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19/05 MenschenrechteNorm
AsylG 2005 §11Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Cede als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des S H in S, vertreten durch Dr.in Julia Ecker, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Opernring 7/18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. Juni 2019, W126 2140673-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 24. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend führte er aus, sein Vater und sein Onkel seien Mitglieder einer Partei gewesen. Sein Onkel sei ermordet und sein Vater von der ehemaligen Regierung bedroht worden. Der Revisionswerber habe in Afghanistan niemanden und habe Angst, getötet oder festgenommen zu werden.
2 Mit Bescheid vom 24. Oktober 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Revisionswerber eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer Verhandlung mit Erkenntnis vom 14. Juni 2019 als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Der Revisionswerber erhob gegen das Erkenntnis zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 23. September 2019, E 2829/2019-5, ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Werden Verfahrensmängel - wie hier insbesondere die unterlassene Ermittlung und Heranziehung bestimmter Länderberichte - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Die bloße Behauptung, es könne "nicht ausgeschlossen werden, dass das BVwG bei Vermeidung dieser Verfahrensfehler zu Feststellungen gelangt wäre, die für den Revisionswerber günstiger gewesen wären", wird diesem Erfordernis nicht gerecht.
9 Entgegen dem Revisionsvorbringen hat sich das BVwG bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative auch ausreichend und unter Berücksichtigung der EASO-"Country Guidance" vom Juni 2018 mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass der Revisionswerber im Iran aufgewachsen ist.
10 Es entspricht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass es einem gesunden Asylwerber im erwerbsfähigen Alter, der eine der Landessprachen Afghanistans beherrsche, mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates vertraut sei und die Möglichkeit habe, sich durch Gelegenheitstätigkeiten eine Existenzgrundlage zu sichern, die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in bestimmten Gebieten Afghanistans zugemutet werden könne, und zwar selbst dann, wenn er nicht in Afghanistan geboren worden sei, dort nie gelebt und keine Angehörigen in Afghanistan habe, sondern im Iran aufgewachsen und dort in die Schule gegangen sei (vgl. VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0160; 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, Rn. 124).
11 Die Revision vermag vor dem Hintergrund der unbestritten gebliebenen Feststellungen des BVwG, wonach es sich beim Revisionswerber um einen volljährigen, gesunden und arbeitsfähigen Mann mit Berufserfahrung handle, der in Kabul geboren, in einem afghanischen Familienverband aufgewachsen und daher mit den kulturellen Gepflogenheiten seines Herkunftsstaates und einer in Afghanistan gesprochenen Sprache vertraut sei, auch durch den Hinweis, der Revisionswerber habe seit seinem ersten Lebensjahr im Iran gelebt, nicht darzulegen, dass diesem eine Rückkehr unter Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Flucht- und Schutzalternative (in Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif) unzumutbar wäre (vgl. etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, 11.2.2019, Ra 2018/20/0420, sowie erneut 17.9.2019, Ra 2019/14/0160, jeweils mwN).
12 Das Vorbringen mangelnder Nachvollziehbarkeit der Annahme des BVwG, wonach der Revisionswerber finanzielle Unterstützung seiner im Iran lebenden Familie erhalten könne, zielt auf die Beweiswürdigung des angefochtenen Erkenntnisses ab. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0434; 27.8.2019, Ra 2019/20/0336, jeweils mwN). Dass dies hier der Fall wäre, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. 13 Eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. etwa VwGH 11.2.2019, Ra 2019/20/0031 bis 0033, mwN). Die Revision zeigt nicht auf, dass die Interessenabwägung des BVwG fallbezogen unvertretbar erfolgt wäre.
14 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 11. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200500.L01Im RIS seit
14.02.2020Zuletzt aktualisiert am
14.02.2020