe sonst alles gesagt.

LA: Erstatten Sie mir umfangreiche Angaben über diesen XXXX , den Sie heiraten sollten!

VP: Der Bruder meiner Mutter hat meinen Eltern den Mann vorgestellt. Er kam auf die Idee mich mit ihm zu verheiraten. Als ich mir Informationen über diesen Mann geholt habe, von den Verwandten mütterlicherseits, habe ich erfahren, dass er ein schlechter Mensch ist, der verheiratet war und seine Frau geschlagen hat und verheiratet war. Ich habe auch erfahren, dass das der Scheidungsgrund war, weil der Mann seine Frau sozusagen gefoltert hat. Ich habe auch gehört, dass er Drogen genommen hat.

Wh. der Frage: Erzählen Sie mir alle Einzelheiten und Details über diese Person! Machen Sie mir substantiierte Schilderungen über diese Personen!

VP: Er kommt aus einer sehr wohlhabenden Familie. Ich weiß auch, dass er 50 Grundstücke besitzt, ein riesen großes Haus und zwei Autos. Er hatte guten Kontakt zu hohen politischen Anhängern und Parlamentsmitgliedern.

LA: Mehr können Sie nicht angeben?

VP: Er lebt mit seinen Eltern und seinem jüngeren Bruder. Befragt gebe ich an, dass er ca. 42 Jahre alt ist.

LA: Sie haben angegeben, dass er hohe politische Kontakte hat. Machen Sie umfangreiche Angaben über diese Aussage.

VP: In Punjab herrscht derzeit die Congresspartei. Ich weiß, dass er mit den Führern und Anhängern guten Kontakt hat. Mit wem genau und die Namen dieser Herren kenne ich nicht, aber ich weiß, wenn die Wahlen stattfinden, dass er sich viel Mühe macht und sich für die Partei stark macht und auch diese wählt.

Wh. der Frage: Wenn Sie so genau wissen, dass er politische Kontakte pflegt, müssen Sie etwas darüber berichten können. Erstatten Sie umfangreiche Angaben über diese Kontakte.

VP: Ich weiß nur, dass er mit Anhängern der Congresspartei guten Kontakt hat.

Wh. der Frage: Sie haben angegeben, dass er viel Macht innerhalb politischer Kreise hat, machen Sie bitte ausführlich Angaben darüber.

VP: Über ihn und seine politischen Beziehungen kann ich keine Angaben mehr machen.

LA: Mehr können Sie nicht angeben?

VP: Nein.

LA: Waren Sie bei einer anderen Polizeiinspektion oder der Oberbehörde der Polizei oder haben Sie sich einen Rechtsanwalt genommen?

VP: Nein.

LA: Haben Sie sich einen Anwalt genommen?

VP: Nein.

LA: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien? Was würde passieren, wenn Sie morgen zurück nach Indien geschickt werden würden?

VP: Ich habe Angst vor den Bedrohungen von XXXX und meiner Familie. Ich bin von meiner Familie geflüchtet und habe sozusagen, die Ehre meiner Familie zerstört. Wenn ich zurückkehre, werde ich im Namen der Ehre getötet, damit meine Eltern wieder in die Gesellschaft gehen können. Ich weiß dass mein Onkel, der Bruder meiner Mutter, mich mit Sicherheit töten wird. XXXX hat mir im Vorhinein schon gesagt, egal wo ich mich verstecken werde, werden mich seine Leute finden.

(...)"

Zu den Lebensumständen in Österreich führte die Beschwerdeführerin an, dass sie hier keine Verwandten habe. Sie habe eine philippinische Freundin, die sie finanziell unterstütze. Sie besuche einen Sikhtempel. Sie habe keine Kurse oder sonstige Ausbildungen absolviert, sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation und nehme auch nicht am sozialen oder kulturellen Leben in Österreich teil.

Der Beschwerdeführerin wurde am Ende der Einvernahme die Möglichkeit geboten, in die aktuellen Länderberichte zur Situation in Indien Einsicht zu nehmen und eine diesbezügliche Stellungnahme abzugeben. Die Beschwerdeführerin verzichtete auf eine Einsichtnahme sowie eine Stellungnahme.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Der Beschwerdeführerin wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihren Fluchtgründen kein Glauben geschenkt werde. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Die Beschwerdeführerin erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe ihr Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der sehr kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von relevanten familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Indien. Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die die Beschwerdeführerin bei der Regelung ihrer persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien.

4. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und wurde nach Wiederholung der Fluchtgründe insbesondere ausgeführt, dass die Entscheidung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht nachvollziehbar sei. Auch ein wenig glaubwürdiges Vorbringen sei nach Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts kein legitimer Grund, auf konkrete Recherchen zu verzichten; dies sei vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verabsäumt worden. Die indischen Behörden seien schutzunfähig bzw. schutzunwillig. Im Übrigen habe die Beschwerdeführerin sich in Österreich bereits gut eingelebt und habe den Erwerb der deutschen Sprache in Angriff genommen, weshalb eine sehr günstige Prognose getroffen werden könne.

Beantragt wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.

5. Am 06.05.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Mitteilung des Magistrats der Stadt Wien ein, wonach die Beschwerdeführerin am 19.02.2019 das Gewerbe "Marktfahrer" angemeldet hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Indien aus dem Bundesstaat Punjab, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikhs und der Volksgruppe der Jat an. Ihre Identität steht nicht fest. Sie spricht Punjabi sowie auch wenig Hindi und Englisch. Im Herkunftsstaat besuchte sie zwölf Jahre die Schule. Die Familie der Beschwerdeführerin besitzt ein Eigentumshaus und eine Landwirtschaft. Sie wurde von ihrer Familie finanziell unterstützt. Die Beschwerdeführerin ist ledig, kinderlos und gesund.

Die Verfolgungsbehauptungen der Beschwerdeführerin sind nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführerin in Indien eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Sie hatte keine persönlichen Probleme mit den Behörden im Heimatland.

Die Beschwerdeführerin hat keine Verwandten oder sonstige Familienangehörigen in Österreich, hat keine Kurse oder sonstigen Ausbildungen absolviert, ist nicht Mitglied in einem Verein oder in einer sonstiges Organisation und nimmt auch nicht am sozialen oder kulturellen Leben in Österreich teil. Sie ist mit einer philippinischen Frau befreundet, die sie finanziell unterstützt, und besucht einen Sikhtempel. Die Beschwerdeführerin nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch. Sie stellte am 19.02.2019 beim Magistratischen Bezirksamt des 18. Wiener Gemeindebezirks einen Antrag auf Erteilung eines Gewerbescheins als Marktfahrerin. Sie ist strafrechtlich unbescholten. Die Beschwerdeführerin steht im erwerbsfähigen Alter. Die Familie und weitere Verwandte der Beschwerdeführerin leben im Herkunftsstaat.

1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:

Rechtsschutz/Justizwesen

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig lange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 16.8.2016; vgl. auch:

USDOS 13.4.2016). Eine generell diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption (AA 24.4.2015).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2016). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht ist in jedem Unionsstaat. Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen. Er führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und in Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche wie auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2016).

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums ergab mit 1.8.2015 eine Vakanz von 34% der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 13.4.2016). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016).

Richter zeigten einen beträchtlichen Einsatz in der Bearbeitung von sogenannten "Public Interest Litigation" (Klagen im öffentlichen Interesse). Insbesondere in unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2016). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70% aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 16.8.2016).

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 16.8.2016).

Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit ("National Security Act", 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit ("Jammu and Kashmir Public Safety Act", 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (AA 16.8.2016).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es gibt Fälle, in denen Häftlinge misshandelt werden. Hierbei kann die ethnische oder religiöse Zugehörigkeit sowie die politische Überzeugung des Opfers eine Rolle spielen. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben beispielsweise 80% aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein (AA 16.8.2016).

Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des "Unlawful Activities (Prevention) Amendment Bill und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 13.4.2016). Das Gesetz erlaubt den Angeklagten in den meisten Zivil- und Kriminalfällen den Zugang zu relevanten Regierungsbeweisen, aber die Regierung behält sich das Recht vor, Informationen zurückzuhalten und tut dies auch in Fällen, die sie für heikel erachtet. Die Angeklagten haben das Recht, sich dem Ankläger zu stellen und ihre eigenen Zeugen und Beweismittel zu präsentieren, jedoch konnten Angeklagte dieses Recht manchmal aufgrund des Mangels an ordentlicher Rechtsvertretung nicht ausüben. Gerichte sind verpflichtet Urteile öffentlich zu verkünden und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 13.4.2016).

Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt sein, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein.

Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist, oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 12.2016).

Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 27.1.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/327703/468368_de.html, Zugriff 7.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 6.12.2016

Sicherheitsbehörden

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 6.2016) und untersteht den Bundesstaaten (AA 16.8.2016). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und bundesstaatenübergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 6.2016).

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 6.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt, was in einigen Fällen zu Korruption führt. (USDOS 13.4.2016). Versprochene Polizeireformen verzögerten sich 2015 erneut (HRW 27.1.2016).

Die Effektivität der Strafverfolgung und der Sicherheitskräfte ist im gesamten Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es einerseits Fälle von Polizisten/Beamten gibt, die auf allen Ebenen ungestraft handeln, so gab es andererseits auch Fälle, in denen Sicherheitsbeamte für ihre illegalen Handlungen zur Verantwortung gezogen wurden (USDOS 13.4.2016).

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 6.2016). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 16.8.2016; vgl. auch: BICC 6.2016), wie etwa beim Kampf gegen bewaffnete Aufständische, der Unterstützung der Polizei und der paramilitärischen Einheiten sowie dem Einsatz bei Naturkatastrophen (BICC 6.2016).

Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) herangezogen. Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Als Unruhegebiete gelten zurzeit der Bundesstaat Jammu und Kaschmir und die nordöstlichen Bundesstaaten Arunachal Pradesh, Assam, Meghalaya, Manipur, Mizoram und Nagaland (AA 16.8.2016 vgl. USDOS 25.6.2015).

Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium (AA 16.8.2016). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (Nationale Sicherheitspolizei NSG), aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als "Black Cat" bekannt, die Rahtriya Rifles, eine Spezialtruppe zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) - die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze -, die Border Security Force (BSF - Bundesgrenzschutz), als größte und am besten ausgestattete Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesh und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Weiters zählen die Assam Rifles - zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten-, die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) als Indo-Tibetische Grenzpolizei sowie die Küstenwache, die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die Central Industrial Security Force, zum Werkschutz der Staatsbetriebe dazu (ÖB 12.2016). Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten der Grenze zu China eingesetzt werden. Auch für das Handeln der Geheimdienste, das sogenannte Aufklärungsbüro ("Intelligence Bureau" - Inlandsgeheimdienst) und den Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst), bestehen gesetzliche Grundlagen (AA 24.4.2015; vgl. auch USDOS 25.6.2015).

Der "Unlawful Activities (Prevention) Act" (UAPA) wurde verschärft. Die Änderungen beinhalten u.a. eine erweiterte Terrorismusdefinition und in Fällen mit Bezug zu Terrorismus die Möglichkeit zur Ausweitung der Untersuchungshaft ohne Anklage von 90 auf 180 Tage und erleichterte Regeln für den Beweis der Täterschaft eines Angeklagten (die faktisch einer Beweislastumkehr nahekommen) (AA 24.4.2015).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

-

BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 7.12.2016

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HRW - Human Rights Watch (29.1.2015): World Report 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/295494/430526_de.html, Zugriff 21.12.2016

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - India, http://www.ecoi.net/local_link/306292/443589_de.html, Zugriff 4.1.2017

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 7.12.2016

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Indiens Zivilgesellschaft ist vielstimmig; es gibt eine schier unüberschaubare Anzahl von Nichtregierungsorganisationen (offizielle Schätzungen gehen von über 3 Millionen aus), darunter viele in- und ausländischer Menschenrechtsorganisationen (AA 16.8.2016), die sich für soziale Gerechtigkeit, nachhaltige Entwicklung und Menschenrechte einsetzen (USDOS 13.4.2016). Diese können grundsätzlich frei (AA 16.8.2016) und in der Regel ohne Einschränkungen durch die Regierung operieren, Fälle von Menschenrechtsverletzungen untersuchen und die Ergebnisse veröffentlichen (USDOS 13.4.2016). Die Website NGOsIndia.com enthält umfangreiche weiterführende Informationen über die zahlreichen, in den verschiedensten Bereichen und Regionen aktiven Menschenrechtsorganisationen in Indien (NGOsIndia.com o.D.).

Es gibt keine systematischen staatliche Behinderungen oder Repressalien gegen Menschenrechtsverteidiger (AA 16.8.2016), in manchen Fällen kommt es aber zu Einschränkungen (USDOS 13.4.2016). NGOs sind nicht selten subtilen Schikanen der Behörden (Verzögerung oder Versagung von Genehmigungen vor allem auch zum Empfang ausländischer Mittel, häufige Rechnungs- und Finanzprüfungen, schleppende Bearbeitung oder Versagung der Visaerteilung für ausländisches Personal, Ausreiseverbote) und auch Drohungen, etwa durch Armee oder Polizei, ausgesetzt (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016). Einzelne Menschenrechtsverteidiger, vor allem im Bereich sozialer und wirtschaftlicher Rechte, und Journalisten sehen sich durch lokale Behörden/Polizei in ihrer Arbeit eingeschränkt. Vereinzelt werden diese auch Opfer von Gewalt (AA 16.8.2016). Menschenrechtsbeobachter in Jammu und Kaschmir konnten Menschenrechtsverletzungen dokumentieren (USDOS 13.4.2016), jedoch kommt es insbesondere im konfliktbetroffenen Bundesstaat Jammu und Kaschmir und im von separatistischen Gruppen bedrohten Nordosten Indiens kommt es immer wieder zu Einschüchterungsversuchen von Journalisten und Menschenrechtsverteidigern (u.a. Festnahmen, Lizenzentzug), bis hin zu physischen Angriffen. In diesen Gebieten herrscht aufgrund der besonderen gesetzlichen Rahmenbedingungen oftmals Straflosigkeit bei Menschenrechtsverletzungen (AA 16.8.2016).

Obwohl Indien eine starke Zivilgesellschaft und eine akademische Gemeinschaft hat, werden ausländischen Beobachtern, die ins Land reisen wollen, um die Menschenrechte und andere Themen zu untersuchen, manchmal Visa verwehrt. Unter speziellen Umständen erlaubt der "Foreign Contributions Regulation Act" (FCRA) der Bundesregierung, Nichtregierungsorganisationen den Zugang zu ausländischer Finanzierung zu verwehren (FH 27.1.2015). Die Regierung wird bezichtigt, dieses Gesetz für die Bekämpfung der politischen Opposition zu missbrauchen. Im Jahr 2016 annullierten die Behörden die FCRA Lizenzen von etwa 20.000 NGOs wegen Nichteinhaltung von FCRA Bestimmungen, darunter auch wegen nicht genehmigter ausländischer Finanzierung. Damit bleiben 13.000 legale NGOs und es wurden 2000 erstmalige Registrierungsersuchen beim Innenministerium eingebracht (TOI 27.1.2016).

Die Regierung traf sich in der Regel mit inländischen NGOs, reagierte auf ihre Anfragen und ergriff als Reaktion auf ihre Berichte und Empfehlungen Maßnahmen. Die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) arbeitet kooperativ mit zahlreichen NGOs zusammen und mehrere Ausschüsse der NHRC arbeiten mit NGO Vertretern zusammen (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - India, http://www.ecoi.net/local_link/327703/468368_de.html, Zugriff 13.12.2016

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NGOsIndia.com (o. D.): Online Database and Resources of Indian NGOs, NPOs, VOs, Funding Resources and Date, http://www.ngosindia.com/, Zugriff 13.12.2016

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TOI -Times of India (27.12.2016): FCRA licences of 20.000 NGOs cancelled,

http://timesofindia.indiatimes.com/india/fcra-licences-of-20000-ngos-cancelled/articleshow/56203438.cms, Zugriff 5.1.2017

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 12.12.2016

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u. a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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BICC - Bonn International Centre for Conversion (6.2016):

Informationsdienst - Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte: Länderinformation Indien,

http://ruestungsexport.info/uploads/pdf/countries/201607/indien.pdf, Zugriff 13.12.2016

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NHRC - The National Human Rights Commission India (o. D.): The National Human Rights Commission India, http://www.nhrc.nic.in/Documents/Publications/NHRCindia.pdf, Zugriff 5.1.2017

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ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 13.12.2016

Relevante Bevölkerungsgruppen

Die Verfassung verbietet Diskriminierung auf Basis von Rasse, Geschlecht, Invalidität, Sprache, Geburtsort, Kaste oder sozialen Status. Die Regierung arbeitet mit unterschiedlichem Erfolg an der Durchsetzung dieser Bestimmungen (USDOS 13.4.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016).

Quellen:

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 23.12.2016

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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