Entscheidungsdatum
08.11.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W169 2218983-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb XXXX StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.04.2019, Zl. 1028034400-190272967, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 15b, 57 AsylG 2005 idgF, § 9 BFA-VG idgF, und §§ 52, 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, reiste im September 2014 legal mit einem Studentenvisum in das österreichische Bundesgebiet ein.
Am 18.03.2019 stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Telangana stamme und die Sprachen Telugu, Hindi und Englisch spreche. Er gehöre der Religionsgemeinschaft der Hindus und Volksgruppe der Reddy an. Im Herkunftsstaat habe der Beschwerdeführer 16 Jahre die Grundschule und ein College besucht. In Indien würden die Eltern und die Schwester des Beschwerdeführers leben. Zu seinem Ausreisegrund führte er an, dass er Indien verlassen habe, um in Österreich zu studieren. Ein Studium habe er jedoch nie begonnen. Es hätten jetzt zwei Onkel und die Tante väterlicherseits des Beschwerdeführers unrechtmäßig die landwirtschaftlichen Grundstücke der Familie weggenommen und besetzt. Der Bürgermeister stehe hinter den Geschwistern des Vaters des Beschwerdeführers. Da der Beschwerdeführer der einzige Sohn sei, habe ihn sein Vater angerufen und gebeten, nicht nach Indien zurückzukommen, da der Beschwerdeführer sonst umgebracht werde, um die Grundstücke nicht als Erbe beanspruchen zu können. Die Grundstücke seien derzeit sehr gefragt, weshalb die Lage nun schwer sei. Der Beschwerdeführer könne zurück, wenn das Problem gelöst werde. Ansonsten befürchte er im Falle einer Rückkehr getötet zu werden.
2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 12.04.2019 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus dem Bundesstaat Telangana stamme. Im Herkunftsstaat habe er bis zur 10. Klasse die High School, zwei Jahre das Masters Junior College und vier Jahre lang die Universität besucht, wo er den Bachelor of Technology erworben habe. Danach habe er Softwareprogrammierung gelernt. Gearbeitet habe er nicht. Er sei ledig und habe mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt gelebt, war aber zwischenzeitlich von 2011 bis 2013 in Hyderabad und 2014 in Delhi aufhältig. Die letzten sechs Monate vor seiner Ausreise habe der Beschwerdeführer in einem Studentenheim in Delhi gewohnt. Die Familie würde, abgesehen von der Landwirtschaft, ein Eigentumshaus besitzen. Die Eltern hätten den Unterhalt des Beschwerdeführers finanziert. Der Beschwerdeführer stehe in wöchentlichem telefonischen Kontakt mit seinen Eltern, denen es grundsätzlich gut gehe.
Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer Folgendes vor (VP: nunmehriger Beschwerdeführer; LA: Leiter der Amtshandlung):
"(...)
LA: Wann haben Sie von den Grundstücksstreitigkeiten im Heimatland erfahren?
VP: Die Familie hat seit 2013 Probleme mit meinem Onkel. Das war auch der Grund dafür, dass ich in Delhi und Hyderabad gelebt habe. Nach dem Schulabschluss habe ich die ganze Zeit in Karimnagar gelebt.
LA: Schildern Sie bitte konkret, was im Jahr 2013, als die Probleme mit dem Onkel begonnen haben, vorgefallen ist!
VP: Seit 2013 hat mein Onkel mit meinem Vater wegen der Grundstücke gestritten. Mein Vater wollte das verhindern und hat daher die Grundstücke auf meinen Namen umschreiben lassen. Das war ein großes Problem für meinen Onkel.
LA: Gab es irgendeinen Auslöser für die Streitigkeiten, bitte schildern Sie Ihre Fluchtgründe konkret!
VP: Der Dorfvorsteher hat versucht, den Konflikt zu lösen zwischen den beiden Brüdern, jedoch haben alle Leute im Dorf meinen Onkel unterstützt. Mein Vater hat keine Unterstützung vom Dorfgremium bekommen.
LA: Fragewiederholung
VP: 2013 hat der Vater, weil er Alleinerbe ist, auf meinen Namen übertragen, das war der Auslöser. 2013 hat mein Vater die Grundstücke auf meinen Namen übertragen lassen, er wollte so verhindern, dass mein Onkel die Grundstücke beansprucht. Mein Onkel war sehr sauer. Der Onkel hat versucht, sich die Grundstücke anzueignen. Er hat manchmal die Grundstücke besetzt, damit mein Vater nicht seine Arbeit dort verrichten kann, er hat meinem Vater das Leben schwer gemacht. Sie haben immer wieder gestritten.
LA: Was ändert sich jetzt dadurch, dass die Grundstücke auf Sie übertragen wurden? Ihr Onkel hatte davor und auch jetzt kein Recht auf die Grundstücke!
VP: Ich verstehe die Frage nicht.
LA: Fragewiederholung
VP: Es gibt immer wieder Streitigkeiten wegen der Grundstücke, diese sind sehr wertvoll. Mein Onkel versucht seit fünf Jahren auf die Grundstücke zuzugreifen, das hat sich bis dato nicht geändert. Die Familie wollte die Grundstücke verkaufen, um Streitigkeiten zu vermeiden, mein Onkel verhindert das aber alles.
LA: Gab es jemals Übergriffe auf Ihre Person im Heimatland?
VP: Ich wurde telefonisch von meinem Onkel bedroht.
LA: Wann hat dieses Telefonat mit Ihrem Onkel stattgefunden?
VP: Das war im Jahr 2014 von Österreich aus. Meine Eltern wurden von meinem Onkel attackiert und ich wollte das aufklären. Mein Onkel hat bereits meine Eltern attackiert und würde auch mich im Falle einer Rückkehr nach Indien attackieren. Er hat mir angedroht, mich im Falle einer Rückkehr nach Indien zu töten.
LA: Haben Sie irgendwelche Unterlagen oder Dokumente das Grundstück betreffend?
VP: Nein, ich habe hier keine Dokumente, diese befinden sich zu Hause in Indien.
LA: Haben Sie nach dem Telefonat im Jahr 2014 nochmals Kontakt zu Ihrem Onkel in Indien gehabt?
VP: 2015 habe ich nochmals mit ihm telefoniert, ich kann mich nicht genau erinnern, wann das war. Seither reden wir nicht mehr miteinander. Auch meine Eltern reden mit meinem Onkel nicht mehr.
LA: Sie haben vorher angegeben, Ihr Onkel hat angedroht, Sie zu töten. Was hätte er davon, auch dann würden die Grundstücke nicht auf ihn übertragen werden!?
VP: Er hat Unterstützung von Politikern und ich habe Angst, dass er mir tatsächlich etwas antun wird, da er sehr einflussreich ist und Unterstützung von Politikern hat.
LA: Hat Ihr Onkel eine politische Funktion?
VP: Er unterstützt Politiker in dem Dorf, er selbst ist aber nicht in der Politik.
LA: Hat Ihr Vater jemals eine Anzeige erstattet?
VP: Ja, sie haben den Onkel bereits angezeigt, aber die Polizei hat ihm nicht geholfen. Sie haben nichts gemacht.
LA: Wann hat Ihr Vater Anzeige erstattet?
VP: Das war im Jahr 2015. Nachgefragt gebe ich an, dass auf der Polizeistation in XXXX gewesen ist. Nachgefragt gebe ich an, dass ich keine diesbezüglichen Unterlagen habe und auch nicht weiß, ob es im Heimatland Unterlagen gibt. Ich habe nur davon gehört, dass mein Vater dort war, ob es Dokumente gibt, weiß ich nicht.
LA: Haben Ihre Eltern derzeit noch in irgendeiner Weise Kontakt zu Ihrem Onkel oder hören sie gar nichts mehr von ihm?
VP: Nein, sie haben seit 2015 gar keinen Kontakt mehr. Ich habe Angst, dass mich mein Onkel im Falle einer Rückkehr umbringt, weil er mich zuvor auch schon telefonisch bedroht hatte.
LA: Bewirtschaftet Ihr Vater nach wie vor die Grundstücke, um die gestritten wird?
VP: Nein, mein Vater kann nicht mehr landwirtschaftlich tätig sein, mein Onkel verhindert das.
LA: Eingangs haben Sie aber gesagt, Ihre Eltern leben von der Landwirtschaft!
VP: Sie haben Grundstücke gepachtet und arbeiten nun auf diesen. Nachgefragt gebe ich an, dass das seit 2015 so ist.
LA: Was ist aktuell mit den Grundstücken, um die gestritten wird?
VP: Es arbeitet dort niemand, es wird dort keine Landwirtschaft mehr betrieben. Mein Vater wollte auf diesen Grundstücken nichts mehr investieren, weil immer die Gefahr besteht, dass dies vom Onkel wieder vernichtet wird. Mein Onkel hat schon mehrmals versucht, zu verhindern, dass dort jemand arbeitet. Daher hat mein Vater dann aufgehört, in diese Grundstücke zu investieren.
LA: In der Erstbefragung haben Sie angegeben, dass Sie zurückkehen könnten, wenn die Probleme gelöst würden, wie sieht eine solche Lösung aus?
VP: Die Lösung wäre, dass mein Vater die Grundstücke verkauft. Eigentlich müsste ich die Grundstücke verkaufen, da diese ja auf meinen Namen eingetragen sind. Wenn mein Vater die Grundstücke verkauft, wäre das die Lösung. Bislang hat er allerdings keinen Käufer gefunden.
LA: Wieviel kostet ein Acre Grundstück derzeit?
VP: 25.000 pro acre.
LA: Wie hoch war der Preis, als Sie das Heimatland 2014 verlassen haben?
VP: Der Preis ist gestiegen, aber es war ein Erbe vom Großvater. Es gibt sehr viel Nachfrage für diese Grundstücke in der Ortschaft und der Wert steigt jedes Jahr.
LA: Wenn es so viel Nachfrage gibt; weshalb konnte dann dennoch noch kein Käufer gefunden werden?
VP: Die Leute haben über meinen Onkel erfahren, dass er sehr gewalttätig ist und haben daher davon Abstand genommen, die Grundstücke zu kaufen. Mein Vater hat auch versucht, die Grundstücke zu verpachten, jedoch ist niemand dazu bereit, dort zu arbeiten.
LA: Wann hat die Erbschaft stattgefunden?
VP: So vor fünfzehn Jahren, ich war damals zehn Jahre alt.
LA: Von wem hat Ihr Vater die Grundstücke geerbt?
VP: Von meinem Großvater.
LA: Ist Ihr Großvater damals gestorben oder weshalb hat damals die Erbschaft stattgefunden?
VP: Zu seiner Lebzeit hat er seinen Besitz an alle drei Söhne weitergegeben. Mein Großvater lebt noch. Er ist sehr alt und mittlerweile 85 Jahre alt.
LA: Warum haben die Grundstücksstreiten erst 2013 begonnen und nicht schon zu einem früheren Zeiptunkt?
VP: Es gibt seit 2014 eine Wertsteigerung, das ist der Grund dafür. Früher gab es keine große Nachfrage für diese Grundstücke.
LA: Gibt es mit dem dritten Bruder, also Ihrem anderen Onkel, der ebenfalls Grundstücke geerbt hat, auch Probleme aufgrund der Grundstücke?
VP: Meine beiden Onkeln halten zusammen, sie haben keine Probleme.
LA: Können Sie sich erklären, weshalb gerade Sie vom Onkel verfolgt werden, nicht jedoch beispielsweise Ihr anderer Onkel?
VP: Ich habe eigentlich mit beiden Onkeln Probleme. Ich rede immer nur direkt mit einem, der sehr gewaltbereit ist, der andere unterstützt ihn aber. Meine beiden Onkel und die Tante sind gegen meinen Vater.
LA: Hat Ihr Onkel die Grundstücke jemals tatsächlich besetzt?
VP: Der Onkel hat versucht, sich die Grundstücke von seinem Bruder anzueignen.
LA: Wieso haben Sie erst jetzt im März 2019 einen Antrag auf internatonalen Schutz gestellt?
VP: Weil ich ab August 2017 keine Aufenthaltsgenehmigung mehr hatte.
LA: Wie Sie selbst sagten, hatten Sie ja bereits ab August 2017 keine Aufenthaltsberechtigung mehr, weshalb haben Sie dann noch mehr als eineinhalb Jahre mit der Antragstellung zugewartet?
VP: Ich habe eine Beschwerde beim Magistrat eingereicht, die auch abgelehnt wurde, deshalb habe ich dann den Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
LA: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?
VP: Das sind all meine Gründe. Ich habe Angst um mein Leben und möchte deshalb in Österreich bleiben. Mein Vater hat auch gesagt, dass ich nicht zurück nach Indien kommen sollte, da für mich dort Gefahr besteht.
LA: Könnten Sie die Grundstücke nicht einfach an Ihren Onkel verkaufen, dann wären die Probleme doch gelöst!?
VP: Der Onkel will diese nicht kaufen, er möchte sie einfach gratis haben.
LA: Was hätten Sie bei einer Rückkehr in Ihr Heimatland zu befürchten?
VP: Ich habe Angst um mein Leben, wie mich mein Onkel bedroht hat. Ich befürchte, dass mein Onkel mit mir streiten wird und es besteht Gefahr. Der Onkel ist auch Alkoholiker und kann man, wenn er betrunken ist, nicht mit ihm reden.
LA: Wie geht es Ihnen gesundheitlich; stehen Sie in medizinischer Behadlung oder nehmen Sie Medikamente ein?
VP: Ich bin gesund, ich nehme keine Medikamente ein und befinde mich nicht in ärztlicher Behandlung.
Die Einvernahme wird um 11.21 Uhr unterbrochen und um 11.40 Uhr fortgesetzt.
LA: Können Sie mir Name und Adresse des Onkels nennen, von dem Sie verfolgt werden?
VP: Der Name meines Onkels ist XXXX . Seine Adresse ist XXXX , das ist dieselbe Adresse die meine Eltern haben.
LA: Wohnt Ihr Onkel an derselben Adresse wie Ihre Eltern?
VP: Er wohnt in demselben Dorf, es gibt dort keine Straßennamen, sondern nur Hausnummern, jene des Hauses meiner Eltern kenne ich, nicht jedoch die meines Onkels. In dem Dorf wohnen rund 800 Personen.
LA: Könnten Sie im Falle einer Rückkehr nicht in Delhi, Hyderabad oder Karimnagar, wo Sie schon gelebt haben, oder in der Großstadt Mumbai Wohnsitz nehmen?
VP: Ja, es gebe eine Möglichkeit, aber ich kann nicht alleine ohne Unterstützung in einer Großstadt leben. Früher habe ich dort studiert und hatte daher die Möglichkeit, in einem Studentenwohnheim zu wohnen.
LA: Sie haben ein abgschlossenes Studium; Sie könnten sich doch dort eine Arbeit suchen!?
VP: Ich habe Angst, dass die Gefahr auch in Großstädten besteht. Wenn ich in Indien bin, werde ich Kontakt zu meiner Familie haben und es gebe auch Gefahr, wenn ich in Großstädten lebe.
Vorh.: Aus den von Ihnen behaupteten Gründen warum Sie Ihr Land verlassen haben ist weder ein Asylstatus noch subsidiäre Schutzberechtigung herzuleiten noch ist jenes Vorbringen dazu geeignet eine begründete Furcht vor Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft zu machen. Was sagen Sie dazu?
VP: Ich möchte nur sagen, dass ich Angst vor der Gefahr, die von meinem Onkel ausgeht, habe, ich möchte freiwillig zurückkehren, wenn sich eine Lösung für das Problem findet.
(...)"
Zu den Lebensumständen in Österreich führte der Beschwerdeführer an, dass er hier keine Verwandten habe. Er sei am 10.09.2014 mit einem Studentenvisum in Österreich eingereist und seither durchgängig in Österreich wohnhaft gewesen. Nach Ablauf des Aufenthaltstitels am 02.09.2017 sei er bis zur Stellung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz am 18.03.2019 illegal aufhältig gewesen. Er habe ein Masterstudium an der TU Wien absolvieren wollen. Er habe dafür einen Deutschkurs besucht, aber die Deutschprüfung nicht bestanden und sei nicht zum Studium zugelassen worden, da das Studentenvisum bereits abgelaufen gewesen sei. Er arbeite nun seit vier Monaten hilfsweise als Zeitungsausträger für einen Bekannten. Außerdem schicke ihm der Vater aus Indien Geld.
Dem Beschwerdeführer wurde am Ende der Einvernahme die Möglichkeit geboten, zu den zuvor übermittelten aktuellen Länderberichten zur Situation in Indien eine Stellungnahme abzugeben. Der Beschwerdeführer gab dazu an, dass es in Indien anders als in Österreich keine Sicherheit gebe.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde innerhalb des Spruches ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.). Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 15b Abs. 1 AsylG vom 18.03.2019 bis 26.03.2019 aufgetragen, in einem namentlich genannten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII.).
Begründend führte die belangte Behörde aus, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen Glauben geschenkt werde, diesen jedoch keine Asylrelevanz zukomme. Auch eine refoulementschutzrechtlich relevante Gefährdung im Falle einer Rückkehr nach Indien sei nicht gegeben. Der Beschwerdeführer erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der nicht überdurchschnittlich langen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von relevanten familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien. (Bei der einmaligen Erwähnung der Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die "Russische Föderation" durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Begründung des angefochtenen Bescheides handelt es sich offensichtliche um einen Schreibfehler). Die Frist für die freiwillige Ausreise von vierzehn Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da besondere Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, nicht gegeben seien. Hinsichtlich der Anordnung der Unterkunftnahme gemäß § 15b AsylG wurde festgehalten, dass diese aus Gründen der zügigen Bearbeitung und wirksamen Überwachung des Antrages auf internationalen Schutz geboten gewesen sei. Diese Anordnung wurde mit Verfahrensanordnung vom 26.03.2019 jedoch aufgehoben, da mangels unmittelbar verfügbarem Dolmetscher in der Muttersprache des Beschwerdeführers eine zügige Bearbeitung des Verfahrens nicht garantiert habe werden können, sowie weiters der Beschwerdeführer seinen Mitwirkungspflichten nachgekommen sei und die Identität festgestanden sei.
4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und wurde nach Wiederholung der Fluchtgründe insbesondere ausgeführt, dass die Beweiswürdigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nicht nachvollziehbar sei und nicht mit dem Protokoll der Einvernahme übereinstimme. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe nur jene Aussagen des Beschwerdeführers verwertet, die der Argumentation der Behörde zuträglich gewesen seien. Es sei "gemein", zu behaupten, dass der Beschwerdeführer in der Hoffnung auf Sozialleistungen nach Österreich gekommen sei, da er freiwillig auf die Grundversorgung verzichtet habe. Aus der Einvernahme gehe hervor, dass die indischen Behörden schutzunwillig oder schutzunfähig seien, was vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl entsprechend zu untersuchen gewesen wäre. Auch Verfolgung durch Privatpersonen könne Asylrelevanz zukommen. Es treffe nicht zu, dass eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe. Der Beschwerdeführer verfüge über kein Auffangnetz in Indien und sei aus seiner Heimat entwurzelt. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei entgegen der Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl glaubwürdig, substantiiert, konsistent und durch die Länderberichte belegt. Das Vorbringen sei asylrelevant bzw. würde eine Abschiebung gegen Art. 2, Art. 3 und Art. 8 EMRK verstoßen.
Beantragt wurden die Beiziehung eines landeskundigen Sachverständigen zur aktuellen Situation in Indien und die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien aus dem Bundesstaat Telangana, gehört der Religionsgemeinschaft der Hindus und der Volksgruppe der Reddy an. Seine Identität steht fest. Er spricht die Sprachen Telugu, Hindi und Englisch. Im Herkunftsstaat besuchte er zehn Jahre die High School, zwei Jahre das Masters Junior College und vier Jahre lang die Universität, wo er den "Bachelor of Technology" erwarb. Danach lernte er Softwareprogrammierung. Zwischen 2011 und 2013 lebte der Beschwerdeführer in Hyderabad und im Jahr 2014 war er in Delhi aufhältig, wo er auch die letzten sechs Monate vor seiner Ausreise in einem Studentenheim wohnte. Die Familie des Beschwerdeführers besitzt ein Eigentumshaus und landwirtschaftliche Grundstücke in Indien. Der Beschwerdeführer wurde und wird von seinem Vater finanziell unterstützt. Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und gesund.
Der Beschwerdeführer reiste am 10.09.2014 legal in das Bundesgebiet ein und verfügte über eine Aufenthaltsbewilligung mit dem Zweck "Studierender", die nach einmaliger Verlängerung bis 02.09.2017 gültig war.
Am 18.03.2019 stellte der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er von seinem Onkel wegen Grundstücksstreitigkeiten bedroht wurde, ist zwar glaubhaft. Es kann jedoch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Indien mit maßgeblicher Intensität und Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale anknüpfende Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer wurde im Jahr 2013 von seinem Vater das Eigentum an den strittigen Grundstücken übertragen. Der Beschwerdeführer wurde zuletzt im Jahr 2014 telefonisch von seinem Onkel bedroht. Auch die Eltern des Beschwerdeführers haben seit 2015 keinen Kontakt mehr zum Onkel. Obwohl der Beschwerdeführer bereits im September 2014 nach Österreich einreiste und seit September 2017 über keinen Aufenthaltstitel in Österreich mehr verfügte, stellte er erst im März 2019 - somit ungefähr fünf Jahre nach der letzten Bedrohung - einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer hatte keine persönlichen Probleme mit den Behörden im Heimatland.
Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstige Familienangehörige in Österreich und spricht schlecht Deutsch. Der Beschwerdeführer nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch. Er arbeitet hilfsweise seit einigen Monaten als Zeitungsausträger und wird finanziell von seinem Vater in Indien unterstützt. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig. Er versuchte ein Studium an der TU Wien zu betreiben, wurde jedoch nicht zugelassen, da er die Deutschprüfung nicht bestand bzw. später der Aufenthaltstitel abgelaufen war. Er ist strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer steht im erwerbsfähigen Alter. Die Eltern sowie weitere Verwandte des Beschwerdeführers leben im Herkunftsstaat, die Schwester lebt in Dubai. Der Beschwerdeführer steht in Kontakt mit seinen Eltern und seiner Schwester.
1.2. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgehalten:
1. Rechtsschutz/Justizwesen
In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig überlange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 18.9.2018). Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Vorurteile z.B. gegenüber Angehörigen niederer Kasten oder Indigenen dürften zudem eine nicht unerhebliche Rolle spielen (AA 18.9.2018).
Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.1.2018). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberstes Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht besteht in jedem Unionsstaat. Es ist Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen und führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates aus, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und nach Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche als auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und, unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2018).
Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und verfügt nicht über moderne Systeme zur Fallbearbeitung. Der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums für 2015 bis 2016 ergab eine Vakanz von 43 Prozent der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 20.4.2018). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 18.9.2018).
Insbesondere auf unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als es der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.1.2018). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70 Prozent aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 18.9.2018).
In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 18.9.2018).
Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Diese Fristen werden regelmäßig überschritten. Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit ("National Security Act", 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit ("Jammu and Kashmir Public Safety Act", 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. (AA 18.9.2018).
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es gibt Fälle, in denen Häftlinge misshandelt werden. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben bspw. 80 Prozent aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein. Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des IKRK Internationales Komitee des Roten Kreuz) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir (AA 18.9.2018).
Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des "Unlawful Activities (Prevention) Amendment Bill", und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 20.4.2018). Gerichte sind verpflichtet Urteile öffentlich zu verkünden und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 20.4.2018).
Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt sein, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein.
Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist, oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 12.2018).
Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 27.1.2018).
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Quellen:
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- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
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- FH - Freedom House (27.1.2018): Freedom in the World 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1142635.html, Zugriff 22.10.2018
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- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
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- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
2. Korruption
Korruption ist weit verbreitet (USDOS 20.4.2018). Indien scheint im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International (TI) für das Jahr 2018 mit einer Bewertung von 41 (von 100) (0 sehr korrupt, 100 kaum korrupt) auf dem 78. Rang von 180 Staaten auf (TI 2018). 2017 wurde Indien mit 40 Punkten (Rang 81 von 180 Staaten) bewertet (TI 2018). Im Jahr 2016 wurde Indien ebenfalls mit 40 Punkten bewertet. Das entspricht dem
79. Rang von 176 gelisteten Staaten (TI 2017).
NGOs berichten, dass üblicherweise Bestechungsgelder bezahlt werden, um Dienstleistungen wie Polizeischutz, Schuleinschreibung, Zugang zu Wasserversorgung oder Beihilfen zu beschleunigen (USDOS 20.4.2018). Die unteren Bereiche des Gerichtswesens sind im Speziellen von Korruption betroffen und die meisten Bürger haben Schwierigkeiten, Recht durch die Gerichte zu erhalten (FH 28.1.2018). Korruption ist auf allen Regierungsebenen vertreten (USDOS 20.4.2018).
Obwohl Politiker und Beamte regelmäßig bei der Entgegennahme von Bestechungsgeldern erwischt werden, gibt es zahlreiche Korruptionsfälle, die unbemerkt und unbestraft bleiben (FH 27.1.2018). Das Gesetz sieht Strafen für Korruption im öffentlichen Dienst vor, in der Praxis kommen Staatsdiener mit korrupten Praktiken häufig straflos davon (USDOS 20.4.2018). Durch das vom Präsidenten im Jahr 2014 unterzeichnete Lok Pal- und Lokayuktas Gesetz wurden unabhängige, staatliche Gremien eingerichtet, an die man Beschwerden wegen korrupter Beamter oder Politiker richten kann und die ermächtigt sind, die Beschwerden zu untersuchen und Verurteilungen vor Gericht zu verfolgen. Obwohl Modi und Angehörige seiner Regierung Unterstützung für das Gesetz signalisiert haben, gibt es wenig Belege dafür, dass es effektiv umgesetzt wird. Das 2005 geschaffene Recht auf Information (RTI) wird vor allem angewandt, um Transparenz zu steigern und korrupte Machenschaften aufzudecken. Seit der Verabschiedung des Gesetzes sind mindestens 65 "Recht auf Informationsaktivisten" ermordet und mehr als 400 angegriffen oder belästigt worden (FH 27.1.2018).
Korruption behindert manchmal auch Regierungsprogramme zur Untersuchung behaupteter Korruption im Regierungsbereich (USDOS 20.4.2018). Im Mai 2015 nahm die Lok Sabha (Volkskammer) Änderungen des Gesetzes zum Schutz von Informanten (Whistleblowers Protection Act) aus 2014 an. Mitglieder der Opposition kritisierten, dass dadurch die ohnehin schon begrenzten Auswirkungen des Gesetzes weiter aufgeweicht würden (FH 27.1.2018).
Gemäß Angaben des Zentrale Untersuchungsbehörde (Central Bureau of Investigation - CBI) unterhält jeder Bundesstaat in Indien mindestens ein Büro unter der Leitung eines Polizeichefs, in welchem Beschwerden per Post, Fax oder persönlich eingereicht werden können. Dabei kann auf Wunsch auch die Identität des Beschwerdeführers geheim gehalten werden. Vom CBI wurden im Untersuchungszeitraum [Anm.: 2016] 673 Korruptionsfälle registriert (CBI o.D.; vgl. USDOS 20.4.2018).
Eine von Transparency International und LocalCircles durchgeführte Umfrage hat ergeben, dass ein Einsatz von Bestechungsgeldern immer noch das effizienteste Mittel darstellt, um die Arbeit von Regierungsstellen abzuwickeln. Die Zahl jener Personen, die zugaben, ein Bestechungsgeld bei Behörden erlegt zu haben, lag 2017 bei 45 Prozent. So hat es einen Anstieg der Bestechung um 11 Prozent gegeben. Kommunale Unternehmen, Grundbuchabteilungen, wie auch Polizeidienststellen stellen dabei die korruptionsanfälligsten Regierungsstellen dar (IT 11.10.2018).
Der Bericht mit dem Titel India Corruption Survey 2018 besagt, dass 58 Prozent der Bürger angeben, dass ihre Staaten über keine Anti-Korruptions-Helpline verfügen, während bis zu 33 Prozent angaben, dass sie sich nicht über das Vorhandensein einer solchen Hotline in ihren Staaten im Klaren seien (ICS 2018).
Einzelpersonen - oder NGOs im Namen von Einzelpersonen oder Gruppen - können sogenannte Rechtsstreitpetitionen von öffentlichem Interesse ("Public interest litigation petitions") bei jedem Obersten Gericht oder direkt beim Obersten Bundesgericht, dem "Supreme Court" einbringen, um rechtliche Wiedergutmachung für öffentliche Rechtsverletzungen einzufordern. Diese Beschwerden können Verstöße gegen staatliche Aufgaben durch einen Regierungsangestellten oder eine Verletzung von Verfassungsbestimmungen sein. NGOs schätzen diese Anträge sehr, um Regierungsangehörige gegenüber zivilgesellschaftlichen Organisationen für Korruption und Parteilichkeit, zur Rechenschaft zu ziehen (USDOS 20.4.2018).
Quellen:
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- CBI (o.D.): Join us in Fighting Corruption, http://www.cbi.gov.in/contact.php, Zugriff 7.11.2018
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- FH - Freedom House (27.1.2018): Freedom in the World 2018 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1142635.html, Zugriff 22.10.2018
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- ICS - India Corruption Survey 2018 (11.10.2018): India Corruption Survey 2018: 56% Indians admit to paying bribes for citizen services as most states failed to put redressal mechanisms in place,
https://www.localcircles.com/a/press/page/india-corruption-survey-2018, Zugriff 7.11.2018
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- IT - India Times (11.10.2018): Bribery records 11 per cent growth in one year, finds survey, https://www.indiatoday.in/india/story/56-per-cent-paid-bribe-in-last-one-year-91-per-cent-don-t-know-about-anti-corruption-helpline-survey-1360392-2018-10-11, Zugriff 7.11.2018
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- TI - Transparency International (2019): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, Zugriff 30.1.2019
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- TI - Transparency International (2018): Corruption Perceptions Index 2017,
https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2017#regional, Zugriff 7.11.2018
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- TI - Transparency International (2017): Corruption Perceptions Index 2016,
https://www.transparency.org/news/feature/corruption_perceptions_index_2016, Zugriff 7.11.2018
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- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
3. Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung, und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 20.4.2018). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 18.9.2018).
Die Regierung lockerte Einschränkungen für ausländische Reisende in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen (USDOS 20.4.2018).
Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 18.9.2018).
In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten ("high profile" persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen ("low profile" people) (ÖB 12.2018).
Quellen:
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- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
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- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
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- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018
4. Meldewesen
Noch gibt es in Indien kein nationales Melde- bzw. Staatsbürgerschaftsregister. Die Regierung verfolgt seit einigen Jahren ein nationales Projekt zur Registrierung der Staatsbürger, und damit verbunden wird die Ausstellung von Personalausweisen ("Aadhar Card") sein. Von der Realisierung dieses Projektes ist man trotz einiger Vorarbeit aber noch weit entfernt. Es gibt kein Meldewesen in Indien (ÖB 12.2018; vgl. AA 18.9.2018).
Quellen:
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- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien
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- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018):
Asylländerbericht Indien - Arbeitsversion
5. Grundversorgung und Wirtschaft
In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung zum Großteil gewährleistet. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 12.2018).
Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und in 2017/18 bei 6,75 Prozent mit wieder steigender Tendenz. Indien zählt damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (AA 11.2018a).
2016 lag die Erwerbsquote laut Schätzungen der ILO bei 55,6 Prozent. Der Hauptteil der Menschen arbeitet im Privatsektor. Es gibt immer noch starke Unterschiede bei der geschlechtlichen Verteilung des Arbeitsmarktes. Indien besitzt mit 478,3 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Jährlich kommen 12,8 Millionen Arbeitskräfte hinzu. Im Jahr 2015 lag die Arbeitslosenquote bei 3,4 Prozent (nach ILO 2016) (BAMF 3.9.2018).
Schätzungen zufolge stehen nur circa 10 Prozent aller Beschäftigten in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 90 Prozent werden dem sogenannten "informellen Sektor" zugerechnet - sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 11.2018a). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,4 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 11.2018a).
Die Regierung hat überall im Land rund 1.000 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 3.9.2018; vgl. PIB 23.7.2018). Das Nationale Mahatma Gandhi Beschäftigungsgarantieprogramm für die ländliche Bevölkerung (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act, MGNREGA), läuft bis 2019. Das Ziel des laufenden Programms besteht darin, die ländliche Infrastruktur zu verbessern, die Land- und Wasserressourcen zu vergrößern und der armen Landbevölkerung eine Lebensgrundlage zu bieten: Jedem Haushalt, dessen erwachsene Mitglieder bereit sind, manuelle Arbeiten zu verrichten, welche keiner besonderen Qualifikation bedarf, wird mindestens 100 Tage Lohnarbeit pro Haushaltsjahr garantiert (SNRD 26.3.2018). Einige Staaten in Indien geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 3.9.2018).
Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund
1.970 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 130 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 11.2018a).
Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb