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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
AsylG 2005 §11Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des N M, vertreten durch Mag.a Julia M. Kolda, Rechtsanwältin in 1030 Wien, Landstraßer Hauptstraße 95/1/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. Juli 2019, W228 2180340- 1/8E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein afghanischer Staatsangehöriger aus der Provinz Ghazni, stellte am 13. September 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er zusammengefasst damit begründete, von einem Verwandten wegen eines Grundstücksstreites verfolgt zu werden.
2 Mit Bescheid vom 28. November 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest. 3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
4 Begründend schenkte das BVwG dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers keinen Glauben. Ihm sei auch kein subsidiärer Schutz zu gewähren. Die Herkunftsprovinz des Revisionswerbers zähle zwar zu den volatilen Provinzen Afghanistans und eine ungefährdete Rückkehr dorthin sei für den Revisionswerber nicht möglich. Er könne aber aus näher dargestellten Gründen eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in der afghanischen Stadt Mazar-e Sharif in Anspruch nehmen.
5 Die vorliegende außerordentliche Revision wendet sich in der Zulassungsbegründung nur gegen die Nichtzuerkennung subsidiären Schutzes und macht geltend, die Begründung des BVwG, wonach der Revisionswerber eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif vorfinde, stehe in krassem Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen zur Situation in Mazar-e Sharif und sei daher unschlüssig.
6 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
7 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 voraus, dass es dem Asylwerber (u.a.) möglich sein muss, im Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können (vgl. etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, Rn. 23). 8 Diese Voraussetzung hat das BVwG im vorliegenden Fall bejaht und sich dabei darauf gestützt, dass die afghanische Stadt Mazare Sharif nach den Länderberichten ausreichend sicher sei. Die Versorgung insbesondere mit Nahrung und Wohnraum sei zumindest grundlegend vorhanden. Der Revisionswerber sei gesund, arbeitsfähig und im erwerbsfähigen Alter. Er verfüge über eine mehrjährige Schulbildung, Berufserfahrung und ein familiäres Netzwerk in Afghanistan, das ihn finanziell unterstützen könne. Er könne auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. In Zusammenschau ergebe sich, dass für den Revisionswerber die Möglichkeit für eine den durchschnittlichen afghanischen Verhältnissen entsprechende einfache Lebensführung realistisch sei. Er könne sich aufgrund der dargelegten Umstände in Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen. Die Prüfung der maßgeblichen Kriterien führe im konkreten Fall zu dem Ergebnis, dass dem Revisionswerber eine Ansiedlung in der Stadt Mazar-e Sharif möglich und auch zumutbar sei.
9 Wenn die Revision einen Widerspruch zwischen diesen Erwägungen und den getroffenen Länderfeststellungen zur Versorgungslage in Mazar-e Sharif ortet, ist ihr zu erwidern, dass den Länderfeststellungen des angefochtenen Erkenntnisses zwar eine angespannte Versorgungslage entnommen werden kann, daraus aber nicht abzuleiten ist, dass jeder Rückkehrer eine unzumutbare Lage vorfände. Ob eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative vorhanden ist, erfordert vielmehr eine Beurteilung der allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat und der persönlichen Umstände des Asylwerbers. Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. auch dazu etwa VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001, Rn. 24, mwN).
10 Das BVwG hat sich - wie gezeigt - mit den allgemeinen Gegebenheiten in dem in Aussicht genommenen Gebiet der innerstaatlichen Fluchtalternative und den persönlichen Umständen des Revisionswerbers auseinander gesetzt. Dem hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen. Ausgehend davon ist die Einschätzung des BVwG, dem Revisionswerber stehe eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif zur Verfügung, am Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu beanstanden. 11 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 17. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180500.L00Im RIS seit
31.01.2020Zuletzt aktualisiert am
31.01.2020