TE Vwgh Beschluss 2019/12/19 Ra 2018/11/0239

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Veröffentlicht am 19.12.2019
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Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verwaltungsgerichtshof
30/01 Finanzverfassung
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §38
Verwaltungsgerichtsbarkeits-Nov 2012

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des B S in W, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 13. September 2018, Zl. LVwG-651247/3/MS, betreffend Aussetzung des Verfahrens in einer Angelegenheit nach dem Führerscheingesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wels-Land), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 1. Mit Bescheid vom 9. August 2018 entzog die belangte Behörde dem Revisionswerber die Lenkberechtigung für näher bezeichnete Klassen. Sie stützte sich dabei auf eine vom Landesverwaltungsgericht Oberösterreich mit Erkenntnis vom 17. Juli 2018 bestätigte Bestrafung des Revisionswerbers gemäß § 99 Abs. 2e StVO 1960 wegen einer qualifizierten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.

2 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde, mit welcher der Antrag verbunden war, "das gegenständliche Verfahren bis zum Vorliegen der Entscheidung von VfGH bzw. VwGH auszusetzen".

3 In der Beschwerde wurde dazu begründend vorgebracht, der Revisionswerber habe gegen das Straferkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 17. Juli 2018 eine Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG an den Verfassungsgerichtshof, verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung, erhoben. Im Fall der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den Verfassungsgerichtshof entfalte das Straferkenntnis im Verfahren über die Entziehung der Lenkberechtigung keine Bindungswirkung, sodass in diesem Verfahren das gesamte Beweisverfahren wiederholt werden müsste. Sollte der Verfassungsgerichtshof der Beschwerde die aufschiebende Wirkung nicht zuerkennen, erscheine die Verfahrensaussetzung zweckmäßig sowie verfahrensökonomisch und rechtsstaatlich notwendig, weil bei einer Stattgabe der Beschwerde durch den Verfassungsgerichtshof das Entziehungsverfahren wiederaufgenommen werden müsste, wodurch die zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogene Entziehung der Lenkberechtigung aber tatsächlich nicht mehr gutgemacht werden könnte.

4 Mit der angefochtenen, als "Erkenntnis" bezeichneten Entscheidung wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich den Antrag des Revisionswerbers auf Aussetzung des Verfahrens als unbegründet ab und sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass der Verfassungsgerichtshof über den Antrag des Revisionswerbers, der gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts im Strafverfahren erhobenen Beschwerde nach Art. 144 B-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, noch nicht entschieden habe. Dieser Beschwerde komme somit keine aufschiebende Wirkung zu. Eine Aussetzung gemäß § 38 AVG komme nicht in Betracht, weil die Vorfrage - die Begehung einer qualifizierten Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit - durch das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 17. Juli 2018 bereits rechtskräftig entschieden sei.

6 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Gemäß § 34 Abs. 3 VwGG ist ein Beschluss nach Abs. 1 in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 9 2.2.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe dadurch gegen die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verstoßen, weil es von einer Bindung des Straferkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 17. Juli 2018 im Verfahren über die Entziehung der Lenkberechtigung ausgegangen sei, noch bevor der Verfassungsgerichtshof über den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen dieses Straferkenntnis entschieden habe.

10 2.2.2. Wenn die Revision sich für dieses Vorbringen auf die beiden hg. Erkenntnisse vom 24. April 2001, 2001/11/0101, und vom 8. August 2002, 2001/11/0210, beruft, genügt der Hinweis, dass aus beiden Entscheidungen nicht hervorgeht, dass die Berufungsbehörde (nunmehr: das Verwaltungsgericht) bis zur Entscheidung über einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof zuzuwarten hätte und davor nicht von der Bindungswirkung einer bereits rechtskräftigen Vorfragenentscheidung ausgehen dürfte.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 ausgesprochen, dass es dann, wenn eine bereits rechtskräftige Entscheidung der Verwaltungsbehörde vorliegt, jedenfalls ab diesem Zeitpunkt an einer Voraussetzung für die Anwendung des § 38 AVG mangelt. Die möglichen Auswirkungen der Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes oder des Verfassungsgerichtshofes über eine bei ihm anhängige Bescheidbeschwerde, in der die Rechtmäßigkeit des (jeweils) angefochtenen Bescheides zu prüfen ist, auf den Ausgang eines anderen anhängigen Verwaltungsverfahrens, berechtigt die Verwaltungsbehörde nicht, in diesem Verfahren § 38 AVG anzuwenden (VwGH 19.2.1992, 91/12/0255; 30.1.2002, 98/12/0522; 23.2.2012, 2009/07/0206; vgl. auch VwGH 30.8.1994, 94/05/0094). Diese Rechtsprechung ist auf die Rechtslage nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 übertragbar.

12 Es ist somit nicht erkennbar, dass das Verwaltungsgericht, indem es für die Abweisung des Antrags auf Aussetzung des Verfahrens über die Entziehung der Lenkberechtigung auf die Rechtskraft des Straferkenntnisses des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 17. Juli 2018 (vgl. VwGH 22.7.2019, Ra 2019/11/0108, mwN) abgestellt hat, von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre.

13 2.3. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018110239.L00

Im RIS seit

25.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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