TE Vwgh Beschluss 2019/12/10 Ra 2019/22/0220

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Veröffentlicht am 10.12.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AVG §37
AVG §45 Abs2
AVG §45 Abs3
B-VG Art133
NAG 2005 §64 Abs1 Z2
NAGDV 2005 §8 Z8 lita
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §17
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler, Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache der V Z, vertreten durch Mag. Armin Windhager, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 5/9, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 14. August 2019, VGW-151/091/10243/2019-2, betreffend Aufenthaltsbewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 Mit Bescheid vom 11. Juni 2019 wies der Landeshauptmann von Wien (Behörde) den Antrag der Revisionswerberin, einer Staatsangehörigen der russischen Föderation, auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "Student" gemäß § 64 iVm § 11 Abs. 2 Z 4 und Abs. 5 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wegen nicht ausreichender Unterhaltsmittel ab.

5 In der dagegen erhobenen Beschwerde wandte sich die Revisionswerberin gegen die Annahme nicht ausreichender Unterhaltsmittel und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis änderte das Verwaltungsgericht Wien (VwG) den Spruch des bekämpften Bescheides dahingehend ab, dass die herangezogenen Rechtsvorschriften § 64 Abs. 1 NAG iVm § 8 Z 8 lit. a Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz-Durchführungsverordnung (NAG-DV) zu lauten hätten, und wies die Beschwerde im Übrigen als unbegründet ab. Die ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt.

Begründend führte das VwG aus, der von der Revisionswerberin vorgelegte Bescheid der Universität Wien stelle keine Aufnahmebestätigung im Sinn des § 8 Z 8 lit. a NAG-DV dar; darin werde ihr nur mitgeteilt, dass sie unter bestimmten Bedingungen aufgenommen werden könne. Eine tatsächliche Zulassung zum Studium liege nicht vor, sondern lediglich eine Information darüber, dass und unter welchen Voraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt eine tatsächliche Zulassung erfolgen könne (Hinweis auf VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0141). Ein Sachverhalt, wie jener, der dem hg. Erkenntnis vom 25. April 2019, Ra 2018/22/0272, zugrunde gelegen sei, liege nicht vor, weil im Bescheid der Universität Wien die Zulassung zum Studium unter bestimmten Bedingungen in der Zukunft in Aussicht gestellt worden sei. Die besondere Erteilungsvoraussetzung des § 64 Abs. 1 Z 2 NAG liege somit nicht vor.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe - so das VwG - abgesehen werden können, weil die Akten nicht hätten erkennen lassen, dass durch eine mündliche Verhandlung eine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten gewesen wäre, und weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC einem Entfall der Verhandlung entgegenstünden. Bei Angelegenheiten nach dem NAG handle es sich um keine "civil rights", der Sachverhalt habe sich der Aktenlage entnehmen lassen und es seien lediglich Rechtsfragen ohne besondere Komplexität zu klären gewesen.

7 Die Revisionswerberin bringt zur Zulässigkeit zunächst vor, das VwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage einer bestehenden Zulassung zu einem (außerordentlichen) Studium abgewichen (Hinweis auf VwGH (31.5.2011,) 2008/22/0696). Zur Frage der Zulassung zu einem kapazitätsmäßig beschränkten Studium (wie vorliegend dem Bachelorstudium Publizistik- und Kommunikationswissenschaften) fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Zunächst ist anzumerken, dass mit dem im Zusammenhang mit dem Vorwurf des Fehlens von Rechtsprechung zu "überlaufenen Studien" vorgebrachten Hinweis auf § 64 Abs. 1 Z 6 NAG idF BGBl. I Nr. 56/2018, wonach Drittstaatsangehörigen eine Aufenthaltsbewilligung als Student auszustellen ist, wenn sie ein außerordentliches Studium zum Besuch einzelner Lehrveranstaltungen aus wissenschaftlichen Fächern absolvieren, für die Revisionswerberin nichts zu gewinnen ist, weil diese Bestimmung voraussetzt, dass ein (in Z 4 näher spezifiziertes) außerordentliches Studium erfolgreich abgeschlossen wurde und das Aufnahme- oder Eignungsverfahren aus nicht vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen erst im darauffolgenden Semester absolviert werden kann. Dass diese Umstände gegenständlich vorliegen, wurde nicht vorgebracht und ist aus den Verfahrensakten auch nicht erkennbar.

Entgegen der von der Revisionswerberin vertretenen Ansicht kann der hg. Beschluss vom 9. August 2018, Ra 2018/22/0141, auf den vorliegenden Fall durchaus übertragen werden. In beiden Fällen enthält der Bescheid der Universität Wien Ausführungen dazu, welche Bedingungen "vor der Zulassung zum ordentlichen Studium" erfüllt werden müssen und dass die "zum Zeitpunkt der tatsächlichen Zulassung zum ordentlichen Studium geltenden studienrechtlichen Bestimmungen (...) auf die Zulassung anzuwenden" sind.

Auch die Formulierung, dass die Revisionswerberin "das Recht" habe, unmittelbar zum Vorstudienlehrgang als außerordentliche Studierende "zugelassen zu werden", stellt nach hg. Rechtsprechung (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/22/0073, Rn. 11) keine Zulassung dar.

Zur Frage der Zulassung zu einem kapazitätsmäßig beschränkten Studium liegt - entgegen der in der Revision vertretenen Ansicht - bereits hg. Rechtsprechung vor (vgl. VwGH 9.8.2018, Ra 2018/22/0141, Rn. 5); demnach ist es für einen Kurzaufenthalt zur Absolvierung einer Aufnahmeprüfung nicht erforderlich, der Revisionswerberin einen - grundsätzlich zwölf Monate geltenden - Aufenthaltstitel zu erteilten, dafür reicht ein Visum aus.

Die angefochtene Entscheidung des VwG steht mit dieser hg. Judikatur im Einklang.

8 Die Revisionswerberin rügt weiter, das VwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur erforderlichen mündlichen Verhandlung, zur amtswegigen Ermittlungspflicht und zur Verpflichtung zur Gewährung von Parteiengehör abgewichen. Das VwG habe erstmals ein neues Thema in das Verfahren eingebracht, das sich im Rahmen einer Verhandlung leicht hätte klären lassen; der Revisionswerberin hätte dazu auch Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden müssen. Darüber hinaus hätte das VwG ermitteln müssen, ob die Revisionswerberin auf Basis des vorliegenden Bescheides ohne weiteres die Anmeldung an der Universität durchführen könne.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erstreckt sich das Parteiengehör nur auf die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes, nicht aber auf die von der Behörde (bzw. dem Verwaltungsgericht) vorzunehmende rechtliche Beurteilung. Die Würdigung der von der Partei selbst stammenden Beweismittel und die darauf gestützte rechtliche Beurteilung muss dieser nicht vor der Erlassung des Erkenntnisses zur Kenntnis gebracht werden. Ausgehend davon war die Wertung des von der Revisionswerberin vorgelegten Bescheides der Universität Wien durch das VwG dahingehend, dass dieser keine Aufnahmebestätigung einer Universität darstelle, nicht dem Parteiengehör zu unterziehen (siehe VwGH 25.7.2019, Ra 2019/22/0067, Rn. 7, mwN, ebenfalls zur Frage der Qualifikation eines Schreibens einer Universität als Aufnahmebestätigung im Sinn des § 8 NAG-DV).

Soweit die Revisionswerberin im Zusammenhang mit der unterbliebenen Durchführung einer mündlichen Verhandlung die nicht erfolgte Erörterung der Frage des Vorliegens der Erteilungsvoraussetzung des § 64 Abs. 1 Z 2 NAG rügt, wird nochmals darauf hingewiesen, dass von der Partei selbst stammende Beweismittel und die darauf gestützte rechtliche Beurteilung dieser nicht zur Kenntnis gebracht werden müssen. Darüber hinaus kann das VwG - wie im angefochtenen Erkenntnis zutreffend ausgeführt wurde - gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Der Verwaltungsgerichtshof beanstandete das Unterlassen einer beantragten Verhandlung wiederholt dann nicht, wenn dem ein unstrittiger entscheidungsrelevanter Sachverhalt zugrunde lag und keine komplexen Rechtsfragen zu lösen waren (vgl. nochmals VwGH Ra 2019/22/0067, Rn. 10, mwN). Inwiefern das VwG den durch § 24 Abs. 4 VwGVG eingeräumten Ermessensspielraum vorliegend überschritten habe, zeigt die Revisionswerberin nicht auf; auf die in der Beschwerde erfolgten Tatsachenrügen betreffend das Vorliegen der allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen des § 11 Abs. 2 NAG kam es im Hinblick auf das vom VwG angenommene Fehlen der besonderen Erteilungsvoraussetzung des § 64 Abs. 1 Z 2 NAG nicht mehr an.

9 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 10. Dezember 2019

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1Parteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenParteiengehör Rechtsmittelverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019220220.L00

Im RIS seit

03.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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