Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des H B in X, vertreten durch Dr. Franz Kriftner, Dr. Christian Sparlinek, Mag. Alexander Piermayr und Mag. Doris Prossliner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Stelzhamerstraße 12, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Linz vom 9. Juli 1997, Zl. Jv 1133-16a/97, betreffend Angelegenheiten nach dem Strafvollzugsgesetz,
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inh altes
betreffend das in Beschwerde gezogene Verbot von Gesprächen mit dem Seelsorger (nachfolgend als Beschwerdepunkt 3 behandelt) und insoweit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, als der (Administrativ-) Beschwerde betreffend die behauptete Verletzung des Beschwerdeführers in seinen Rechten gemäß §§ 43, 85 StVG (nachfolgend als Beschwerdepunkt 2 behandelt) nicht stattgegeben wurde.
II. beschlossen:
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Untersuchungshäftling in der Justizanstalt X.
Am 23. September 1996 beschwerte sich der Genannte u.a.
1. der Strafvollzugsbedienstete Inspektor St. habe am 18. September 1996 eine ungerechtfertigte (fingierte) Meldung erstattet, wonach er angeblich eine Ordnungswidrigkeit (er hätte trotz Abmahnung aus dem Haftraumfenster hinausgeschrieen) begangen hätte;
2. er werde dadurch, daß er jeden Samstag in der Zeit von 7.30 Uhr bis 8.30 Uhr am Gottesdienst in der Justizanstalt teilnehme, während dieser Zeit jedoch für die Personen in der Abteilung Altbau/2. Stock, wo auch er selbst untergebracht sei, der "Hofgang" von 7.00 bis 8.00 Uhr vorgesehen sei, in seinem Recht gemäß § 43 StVG (Bewegung im Freien) verletzt;
3. durch ein "seit neuestem" existierendes Gesprächsverbot mit dem jeweils am Samstag in der Justizanstalt befindlichen Pfarrer werde er in seinem Recht gemäß § 85 StVG (Gespräch mit dem Seelsorger) verletzt;
4. es sei über seine Eingabe "Nr. 4 vom 15.2." betreffend verschiedene Beschwerdepunkte nicht zeitgerecht entschieden worden;
5. es habe der Anstaltsleiter zugesagt, sich nach seinem Urlaub in der Sache eingehend mit der von ihm vorgebrachten Benachteiligung der "Hofgangseinteilung" betreffend den 2. Stock Altbau zu befassen, jedoch sei diese Entscheidung noch ausständig.
Mit dem angefochtenen Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Linz (der belangten Behörde) vom 9. Juli 1997 wurde der Administrativbeschwerde gemäß § 121 StVG gegen die den vorerwähnten Beschwerdepunkten nicht stattgebende Entscheidung des Leiters der Justizanstalt X vom 21. März 1997 nicht Folge gegeben.
Begründend führte die belangte Behörde aus,
Zu Beschwerdepunkt 1.:
Bereits mit rechtskräftigem Bescheid der Vollzugsoberbehörde zu Jv 3717-16a-96 sei festgestellt worden, daß der Beschwerdeführer das ihm vorgeworfene Verhalten tatsächlich an den Tag gelegt habe. Wenn der Beschwerdeführer nun vermeine, daß dies nicht so war, so stehe dieser Behauptung die anders lautende rechtskräftige Entscheidung der Vollzugsoberbehörde entgegen. Im übrigen beschränke sich der Beschwerdeführer darauf, Inspektor St. als "Lügner" zu bezeichnen und ihn einer "durchtriebenen Verlogenheit" zu zeihen. Es könnte diesbezüglich kein Grund für eine aufsichtsbehördliche Maßnahme gefunden werden.
Zu Beschwerdepunkt 2.:
Der Beschwerdeführer sei bereits mit Bescheid des Anstaltsleiters darauf hingewiesen worden, daß nach Fertigstellung des zweiten Spazierhofes (in der Justizanstalt X seien bauliche Umbauarbeiten im Gange) eine Lösung angestrebt (werden) werde, die den Vorschriften der §§ 43 und 85 StVG genügen würde. Weder dem Leiter der Justizanstalt noch der belangten Behörde sei daran gelegen, die Rechte der Insassen auf Teilnahme am Gottesdienst zu beschneiden.
Zu Beschwerdepunkt 3.:
Sollte es den Tatsachen entsprechen, daß den Insassen in der Zeit vom September 1996 bis Jänner 1997 ein Gespräch mit dem Seelsorger verboten worden sei (dies sei gemäß § 85 Abs. 2 (gemeint: Abs. 1) zweiter Satz StVG aus Gründen der Sicherheit und Ordnung möglich), so sei der Beschwerdeführer dennoch nicht beschwert, weil diese Gespräche seit Jänner 1997 wieder stattfänden.
Zu Beschwerdepunkt 4.:
Auch für den Strafvollzug gelte das AVG. § 73 Abs. 1 AVG sehe eine 6-monatige Frist für die Entscheidung vor, innerhalb derer die Behörde eine Rechtssache zu erledigen habe. Die Behauptung des Beschwerdeführers, die Justizanstalt würde die Entscheidung über Beschwerden verschleppen, sei nicht bewiesen und entbehre jeder Grundlage. Es läge kein Grund für eine aufsichtsbehördliche Maßnahme vor.
Zu Beschwerdepunkt 5.:
Da zwischenzeitlich über die Anträge des Beschwerdeführers in seiner "4. Eingabe" teilweise auch bescheidmäßig entschieden worden sei, sei der Beschwerdeführer in diesem Punkt nicht (mehr) beschwert. Insgesamt gesehen hätte kein Anlaß zu aufsichtsbehördlichen Maßnahmen bestanden.
Gegen diese angeführten Bescheidpunkte richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, den Bescheid insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Über die Behandlung der Untersuchungshäftlinge ordnet § 183 Abs. 1 StPO an, daß auf die Anhaltung in Untersuchungshaft die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, dem Sinne nach anzuwenden sind, es sei denn, daß in der Strafprozeßordnung etwas Besonderes bestimmt ist.
§ 43 und § 85 des Strafvollzugsgesetzes lauten - soweit entscheidungswesentlich:
"§ 43. Wenn es die Witterung gestattet, haben sich Strafgefangene, die nicht im Freien arbeiten, täglich, andere Strafgefangene an arbeitsfreien Tagen eine Stunde im Freien zu bewegen. Die Bewegung im Freien ist darüber hinaus auszudehnen, wenn dies ohne Beeinträchtigung des übrigen Dienstes und der Ordnung in der Anstalt möglich ist. ...
§ 85. (1) Jeder Strafgefangene hat das Recht, in der Anstalt am gemeinschaftlichen Gottesdienst und an anderen gemeinsamen religiösen Veranstaltungen teilzunehmen und Heilsmittel sowie den Zuspruch eines an der Anstalt bestellten oder zugelassenen Seelsorgers zu empfangen. Der Anstaltsleiter kann aus Gründen der Sicherheit und Ordnung nach Anhörung des Seelsorgers Strafgefangene von der Teilnahme am Gottesdienst und an anderen Veranstaltungen ausschließen.
..."
Gemäß § 119 StVG haben die Strafgefangenen das Recht,
hinsichtlich des ihre Person betreffenden Vollzuges in angemessener
Form mündlich oder schriftlich Ansuchen zu stellen
Gemäß § 73 Abs. 1 AVG ist die Behörde ... verpflichtet, ... über
Anträge von Parteien (§ 8) ... ohne unnötigen Aufschub, spätestens
aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen.
Gemäß § 120 Abs. 1 StVG können sich die Strafgefangenen gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren.
Gemäß § 122 StVG haben die Strafgefangenen das Recht, durch Ansuchen und Beschwerden das Aufsichtsrecht der Vollzugsbehörden anzurufen.
Auf dem Boden dieser Rechtslage sind die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Beschwerdepunkte daraufhin zu untersuchen, inwieweit die belangte Behörde formell und materiell dem Gesetz entsprechend durch den angefochtenen Bescheid einzelne vom Beschwerdeführer geltend gemachte öffentlich-rechtliche Ansprüche aus seiner Anhaltung in der Untersuchungshaft beurteilt hat, da es sich um einen teilbaren Bescheid handelt.
Hinsichtlich der Beschwerdepunkte 2 und 3 erweist sich die Beschwerde als berechtigt, im übrigen als unzulässig.
Zum Beschwerdepunkt 1:
Dazu hat die belangte Behörde ausgeführt, daß das vom Beschwerdeführer einem Strafvollzugsbediensteten vorgeworfene Verhalten (unrichtige Anzeige einer Ordnungswidrigkeit des Beschwerdeführers) bereits Gegenstand eines Verwaltungsaktes geworden sei und entgegen den Behauptungen des Beschwerdeführers mit rechtskräftigem Bescheid der Vollzugsoberbehörde unter Zl. Jv 3717-16a/96 festgestellt worden sei, daß dieser die Ordnungswidrigkeit tatsächlich begangen habe. Soweit die Beschwerde dagegen einwendet, der bezogene Bescheid sei deshalb nicht rechtskräftig, weil der Beschwerdeführer dagegen eine Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erhoben habe, so wird verkannt, daß die Einbringung einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde an der Rechtskraft des im Verwaltungsverfahren ergangenen letztinstanzlichen Bescheides nichts ändert. Schon daraus ergibt sich, daß wegen entschiedener Sache (insoweit eben von der Richtigkeit des gegen den Beschwerdeführer erhobenen Vorwurfes auszugehen ist) eine Rechtverletzungsmöglichkeit in diesem Punkt nicht gegeben sein kann. Im übrigen ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten, wenn sie davon ausging, daß das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers lediglich auf die Erzielung aufsichtsbehördlicher Maßnahmen gerichtet gewesen sein konnte. Auf solche gemäß § 122 StVG erhobene Ansuchen oder Beschwerden braucht dem Strafgefangenen jedoch kein Bescheid erteilt zu werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers hat der Strafgefangene kein subjektives Recht auf Ausübung dieses Aufsichtsrechtes. Interessen, die durch keinen Rechtsanspruch gesichert sind, können aber nicht Gegenstand einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde sein (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 3. April 1980, Zl. 583/80, u.a.).
Im übrigen kann von einem Bescheid im Sinne des Art. 130 Abs. 1 lit. a und Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG nur dann die Rede sein, wenn in einer bestimmten Angelegenheit der obrigkeitlichen Verwaltung der objektiv erkennbare Wille der Behörde darauf gerichtet ist, in einer förmlichen Weise über individuelle (subjektive) Rechtsverhältnisse abzusprechen, sei es, daß ein Rechtsverhältnis mit bindender Wirkung festgestellt wird, sei es, daß es mit solcher Wirkung gestaltet wird (vgl. den hg. Beschluß vom 26. April 1991, Zl. 90/18/0206; allgemein zu den Elementen des Bescheidbegriffes den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9458/A). Im Hinblick auf diesen Bescheidbegriff kann iVm der Bestimmung des § 122 StVG der angefochtene Teil der Erledigung der belangten Behörde hinsichtlich des Beschwerdepunktes 5. nicht als Bescheid angesehen werden, gab darin die belangte Behörde doch ausschließlich zu erkennen, daß sie sich "zu einem aufsichtsbehördlichem Einschreiten" nicht veranlaßt fühle.
Zu Beschwerdepunkt 2:
Die belangte Behörde ist in ihrem Bescheid davon ausgegangen, daß dem Beschwerdeführer in den §§ 43 und 85 StVG subjektiv-öffentlichen Rechte eingeräumt werden. Dies trifft auch zu (vgl. für die Annahme eines subjektiven Rechtes die in dem hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 1998, Zl. 97/20/0151, bezüglich Vorschriften, die der Behörde auch und gerade im Interesse der betroffenen Personen bestimmte Pflichten auferlegen, zitierte Judikatur). Der Beschwerdeführer hatte sich darüber beschwert, daß er in seinen ihm gemäß §§ 43 und 85 StVG eingeräumten Rechten dadurch verletzt werde, daß er infolge der zeitgleichen Einteilung des ihm zur Verfügung stehenden "Hofganges" (der Möglichkeit der Bewegung im Freien gemäß § 43 StVG) mit dem in der Justizanstalt stattfindenden Gottesdienst nicht die Möglichkeit habe, sowohl an diesem teilzunehmen (§ 85 StVG) als auch sich gemäß § 43 StVG im Freien zu bewegen. Dazu wurde von der belangten Behörde nur darauf verwiesen, daß "nach Fertigstellung des zweiten Spazierhofes eine Lösung angestrebt wird, die den Vorschriften der §§ 43 und 85 StVG genügt". In der vorliegenden Beschwerde wird daher mit Recht aufgezeigt, daß die belangte Behörde selbst angenommen hat, der Beschwerdeführer werde aufgrund dieser beanstandeten organisatorischen Einteilung bzw. infolge nicht näher dargestellter Umbauarbeiten in den ihm gemäß den erwähnten Vorschriften eingeräumten Rechten verkürzt. Dem Bescheid läßt sich nicht entnehmen, warum die Vorenthaltung der dem Beschwerdeführer vom Gesetz eingeräumten Rechte nicht etwa durch eine andere zeitliche Einteilung zur Inanspruchnahme des "Hofganges" vermieden werden könnte; es fehlt vielmehr jegliche nachvollziehbare Begründung, die erkennen ließe, daß die Vorgangsweise der Justizbehörde eine gesetzliche Deckung fände. Eine nicht vorhandene Begründung kann auch nicht in der Gegenschrift nachgeholt werden.
Zu Beschwerdepunkt 3:
Die belangte Behörde war der Auffassung, es bedürfte im Hinblick darauf, daß dem Beschwerdeführer seit Jänner 1997 Gespräche mit dem Seelsorger (wieder) ermöglicht würden, keiner inhaltlichen Entscheidung (mehr) über die Rechtmäßigkeit eines behaupteten, ihm gegenüber ausgesprochenen Gesprächsverbotes mit dem "jeweils am Sonntag in der Justizanstalt befindlichen Pfarrer". Überdies vertrat die belangte Behörde den Standpunkt, es sei grundsätzlich zulässig, einem Häftling gestützt auf § 85 Abs. 1 zweiter Satz StVG aus Gründen der Sicherheit und Ordnung Gespräche mit dem Seelsorger zu verbieten.
Beide Rechtsauffassungen entsprechen nicht der Rechtslage:
Das Strafvollzugsgesetz sieht in seinem § 120 Abs. 1 ausdrücklich die Möglichkeit der Strafgefangenen vor, sich (auch) gegen jede ihre Rechte betreffende Anordnung und über jedes ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten beschweren. Nach dem eindeutigen, und insoweit auch von der Behörde so verstandenen Wortlaut des § 85 Abs. 1 StVG stellt diese Bestimmung eine Vorschrift dar, die dem Gefangenen ein subjektives Recht auf Teilnahme am gemeinschaftlichen Gottesdienst und an anderen gemeinsamen religiösen Veranstaltungen sowie auf Empfangnahme der Heilsmittel und des Zuspruchs eines an der Anstalt bestellten oder zugelassenen Seelsorgers einräumt. Liegt nun eine Verletzung dieser Rechte durch ein entgegenstehendes Verhalten eines Strafvollzugsbediensteten oder eine solche Anordnung vor und wird dagegen Beschwerde erhoben, so hat - unter der Annahme, daß dieses Verhalten bzw. die dem Vollzug der Anordnung dienende Maßnahme bereits beendet ist - die bescheidmäßige Erledigung der Beschwerde des Gefangenen in der Feststellung zu bestehen, daß dadurch die Rechte des Beschwerdeführers verletzt wurden. Die vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde richtete sich nämlich gerade gegen eine in seine Rechte gemäß § 85 Abs. 1 StVG eingreifende Anordnung bzw. ein ihm diese Rechte vorenthaltendes Behördenverhalten. Die Auffassung der belangten Behörde, daß sich eine bescheidmäßige Erledigung seines Anliegens etwa durch zeitliche Überholung erübrige, wäre für die Fälle einer vom Strafgefangenen angestrebten Durchsetzung eines ihm verweigerten, zuvor entsprechend artikulierten Sachanliegens zutreffend, wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer ohne objektiven Nutzen und die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen nur mehr von theoretischer Bedeutung wären. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, daß die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage ihre Auffassung zum Ausdruck brachte, § 85 Abs. 1 zweiter Satz StVG könne das Verbot der Empfangnahme der Heilsmittel und des Zuspruches eines an der Anstalt bestellten oder zugelassenen Seelsorgers rechtfertigen. Demgegenüber bezieht sich aber die genannte Bestimmung nur auf den Ausschluß "von der Teilnahme am Gottesdienst und an anderen Veranstaltungen". Soweit die vom Beschwerdeführer behauptete Nichtgewährung von Gesprächen mit dem "jeweils am Samstag in der Justizanstalt befindlichen Pfarrer" nicht überhaupt eine gemäß § 188 Abs. 1 StPO dem Untersuchungsrichter vorbehaltene Anordnung oder Entscheidung hinsichtlich des Verkehrs des Untersuchungshäftlings mit der Außenwelt betroffen haben sollte, hätte es demnach einer bescheidmäßigen Feststellung nach entsprechender Klärung des Sachverhaltes darüber bedurft, ob der Beschwerdeführer durch eine dem § 85 Abs. 1 erster Satz StVG widersprechende Anordnung bzw. ein dieser Bestimmung entgegenstehendes Verhalten von Strafvollzugsbediensteten in seinen Rechten verletzt wurde.
Zu Beschwerdepunkt 4:
Der Beschwerdeführer bringt vor, daß die in § 73 Abs. 1 AVG angeführte Frist von sechs Monaten eine "Maximalfrist" darstelle, die Behörde nicht jedenfalls bis zu ihrem Ablauf zuwarten dürfe, sondern "ohne unnötigen Aufschub, d.h. möglichst schon früher, zu entscheiden hat". Nur in Ausnahmsfällen und unter besonderen Umständen dürfe die Behörde die 6-Monatsfrist ausschöpfen. Dazu hatte der Beschwerdeführer in seiner Administrativbeschwerde an die belangte Behörde vorgebracht, der Anstaltsleiter würde absichtlich erst am letzten Tag der sechsmonatigen Entscheidungsfrist des § 73 Abs. 1 AVG über seine Eingaben entscheiden.
§ 73 Abs. 2 AVG verleiht der Partei das subjektive Recht, durch Stellung eines Devolutionsantrages den Übergang der Zuständigkeit und damit auch der Entscheidungspflicht von der seit mindestens sechs Monaten säumigen Behörde auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde zu bewirken. Wenn auch die Behörde objektiv verpflichtet ist, ohne unnötigen Aufschub - und damit allenfalls bereits vor Ablauf von sechs Monaten - zu entscheiden, so ist diese Verpflichtung für die Partei auf prozessualem Wege gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 73 AVG erst nach Ablauf dieser Frist durchsetzbar (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 30. September 1987, Zl. 85/01/0212, und vom 7. Februar 1990, Zl. 88/01/0237). Bei Eintritt eines Schadens wäre darüberhinaus allenfalls die Geltendmachung der Rechtswidrigkeit im Wege der Amtshaftung gegeben, selbst wenn die vom öffentlichen Recht gegen die Säumnis einer Verwaltungsbehörde zur Verfügung gestellten Mittel erst nach dem Ablauf von sechs Monaten Abhilfe schaffen können.
Dem Beschwerdeführer kommt also ein durchsetzbares Recht auf Entscheidung über seinen Antrag jedenfalls vor Ablauf von sechs Monaten nicht zu. Da § 120 Abs. 1 StVG den Strafgefangenen Beschwerden nur gegen jede ihre Rechte betreffende Entscheidung oder Anordnung und über jedes Ihre Rechte betreffende Verhalten der Strafvollzugsbediensteten einräumt, kommt im vorliegenden Fall eine Beschwerdeführung nach der angegebenen Gesetzesstelle nicht in Betracht. Die belangte Behörde hat auch ausdrücklich zum Ausdruck gebracht, daß sie zu einem aufsichtsbehördlichen Einschreiten keine Veranlassung sehe. Damit ist insoweit zur mangelnden Bescheidqualität dieser Teilerledigung auf das unter Punkt 1 Ausgeführte hinzuweisen.
Zu Beschwerdepunkt 5:
Zur Behauptung der verzögerten Erledigung der angeführten Angelegenheit gilt das im Zusammenhang mit § 73 AVG unter Punkt 4 bereits Gesagte.
Der angefochtene Bescheid war teilweise im angeführten Umfang (betreffend den zuvor bezeichneten Beschwerdepunkt 3) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG und (betreffend den Beschwerdepunkt 2) gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 10. September 1998
Schlagworte
Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung konstitutive Bescheide Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Spruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997200811.X00Im RIS seit
18.02.2002