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KFGNorm
KFG 1967 §102 Abs5 litaBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Baumgartner, Dr. Weiss und Dr. Leukauf als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Engele, über die Beschwerde des RM in I, vertreten durch Dr. Gert Kastner, Rechtsanwalt in Innsbruck, Templstraße 3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 12. November 1981, Zl. IIb2-V-668/4-80, betreffend Übertretungen des Kraftfahrgesetzes, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.485,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Ein Beamter der Bundespolizeidirektion Innsbruck erstattete am 22. Mai 1980 die Anzeige, das Wachzimmer Hötting sei um 20,00 Uhr verständigt worden, der Beschwerdeführer habe kurz vorher in Innsbruck im Cafe X in Mariahilferpark 3 mit drei Burschen eine tätliche Auseinandersetzung gehabt. In der Folge habe der Beschwerdeführer seinen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw gestartet und sei über die Fahrbahn der Höttingerau direkt auf die Eingangstüre des Lokals zu- und weiter über den Gehsteig gefahren, wobei ein unbeteiligter Fußgänger niedergestoßen und verletzt worden sei. Sodann sei er fluchtartig auf der Höttingerau davon gefahren. Nach etwa zehn Minuten sei der Pkw des Beschwerdeführers ohne Lenker auf dem Fürstenweg abgestellt aufgefunden worden. Er (der Meldungsleger) habe sich mit seinem Diensthund ebenfalls dorthin begeben und mit seinem Dienstfahrzeug den Beschwerdeführer in die Gegend Ampfererstraße - Fischnalerstraße verfolgt. An dieser Kreuzung habe er den Beschwerdeführer gestellt und mit Hilfe des Diensthundes überwältigt. Der Beschwerdeführer sei in der Folge ins Wachzimmer Hötting eskortiert worden. Er habe nur eine Scheckkarte bei sich gehabt, zur Sache keine Angaben gemacht. Führerschein und Kraftfahrzeugschein habe er angeblich nicht mit sich geführt. Die im Polizeigefangenenhaus vorgenommene amtsärztliche Untersuchung des Beschwerdeführers habe ergeben, daß dieser zufolge seiner Alkoholisierung fahruntüchtig, aber deliktsfähig sei. Einem Amtsvermerk vom 23. Mai 1980 ist zu entnehmen, daß der sichergestellte Pkw des Beschwerdeführers am 23. Mai 1980 durchsucht und dabei der österreichische Führerschein und der deutsche Fahrzeugschein (über die Zulassung des Fahrzeuges) vorgefunden worden seien.
Bei seiner am 23. Mai 1980 im Verwaltungsstrafverfahren erfolgten Beschuldigten-Vernehmung erklärte der Beschwerdeführer, er werde zum Sachverhalt erst nach Rücksprache mit seinem Rechtsanwalt Stellung nehmen.
Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 4. August 1980 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 22. Mai 1980 um 20,00 Uhr in Innsbruck, Mariahilferpark 3, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws 1) mit besonderer Rücksichtslosigkeit den Gehsteig vor dem Cafe X befahren, 2) durch die Flucht vor und Tätlichkeiten bei der Festnahme die öffentliche Ordnung gestört, 3) den Pkw in der Höttingerau gelenkt, obwohl er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand von mehr als 0,8 %o befunden habe und
4) den Vorweis des Führerscheines und 5) des Zulassungsscheins trotz Aufforderung durch einen Sicherheitswachebeamten verweigert und daher Verwaltungsübertretungen, nämlich zu 1) nach § 8 Abs. 4 StVO, zu 2) nach Art. IX Abs. 1 Z. 1 EGVG, zu 3) nach § 5 Abs. 1 StVO, zu 4) nach § 102 Abs. 5 lit. a KFG und zu 5) nach § 102 Abs. 5 lit. b KFG begangen. Gemäß § 134 KFG wurden über ihn wegen der für das verwaltungsgerichtliche Verfahren allein bedeutsamen Verwaltungsübertretungen nach § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG Geldstrafen in der Höhe von je S 1.000,-- (Ersatzarreststrafen von je zwei Tagen) verhängt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, die Übertretungen seien durch die aktenkundigen Ermittlungen erwiesen. Eine Äußerung des Beschwerdeführers sei nicht eingelangt, weshalb der Entscheidung unbedenklich die ausführliche Sachverhaltsschilderung des beeideten Anzeigers zugrunde zu legen gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe offensichtlich auch die Herausgabe des Führer- und des Zulassungsscheins verweigert.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Berufung. In einem ergänzenden Schriftsatz vom 5. Oktober 1981 bekannte er sich in Ansehung der Übertretung nach § 5 Abs. 1 StVO ausdrücklich für schuldig, bestritt jedoch die Verwirklichung der Delikte nach dem Kraftfahrgesetz mit der Begründung, er sei nie konkret aufgefordert worden, die genannten Papiere vorzulegen und habe dies auch nicht verweigert. Sie hätten sich ohnehin im Pkw befunden. Es habe auch keine Veranlassung bestanden, die Herausgabe zu verweigern. Es bedürfe weiterer Erhebungen.
Mit den in einer gemeinsamen Ausfertigung ergangenen Bescheiden des Landeshauptmannes von Tirol (in Ansehung der Verwaltungsübertretungen nach dem Kraftfahrgesetz) und der Tiroler Landesregierung (in Ansehung der Verwaltungsübertretungen nach der Straßenverkehrsordnung) vom 12. November 1981 wurde gemäß § 66 Abs. 4 AVG (§ 24 VStG) der Berufung bezüglich der Übertretung nach § 8 Abs. 4 StVO Folge gegeben und das Verfahren eingestellt, sie bezüglich der Übertretungen nach § 5 Abs. 1 StVO und § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG dem Grunde nach abgewiesen, jedoch das Ausmaß der verhängten Geldstrafen auf S 8.000,-- bzw. zweimal S 500,-- (Ersatzarreststrafen von 14 Tagen bzw. von je einem Tag) herabgesetzt. Zur Begründung wurde, soweit es für das vorliegende verwaltungsgerichtliche Verfahren von Relevanz ist, ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 28. September 1981 rechtskräftig wegen der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs. 1 und 3 StGB in Ansehung der gegenständlichen Vorfälle verurteilt worden, sodaß bezüglich der Verwaltungsübertretung nach § 8 Abs. 4 StVO das Verwaltungsstrafverfahren einzustellen sei. Die Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 StVO sei durch das erstinstanzliche Ermittlungsergebnis, durch die im gerichtlichen Strafverfahren durchgeführten Erhebungen und auch durch das Geständnis des Beschwerdeführers erwiesen. Ebenso erwiesen seien die seitens des Beschwerdeführers unbestritten gebliebenen Übertretungen nach § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG.
Gegen diese Bescheide erhob der Beschwerdeführer in getrennten Schriftsätzen Beschwerde beim Verwaltungsgerichtshof.
Die gegen den Bescheid der Landesregierung erhobene Beschwerde wurde mit hg. Erkenntnis vom 10. März 1982, Zlen. 82/03/0024 und 0025, als unbegründet abgewiesen.
Mit der vorliegenden, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes gerichteten Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer rügt unter dem Gesichtspunkt der Rechtswidrigkeit des Inhaltes, der Bescheidspruch der belangten Behörde werde der Bestimmung des § 44a VStG nicht gerecht und macht im Rahmen der Verfahrensrüge geltend, er habe die Übertretungen nach dem Kraftfahrgesetz ausdrücklich bestritten. Es liege ein Begründungsmangel vor, da sich die belangte Behörde mit seinem Vorbringen nicht auseinandergesetzt und weitere Erhebungen unterlassen habe.
Diesen Rügen kommt Berechtigung zu.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es zwar keiner Wiederholung des Bescheidspruches der ersten Instanz durch die Berufungsbehörde, wenn sie diesen übernimmt. Voraussetzung hiefür ist jedoch, daß der Bescheidspruch der ersten Instanz die als erwiesen angenommene Tat ausreichend und richtig konkretisiert und die anzuwendenden Gesetzesstellen zutreffend anführt. Ist aber der Bescheidspruch der ersten Instanz fehlerhaft, so ist die Berufungsbehörde verpflichtet, dies in ihrem Abspruch (und nicht erst in der Begründung ihrer Entscheidung) richtigzustellen, da sie sonst ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. (Vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 10. März 1982, Zlen. 82/03/0024, 0025, und die dort zitierte weitere Judikatur.)
Gemäß § 44a lit. a VStG ist für die Bezeichnung der als erwiesen angenommenen Tat auch die genaue Angabe der Zeit und des Ortes der Begehung wesentlich. Enthält der Schuldspruch daher diesbezüglich keine oder unrichtige Feststellungen, so liegt ein Verstoß gegen diese Vorschrift vor, der den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet. (Vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1980, Zl. 2056/77, auf welches unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes BGBl. Nr. 45/1965 verwiesen wird.)
Wie der Anzeige zu entnehmen ist, flüchtete der Beschwerdeführer nach den Vorfällen in und vor dem Cafe X, welches im Haus Mariahilferpark 3 etabliert ist, mit seinem Pkw und ließ diesen auf dem Fürstenweg stehen. Das Fahrzeug wurde dort erst nach ca. 10 Minuten entdeckt. Der Meldungsleger, der sich in der Folge ebenfalls zum Auffindungsort begab, nahm dann die Verfolgung des Beschwerdeführers auf, nahm diesen nach einem Handgemenge fest und überstellte ihn ins Wachzimmer Hötting, wo festgestellt wurde, er habe die in § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG angeführten Dokumente nicht bei sich. Tatort für die (angeblich begangene) Verweigerung der Vorweisung dieser Dokumente ist somit das Wachzimmer Hötting, welches jedoch im Bescheidspruch der ersten Instanz, der von der belangten Behörde unverändert übernommen wurde, nicht genannt war. Überdies ist die Tatzeit im Bescheidspruch auch für die Übertretungen nach § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG mit 20,00 Uhr angegeben, obwohl nach der Anzeige zu diesem Zeitpunkt erst das Wachzimmer Hötting von den Vorfällen im Cafe X verständigt wurde und es dann erst längere Zeit bis zur Ausforschung des Beschwerdeführers, seiner Festnahme und seiner Überstellung ins Wachzimmer dauerte. Der Beschwerdeführer kann daher die Übertretungen nach dem Kraftfahrgesetz zu dem im Bescheidspruch genannten Zeitpunkt nicht begangen haben. Der angefochtene Bescheid ist daher insoweit inhaltlich rechtswidrig.
Soweit die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift unter Hinweis auf das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 10. März 1982 vermeint, es sei darin schon vom Verwaltungsgerichtshof festgestellt worden, daß der Bescheidspruch nicht rechtswidrig sei, ist ihr zu erwidern, daß Gegenstand der genannten Entscheidung nur der Bescheid der Tiroler Landesregierung war, sich jedoch der Verwaltungsgerichtshof darin mit dem vorliegenden angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol nicht auseinanderzusetzen hatte.
Darüber hinaus kommt aber auch der Verfahrensrüge aus folgenden Gründen Berechtigung zu:
Gemäß § 102 Abs. 5 lit. a KFG hat der Lenker eines Kraftfahrzeuges den Führerschein auf Fahrten mitzuführen und auf Verlangen den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zur Überprüfung auszuhändigen. Dieselbe Verpflichtung besteht nach der Bestimmung des § 102 Abs. 5 lit. b KFG hinsichtlich des Zulassungsscheines.
Der Beschwerdeführer hat in seinem im Berufungsverfahren erstatteten Schriftsatz vom 5. Oktober 1981 ausdrücklich behauptet, es sei nie eine Aufforderung an ihn ergangen, die genannten Urkunden vorzulegen und habe er dies auch nicht verweigert. Sie hätten sich ohnehin in seinem Pkw befunden. Als aktenwidrig erweisen sich daher die Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides, die Verwaltungsübertretungen nach dem Kraftfahrgesetz seien seitens des Beschwerdeführers unbestritten geblieben. Die belangte Behörde hat demgemäß entgegen der Vorschrift des § 60 AVG auch unterlassen, sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers entsprechend auseinanderzusetzen und eine ausreichende Begründung dafür zu geben, auf Grund welcher konkreter Tatsachen sie den Tatbestand der Verwaltungsübertretungen nach § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG als erfüllt erachte.
Der Schuldspruch wegen der genannten Übertretungen findet aber auch in der derzeitigen Aktenlage keine Deckung. Die Anzeige enthält lediglich den Hinweis des Meldungslegers, der Beschwerdeführer habe bei der Feststellung seiner Identität im Wachzimmer angeblich den Führer- und den Fahrzeugschein nicht bei sich geführt. In dem Umstand allein, daß der Beschwerdeführer im Wachzimmer die genannten Papiere nicht bei sich hatte, kann kein im Sinne des § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG strafbares Verhalten erblickt werden. Hatte er doch vorher sein Fahrzeug abgestellt und konnte erst nach einer länger dauernden Verfolgung festgenommen werden. In dem sichergestellten Pkw wurden auch am nächsten Tag der Führerschein sowie der deutsche Fahrzeugschein (Zulassungsschein) aufgefunden. Der Beschwerdeführer hatte sie also während der Fahrt mit dem Pkw mit sich geführt. Allerdings wäre ein nach § 102 Abs. 5 lit. a und b KFG zu qualifizierendes Verhalten darin zu erblicken, wenn der Beschwerdeführer - ungeachtet des tatsächlichen Mitführens der Urkunden während der Fahrt - im Wachzimmer über ausdrückliche Aufforderung des einschreitenden Beamten die Vorweisung der Urkunden verweigert hätte. Zur Klärung des Sachverhaltes hätte es daher einer eingehenden Vernehmung des die Amtshandlung führenden Beamten bedurft, wobei die Beweisaufnahme im Hinblick auf die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers in Form einer Zeugenaussage zu erfolgen gehabt hätte. (Vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 26. Juni 1978, Slg. Nr. 9602/A.)
Schon im Hinblick auf die oben dargelegte, der belangten Behörde unterlaufenen inhaltlichen Rechtswidrigkeit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 1 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 221/1981. Da der in der zitierten Verordnung für den Schriftsatzaufwand vorgesehene Betrag von S 8.060,-- eine Pauschalsumme darstellt, in der auch bereits die anteilsmäßige Umsatzsteuer mitenthalten ist, kann ein gesonderter Zuspruch hiefür nicht erfolgen. Das über den Ersatz von Stempelgebühren für die in dreifacher Ausfertigung erforderliche Beschwerde (je Ausfertigung S 100,--), die Vollmacht (S 100,--) und den in einfacher Abschrift vorzulegenden angefochtenen Bescheid (je Bogen S 25,--) hinausgehende Mehrbegehren war ebenfalls gemäß § 58 VwGG 1965 abzuweisen.
Wien, am 30. Juni 1982
Schlagworte
"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung falsche Angaben"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Mängel bei Beschreibung ungenaue AngabeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1982:1982030026.X00Im RIS seit
23.01.2020Zuletzt aktualisiert am
23.01.2020