TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/11 W124 2149945-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.11.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

11.11.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §57
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W124 2149945-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX , StA.: Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX zu Recht:

A) Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG

behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am XXXX in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am XXXX vor dem Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen.

1.2. Mit Bescheid des Bundesasylamts vom XXXX , wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 Asyl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs, 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 FPG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG 2005, BGBl. Nr. 100/2005 erlassen. Gleichzeitig wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.) und wurde gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG dem BF eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Punkt. IV.).

1.3. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom XXXX XXXX , als unbegründet ab.

1.4. Am XXXX wurde der BF einer Personenkontrolle gemäß § 35 SPG unterzogen. Auf Grund der Feststellung eines aufrechten Festnahmeauftrages gem. § 34 Abs. 1 Z 2 BFA-VG wurde dieser in das PAZ XXXX überstellt. In der Folge wurde der BF am XXXX aus der Haft entlassen.

1.5. Im Zuge der mit dem BF am XXXX aufgenommenen Niederschrift wurde dieser darauf hingewiesen, dass der von ihm eingebrachte Antrag auf internationalen Schutz bereits rechtskräftig negativ abgeschlossen worden sei. Er habe weder politische noch strafrechtliche Probleme, sondern nur solche mit seinem Onkel. Die Frage nach seinen Dokumenten beantworte dieser damit, dass er nie solche besessen habe und mit Hilfe eines Schleppers nach Russland gelangt sei.

In der Folge wurde der BF darauf hingewiesen, dass dieser trotz seines in zweiter Instanz rechtskräftig negativ abgeschlossenen Verfahrens, seiner freiwilligen Ausreise nicht nachgekommen sei. Festgestellt wurde, dass der BF im Bundesgebiet behördlich gemeldet sei. Dieser wurde daraufhin verständigt, dass er entlassen werde, im Verfahren aber mitwirken müsse, andernfalls die Schubhaft gegen den BF zur Sicherung des Verfahrens verhängt werden müsse.

1.6. Im Zuge einer fremdenrechtlichen Kontrolle wurde der BF am XXXX in ein Polizeianhaltezentrum (PAZ) eingeliefert. Begründet wurde dies damit, weil gegen ihn ein negatives Asylverfahren bestehen und ein Heimreisezertifikat ausständig sein würde.

Im Zuge der mit ihm am selbigen Tag aufgenommenen Niederschrift führte dieser aus, dass er 3,5 Jahre vom Staat nichts genommen habe. Erst jetzt habe er sich einen Rechtsanwalt genommen, weil er noch Probleme in Indien haben würde.

Er würde über Barmittel in der Höhe von 20 Euro verfügen und aus der Grundversorgung einen Teil der Miete bezahlt bekommen. Vor der Grundversorgung habe ihn sein Freund ausgeholfen. Für das Befüllen mit Zeitungen habe er 20 Euro bekommen.

Ein Personaldokument habe er nie besessen. Er sei geschieden und würde er eine Tochter haben, zu der er keinen Kontakt habe. In Österreich habe er keine Familienangehörigen. Zu seinen Eltern würde kein Kontakt bestehen. Zwar habe er einen Bruder gehabt, doch sei dieser verstorben.

Die Frage, ob er Österreich verlassen würde beantwortete dieser damit, dass es ihm in Österreich gut passen würde. Sobald er sehen würde, dass es in Indien keine Probleme gebe, würde er Österreich selbständig verlassen.

Im Anschluss wurden die für die Erlangung eines Heimreisezertifikates notwendigen Dokumente mit Hilfe eines Dolmetschers ausgefüllt.

Im Anschluss an die mit dem BF aufgenommenen Niederschrift wurde dieser entlassen, da die für die Schubhaft notwendigen Voraussetzungen nicht vorliegen würden.

1.7 Mit Mandatsbescheid vom XXXX wurde dem BF gemäß § 57 Absatz. 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig in einer näher bezeichneten Betreuungseinrichtung Unterkunft zu nehmen. Dieser Verpflichtung habe er innerhalb von drei Tagen nachzukommen.

1.8 In der dagegen eingebrachten Vorstellung wurde im Wesentlichen eingewendet, dass kein Bedarf dafür ersichtlich sein würde den in einem gesicherten Quartier wohnhaften BF in einer Betreuungseinrichtung unterzubringen, die sich abseits der urbanen Infrastruktur befinde und es keine Möglichkeiten für sinnvolle Arbeit, Bildung, Sport oder anderweitige Beschäftigung geben würde. Das vom BF entwickelte Privat-, und Familienleben könne er in der Betreuungsstelle Tirol nicht fortsetzten. Die belangte Behörde habe nicht darzulegen vermögen, warum dies verhältnismäßig sein würde. Aus diesem Grunde stelle sich die Möglichkeit einer freiwilligen Rückkehr derzeit nicht. Besuche im Quartier XXXX würden nicht möglich und vorgesehen sein. Tatsächlich würde es keine Erlaubnis für Besuche in dieser Betreuungsstelle geben. Die Aufforderung zur Wohnsitznahme würde auch im konkreten Fall darauf abzielen den Rechtsmittelwerber aus seinem sozialen Umfeld herauszureißen. Die Behörde versuche in derartigen Entscheidungen den Betreffenden stets möglichst weit von seinem gewohnten Umfeld "unterzubringen".

Für einen derartig schweren Eingriff würde es keinen Grund geben. Der "Mandatsbescheid" würde in verfassungsrechtlich geschützte Grundrechte des Rechtsmittelwerbers eingreifen.

1.9 Mit Schreiben vom XXXX wurde dem BF das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht.

Festgehalten wurde dabei, dass gegen den BF eine Wohnsitzauflage in Form eines Mandatsbescheides erlassen wurde. Der BF wurde aufgefordert binnen 3 Tagen an der im Bescheid angegebenen Adresse vorstellig zu werden. Am XXXX habe der BF eine Vorstellung dagegen eingebracht.

Bereits mit XXXX wurde das Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen. Einer Ausreiseverpflichtung sei der BF bis dato nicht nachgekommen. In der Folge wurde der BF aufgefordert Fragen zu seinen persönlichen Verhältnissen bzw. den dazugehörigen Belegen zu beantworten.

1.10 In einer diesbezüglichen Stellungnahme führte der BF aus, dass er geschieden sein würde und seine Ex-Ehefrau in Indien lebe. Er würde keine Kinder haben und keiner Beschäftigung nachgehen, weil er keine Dokumente habe.

Zu seinen Familienverhältnissen führte der BF aus, dass er keine Familienangehörige in Österreich habe und seine Eltern bzw. Schwester nach wie vor in Indien leben würden, er aber keinen Kontakt zu diesen habe würde und nicht wisse, wo diese wohnen würden.

Er würde über keine Identitätsnachweise verfügen und sei nicht bei der indischen Botschaft gewesen. Er würde nicht zurückkehren können, da er in Indien sehr viele Probleme haben würde. Er wolle sich in Österreich integrieren und halte sich seit 5 Jahren durchgehend in Österreich auf.

1.11. Mit dem nunmehr angefochtenen (Vorstellungs-)Bescheid vom XXXX wurde dem BF gem. § 57 Abs. 1 FPG aufgetragen, bis zu seiner Ausreise durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung XXXX zu nehmen und dieser Verpflichtung unverzüglich nachzukommen (Spruchpunkt I.). Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen (Spruchpunkt II.).

Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass der BF nicht ausgereist sei und sich nach wie vor - entgegen der rechtskräftig gewordenen Entscheidung und der damit aufgetragenen Ausreiseverpflichtung im Bundesgebiet- aufgehalten habe. Über die Zulässigkeit eines Eingriffs in das Privat-, und Familienleben sei in der Rückkehrentscheidung ausführlich abgesprochen worden und die Abschiebung nach Indien für zulässig erklärt worden. Die Entscheidung sei durchsetzbar und am XXXX rechtskräftig geworden. Da die Abschiebung nach Indien für zulässig erklärt worden sei, sei die Wohnsitzauflage als weniger intensiver Eingriff zulässig. Da sich der BF vehement weigere der ihm aufgetragenen Ausreiseverpflichtung nachzukommen, sei die Verhängung der Wohnsitzauflage im Falle des BF notwendig. Diese stelle nur einen geringfügigen Eingriff in das Privatleben gem. Art 8 EMRK dar.

Auf Grund der Darlegung des Privat-, und Familienlebens sowie der Tatsache, dass der BF sich strikt weigern würde, der ihm persönlich durch rechtskräftige Entscheidung auferlegten Ausreiseverpflichtung nachzukommen, sei nicht davon auszugehen, dass der BF eine wesentliche integrative Bindung zu Österreich haben würde. Der BF würde sich vehement weigern die ihm auferlegte Ausreiseverpflichtung zu erfüllen und zeige so seine Einstellung gegenüber den Gesetzen und Vorschriften in Österreich. Die Wohnsitzverpflichtung stelle einen wesentlichen geringeren Eingriff dar, als die rechtskräftig für zulässig erklärte Abschiebung. Somit stehe den persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich die daraus resultierende Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen gegenüber. Das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie eines geordneten Vollzugs des Fremdenwesens überwiege jedenfalls, zumal er sich vehement weigern würde, die ihm rechtskräftig auferlegte Ausreiseverpflichtung zu erfüllen. Der Eingriff in sein Recht auf Privatleben nach Art. 8 Abs. 1 EMRK sei verhältnismäßig gerechtfertigt und auf Grund seiner vehementen Weigerung auszureisen, in seinem konkreten Fall auch notwendig.

Werde eine Verbindlichkeit zu einer Leistung oder Herstellung eines Zustandes ausgesprochen, so sei gemäß § 59 Abs. 2 AVG zugleich eine angemessene Erfüllungspflicht festzulegen. Da dem BF bereits mit dem Mandatsbescheid eine Leistungserfüllungsfrist eingeräumt worden sei und der Vorstellung keine aufschiebende Wirkung zukomme, habe der BF weiterhin die Verpflichtung auch ab Zustellung des Vorstellungsbescheides zu erfüllen.

Im Falle des BF würde die aufschiebende Wirkung der Beschwerde auf Grund eines überwiegenden öffentlichen Interesses am sofortigen Vollzug des Bescheides ausgeschlossen. Dies würde dadurch indiziert, dass der Gesetzgeber im Falle einer Wohnsitzauflage zunächst die Erlassung eines Mandatsbescheides vorsehe. Angesichts des Zwecks der Wohnsitzauflage im Hinblick auf die Ausreise in Erfüllung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme würden daher jedenfalls die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug dieses Bescheides überwiegen.

1.12 Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der BF ist nach eigenen Angaben Staatsangehöriger von Indien, gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh an und stammt aus dem Bundesstaat Punjab in Indien. Die Identität des BF steht nicht fest.

1.2. Der BF stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom Bundesasylamt mit Bescheid vom XXXX abgewiesen wurde. Seit einer darauffolgenden Abweisung der Beschwerde mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX besteht gegen den BF eine rechtskräftige Ausweisung.

Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung bislang nicht nach. Die 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise ist verstrichen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen stützen sich auf den Inhalt der Akten des BFA sowie des BVwG.

2.1. Mangels Vorliegens eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokumentes oder eines sonstigen unbedenklichen Bescheinigungsmittels im Original steht die Identität des BF nicht fest.

2.2. Die Feststellungen zum Aufenthalt des BF in Österreich, zum Ausgang des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz, zum Bestehen einer Ausweisung und zum Verbleib in Österreich nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides

3.1.1. Rechtliche Grundlagen:

§ 57 FPG lautet auszugsweise:

"Wohnsitzauflage

§ 57. (1) Einem Drittstaatsangehörigen, gegen den eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde und dessen Aufenthalt im Bundesgebiet nicht geduldet (§ 46a) ist, kann aufgetragen werden, bis zur Ausreise in vom Bundesamt bestimmten Quartieren des Bundes Unterkunft zu nehmen, wenn

1. keine Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 gewährt wurde oder

2. nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise gemäß § 55 bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

(2) Bei der Beurteilung, ob bestimmte Tatsachen gemäß Abs. 1 Z 2 vorliegen, ist insbesondere zu berücksichtigen, ob der Drittstaatsangehörige

1. entgegen einer Anordnung des Bundesamtes oder trotz eines nachweislichen Angebotes der Rückkehrberatungsstelle ein Rückkehrberatungsgespräch (§ 52a Abs. 2 BFA-VG) nicht in Anspruch genommen hat;

2. nach Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise seinen Wohnsitz oder den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts gewechselt und das Bundesamt davon nicht in Kenntnis gesetzt hat;

3. an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen im Sinne der § 46 Abs. 2 und 2a nicht mitwirkt;

4. im Rahmen des Asylverfahrens, des Verfahrens zur Erlassung der Rückkehrentscheidung oder des Rückkehrberatungsgesprächs erklärt hat, seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen zu wollen;

5. im Asylverfahren oder im Verfahren zur Erlassung der Rückkehrentscheidung über seinen Herkunftsstaat oder seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht hat.

(3) [...]

(4) Die Verpflichtungen des Drittstaatsangehörigen aufgrund einer Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ruhen, wenn und solange

1. die Rückkehrentscheidung gemäß § 59 Abs. 6 oder die Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 12a Abs. 4 AsylG 2005 vorübergehend nicht durchführbar

2. sein Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 46a geduldet oder

3. ihm die persönliche Freiheit entzogen ist.

(5) Wird eine Rückkehrentscheidung gemäß § 60 Abs. 3 gegenstandslos oder tritt eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 4 außer Kraft, tritt auch die Wohnsitzauflage außer Kraft.

(6) Die Wohnsitzauflage gemäß Abs. 1 oder Abs. 3 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) anzuordnen. In diesem sind dem Drittstaatsangehörigen auch die Folgen einer allfälligen Missachtung zur Kenntnis zu bringen."

§ 46 FPG lautet auszugsweise:

"[...]

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat - vorbehaltlich des Abs. 2a - bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

[...]"

3.1.2. Aus den Erläuterungen zum FRÄG 2017 betreffend § 57 FPG ergibt sich auszugsweise Folgendes:

"[...] Die Erlassung einer Wohnsitzauflage soll dabei nicht systematisch erfolgen, sondern hat jedenfalls abhängig von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu ergehen. Dabei sind insbesondere der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie Art. 8 EMRK - insbesondere im Hinblick auf das Bestehen familiärer Strukturen, die Wahrung der Familieneinheit und die besonderen Bedürfnisse von Minderjährigen auch im Sinne der Jugendwohlfahrt - zu berücksichtigen. Die Wohnsitzauflage soll daher als ultima ratio nur dann angeordnet werden, wenn der Drittstaatsangehörige seiner Verpflichtung zur Ausreise bislang nicht nachgekommen ist und aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls anzunehmen ist, dass er auch weiterhin seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 1:

[...]

Die zweite Konstellation soll auch jene Fälle umfassen, in denen zwar eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wurde, der Drittstaatsangehörige aber nicht innerhalb der Frist ausgereist ist und anzunehmen ist, dass er seiner Ausreiseverpflichtung auch weiterhin nicht nachkommen wird.

[...]

Zu Abs. 2:

In Abs. 2 werden jene Tatsachen näher definiert und demonstrativ aufgezählt, welche im Sinne des Abs. 1 Z 2 die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung weiterhin nicht nachkommen wird.

Ein Hinweis auf die mangelnde Bereitschaft zur Ausreise ist naturgemäß dann gegeben, wenn der Drittstaatsangehörige selbst angibt, dass er nicht bereit ist, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen. Es kann des Weiteren davon ausgegangen werden, dass er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird, wenn er ein ihm angebotenes oder angeordnetes Rückkehrberatungsgespräch zum Zweck der freiwilligen Ausreise nicht wahrnimmt. Ebenso wird davon auszugehen sein, dass der Drittstaatsangehörige nicht bereit ist auszureisen, wenn er während einer gewährten Frist zur freiwilligen Ausreise nicht ausgereist ist und anschließend seinen Wohnsitz bzw. den Ort seines gewöhnlichen Aufenthalts ändert, ohne das Bundesamt hiervon in Kenntnis zu setzen. Ferner kann von mangelhafter Bereitschaft zur Ausreise ausgegangen werden, wenn der betreffende Drittstaatsangehörige es unterlässt, an der Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten mitzuwirken oder ein vorhandenes Reisedokument vernichtet oder sich dessen auf sonstige Weise entledigt. Hat der Drittstaatsangehörige bereits im Verfahren über seine Identität getäuscht oder zu täuschen versucht und damit die Beschaffung von für die Ausreise erforderlichen Dokumenten erschwert bzw. verhindert, wird ebenfalls von einer mangelnden Bereitschaft zur Ausreise auszugehen sein.

Da es sich bei Abs. 2 um eine demonstrative Aufzählung handelt, kommen auch weitere Umstände in Betracht, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Drittstaatsangehörige seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen wird. Weitere denkbare Gründe in diesem Sinne sind etwa falsche oder widersprüchliche Angaben zum Vorliegen einer Voll- oder Minderjährigkeit bzw. voneinander abweichende Altersangaben in Verfahren vor verschiedenen Behörden (dazu VwGH 25.02.2015, Ra 2014/20/0045) sowie die Verschweigung von vorhandenen Identitätsdokumenten. Hievon sollen beispielsweise jene Fälle erfasst sein, in denen Drittstaatsangehörige im Verfahren vor dem Bundesamt angeben, über keine Identitätsdokumente zu verfügen, während sie im Verfahren vor anderen Behörden (bspw. dem Standesamt im Zuge einer Eheschließung) oder Gerichten solche vorlegen.

[...]

Zu Abs. 6:

Die Auferlegung der Wohnsitzauflage gemäß § 57 erfolgt mittels Mandatsbescheid gemäß §57 AVG. Ein solcher kann erlassen werden, wenn es sich um die Vorschreibung einer Geldleistung oder wegen Gefahr in Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt. Für den vorgeschlagenen § 57 ist der Tatbestand "Gefahr in Verzug" maßgeblich: In der Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 1 ist der Ausschluss einer Frist zur freiwilligen Ausreise an die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Rückkehrentscheidung (§ 18 Abs. 2 BFA-VG) geknüpft. Somit wurde bereits im Falle einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und der Nichtgewährung einer Frist gemäß § 55 festgestellt, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt. Dadurch ist die Erlassung der Wohnsitzauflage in dieser Konstellation mittels Mandatsbescheid aufgrund der bereits zuvor anlässlich des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung festgestellten Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zulässig. Hinsichtlich der zweiten Fallkonstellation nach Abs. 1 Z 2 liegt eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vor, wenn anzunehmen ist, dass der Drittstaatsangehörige weiterhin nicht ausreisen wird (zumal er dies bereits während der Frist für die freiwillige Ausreise nicht getan hat). Das bloße unrechtmäßige Verbleiben im Bundesgebiet sowie ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt, ohne dass bereits eine entsprechende Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung auferlegt oder feststellt, und unabhängig davon, ob die Einreise bereits unrechtmäßig oder rechtmäßig erfolgte, stellt nach ständiger Rechtsprechung des VwGH eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit dar (VwGH 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042; 02.06.2000, 2000/19/0081; 23.03.2001, 2000/19/0042). Dies muss umso mehr gelten, wenn bereits eine im Wege eines rechtsstaatlichen Verfahrens getroffene Entscheidung vorliegt, die eine Ausreiseverpflichtung feststellt oder auferlegt, und der Drittstaatsangehörige dieser Verpflichtung auch nach Ablauf einer ihm eingeräumten Frist für die freiwillige Ausreise nicht nachkommt bzw. die Annahme gerechtfertigt ist, dass er ihr weiterhin nicht nachkommen wird. Weiters ergibt sich aus dieser Rechtsprechung, dass das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger andauernder unrechtmäßiger Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellt und der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung durch geordnete Abwicklung des Fremdenwesens ein hoher Stellenwert zukommt (VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190; 15.12.2015, Ra 2015/19/0247). Daher ist in diesen Fällen von einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit auszugehen, wodurch die Erlassung der Wohnsitzauflage mittels Mandatsbescheides gerechtfertigt ist."

3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:

3.1.3.1. Die belangte Behörde trifft im angefochtenen Bescheid die Feststellungen (Unterpunkt "Zu Ihrem bisherigen Verhalten"), dass der BF kein gültiges Reisedokument besitzen würde und er aus eigenem Entschluss Österreich nicht legal verlassen habe. Seiner bestehenden Ausreiseverpflichtung sei der BF bis dato nicht nachgekommen und weiter unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben.

Zum Unterpunkt (Privat-, und Familienleben) wird ausgeführt, dass

der BF in Österreich weder beruflich noch sozial verankert sein

würde. Seit der rechtskräftigen Entscheidung vom XXXX seien

keinerlei Änderungen seiner Privat-, und Familienverhältnisse

hervorgekommen. Seit der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung

sei der BF zur Ausreise verpflichtet. Alle danach eventuell

entstandenen Anbindungen hätten um deren unsicheren

Aufenthaltsstatus und der durchsetzbaren Ausreiseverpflichtung

gewusst. Eine Anordnung zur Unterkunftnahme ergehe gleichzeitig auch

im Hinblick seiner Familienangehörigen. Zum (Unterpunkt)

Voraussetzungen für die Erlassung der Wohnsitzauflage wurde

ausgeführt: "Gegen Sie besteht seit XXXX eine rechtskräftige und

seit ...... eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung. Eine aufrechte

Duldung gemäß § 46a FPG liegt nicht vor. Sie sind der Ihnen

auferlegten und seit ....... bestehenden Ausreiseverpflichtung bis

dato nicht nachgekommen. Sie haben an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen i.S.d.

§ 46 Abs.2 und 2a nicht mitgewirkt."

In der Beweiswürdigung bezieht sich das BFA darauf, dass die von der Behörde getroffenen Feststellungen aus dem Inhalt seines BFA-Aktes, der Mitteilung der Rückkehrberatungsorganisation sowie des historischen ZMR Auszuges, diversen Einvernahmen und der Stellungnahme vom XXXX stammen würden.

In der rechtlichen Beurteilung beschränkt sich die belangte Behörde auf die Wiedergabe des Gesetzestextes der Abs. 1 und 2 Ziffer 1-5 des § 57 FPG ohne eine konkrete Subsumierung vorgenommen zu haben. Im Anschluss folgt insofern zu § 9 Abs. 2 BFA -VG eine Abwägung, als gegenüber den BF bereits eines Rückkehrentscheidung erlassen sowie eine Abschiebung nach Indien für zulässig erklärt worden sei. Seit der Rechtskraft dieser Entscheidung seien keine Änderungen bekannt geworden. Alle seit der Durchsetzbarkeit der Entscheidung eventuell entstandenen Bindungen hätten um deren unsicheren und bereits negativ entschiedenen Aufenthaltsstatus und seiner Ausreiseverpflichtung gewusst. Das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie eines geordneten Vollzugs des Fremdenwesens würde jedenfalls überwiegen, zumal sich der BF vehement weigern würde die ihm rechtskräftig auferlegte Ausreiseverpflichtung zu erfüllen.

Die belangte Behörde legt damit im angefochtenen Bescheid aber nicht nachvollziehbar dar, zu welchem Ermittlungsergebnis sie gelangt sei, worauf sich diese stütze und welche bestimmten Tatsachen im Sinne des § 57 FPG die Annahme rechtfertigen, der BF werde seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen.

Zwar wird allgemein angeführt, dass der BF nicht ausgereist sei und sich nach wie vor- entgegen der rechtskräftig gewordenen Entscheidung und der damit aufgetragenen Ausreiseverpflichtung- im Bundesgebiet aufhält bzw. sich dieser vehement weigern würde die ihm auferlegte Ausreiseverpflichtung zu erfüllen, doch wird dies ohne konkrete Ermittlungsergebnisse angeführt- die vom BFA getroffenen Feststellungen lassen sich entgegen diesem zum Teil nicht ohne weiteres aus dem Akteninhalt nachvollziehen. So wird etwa beim Unterpunkt "Voraussetzungen für die Erlassung der Wohnsitzauflage" angeführt, dass der BF an den zur Erlangung einer Bewilligung oder eines Reisedokumentes notwendigen Handlungen i.S.d. § 46 Abs. 2 und 2 a FPG nicht mitgewirkt habe. Dies lässt sich allerdings mit den dem Verfahren zugrunde gelegten Unterlagen nicht in Einklang bringen. Aus der mit dem BF am XXXX aufgenommenen Niederschrift geht vielmehr hervor, dass der BF auf Ersuchen zwecks Erlangung eines Heimreisezertifikates die notwendigen Dokumente auszufüllen und jede Seite zu unterschreiben diesem Folge leistete, indem die dem BF vorgelegten Dokumente von diesem mit Hilfe eines Dolmetschers vollständig ausgefüllt worden sein. Darüber hinaus bleibt zu erwähnen, dass mit dem BF im Hinblick des herangezogenen § 46 Abs. 2 und 2a FPG nicht abgeklärt wurde, inwieweit der BF zwischenzeitig selbständig Schritte unternommen hat sich bei der indischen Botschaft um die Erlangung entsprechender Dokumente zu kümmern bzw. welche Gründe gegebenenfalls gegen die Ausstellung eines solchen entgegengestanden sind.

Ebenso ist auf Grund der Aktenlage nicht erkennbar, ob das BFA in der Folge zwischenzeitig Kontakt zur indischen Botschaft aufgenommen bzw. anderweitig ein entsprechendes Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, welches die vom BFA getroffenen Feststellung bzw. diesbezügliche Beweiswürdigung, dass der BF an der Erlangung der Dokumente nicht mitgewirkt haben soll, nachvollziehbar erscheinen lassen.

Insofern ist den Annahmen in der Beweiswürdigung nicht ersichtlich, auf welches Ermittlungsergebnis diese gestützt wurden, sodass hier der wesentliche Sachverhalt nicht ermittelt wurde. Die "Verfahrenschronologie", auf die sich das BFA stützt, ist aus den vorgelegten Aktenteile vielmehr nur ansatzweise nachvollziehbar, sodass auch hier die notwendigen Sachverhaltsermittlungen unterblieben sind.

3.1.3.2. Die Interessensabwägung zu Art. 8 EMRK nimmt das BFA unter Bezugnahme auf die Rückkehrentscheidung vom XXXX , welche in der Folge mit Erkenntnis des BVwG vom XXXX bestätigt wurde, vor und hält fest, dass seither keine Änderungen bekannt geworden seien. Dies widerspricht allerdings den vom BFA selbst getroffenen Feststellungen, wonach dieses ausführt, dass eine Anordnung zur Unterkunftnahme gleichzeitig auch für Familienangehörigen des BF gelten würde. In der rechtlichen Würdigung wird wiederum davon ausgegangen, dass sich seit dem Erkenntnis des BVwG vom XXXX keine Änderungen im Hinblick des Privat-, und Familienlebens ergeben hätten. Demnach war der BF zum Entscheidungszeitunkt ledig und hat keine Kinder gehabt. Es geht im Verfahren nicht hervor, um welche Familienangehörigen es sich im konkreten Fall dabei handeln soll. Ebenso lässt sich nicht erschließen zu welchem Zeitpunkt das Familienleben entstanden bzw. eingegangen worden ist. Auch wenn der Aufenthalt des BF seither weiter unrechtmäßig ist, kann daraus nicht zwangsläufig geschlossen werden, dass er seinem allenfalls seither entwickelten Privatleben keine Bedeutung zukommt.

Die belangte Behörde hat zusammenschauend auch hier den Sachverhalt nicht ermittelt und es insbesondere verabsäumt, in einer Einvernahme sich einen persönlichen Eindruck vom BF zu gewinnen, um seine tatsächlichen Lebensverhältnisse aktuell beurteilen zu können.

3.1.4. Die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides ist eine Entscheidung in der Sache selbst (vgl. E 25. März 2015, Ro 2015/12/0003). Als verfahrensrechtliche Grundlage für eine solche Entscheidung ist im Spruch daher § 28 Abs. 1 und Abs. 2 (bzw. Abs. 3 Satz 1) VwGVG 2014 zu nennen. § 28 Abs. 5 VwGVG 2014 regelt hingegen nur die Rechtsfolgen von Bescheidaufhebungen durch das VwG und bietet keine eigenständige Rechtsgrundlage für die Aufhebung selbst, sei es nach § 28 Abs. 3 Satz 2 und 3 (oder Abs. 4) VwGVG 2014, sei es nach § 28 Abs. 1 und 2 oder Abs. 3 Satz 1 VwGVG 2014 (VwGH 04.08.2016 2016/21/0162).

Die ersatzlose Behebung eines Bescheides setzt voraus, dass dieser nicht hätte ergehen dürfen und der dem materiellen Recht entsprechende Zustand nur durch die Kassation hergestellt werden kann. Dabei handelt es sich um eine "negative" Sachentscheidung (vgl zB Hengstschläger/Leeb, AVG III, § 66 AVG, Rz 97, mwN). Eine solche Entscheidung ist eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache selbst, welche eine neuerliche Entscheidung über den Verfahrensgegenstand durch die Verwaltungsbehörde grundsätzlich ausschließt (vgl VwGH vom 25. März 2015, Ro 2015/12/0003 sowie Hengstschläger/Leeb, AVG III, § 66 AVG, Rz 108 f), (VwGH Ra 2015/17/0082 vom 28.06.2016).

Da es kein Ermittlungsergebnis und damit keinen festgestellten Sachverhalt gibt, aufgrund dessen das Vorliegen der Voraussetzungen für den Erlass einer Wohnsitzauflage als gegeben angenommen werden kann sowie ferner die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme und die Interessenabwägung zum Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte beurteilt werden kann, war der angefochtene Bescheid zu beheben.

3.1.5. Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gem. § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen und dies mit einem überwiegenden öffentlichen Interesse am sofortigen Vollzug des Bescheides begründet. Das öffentliche Interesse sei bereits durch die Regelung der Wohnsitzauflage mittels sofort durchsetzbaren Mandatsbescheides indiziert, zudem würden diese Interessen in Hinblick auf die Ausreise in Erfüllung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme überwiegen.

Gemäß § 22 Abs. 3 1. Fall VwGVG kann das Verwaltungsgericht Bescheide gemäß § 13 VwGVG - ein solcher liegt in Hinblick auf Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides vor - auf Antrag einer Partei - ein solcher wurde in der Beschwerde gestellt - aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

Mangels festgestellter Verwirklichung der Voraussetzungen für die Wohnsitzauflage und der dieser immanenten "Gefahr im Verzug" war der angefochtene Bescheid auch im Umfang der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt II.) zu beheben.

3.2. Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Im gegenständlichen Verfahren konnte eine

mündliche Verhandlung unterbleiben, da das Bundesverwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 Z 1 Halbsatz VwGVG als gegeben erachtet, zumal bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit der Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen sind aufgrund der klaren Rechtslage nicht hervorgekommen.

Schlagworte

Ermittlungsmangel, Sachverhaltsfeststellungen, Wohnsitzauflage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W124.2149945.2.00

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten