TE Vwgh Erkenntnis 1982/3/23 81/14/0085

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Veröffentlicht am 23.03.1982
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

BAO §115 Abs4
BAO §257
BAO §276 Abs1
BAO §78 Abs1
EStG 1972 §68 Abs1
EStG 1972 §68 Abs3
EStG 1972 §82 Abs1
EStG 1972 §90
VwGG §21 Abs1
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Reichel und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Simon, Dr. Kirschner und Dr. Schubert als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde 1) der Firma

G Versicherung, 2) des Dr. AA, 3) des Dr. FF, 4) des Dr. MG,

5)

des Dr. JG, 6) des HH, 7) des Ing. TH, 8) des GK, 9) des IK,

10)

der EL, 11) des Dr. DP, 12) des SS, 13) des Dr. MS und 14) des Dipl.-Ing. AS, alle in G, sämtliche vertreten durch Dr. Heinrich Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, Herrengasse 18, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 22. Mai 1981, Zl. B 267-3/80, betreffend Lohnsteuernachforderung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie von den vorstehend sub Z. 1) bis 13) genannten Beschwerdeführern eingebracht worden ist, als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerde wird, soweit sie von dem vorstehend sub Z. 14) genannten Beschwerdeführer eingebracht worden ist, zurückgewiesen.

Sämtliche Beschwerdeführer haben dem Bund zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Bei der Erstbeschwerdeführerin als Arbeitgeber erfolgte eine Lohnsteueraußenprüfung über den Zeitraum 1. Jänner 1974 bis 31. Dezember 1978. Dabei stellte der Prüfer neben anderen, vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht strittigen Punkten fest, daß die Erstbeschwerdeführerin im Prüfungszeitraum bei allen anderen Beschwerdeführern - es handelt sich dabei durchwegs um sogenannte leitende Angestellte - monatlich Beträge, die einer Entlohnung von 20 Überstunden mit Überstundengrundlohn und Überstundenzuschlag entsprechen, aus den fixen Monatsgehältern herausgerechnet und die so errechneten Zuschläge für Überstunden gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1972 lohnsteuerfrei belassen habe. Darüber hinaus habe die Erstbeschwerdeführerin bei der Durchführung der Jahresausgleiche bei diesen Angestellten weitere Teile der Monatsbezüge als Zuschläge für Überstunden steuerfrei bzw. steuerbegünstigt ausgeschieden und Lohnsteuer den Arbeitnehmern erstattet. Auf diese Art waren Teile des Arbeitslohnes, die einer Entlohnung für 400 bis 979 Überstunden im Jahr entsprochen hätten, unter der Bezeichnung Zuschläge für Mehrarbeit gemäß § 68 Abs. 1 leg. cit. behandelt worden. Überstundenaufzeichnungen seien - so führte der Lohnsteuerprüfer in seinem Bericht aus - von der Erstbeschwerdeführerin weder für die monatlich herausgerechneten 20 Überstunden noch für die beim Jahresausgleich ausgeschiedenen Zuschläge geführt worden. Die Herausrechnung der Überstundenentlohnung beim Jahresausgleich sei auf Grund von Jahreszusammenstellungen, die die Angestellten selbst angefertigt und vor Durchführung des Jahresausgleiches dem Lohnbüro vorgelegt hätten, erfolgt. Diese Aufstellungen seien von der Erstbeschwerdeführerin weder überprüft noch abgezeichnet worden; sie seien bei den Anträgen auf Durchführung der Jahresausgleiche abgelegt worden.

Auf Grund dieser Feststellungen und entsprechender Berechnungen im Prüfungsbericht erließ das Finanzamt einen Haftungsbescheid (§ 82 Abs. 1 EStG 1972) an die Erstbeschwerdeführerin, in dem für die nach Ansicht der Abgabenbehörde zu Unrecht in Anspruch genommenen Überstundenbegünstigungen ein Betrag von S 3,486.439,80 an Lohnsteuer nachgefordert wurde.

Die Erstbeschwerdeführerin erhob Berufung. Sie brachte darin im wesentlichen vor, die Vorgangsweise des Finanzamtes verstoße gegen den im AÖFV unter Nr. 45/1978 verlautbarten Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 22. Dezember 1977 über die "Herausschälung" von Überstunden bei leitenden Angestellten. Die vom Finanzamt vertretene Ansicht, Überstunden, die die in einem Einzeldienstvertrag festgelegte Normalarbeitszeit überschritten, seien gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1972 nicht begünstigt, sei rechtswidrig. Bei dieser Rechtsansicht müßten die sub 2) bis 14) genannten Beschwerdeführer die von der Erstbeschwerdeführerin zu zahlende Lohnsteuer dieser zurückerstatten, obwohl sie sie als Anerkennung für ihre Mehrarbeit in gutem Glauben empfangen hätten. Das Arbeitszeitgesetz setze die Wochenarbeitszeit mit 40 Stunden fest; bei Überschreitung derselben sei eine Überstundenvergütung mit einem Zuschlag von 50 v. H. (bei Nacht- und Feiertagsarbeit von 100 v. H.) zu bezahlen. Diese Bestimmungen seien auch den Dienstverträgen der sub 2) bis 14) genannten Beschwerdeführer zugrunde gelegt, sodaß "die im § 68 Absatz 3 Ziffer 4 enthaltene Definition der Normalarbeitszeit bzw. der Überstunden auch für unsere leitenden Angestellten anzuwenden" sei. Die Berufung setzte sich sodann mit dem hg. Erkenntnis vom 13. September 1977, Zl. 671/77, dem nach ihrer Meinung durch dieses Erkenntnis "provozierten" Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 22. Dezember 1977 und mit einer Reihe späterer hg. Erkenntnisse auseinander. Wäre der Verwaltungsgerichtshof nach dem Erkenntnis vom 13. September 1977 bei der Meinung verblieben, "daß leitende Angestellte mit Einzelverträgen der steuerlichen Begünstigung des § 68 Absatz 3 EStG nicht teilhaftig werden könnten, wäre es völlig unbegreiflich, warum sich der Verwaltungsgerichtshof seitenlang mit der Frage des erbrachten Nachweises beschäftigt hätte; alle wie immer gearteten Nachweise hätten die Behauptung, daß eine steuerliche Begünstigung überhaupt nicht existiert, nicht beseitigen können. Es beweisen sohin die angeführten Verwaltungsgerichtshofsurteile, daß der Verwaltungsgerichtshof auch bei Einzeldienstverträgen von leitenden Angestellten im Falle der Glaubhaftigkeit und des urkundlichen Nachweises der Art und Lagerung der Überstunden die Begünstigung hinsichtlich der Überstundenzuschläge als berechtigt anerkennt". Überdies verstoße die Nichtbeachtung des zitierten Ministerialerlasses gegen den Grundsatz von Treu und Glauben.

Der Berufung der Erstbeschwerdeführerin traten die übrigen Beschwerdeführer gemäß § 257 Abs. 1 BAO bei.

Das Finanzamt gab der Berufung der Erstbeschwerdeführerin in dem vor dem Verwaltungsgerichtshof allein strittigen Punkt mit Berufungsvorentscheidung keine Folge. Es erließ auch gegen alle anderen Beschwerdeführer abweisende Berufungsvorentscheidungen.

Alle Beschwerdeführer, ausgenommen der sub Z. 14) genannte, beantragten sodann, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz vorzulegen.

Die Erstbeschwerdeführerin machte in dem diesbezüglichen Schriftsatz Verfahrensmängel geltend, die sie im Zusammenhang mit der Begründung der Berufungsvorentscheidung erblickte, nämlich die in Verrechnung gebrachten Überstunden seien nicht eindeutig nachgewiesen und es fehlten die entsprechenden Aufzeichnungen. Auch die übrigen Beschwerdeführer bemängelten, soweit sie die Berufungsvorlage gemäß § 276 Abs. 1 BAO beantragten, das Verfahren und machten detaillierte Ausführungen über die von ihnen erbrachten Überstunden. Die Erstbeschwerdeführerin legte auch sieben Notariatsakte vor, die Erklärungen einzelner Arbeitnehmer über den Verlauf der Lohnsteuerprüfung und über die Ableistung von Überstunden zum Gegenstand haben.

In der Folge führte das Finanzamt eine neuerliche Einschau im Betrieb durch. Dabei wurden die Beschwerdeführer sub Z. 5), 6), 8), 9) und 14) befragt und in ihre persönlichen Aufzeichnungen über geleistete Überstunden Einblick genommen. Der Prüfer stellte fest, daß die übrigen beschwerdeführenden Arbeitnehmer zu dem mit dem Fünftbeschwerdeführer vereinbarten Termin nicht anwesend gewesen seien. Ferner traf er in seinem Erhebungsbericht folgende, von der belangten Behörde in den angefochtenen Bescheid übernommene Feststellungen:

Die privaten Überstundenaufzeichnungen der Angestellten bestünden in Vermerken in Terminkalendern ohne Angabe der zeitlichen Lagerung der Überstunden. Lediglich an dienstfreien Tagen (Samstag, Sonntag, Feiertag) sei die Uhrzeit der Überstunden angeführt; ebenso, wenn die Überstunden nicht im Anschluß an die Normalarbeitszeit geleistet worden seien. An Samstagen, Sonn- und Feiertagen und nach 19.00 Uhr bis 6.00 Uhr seien 100 v.H. Zuschlag für Mehrarbeit aus den Gehältern herausgerechnet worden. In einigen Fällen seien auch Zeiten der Dienstreisen als Überstunden ausgewiesen. Bis zum Kalenderjahr 1973 seien nur 20 Überstunden. ohne Nachweis aus den Gehältern herausgerechnet und steuerbegünstigt behandelt worden. Im Jahre 1974 nur Überstunden mit 50 v.H. Zuschlag und ab dem Kalenderjahr 1975 auch Überstunden mit 100 v.H. Zuschlag. Lediglich beim Prokuristen K (Achtbeschwerdeführer), der insbesondere bei der Bilanzierung Mehrarbeit zu leisten habe, seien die Überstunden zusätzlich zum Gehalt gezahlt und steuerbegünstigt behandelt worden. Diese seien aber auch nicht nachversteuert worden. Dem leitenden Angestellten IK (Neuntbeschwerdeführer) seien während seines Krankenstandes Überstunden anerkannt und aus dem Gehalt steuerbegünstigt herausgerechnet worden. Als Begründung sei angeführt worden, daß dieser auch während des Krankenstandes im Betrieb Arbeit geleistet habe (pro Woche ca. 30 Stunden), die im Hinblick auf den Krankenstand zur Gänze als Überstunden angesehen worden seien.

Mit dem nun angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung der Erstbeschwerdeführerin im Umfang der Berufungsvorentscheidung Folge; im übrigen wies sie die Berufung (gegenüber den Beschwerdeführern sub Z. 2) bis 13) zur Gänze) ab; hinsichtlich des Beschwerdeführers sub Z. 14) erfolgte im angefochtenen Bescheid kein Ausspruch über die Berufung. Der angefochtene Bescheid ist im wesentlichen wie folgt begründet:

Es sei unbestritten, daß sämtliche beschwerdeführenden Arbeitnehmer als leitende Angestellte mit Sonderverträgen vom Geltungsbereich des Kollektivvertrages für Angestellte der Versicherungsunternehmen ausgenommen seien. Auch das Arbeitszeitgesetz finde auf sie keine Anwendung. Deshalb lägen die Voraussetzungen des § 68 Abs. 3 Z. 1 bis 3 EStG 1972 nicht vor. Aber auch von "für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern" allein gewährten Zuschlägen "im Sinne des § 68 Abs. 3 Z. 4 könne nicht gesprochen werden, da Zuschläge tatsächlich nicht gewährt worden seien. Schon aus diesem Grund erweise sich die Nachversteuerung durch das Finanzamt als begründet. Im übrigen berief sich die belangte Behörde auf den im Sinne der hg. Rechtsprechung geforderten, aber nach ihrer Ansicht nicht erbrachten Nachweis der genauen Zahl und zeitlichen Lagerung aller im einzelnen tatsächlich geleisteten Überstunden und die genaue Höhe der dafür über das sonstige Arbeitsentgelt hinaus gezahlten Zuschläge. Dem Einwand des Verstoßes gegen Treu und Glauben trat die belangte Behörde wie folgt entgegen: "Zu dem behaupteten weisungswidrigen Verhalten des Finanzamtes, in dem die Berufungswerber einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben sehen, wird festgestellt, daß in keinem Erlaß des Bundesministeriums eine Ermächtigung für Arbeitgeber enthalten ist, aus den Gehältern leitender Angestellter ohne Nachweis einer tatsächlichen Überstundenleistung und vor allem nicht ohne Nachweis der zeitlichen Lagerung von angeblich geleisteten Überstunden Überstundenentlohnungen für 400 bis 979 Überstunden im Jahr herauszurechnen, wodurch die verbleibende Entlohnung für die Normalarbeitszeit nicht einmal die Beträge erreicht, die nicht leitenden Angestellten als Entlohnung für die Normalarbeitszeit gewährt wird. Ein Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben liegt daher nicht vor."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Im Beschwerdeschriftsatz ist nur die Erstbeschwerdeführerin als Beschwerdeführer bezeichnet, die übrigen Beschwerdeführer sind darin als Mitbeteiligte bezeichnet. Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof sind die als Mitbeteiligte angeführten Personen jedoch selbst Beschwerdeführer, denn durch ihren Beitritt im Berufungsverfahren gemäß § 257 Abs. 1 BAO haben sie im Verwaltungsverfahren Parteienstellung (§ 78 Abs. 1 BAO) erlangt und die gleichen Rechte wie der ursprüngliche Berufungswerber (Erstbeschwerdeführerin) erworben. Der im vorliegenden Fall rechtzeitige und zulässige Beitritt der sub Z. 2) bis 13) genannten Personen hat sie sohin auch zur Erhebung der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde gegen die an sie gerichtete Berufungsentscheidung berechtigt (siehe Stoll, Handbuch, S. 636). Ihre verfehlte Benennung im Beschwerdeschriftsatz als Mitbeteiligte tut ihrer Stellung im verwaltungsgerichtlichen Verfahren als Beschwerdeführer indes keinen Abbruch.

Nicht zulässig ist hingegen die von Dipl.-Ing. AS (Beschwerdeführer sub Z. 14) erhobene Beschwerde. Wohl ist auch dieser der Berufung der Erstbeschwerdeführerin beigetreten und es erließ das Finanzamt eine abweisende Berufungsvorentscheidung auch an ihn. Zum Unterschied von den anderen der Berufung der Erstbeschwerdeführerin beigetretenen Beschwerdeführern brachte Dipl.-Ing. AS gegen die Berufungsvorentscheidung keinen Vorlageantrag gemäß § 276 Abs. 1 BAO ein. Aus der Neuregelung des § 276 Abs. 1 BAO (durch die Novelle BGBl. Nr. 151/1980), wonach die Zurücknahme des "Vorlageantrages", den mehrere hiezu Befugte gestellt haben, nur im Falle der wirksamen Zurücknahme aller dieser Anträge zulässig ist, folgt die klar erkennbare Absicht des Gesetzgebers, daß auch eine der Berufung gemäß § 257 Abs. 1 BAO beigetretene Partei Anspruch auf Erledigung der Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz hat, wenn sie selbst einen Vorlageantrag nicht gestellt hat, denn der Gesetzgeber hat mit der gegenständlichen Regelung offenkundig das Ziel einer konformen Berufungsentscheidung gegenüber dem Berufungswerber und allen der Berufung beigetretenen Parteien im Auge. Daraus ergibt sich, daß die belangte Behörde ungeachtet der Tatsache, daß Dipl.-Ing. AS von seinem Recht, die Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz im eigenen Namen zu begehren (siehe auch § 257 Abs. 2 BAO), keinen Gebrauch gemacht hat, verpflichtet war, über die Berufung auch mit Wirkung gegen diesen Beschwerdeführer abzusprechen. Sie hat das mit dem angefochtenen Bescheid nicht getan. Daraus läßt sich aber nur ableiten, daß der Anspruch des Dipl.-Ing. AS auf eine auch an ihn gerichtete Berufungsentscheidung noch offen ist. Das bedeutet in weiterer Folge, daß er kein Beschwerderecht vor dem Verwaltungsgerichtshof hat, weil ihm gegenüber ein Ausspruch über die Berufung, der er beigetreten war, nicht erfolgt ist. Über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides gegenüber allen anderen Parteien, an die er gerichtet ist, besagt die aufgezeigte Untätigkeit gegenüber dem Dipl.-Ing. AS allerdings nichts.

In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäß § 68 Abs. 1 EStG 1972 werden in Überstundenentlohnungen enthaltene Zuschläge für Zehrarbeit beim Steuerabzug vom Arbeitslohn begünstigt behandelt (sie bleiben zusammen mit den anderen in dieser Gesetzesstelle genannten Bezugsteilen bis monatlich S 5.070,-- steuerfrei und unterliegen mit dem übersteigenden Teil dem festen Steuersatz von 15 v. H.). Voraussetzung für die Besteuerung nach § 68 Abs. 1 ist, daß Überstunden im Sinne des Gesetzes vorliegen. Als Überstunde gilt gemäß § 68 Abs. 3 EStG 1972 jede über die Normalarbeitszeit hinaus geleistete Überstunde, wobei der hier maßgebende Begriff der Normalarbeitszeit dahin bestimmt ist, daß darunter jene Arbeitszeit fällt, die im den in den Z. 1 bis 4 des § 68 Abs. 3 aufgezählten Normen festgelegt ist. An der Festlegung einer Arbeitszeit im Sinne der Z. 1 fehlt es, weil eine gesetzliche Vorschrift für die beschwerdeführenden Arbeitnehmer eine Normalarbeitszeit nicht bestimmt. Auf diese Beschwerdeführer finden die Vorschriften des Arbeitszeitgesetzes BGBl. Nr. 461/1969 in der geltenden Fassung nicht Anwendung, weil sie unbestrittenermaßen leitende Angestellte im Sinne des § 1 Abs. 1 Z. 8 dieses Gesetzes und daher von seinem Geltungsbereich ausgenommen sind. Die übrigen generellen Normen, die eine Normalarbeitszeit nach § 68 Abs. 3 Z. 1 oder nach Z. 2 oder 3 EStG 1972 festlegen, kommen im Beschwerdefall offenkundig nicht in Betracht; derartiges wird seitens der Beschwerde auch nicht behauptet. Es verbleibt sonach die Prüfung, ob eine Normalarbeitszeit bejaht werden kann oder nicht, die "innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer oder bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern" als "allgemein übliche Normalarbeitszeit" festgelegt ist (§ 68 Abs. 3 Z. 4 EStG 1972).

Das erste Tatbestandsmerkmal ("innerbetrieblich für alle Arbeitnehmer") scheidet für den Beschwerdefall von vornherein aus. Aber auch von "einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern" im hier maßgeblichen Sinn ist keine Rede. Das ergibt sich schon daraus, daß auch an anderen Stellen des Gesetzes Sonderregelungen für "bestimmte Gruppen von Arbeitnehmern" vorgesehen sind (vgl. § 3 Z. 18, Z. 20, Z. 28 EStG 1972), in diesem Zusammenhang jedoch eine Auslegung, wonach unter "Gruppe von Arbeitnehmern" etwa nur die Vorstandsmitglieder, nur die Geschäftsführer oder nur die leitenden Angestellten des Arbeitgebers zu verstehen wären, abzulehnen ist (vgl. Hofstätter-Reichel, S. 30 zu § 3, Lfg. September 1980).

Entscheidungswesentlich ist aber, daß die strittigen Überstundenentlohnungen an Arbeitnehmer gezahlt wurden, die auf Grund von Individualverträgen beschäftigt sind. Für sie kann sich - da kein Anwendungsfall des § 68 Abs. 3 Z. 1 bis 3 EStG 1972 vorliegt - eine "Normalarbeitszeit sohin ebenfalls nur aus den jeweiligen Einzeldienstverträgen ergeben. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 13. September 1977, Zl. 671/77, Slg. Nr. 5156/F, ausgesprochen hat, können Überstunden, die lediglich die sich aus einem Einzelvertrag ergebende Normalarbeitszeit übersteigen, der steuerlichen Begünstigung des § 68 Abs. 1 EStG 1972 nicht teilhaftig werden.

Da der Gerichtshof aus Anlaß des Beschwerdefalles keinen Grund findet, von dieser Rechtsprechung abzugehen, ist damit das Schicksal der Beschwerde grundsätzlich bereits entschieden. Es sei jedoch noch folgendes bemerkt:

Wenn, wie schon im Verwaltungsverfahren, die Meinung aufrecht erhalten wird, der Verwaltungsgerichtshof habe sich in einer Reihe von Erkenntnissen nach dem Erkenntnis Slg. Nr. 5156/F mit der steuerlichen Begünstigung von Überstunden auseinandergesetzt, sei hiebei aber stets nur auf die Frage des Nachweises tatsächlich erbrachter Überstunden eingegangen und habe auch Überstundenpauschalien für leitende Angestellte als die Begünstigung des § 68 Abs. 1 EStG 1972 nicht ausschließend behandelt, so ist das an sich zutreffend. Es ist jedoch unrichtig, in der dem Erkenntnis Slg. Nr. 5156/F folgenden Rechtsprechung ein Abgehen von der in jenem Erkenntnis zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht zu erblicken. In den Erkenntnissen vom 30. Mai 1978, Zl. 809/78, Slg. Nr. 5269/F, vom 6. Juni 1978, Zl. 638/78, vom 14. November 1978, Zl. 1930/78, vom 9. März 1979, Zlen. 2850, 3004, 3005/78, Slg. Nr. 5357/F, und vom 23. April 1979, Zl. 1335/77, war der Gerichtshof nie direkt mit der Frage konfrontiert, ob im Einzelfall für einen bestimmten Arbeitnehmer eine Normalarbeitszeit auf eine in § 68 Abs. 3 Z. 1 bis 4 EStG 1972 taxativ aufgezählte Weise fixiert war. Daher erklärt sich, daß der Gerichtshof sich im einzelnen immer damit auseinandersetzte (und auseinandersetzen mußte), ob die Voraussetzung für die Begünstigung des § 68 Abs. 1 EStG 1972 vorliegt, nämlich ob die genaue Zahl und zeitliche Lagerung der einzelnen von den einzelnen Arbeitnehmern konkret geleisteten Überstunden feststeht (siehe auch aus jüngster Zeit die hg. Erkenntnisse vom 26. Jänner 1982, Zl. 81/14/0196, und das dort zitierte Erkenntnis vom 25. Jänner 1980, Zl. 851/78, samt weiteren Judikaturverweisungen). Auch hat der Verwaltungsgerichtshof unter diesem Gesichtswinkel mehrfach, so z. B. im Erkenntnis vom 14. November 1978, Zl. 1930/78, ausgesprochen, aus dem allein maßgebenden § 68 EStG 1972 sei eine Unterscheidung für eine steuerbegünstigte Pauschalierung von Überstunden für leitende Angestellte und andere Angestellte nicht ableitbar. Diese Aussage ist mit dem mehrfach zitierten Erkenntnis Slg. Nr. 5156/F durchaus vereinbar, denn die begünstigte Besteuerung von Überstunden kam in jenem Fall und kommt im vorliegenden Fall nicht deswegen nicht in Betracht, weil es sich um "leitende Angestellte" handelt, sondern sie muß versagt bleiben, weil es an der in § 68 Abs. 3 EStG 1972 geforderten qualifizierten Bestimmung einer Normalarbeitszeit mangelt.

Ungeachtet des Umstandes, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus nicht im Bundesgesetzblatt kundgemachten Erlässen des Bundesministeriums für Finanzen den Parteien subjektive, vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbare Rechte nicht erwachsen und Pflichten ihnen nicht auferlegt werden können, sei zu dem oben zitierten Erlaß des Bundesministeriums für Finanzen vom 22. Dezember 1977 bemerkt: Der Erlaß spricht unter wörtlicher Wiedergabe des hg. Erkenntnisses Slg. Nr. 5156/F davon, daß Überstunden, die lediglich die sich aus einem Einzelvertrag ergebende Normalarbeitszeit übersteigen, der steuerlichen Begünstigung des § 68 Abs. 3 EStG 1972 nicht teilhaftig werden können. Im Widerspruch dazu fährt der Erlaß allerdings fort, daß "hinsichtlich der Normalarbeitszeit von leitenden Angestellten" aber "unterstellt werden" kann, "daß sich diese (gemeint die Normalarbeitszeit) nach den für die übrigen Arbeitnehmer dieses Betriebes geltenden lohngestaltenden Vorschriften richtet".

Schon angesichts der aufgezeigten Widersprüchlichkeit dieses Erlasses kann sich die Beschwerde nicht mit Erfolg auf den Grundsatz von Treu und Glauben berufen. Das umso weniger, als es primär die Erstbeschwerdeführerin, aber auch die übrigen Beschwerdeführer in der Hand hatten, über die Behandlung der gegenständlichen Überstunden eine sogenannte Anrufungsauskunft im Sinne des § 90 EStG 1972 vom zuständigen Finanzamt zu verlangen (siehe dazu im besonderen auch im Zusammenhang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben Hofstätter-Reichel zu § 90, Lfg. August 1977).

Nach dem Gesagten erübrigt sich eine Prüfung des angefochtenen Bescheides, insoweit er auch zum Ausdruck bringt, der erforderliche Nachweis über die tatsächliche Erbringung der Überstunden, ihre zeitliche Lagerung und die Aufteilung in Überstundengrundlohn und Zuschläge sei nicht erbracht worden. Auch die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen können auf sich beruhen.

Da die belangte Behörde im Ergebnis zu einem mit dem Gesetz übereinstimmenden Bescheid gelangt ist, war die Beschwerde, soweit sie nicht vom sub Z. 14) genannten Beschwerdeführer erhoben worden ist, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Die Beschwerde des sub Z. 14) genannten Beschwerdeführers war gemäß § 34 Abs. 1 VwGG 1965 als unzulässig zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 23. März 1982

Schlagworte

Mangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Grundsätzliches zur Parteistellung vor dem VwGH Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1982:1981140085.X00

Im RIS seit

23.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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