TE Vwgh Erkenntnis 2019/12/10 Ro 2019/22/0008

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Veröffentlicht am 10.12.2019
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht
72/01 Hochschulorganisation

Norm

AVG §42 Abs1
NAG 2005 §64 Abs2 idF 2018/I/056
NAGDV 2005 §8 Z8 litb idF 2018/II/229
UniversitätsG 2002 §51 Abs2 Z24 idF 2018/I/008
UniversitätsG 2002 §66 Abs1 idF 2017/I/129
UniversitätsG 2002 §74 Abs6 idF 2017/I/129

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, die Hofrätin Mag.a Merl und die Hofräte Dr. Mayr, Dr. Schwarz und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, über die Revision der A O, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 1. Juli 2019, LVwG-AV-930/001-2018, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Baden), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die Revisionswerberin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, verfügt seit 17. April 2013 über Aufenthaltsbewilligungen "Studierende" (nunmehr "Studenten"), die mehrmals, zuletzt mit Gültigkeit bis 19. Februar 2018, verlängert wurden. Nach mehrmaligem Studienwechsel ist sie seit Oktober 2017 für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften an der Universität Wien zugelassen. Am 16. Februar 2018 stellte sie den verfahrensgegenständlichen Verlängerungsantrag.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den abweisenden Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden (Behörde) ab und erklärte eine ordentliche Revision für zulässig.

Begründend führte das LVwG im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe im für die Entscheidung des LVwG maßgeblichen Studienjahr 2017/2018 positiv beurteilte Prüfungen über die Pflichtübung "Romanistische Fundamente" (4 ECTS-Anrechnungspunkte; richtig: "StEOP Pflichtübung aus dem Fach Romanistische Fundamente europäischer Privatrechte und Technik der Falllösung"), den Kurs "Romanistische Fundamente: Sachenrecht und Grundlagen" (3 ECTS-Anrechnungspunkte), den Kurs "Rechtsterminologie lateinischen Ursprungs" (3 ECTS-Anrechnungspunkte), die "Übung zur Einführung in die Rechtswissenschaften und ihre Methoden" (4 ECTS-Anrechnungspunkte) sowie den Kurs "Juristische Recherche" (2 ECTS-Anrechnungspunkte) abgelegt. Auch wenn nach dem Studienplan betreffend das "Einführungsmodul" Übungen und betreffend das Modul "Europäische und internationale Grundlagen" der Kurs "Grundlagen und Sachenrecht" zu den Romanistischen Fundamenten zur Prüfungsvorbereitung anzubieten seien, handle es sich bei der "Übung zur Einführung in die Rechtswissenschaften und ihre Methoden" (im Folgenden: Einführungsübung) und beim Kurs "Romanistische Fundamente: Sachenrecht und Grundlagen" (im Folgenden: Kurs) nicht um nach dem Studienplan für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften für den Studienabschluss erforderliche Prüfungen. Weder die Einführungsübung noch der Kurs seien im Studienplan verpflichtend vorgesehen; die Einführungsübung sei im "Anhang 1 - Empfohlener Weg" zum Studienplan in allen drei angeführten Varianten als freiwillig gekennzeichnet, der Kurs sei überhaupt nicht angeführt. Eine Anrechnung der Einführungsübung und des Kurses im weiteren Studienverlauf sei weder vorgebracht worden, noch sei dies erkennbar; auch als Wahlfach oder als abschnittsunabhängige Lehrveranstaltung könnten sie nicht berücksichtigt werden. Die Revisionswerberin habe demnach zwar Prüfungen im Ausmaß von insgesamt 16 ECTS-Anrechnungspunkte abgelegt, sie habe aber weniger als "die nach dem Studienplan für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften für den Studienabschluss erforderlichen Prüfungen abgelegt" und somit den gesetzlich geforderten Studienerfolg nicht erbracht.

In weiterer Folge führte das LVwG aus, dass Hinderungsgründe im Sinn des § 64 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) nicht vorlägen.

Die Zulassung der ordentlichen Revision begründete das LVwG damit, dass noch keine explizite hg. Rechtsprechung zur Frage vorliege, ob positiv absolvierte Lehrveranstaltungen, die zwar nach dem Studienplan für den Studienabschluss nicht zwingend erforderlich seien, aber insofern der Herbeiführung des Studienerfolges dienten, als sie zur Prüfungsvorbereitung angeboten und dafür ECTS-Anrechnungspunkte vergeben würden, nicht doch für die Beurteilung des Studienerfolges herangezogen werden könnten.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

4 Die Behörde beantragte, der Revision keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5 Die Revision schließt sich der vom LVwG angeführten Zulässigkeitsbegründung an.

6 Die Revision ist zulässig, sie ist aus folgenden Gründen jedoch nicht begründet.

7 § 64 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lautet auszugsweise:

"Studenten

§ 64. ...

(2) Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung eines ordentlichen oder außerordentlichen Studiums, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung für diesen Zweck nur zulässig, wenn dieser nach den maßgeblichen studienrechtlichen Vorschriften einen Studienerfolgsnachweis der Universität, Fachhochschule, akkreditierten Privatuniversität oder Pädagogischen Hochschule erbringt und in den Fällen des Abs. 1 Z 4 darüber hinaus spätestens innerhalb von zwei Jahren die Zulassung zu einem Studium gemäß Abs. 1 Z 2 nachweist. Dient der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen der Durchführung einer gesetzlich verpflichtenden fachlichen Ausbildung gemäß Abs. 1 Z 7, ist die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung zu diesem Zweck nur zulässig, wenn der Drittstaatsangehörige einen angemessenen Ausbildungsfortschritt nach Maßgabe der der jeweiligen Ausbildung zugrundeliegenden gesetzlichen Vorschriften erbringt. Liegen Gründe vor, die der Einflusssphäre des Drittstaatsangehörigen entzogen, unabwendbar oder unvorhersehbar sind, kann trotz Fehlens des Studienerfolges oder Ausbildungsfortschrittes eine Aufenthaltsbewilligung verlängert werden. ..."

§ 8 der Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV), BGBl. II Nr. 451/2005 in der Fassung BGBl. II Nr. 229/2018, lautet auszugsweise:

"Weitere Urkunden und Nachweise für Aufenthaltsbewilligungen

§ 8. Zusätzlich zu den in § 7 genannten Urkunden und Nachweisen sind dem Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung weitere Urkunden und Nachweise anzuschließen: ...

8. für eine Aufenthaltsbewilligung 'Student':

a)

...

b)

im Fall eines Verlängerungsantrages ein schriftlicher

Nachweis der Universität, der Fachhochschule, der akkreditierten Privatuniversität oder der öffentlichen oder privaten Pädagogischen Hochschule über den Studienerfolg im vorangegangenen Studienjahr, insbesondere ein Studienerfolgsnachweis gemäß § 74 Abs. 6 des Universitätsgesetzes 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120 idF BGBl. I Nr. 56/2018 sowie ein aktuelles Studienblatt und eine Studienbestätigung gemäß § 62 Abs. 4 UG; im Fall des § 64 Abs. 1 Z 4 NAG zusätzlich ein Nachweis über die Zulassung zu einem Studium gemäß § 64 Abs. 1 Z 2 NAG innerhalb von zwei Jahren;

..."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Universitätsgesetzes 2002 (UG), BGBl. I Nr. 120/2002 (§ 51 in der Fassung BGBl. I Nr. 8/2018, § 66 und § 74 in der Fassung BGBl. I Nr. 129/2017), lauten auszugsweise:

"Begriffsbestimmungen

§ 51. ...

(2) Im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes gelten folgende Begriffsbestimmungen: ...

24. Curriculum ist die Verordnung, mit der das Qualifikationsprofil, der Inhalt und der Aufbau eines Studiums und die Prüfungsordnung festgelegt werden. ...

Studieneingangs- und Orientierungsphase

§ 66.

(1) Die Studieneingangs- und Orientierungsphase ist als Teil aller Diplom- und Bachelorstudien, sofern diese nicht an einer Universität gemäß § 6 Abs. 1 Z 16 bis 21 eingerichtet sind, jedenfalls aber bei gemeinsam eingerichteten Lehramtsstudien so zu gestalten, dass sie der oder dem Studierenden einen Überblick über die wesentlichen Inhalte des jeweiligen Studiums und dessen weiteren Verlauf vermittelt und eine sachliche Entscheidungsgrundlage für die persönliche Beurteilung ihrer oder seiner Studienwahl schafft. Die Studieneingangs- und Orientierungsphase findet im ersten Semester des Studiums statt und besteht aus mehreren Lehrveranstaltungen, die insgesamt mindestens 8 und höchstens 20 ECTS-Anrechnungspunkte umfassen. ...

Zeugnisse

§ 74. ...

(6) Die Universität hat einer oder einem ausländischen Studierenden ab dem zweiten Studienjahr auf Antrag der oder des Studierenden einen Studienerfolgsnachweis auszustellen, sofern sie oder er im vorausgegangenen Studienjahr positiv beurteilte Prüfungen im Umfang von mindestens 16 ECTS-Anrechnungspunkten (8 Semesterstunden) abgelegt hat. ..."

8 Der Verwaltungsgerichtshof hielt in seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen, der über einen Aufenthaltstitel "Student" verfüge, der Durchführung des Studiums diene, erfolgsorientiert sei und der verlangte Studienerfolg daher diesem Studium zurechenbar sein müsse; abzustellen sei dabei auf die positive Ablegung von für den erfolgreichen Abschluss des Studiums erforderlichen Prüfungen nach Maßgabe des jeweils relevanten Curriculums; kein Studienerfolg liege vor, wenn Prüfungen nach dem maßgeblichen Curriculum nicht (mehr) hätten abgelegt werden müssen und somit nicht zum Abschluss des Studiums beitrügen (vgl. etwa VwGH 11.2.2016, Ra 2015/22/0095, mit Hinweis auf VwGH 17.3.2009, 2008/21/0118).

Dem Erkenntnis Ra 2015/22/0095 lag zugrunde, dass der Revisionswerber die Obergrenze der seinem Studium zurechenbaren Prüfungen für freie Wahlfächer bereits in früheren Studienjahren "konsumiert" hatte, weshalb die Prüfungen in weiteren Wahlfächern nicht als Studienerfolg angerechnet werden konnten, weil sie ihn der erfolgreichen Beendigung seines Studiums nicht näherbrachten.

9 Dem Studienplan für das Diplomstudium der Rechtswissenschaften (hier maßgeblich: Stand Juli 2017) zufolge ist das Studium in 16 Module gegliedert.

Gemäß § 3 des Studienplanes werden für das Einführungsmodul (Modul 1) insgesamt 15 ECTS-Punkte vergeben, und zwar ausschließlich für die schriftliche Modulprüfung aus "Einführung in die Rechtswissenschaften und ihre Methoden" (diese wurde von der Revisionswerberin noch nicht positiv abgelegt). Nach § 4 des Studienplanes sind für die Studieneingangs- und Orientierungsphase (StEOP) gemäß § 66 Abs. 1 UG (also das erste Semester des Studiums) die schriftliche Modulprüfung aus "Einführung in die Rechtswissenschaften und ihre Methoden" sowie die Pflichtübung aus "Romanistische Fundamente europäischer Privatrechte und Technik der Falllösung" oder "Rechts- und Verfassungsgeschichte der neueren Zeit" festgelegt. Da die StEOP gemäß § 66 Abs. 1 UG insgesamt mindestens 8 und höchstens 20 ECTS-Anrechnungspunkte umfassen darf, für die Modulprüfung aus "Einführung in die Rechtswissenschaften und ihre Methoden" bereits 15 und für die Pflichtübung "Romanistische Fundamente" weitere 4 ECTS-Anrechnungspunkte vergeben werden, scheidet eine Berücksichtigung der weiteren 3 ECTS-Anrechnungspunkte für den Kurs und der 4 ECTS-Anrechnungspunkte für die Einführungsübung im Rahmen der StEOP aus, weil dadurch die gemäß § 66 Abs. 1 UG höchstens zulässigen 20 ECTS-Anrechnungspunkte überschritten würden.

Eine Anrechnung der Einführungsübung oder des Kurses auf das zweite Modul (§ 5: Modul europäische und internationale Grundlagen) ist nicht möglich, weil diese Lehrveranstaltungen in § 5 des Studienplanes nicht vorgesehen sind.

Die Revision tritt den Feststellungen des LVwG, wonach eine Anrechnung des Kurses im weiteren Studienverlauf nicht ersichtlich sei und auch eine Anrechnung als Wahlfach oder als abschnittsunabhängige Lehrveranstaltung ausscheide, nicht entgegen. Es mag zutreffen, dass der Besuch der Einführungsübung vor Absolvierung einer Modulprüfung - wie die Revisionswerberin vorbringt - empfohlen werde, um eine positive Beurteilung der anschließenden Modulprüfung zu erreichen, und somit der positiven Absolvierung des Studiums dienlich sei. Als Nachweis für die erfolgreiche Absolvierung der StEOP sind im Studienplan (§ 4) jedoch die schriftliche Modulprüfung aus "Einführung in die Rechtswissenschaften und ihre Methoden" sowie die Pflichtübung aus "Romanistische Fundamente europäischer Privatrechte und Technik der Falllösung" oder "Rechts- und Verfassungsgeschichte der neueren Zeit" festgelegt. Nur die positive Absolvierung dieser Lehrveranstaltungen bringt Studierende der erfolgreichen Beendigung ihres Studiums näher.

10 Es ist somit nicht zu beanstanden, wenn das LVwG im vorliegenden Fall den Besuch der Einführungsübung und des Kurses nicht als Nachweis eines Studienerfolges wertete, weil diese Lehrveranstaltungen im relevanten Studienplan nicht als zu absolvierende Prüfungen festgelegt sind. Dass die Universität Wien mit Schreiben vom 7. Juni 2019 auch die Einführungsübung und den Kurs als positiv absolvierte Prüfungen (unter Angabe von ECTS-Anrechnungspunkten) bestätigte, vermag daran nichts zu ändern.

11 Aus den dargestellten Gründen erweist sich die Revision als nicht begründet, sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

12 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 10. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019220008.J01

Im RIS seit

03.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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