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GrunderwerbsteuerNorm
BAO §115 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Salcher, Dr. Närr, Mag. Meinl und Dr. Kramer als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zepharovich, über die Beschwerde des Dr. FS in N, vertreten durch Dr. Fritz Pogner, Rechtsanwalt in Wien I, Stephansplatz 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 11. Dezember 1981, Zl. GA 11 - 650/81, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 8.260,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gab mit Bescheid vom 11. Dezember 1981 der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom 5. März 1980, insofern mit diesem gegenüber dem Beschwerdeführer als Gesamtschuldner Grunderwerbsteuer im Betrage von S 1,840.000,-- festgesetzt worden war, keine Folge. Dies im wesentlichen mit der Begründung der Beschwerdeführer habe mit Kaufvertrag vom 2. September 1971 an die H Eigentumsgesellschaft m.b.H. die (im Sprengel des BG H gelegenen) Liegenschaften EZ 63, 67, 107, 118 und 538 des Grundbuches der KG X um einen Kaufpreis von S 23,000.000,-- veräußert. Für diesen Erwerbsvorgang sei die Befreiung von der Grunderwerbsteuer gemäß dem § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG beantragt und vorerst auch gewährt worden. Nach Ablauf der in dem § 4 Abs. 2 GrEStG genannten Frist habe die Abgabenbehörde erster Instanz festgestellt, daß die Zweckbegünstigung nicht erfüllt worden sei. Daher sei der Abgabenanspruch gegen die Steuerschuldner geltend gemacht worden, so u.a. mit dem erstinstanzlichen Bescheid auch gegen den Beschwerdeführer. Im Berufungsverfahren werde eingewendet, die Regelung des § 17 GrEStG über die Steuerschuldner gelte nur im uneingeschränkten Umfang, wenn keine Ausnahme von der Besteuerung in Anspruch genommen worden sei. Die Folgen der Nichteinhaltung der beabsichtigten Erfüllung des begünstigten Zweckes könnten nur den Käufer treffen. Gemäß dem § 17 Z. 4 GrEStG seien beim Kaufvertrag, ein solcher zähle nach dem Aufbau der Gesetzesbestimmungen zu den "übrigen" Erwerbsvorgängen, die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen Steuerschuldner. Zu diesen gehörten primär der Käufer "als" auch der Verkäufer. Diese Personen seien Gesamtschuldner im Sinne des § 6 BAO, d.h, sie schuldeten die Abgabe zur ungeteilten Hand. Die Abgabenbehörde könne daher einen der Abgabenschuldner oder auch alle gemeinsam zur Entrichtung der Abgabe heranziehen. Auch wenn ein Erwerbsvorgang nach § 4 Abs. 2 GrEStG erst zu einem späteren Zeitpunkt steuerpflichtig werde, könne demnach auch der Veräußerer zur Steuerzahlung verpflichtet werden (Hinweis auf Erkenntnisse beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts). Eine privatrechtliche Vereinbarung, wie z.B. § 7 des gegenständlichen Kaufvertrages über die Tragung öffentlicher Abgaben, habe keinen Einfluß auf das öffentlich-rechtliche Steuerschuldverhältnis.
Gegen diesen die Berufung abweisenden Teil des Bescheides der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer erachtet sich nach seinem Vorbringen in dem Recht auf Nichtgeltendmachung des gegenständlichen Abgabenanspruches ihm gegenüber verletzt. Soweit der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht, verkennt er die Rechtslage. Gemäß dem § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG ist beim Arbeiterwohnstättenbau der Erwerb eines Grundstückes zur Schaffung von Arbeiterwohnstätten von der Besteuerung ausgenommen. Nach dem § 4 Abs. 2 erster Satz leg. cit. unterliegt jedoch ein solcher Erwerbsvorgang mit dem Ablauf von 8 Jahren der Steuer, wenn das Grundstück vom Erwerber nicht innerhalb dieses Zeitraumes zu dem begünstigten Zweck verwendet worden ist. Im vorliegenden Fall steht - überdies unbestritten - fest, daß innerhalb von 8 Jahren seit dem Erwerbsvorgang die damit erworbene Grundstücke nicht zu dem begünstigten Zweck verwendet bzw. keine Arbeiterwohnstätten geschaffen wurden. Aus welchen Gründen eine Bauführung unterblieb bzw. nicht fristgerecht erfolgen konnte, ist rechtlich ohne Gewicht (s. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Mai 1980, Zl. 714/79). Gemäß dem § 6 Abs. 1 BAO sind Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB). Gemäß dem hier maßgebenden § 17 Z. 4 GrEStG sind bei allen übrigen Erwerbsvorgängen die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen, somit also auch der Beschwerdeführer als Veräußerer der gegenständlichen Grundstücke, Steuerschuldner. Durch privatrechtliche Vereinbarungen kann das abgabenrechtliche Gesamtschuldverhältnis nicht ausgeschlossen werden (s. u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Mai 1981, Zl. 16/1018/80, und vom 22. April 1982, Zlen. 16/3303/79, 16/3304/79). Es ist nicht sachfremd, alle am Erwerbsvorgang beteiligten Personen als Steuerschuldner zu bestimmen, wie dies in dem § 17 Z. 4 GrEStG geschieht, Der Unterschied zwischen Erwerber und Veräußerer zwingt nicht zu einer diesbezüglich unterschiedlichen Behandlung. Die Tatsache, daß sowohl Veräußerer als Erwerber am Erwerbsvorgang gleichermaßen wesentlich beteiligt sind, erlaubt eine Gleichbehandlung auch im Bereich des § 4 Abs. 2 GrEStG (s. z.B. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 1970, B 163/70, Slg. Nr. 6318). Der § 4 Abs. 2 GrEStG normiert nicht neue, von Abs. 1 unabhängige steuerpflichtige Tatbestände. Daher bleibt auch der Verkäufer des Grundstückes im Falle der nachträglichen Vorschreibung der Grunderwerbsteuer nach § 4 Abs. 2 GrEStG Steuerschuldner (s. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Oktober 1971, Zl. 419/71). Diesen Umstand muß der Verkäufer - auch wenn er keinen (weiteren) Einfluß auf die Schaffung der Arbeiterwohnstätten hat - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung bei Abschluß des Kaufvertrages Rechnung tragen und um eine entsprechende Sicherstellung seiner allfälligen Regreßforderung gegenüber dem Erwerber bemüht sein.
Zu der vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Frage der Verjährung ist darauf hinzuweisen, daß bei den im § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG angeführten Erwerbsvorgängen die Steuerschuld erst mit der Aufgabe des begünstigten Zweckes (diese Voraussetzung trifft im Beschwerdefall nach Lage der Akten nicht zu) oder mit Ablauf von 8 Jahren nach dem Erwerbsvorgang entsteht, sofern innerhalb dieser Zeit der begünstigte Zweck nicht erfüllt wurde (§ 4 Abs. 2 GrEStG). Daher beginnt auch die in dem § 207 BAO normierte Bemessungsverjährungsfrist von 5 Jahren gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO erst mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (s. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1972, Zl. 1510/72, Slg. Nr. 4472/F).
Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung hat der Grundsatz von Treu und Glauben dort seine Grenze, wo die gesetzlichen oder auf der Stufe des Gesetzes stehenden sonstigen Vorschriften ein besonderes Verhalten, sei es der Behörde, sei es der Partei, fordern. Der sich aus Art. 18 Abs. 2 B-VG ergebende Legalitätsgrundsatz ist sohin stärker als jeder andere Grundsatz, insbesondere jener von "Treu und Glauben" (s. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 5. November 1981, Zlen. 16/2814/80, 16/2909/80).
Wenn der Beschwerdeführer bei seinen Ausführungen zu der von ihm behaupteten Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides schließlich vorsichtsweise auch rechtswidrige Ausübung des Ermessens der Behörde bei Inanspruchnahme des Verkäufers als zahlungspflichtigen Steuerschuldner mit dem Hinweis darauf geltend macht, daß die Abgabenbehörde völlig zu Recht die Grunderwerbsteuer vorerst einmal dem Liegenschaftskäufer vorgeschrieben und (insbesondere die Richtigkeit der folgenden Behauptung kann auch unter Berücksichtigung des gesamten Inhaltes der vorgelegten Verwaltungsakten nicht geprüft werden) anschließend ihre Grunderwerbsteuerforderung im Wege eines exekutiven Pfandrechtes auf den vom Käufer erworbenen gegenständlichen Liegenschaften grundbücherlich sichergestellt habe, so ist dazu folgendes festzuhalten:
Es liegt im Ermessen (§ 20 BAO) der Abgabenbehörde, ob sie das Leistungsgebot nur an eine, an mehrere oder an alle Gesamtschuldner richten will (s. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Mai 1981, Zl. 16/1018/80, und vom 22. April 1982, Zl. 16/3303/79, 16/3304/79), Nach dem § 20 BAO müssen sich Entscheidungen, die die Abgabenbehörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Bei Auslegung des § 20 BAO ist dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei" und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das "öffentliche Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (s. z.B. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. März 1981, Zlen. 16/0747/79, 16/0749/79).
Im vorliegenden Fall traf die belangte Behörde unter Heranziehung des Adressaten des Leistungsgebotes eine Ermessensentscheidung, begründete diese jedoch in keiner Weise (auch in den vorgelegten Verwaltungsakten und selbst in der Gegenschrift finden sich diesbezüglich keine Anhaltspunkte). Ermessensentscheidungen sind aber jedenfalls insoweit zu begründen, als dies für die Nachprüfbarkeit des Ermessensaktes in Richtung auf seine Übereinstimmung mit dem Sinne des Gesetzes erforderlich ist (s. z.B. das Erkenntnis des verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. November 1966, Zl. 1990/65, Slg. Nr. 7022/A). Somit zeigt sich, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mangelhaft, d.h. hinsichtlich des gegenständlichen Ermessensgebrauches überhaupt nicht begründete und daher mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastete, Die belangte Behörde unterließ es im gesamten Verfahren Erwägungen darzulegen, die zeigen hätten können, daß sie auch bei Vermeidung des Begründungsmangels zu keinem anderen Bescheid gekommen wäre (s. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Dezember 1964, Zl. 1033/64, Slg. Nr. 3192/F).
Aus dem soeben dargelegten Grund war der angefochtene Bescheid gemäß dem § 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Vollständigkeit halber ist noch zu bemerken, daß entgegen der dem Beschwerdeführer vertretenen Auffassung dem Abgabenverfahren der Grundsatz der unmittelbaren Beweisaufnahme fremd ist und eine mündliche Verhandlung im Abgabenverfahren nur bei vorgesehener Beschlußfassung durch einen Berufungssenat anzuberaumen ist, also in den Fällen des § 260 Abs. 2 BAO, und nicht auch dann, wenn die Finanzlandesdirektion - wie im vorliegenden Fall - als Rechtsmittelbehörde monokratisch entscheidet (s. z.B. Stoll, Bundesabgabenordnung, Handbuch, 1980, S. 677 Abs. 2 und die dort zitierten Erkenntnisse beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts).
Hinsichtlich der zitierten nichtveröffentlichten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes wird an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, erinnert.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil mit dem für Schriftsatzaufwand vorgesehenen Pauschalbetrag von S 8.060,-- auch die Umsatzsteuer abgegolten ist.
Wien, am 16. September 1982
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1982:1982160022.X00Im RIS seit
23.01.2020Zuletzt aktualisiert am
23.01.2020