TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/8 W166 2206970-1

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Veröffentlicht am 08.11.2019
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Entscheidungsdatum

08.11.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
VOG §1
VOG §2

Spruch

W166 2206970-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und die Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Michael SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien , vom 17.08.2018, betreffend die Abweisung des Antrages vom 16.10.2017 auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form der Übernahme der Kosten für eine psychotherapeutische Krankenbehandlung und von Selbstbehalten, Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld sowie des Ersatzes von Verdienstentgang zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 16.10.2017 einen Antrag auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form der Übernahme der Kosten für eine psychotherapeutische Krankenbehandlung und von Selbstbehalten, Gewährung einer Pauschalentschädigung für Schmerzengeld sowie des Ersatzes von Verdienstentgang nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (in der Folge: belangte Behörde). Antragsbegründend gab sie an, am 02.08.2017 von einem drogensüchtigen Mann schwer beraubt und mit einer Drogenspritze in den Daumen gestochen worden zu sein.

Die Beschwerdeführerin legte die Anzeigebestätigung sowie ihre Zeugeneinvernehmung vom 03.08.2017, ein Krankmeldungsschreiben vom 28.09.2017, eine fachärztliche Stellungnahme aus dem Bereich der Psychiatrie vom 28.09.2017 und Lohnzettel aus den Monaten Juli und August 2017 vor.

Aus dem fachärztlichen Befund vom 28.09.2017 geht hervor, dass die Beschwerdeführerin seit 2011 an einer depressiven Störung, die sich zuletzt remittiert gezeigt habe, leide. Der Überfall habe eine neue depressive Episode ausgelöst. Fraglich sei, ob eine posttraumatische Belastungsstörung vorliege.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom 17.01.2018, XXXX , wurde der Täter wegen der Begehung des Verbrechens des versuchten schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall, 15 StGB verurteilt, wobei er unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB) stand und wurde er gemäß § 21 Abs. 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, unter Setzung einer Probezeit in der Dauer von zehn Jahren bedingt nachgesehen, eingewiesen.

Zur Beurteilung möglicher Anspruchsvoraussetzungen nach dem Verbrechensopfergesetz holte die belangte Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten aus dem Fachbereich der Psychiatrie und Neurologie vom 12.05.2018, basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 07.05.2018, ein.

In dem Gutachten führte die fachärztliche Sachverständige zu den von der Behörde an sie gerichteten Fragen im Wesentlichen aus, dass die Beschwerdeführerin aktuell an einer ängstlich vermeidenden Persönlichkeitsakzentuierung, rezidivierenden depressiven Störung (aktuell mittelgradige Episode), vertebragenem Schmerzsyndrom als rechtsseitige L5 Lumboischialgie ohne radikuläre Symptomatik und an einem funktionellen Tremor - rechte Hand leidet. Es bestehe kein kausaler Zusammenhang zwischen den festgestellten Gesundheitsschädigungen und dem Überfall vom 02.08.2017.

Als Begründung führte die Sachverständige näher aus:

"Die Beschwerden bestehen, laut vorgelegter Bestätigung des XXXX als rezidivierende depressive Episoden zumindest seit 2011.

Menschen mit Persönlichkeitsakzentuierungen werden im Allgemeinen im Alltagsleben durch lebensüberdauernde, starre Copingmechanismen mit oftmals unangepassten und überschießenden Reaktionen behindert. Diese Aktionsmuster werden bereits in der Pubertät ausgebildet und bleiben im Laufe des Lebens konstant.

Aufgrund der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsakzentuierung hat Frau XXXX bereits in der Vergangenheit bei belastenden sozialen und familiären Situationen wie z.B. Übersiedlung in eine neue Wohnung, Probleme mit ihrem Sohn mit einer Lebenskrise im Sinne einer depressiven Episode reagiert. Im Vordergrund ihrer Ängste steht die Sorge um die Ausbildung ihres Sohnes und materielle Einbußen, welche sie durch den Wegfall des Kindergeldes und Altersteilzeit befürchtet.

Die Frage, ob der erlebte Überfall als wesentliche Ursache die depressive Krise ausgelöst hat, muss verneint werden. Die Probleme mit ihrem Sohn und materielle Sorgen bestehen weiterhin als vordergründige Auslöser der Gesundheitsverschlechterung.

...

Frau XXXX reagiert auf viele Lebenskrisen und Probleme im Alltagsleben, wie im Punkt 2 ausgeführt, mit Verschlechterung ihres psychischen Zustands - einer depressiven Episode."

In dem der Beschwerdeführerin dazu gewährten Parteiengehör erhob die Beschwerdeführerin keine Einwendungen.

Mit Bescheid vom 17.08.2018 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin vom 16.10.2017 ab und stützte sich begründend auf das im Ermittlungsverfahren eingeholte fachärztliche Sachverständigengutachten, wonach zwischen den festgestellten Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin und dem Vorfall vom 02.08.2017 kein kausaler Zusammenhang bestehe.

Mit E-Mail vom 28.09.2018 erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch den Weissen Ring, dagegen das Rechtsmittel der Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus, dass gerade Personen mit psychologischen bzw. psychiatrischen Vorerkrankungen auf weitere psychische Traumatisierungen außergewöhnlich stark reagieren würden. Der Vorfall am 02.08.2017 stelle für die Beschwerdeführerin ein besonders starkes traumatisierendes Ereignis dar und sei es dem Menschen, wenn er so etwas erlebe, meist nicht mehr möglich, die vorhandenen und erlernten Copingstrategien anzuwenden und er erreiche einen Zustand der völligen Verzweiflung und Hilflosigkeit. Dass sich Existenzängste und Sorgen vorrangig in dieser Phase von Unsicherheit und Verletzlichkeit äußern, sei als verständlich und normal anzusehen. Diese Ängste würden bei der Beschwerdeführerin jedoch als im Vordergrund stehend bewertet und daraus geschlossen, dass kein kausaler Zusammenhang zwischen dem Vorfall vom 02.08.2017 und der Gesundheitsschädigung bestehe.

Die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 04.10.2018 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin.

Die Beschwerdeführerin leidet an einer rezidivierenden depressiven Störung und befindet sich seit 2011 in Behandlung im sozialpsychiatrischen Ambulatorium XXXX .

Sie wurde am 02.08.2017 Opfer einer zum Entscheidungszeitpunkt mit mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung, indem sie Opfer eines versuchten Raubes wurde. Die Beschwerdeführerin wurde im Zuge des Überfalles vom Täter mit einer Spritze in den Finger gestochen.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen aktuell folgende Gesundheitsschädigungen:

-

Ängstlich vermeidende Persönlichkeitsakzentuierung

-

Rezidivierende depressive Störung, aktuell mittelgradige Episode

-

Vertebragenes Schmerzsyndrom als rechtsseitige L5 Lumboischialgie ohne radikuläre Symptomatik

-

Funktioneller Tremor - rechte Hand

Eine Testung auf eine mögliche HIV-Infektion verlief negativ.

Die Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin sind nicht kausal auf das Verbrechen zurückzuführen.

Als vordergründige Auslöser der Gesundheitsverschlechterung stehen Probleme mit ihrem Sohn und materielle Sorgen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur österreichischen Staatsbürgerschaft beruht auf einem dem Verwaltungsakt einliegenden Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Dass die Beschwerdeführerin am 02.08.2017 Opfer einer mit mehr als sechs Monate Freiheitsstrafe bedrohten Straftat wurde, ist aus den vorgelegten Unterlagen zum dies betreffend geführten Strafakt (Anzeigebestätigung, Zeugenvernehmung und Hauptverhandlungsprotokoll samt Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX ) ersichtlich.

Die Feststellung zu den aktuellen Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin, basiert auf dem von der belangten Behörde eingeholten fachärztlichen Sachverständigengutachten aus dem Bereich der Psychiatrie und Neurologie vom 12.05.2018, welches basierend auf der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 07.05.2018 und unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten fachärztlichen Stellungnahme vom 28.09.2017 sowie der eingeholten Krankenunterlagen des die Beschwerdeführerin nach dem Überfall erstversorgenden Krankenhauses erstellt wurde.

Den von der Verwaltungsbehörde eingeholten und im vorgelegten Verwaltungsakt einliegenden Krankenunterlagen der Beschwerdeführerin ist zu entnehmen, dass eine HIV-Testung negativ verlief.

Dass die Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin nicht kausal auf den Raub vom 02.08.2017 zurückzuführen sind, ergibt sich ebenfalls aus dem eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 12.05.2018.

Darin führte die Sachverständige schlüssig und nachvollziehbar aus, dass die Beschwerden - laut der vorgelegten Bestätigung - als rezidivierende depressive Episode zumindest seit 2011 bestehen. Menschen mit Persönlichkeitsakzentuierungen werden im Allgemeinen im Alltagsleben durch lebensüberdauernde, starre Copingmechanismen mit oftmals unangepassten und überschießenden Reaktionen behindert. Diese Aktionsmuster werden bereits in der Pubertät ausgebildet und bleiben im Laufe des Lebens konstant. Aufgrund der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsakzentuierung hat die Beschwerdeführerin bereits in der Vergangenheit bei belastenden sozialen und familiären Situationen wie zum Beispiel eine Übersiedelung in eine neue Wohnung oder bei Problemen mit ihrem Sohn mit einer Lebenskrise im Sinne einer depressiven Episode reagiert. Im Vordergrund ihrer Ängste steht die Sorge um die Ausbildung ihres Sohnes und materielle Einbußen, welche sie durch den Wegfall des Kindergeldes und Altersteilzeit befürchtet.

Die Probleme mit ihrem Sohn und materielle Sorgen bestehen weiterhin als vordergründige Auslöser der Gesundheitsverschlechterung.

Der vorgelegten fachärztlichen Stellungnahme des sozialpsychiatrischen Ambulatoriums XXXX vom 28.09.2017 ist zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin seit 2011 wegen einer depressiven Störung in Behandlung steht.

Voraussetzung für eine Hilfeleistung nach dem VOG ist vor allem, dass das Opfer einer zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten hat. Demgemäß muss die Gesundheitsschädigung kausal auf die erlittene Handlung zurückzuführen sein.

Die Beschwerdeführerin litt jedoch nachweislich bereits vor dem Vorfall vom 02.08.2017 an depressiven Störungen und führt die fachärztliche Sachverständige in ihrem Gutachten vom 12.05.2018 für das erkennende Gericht nachvollziehbar aus, dass der Raub keine wesentliche Ursache des aktuellen Leidenszustandes der Beschwerdeführerin darstellt.

Das eingeholte fachärztliche Sachverständigengutachten vom 12.05.2018 ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts schlüssig und stimmt mit den im Verwaltungsakt einliegenden medizinischen Unterlagen überein.

Diesem Ergebnis trat die Beschwerdeführerin weder im dazu erfolgten Parteiengehör (mangels Erstattung einer Stellungnahme), noch in der gegenständlich erhobenen Beschwerde entgegen. Die in der Beschwerde erwähnte Notwendigkeit der Inanspruchnahme einer Psychotherapie mag auf die Beschwerdeführerin zwar zutreffend sein, stellt jedoch keine alleinige Anspruchsvoraussetzung für Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz dar. In der Beschwerde wird hingegen auch von "psychologischen bzw. psychiatrischen Vorerkrankungen" gesprochen, die bereits bei der Beschwerdeführerin vor dem Vorfall vom 02.08.2017 vorhanden waren.

Eine Kausalität zu der am 02.08.2017 erlittenen strafbaren Handlung war demnach zu verneinen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 9d Abs. 1 Verbrechensopfergesetz (VOG), BGBl. Nr. 288/1972 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit gegenständlich Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Zu A)

Gemäß § 1 Abs. 1 VOG haben österreichische Staatsbürger Anspruch auf Hilfe, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.

Nach § 2 VOG sind als Hilfeleistungen unter anderem vorgesehen:

1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges

2. Heilfürsorge

a) Ärztliche Hilfe,

b) Heilmittel

c) Heilbehelfe

d) Anstaltspflege

e) Zahnbehandlung

f) Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (§ 155 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955

...

4. medizinische Rehabilitation

...

5. berufliche Rehabilitation

...

6. soziale Rehabilitation

...

10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 23.5. 2002, ZI. 99/09/0013 und vom 26.01.2012, ZI. 2011/09/0113) dargelegt hat, ist bei der Kausalitätsbeurteilung von der Theorie der "wesentlichen Bedingung" auszugehen. Danach ist es für eine solche Bedingtheit - dann, wenn die festgestellte Gesundheitsschädigung auf mehrere Ursachen, darunter auch ein vom Gesetz erfasstes schädigendes Ereignis zurückgehen könnte - erforderlich, dass das in Betracht kommende schädigende Ereignis eine wesentliche Ursache der Schädigung ist. Dies ist das Ereignis dann, wenn es nicht im Hinblick auf andere mitwirkende Ursachen erheblich in den Hintergrund tritt. Nur jene Bedingung, ohne deren Mitwirkung der Erfolg überhaupt nicht oder nur zu einem erheblich anderen Zeitpunkt oder nur in geringerem Umfang eingetreten wäre, ist wesentliche Bedingung. Die Beurteilung der Wesentlichkeit einer Bedingung (mittels der genannten Theorie) ist keine Sachverhalts-, sondern eine Rechtsfrage.

Für die Auslegung des Begriffes "wahrscheinlich" ist der allgemeine Sprachgebrauch maßgebend. Wahrscheinlichkeit ist gegeben, wenn nach der geltenden ärztlich wissenschaftlichen Lehrmeinung erheblich mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. VwGH 21.11.2013, 2011/11/0205).

Im gegenständlichen Fall wurde die Kausalitätsbeurteilung gemäß der Rechtsprechung des VwGH mit Hilfe einer Fachärztin aus dem Bereich der Psychiatrie und Neurologie vorgenommen (vgl. etwa zuletzt VwGH 26.4.2018, Ra 2018/11/0072, mwN) und liegt eine Kausalität zwischen den Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin und dem strafrechtlich relevanten Vorfall vom 02.08.2017 im Sinne der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht vor.

Die Beschwerdeführerin litt bereits vor dem Vorfall an einer psychischen Gesundheitsschädigung in der Form eines depressiven Krankheitsbildes und kann damit der Vorfall vom 02.08.2017 kein dafür auslösendes Ereignis darstellen.

Mangels Vorliegen einer der zwingenden Anspruchsvoraussetzung nach dem Verbrechensopfergesetz wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin zu Recht ab und war der Beschwerde daher keine Folge zu leisten und damit spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Weiters kann das Verwaltungsgericht gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall galt es zu klären, ob die aktuell bestehenden Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin kausal auf die zweifelsfrei erlittene strafbare Handlung zurückzuführen ist und war es zur Beurteilung dieser Kausalität erforderlich einen Sachverständigenbeweis einzuholen. Aus dem verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahren lag dem Bundesverwaltungsgericht bereits ein medizinisches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vor, welches vom erkennenden Gericht als nachvollziehbar, widerspruchsfrei und schlüssig befunden wurde und wogegen die Beschwerdeführerin keine substantiierten Einwendungen erhob.

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf die Rechtsprechung des VwGH zu verweisen, wonach die Durchführung einer beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG unterbleiben kann, wenn der Ausgang des vorliegenden Verfahrens vor allem vom Ergebnis der Gutachten medizinischer Sachverständiger abhängt und der Beschwerdeführer auch gar nicht behauptet, dass er den von der Behörde eingeholten Gutachten mit einem von ihm eingeholten Gutachten entgegengetreten sei (VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit Verweis auf Rsp des EGMR).

Im gegenständlichen Fall wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Übrigen weder von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde noch von der belangten Behörde beantragt.

Vor dem Hintergrund, dass der Sachverhalt dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde zu entnehmen war, sohin der entscheidungsrelevante Sachverhalt geklärt war und in der Beschwerde keine Rechts- oder Tatfragen von einer solchen Art aufgeworfen wurden, deren Lösung eine mündliche Verhandlung erfordert hätte, war eine mündliche Verhandlung im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. zuletzt VwGH vom 17.02.2015, Zl. Ra 2014/09/0007, mwN) nicht geboten. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall ist damit nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG), weil dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Gesundheitsschädigung, Kausalität, Sachverständigengutachten,
Schmerzengeld, VerbrechensopferG, Verdienstentgang

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W166.2206970.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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