TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/19 G304 2173125-5

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Veröffentlicht am 19.08.2019
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Entscheidungsdatum

19.08.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76

Spruch

G304 2173125-5/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin nach amtswegiger Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des XXXX, geb. XXXX, StA. Marokko, in Schubhaft, zu Recht erkannt:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt

der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 02.03.2019 um 4:10 Uhr in der Früh wurde die Polizei im Zuge einer Streifenfahrt auf eine Personengruppe aufmerksam, die angab, der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) habe eine Frau geschlagen. Daraufhin wurde der BF auf die zuständige Polizeiinspektion verbracht und dort von der Polizei einvernommen.

Bei der Identitätsfeststellung wurde aufgrund eines gegen den BF ausgeschriebenen Einreise-/Aufenthaltsverbotes im Schengener-Gebiet mit dem BFA Journaldienst um 05:10 Uhr telefonisch Rücksprache gehalten. Dieser verfügte die Festnahme des BF nach § 40 BFA-VG, woraufhin der BF um 07:15 Uhr Beamten eines Polizeianhaltezentrums übergeben wurde.

Daraufhin folgte am 02.03.2019 die niederschriftliche Einvernahme des BF zur Schubhaft und mit Bescheid des BFA vom 02.03.2019 die Verhängung der Schubhaft über den BF zum Zwecke der Sicherung seiner Abschiebung (am 15.04.2019 in Rechtskraft erwachsen).

Der BF befindet sich seit 02.03.2019, 12:45 Uhr, durchgehend in Schubhaft.

2. Es folgten Schubhaftüberprüfungen.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden: BVwG) vom 17.10.2017, Zl. G307 2173125-1/2E, vom 14.12.2017, G301 2173125-2/7E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.11.2017, vom 11.07.2019, Zl. G306 2173125-3/5E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.06.2019, und vom 22.07.2019, Zl. G306 2173125-4/2E, wurde jeweils nach amtswegiger Prüfung festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

3. Die verfahrensgegenständliche Aktenvorlage zur amtswegigen Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft erfolgte am 12.08.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Marokko.

1.2. Fest steht, dass gegen den BF am 26.11.2015 von Italien ein für den gesamten Schengen-Raum bis 20.11.2021 gültiges Einreiseverbot erlassen wurde.

1.3. Er reiste spätestens am 12.04.2016 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein.

Am 12.04.2016 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF wurde daraufhin im September 2016 wegen versuchter Körperverletzung und gefährlicher Drohung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und sieben Wochen, davon sechs Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt. Dieser Verurteilung lagen strafbare Handlungen vom 20.07.2016 zugrunde.

Gleich nach Entlassung des BF aus seiner Untersuchungshaft im September 2016 tauchte der BF im Bundesgebiet unter.

Mit Bescheid des BFA vom 13.12.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asyl- als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat abgewiesen, dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Marokko zulässig ist und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid ist am 29.12.2016 in Rechtskraft erwachsen.

Am 01.03.2017 erfolgte bezüglich Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) eine schriftliche Beantragung bei der marokkanischen Botschaft.

Mit Bescheid des BFA vom 19.06.2017, rechtskräftig mit 01.08.2017, wurde über den BF die Schubhaft verhängt. Am 25.08.2017 stellte der BF - aus dem Stand der Schubhaft - erneut einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde mit Bescheid vom 11.09.2017, rechtskräftig mit 26.09.2017 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Der BF wurde am 05.12.2017 aus der Schubhaft entlassen. Nach kurzer Meldung im Bundesgebiet ab 05.12.2017 bestand ab 21.12.2017 keine aufrechte Meldung des BF im Bundesgebiet mehr.

1.4. Am 02.03.2019 um 4:10 Uhr in der Früh wurde die Polizei im Zuge einer Streifenfahrt auf eine Personengruppe aufmerksam, die angab, der BF habe eine Frau geschlagen. Daraufhin wurde der BF auf die zuständige Polizeiinspektion verbracht und dort von der Polizei einvernommen. Bei der Identitätsfeststellung wurde aufgrund des gegen den BF ausgeschriebenen Einreise-/Aufenthaltsverbotes im Schengener-Gebiet mit dem BFA Journaldienst um 05:10 Uhr telefonisch Rücksprache gehalten. Dieser verfügte die Festnahme des BF nach § 40 BFA-VG, woraufhin der BF um 07:15 Uhr Beamten eines Polizeianhaltezentrums übergeben wurde.

Daraufhin folgte am 02.03.2019 die niederschriftliche Einvernahme des BF zur Schubhaft und daraufhin mit Bescheid des BFA vom 02.03.2019 die Schubhaftverhängung über den BF zum Zwecke der Sicherung seiner Abschiebung. Die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung des BF ist am 15.04.2019 in Rechtskraft erwachsen.

Fest steht, dass der BF seit 02.03.2019, 12:45 Uhr, durchgängig in Schubhaft angehalten wird.

1.5. Es gab bezüglich Erlangung eines HRZ mehrere schriftliche Urgenzschreiben an die marokkanische Botschaft, und zwar

* am 05.03.2019,

* am 19.03.2019, nachdem der BF am 11.03.2019 einen Antrag auf freiwillige Rückkehr und legte dabei seinen marokkanischen Personalausweis vorgelegt hatte,

* am 08.04.2019,

* 05.06.2019,

* 10.07.2019 und

* 12.07.2019, wobei im HRZ-Verfahren die Urgenzliste an das Konsulat gesendet wurde.

* Die letzte Urgenz bei der marokkanischen Botschaft fand am 18.07.2019 statt, wobei persönlich beim marokkanischen Konsul urgiert wurde.

1.6. Der vom BF am 11.03.2019 in Schubhaft gestellte Antrag auf freiwillige Rückkehr wurde von ihm am 06.06.2019 wieder zurückgezogen.

1.7. Vor dem BVwG wurde die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft überprüft:

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes (im Folgenden: BVwG) vom 17.10.2017, Zl. G307 2173125-1/2E, vom 14.12.2017, G301 2173125-2/7E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.11.2017, vom 11.07.2019, Zl. G306 2173125-3/5E, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.06.2019, und vom 22.07.2019, Zl. G306 2173125-4/2E, wurde jeweils nach amtswegiger Prüfung festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

* Am 26.06.2019 wurde im Zuge einer mündlichen Verhandlung vor dem BVwG die weitere Anhaltung des BF als rechtmäßig und verhältnismäßig erachtet.

* Am 12.07.2019 erfolgte die zweite Aktenvorlage bezüglich Überprüfung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft Diese zweite Verhältnismäßigkeitsprüfung vor dem BVwG ergab dasselbe Ergebnis, wurde doch mit

Erkenntnis des BVwG vom 22.07.2019 festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

1.8. Das BFA brachte mit Beschwerdevorlage unter anderem vor:

"Bei gegenständlichem Schubhäftling werden regelmäßige Urgenzen vorgenommen.

Es bestehen gute Aussichten, dass in absehbarer Zeit mit einem Heimreisezertifikat zu rechnen ist, da:

1) Schubhäftlinge bevorzugt werden

2) eine Kopie des marokkanischen Personalausweises existiert

3) wöchentlich mit 2-4 Heimreisezertifikaten zu rechnen ist und das Verfahren bereits fast sechs Monate läuft

4) der nächste Termin für eine Urgenz schon vorgemerkt ist

5) persönlich beim marokkanischen Konsul urgiert wurde."

Vom BFA angemerkt wurde mit Beschwerdevorlage außerdem Folgendes:

"Zur derzeitigen Beziehung zur marokkanischen Botschaft darf angemerkt werden, dass eine Erhöhung der auszustellenden Heimreisezertifikate auf europäischer Ebene verhandelt wird und diesbezüglich im September mit einer Entscheidung zu rechnen ist, so das Verhandlungsergebnis aus Brüssel von Juni 2019, wo ein Kollege des BFA teilnahm. Das Verhältnis der EU zu den jeweiligen marokkanischen Vertretungsbehörden sei derzeit etwas angespannt, der Wille zu einer konstruktiven Problemlösung ist jedoch gegeben.

1.8. Fest steht, dass der BF in Österreich

* keine Familienangehörige oder berücksichtigungswürdige soziale oder sonstige Bindungen,

* keine Existenzmittel für die Finanzierung eines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet und

* keine Sozial- und Krankenversicherung hat.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen beruhen auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Zuständigkeit:

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, idF BGBl. I Nr. 70/2015, lautet:

"§ 22a. (...)

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(...)."

Mit Vorlage des Verwaltungsaktes beim BVwG am 12.08.2019 gilt die gegenständliche Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen BF eingebracht. Das BVwG hat nunmehr festzustellen, ob zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

3.2. Relevante Rechtsvorschriften und Judikatur:

3.2.1. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),

lautet:

"§ 76. (...).

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. (...),

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

(...).

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes."

Als "Fluchtgefahr" nach Art. 2 lit. n Dublin-VO gilt das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven - vom nationalen Gesetzgeber - gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zur Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Die in diesem Sinne gesetzlich festgelegten Kriterien des Vorliegens von Fluchtgefahr finden sich in § 76 Abs. 3

FPG.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Der mit "Dauer der Schubhaft" betitelte § 80 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),

lautet:

"§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

(2) Die Schubhaftdauer darf, vorbehaltlich des Abs. 5 und der Dublin-Verordnung, grundsätzlich

1. drei Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen mündigen Minderjährigen angeordnet wird;

2. sechs Monate nicht überschreiten, wenn die Schubhaft gegen einen Fremden, der das 18. Lebensjahr vollendet hat, angeordnet wird und kein Fall der Abs. 3 und 4 vorliegt.

(3) Darf ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil über einen Antrag gemäß § 51 noch nicht rechtskräftig entschieden ist, kann die Schubhaft bis zum Ablauf der vierten Woche nach rechtskräftiger Entscheidung, insgesamt jedoch nicht länger als sechs Monate aufrecht erhalten werden.

(4) Kann ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden, weil

1. die Feststellung seiner Identität und der Staatsangehörigkeit, insbesondere zum Zweck der Erlangung eines Ersatzreisedokumentes, nicht möglich ist,

2. eine für die Ein- oder Durchreise erforderliche Bewilligung eines anderen Staates nicht vorliegt,

3. der Fremde die Abschiebung dadurch vereitelt, dass er sich der Zwangsgewalt (§ 13) widersetzt, oder

4. die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint,

kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden.

(...).

(6) Das Bundesamt hat von Amts wegen die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung in Schubhaft längstens alle vier Wochen zu überprüfen. Ist eine Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG anhängig, hat diesfalls die amtswegige Überprüfung zu entfallen.

(...)."

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Der BF ist marokkanischer Staatsbürger, demnach Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG darf die Schubhaft nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist.

Bei der Prüfung, ob Sicherungsbedarf gegeben ist, ist nach § 76 Abs. 2a FPG im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

Fest steht, dass sich der BF nunmehr seit 02.03.2019, 12:45 Uhr, durchgehend in Schubhaft aufhält.

Die vorangegangenen amtswegigen Prüfungen des BVwG im Zuge der mündlichen Verhandlung am 26.06.2019 und nach neuerlicher Aktenvorlage am 12.07.2019 ergaben die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des BF in Schubhaft.

Auch nunmehr hat das BVwG nach Aktenvorlage am 12.08.2019 gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG zu prüfen, ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist, und festzustellen, ob die maßgeblichen Voraussetzungen dafür vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

Mehrere bestimmte Tatsachen rechtfertigen im gegenständlichen Fall jedenfalls die Annahme, dass sich der BF bei einer Schubhaftentlassung einer Abschiebung entziehen werde:

Der BF reiste spätestens am 12.04.2016 mit einem von 2015 bis 2021 gültigen Einreiseverbot aus Italien behaftet in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 12.04.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz. Der BF beging kurze Zeit nach seiner Asylantragstellung am 12.04.2016 - am 20.07.2016 - strafbare Handlungen im Bundesgebiet, wurde deswegen im September 2016 zu einer großteils bedingten Freiheitsstrafe rechtskräftig strafrechtlich verurteilt und tauchte noch am Tag seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2016 im Bundesgebiet unter. Daraufhin wurde mit Bescheid des BFA vom 13.12.2016, rechtskräftig mit 29.12.2016, sein Asylantrag abgewiesen, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und einer Beschwerde dagegen die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Nachdem gegen den BF mit Bescheid des BFA vom 19.06.2017, rechtskräftig mit 01.08.2017, die Schubhaft verhängt worden war, stellte der BF - aus dem Stand der Schubhaft - am 25.08.2017 einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Nachdem dieser Asylantrag mit Bescheid des BFA vom 11.09.2017, rechtskräftig mit 26.09.2017, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen worden war, wurde der BF am 05.12.2017 aus der Schubhaft entlassen und war er ab 21.12.2017 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet.

Der BF tauchte somit sowohl nach seiner Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2016 - kurze Zeit nach seiner ersten Asylantragstellung - als auch nach seiner Schubhaftentlassung im Dezember 2017 unter. Die Gefahr des Untertauchens ist auch aktuell gegeben, zumal der BF seinen nach Schubhaftverhängung am 11.03.2019 gestellten Antrag auf freiwillige Rückkehr am 06.06.2019 wieder zurückgezogen hat.

Dem Vorbringen des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG am 26.06.2019, der BF werde, wenn er freigelassen werde, Österreich verlassen und versuchen, nach Marokko zu gelangen, konnte aufgrund seines bisherigen Verhaltens im Bundesgebiet kein Glauben geschenkt werden. Vom Willen, freiwillig in sein Herkunftsland zurückzukehren, kann nicht ausgegangen werden.

Aufgrund des gesamten bisherigen Verhalten des BF im Bundesgebiet, der in das österreichische Bundesgebiet trotz für den gesamten Schengen-Raum bis 2021 gültigen Einreiseverbots eingereist ist, sich den Behörden in seinem ersten Asylverfahren durch Untertauchen nach Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2016 und einer ihm im Jahr 2017 gedrohten Außerlandesbringung durch eine zweite Asylantragstellung während seiner Schubhaft entziehen konnte, beharrlich seine Ausreisepflicht verletzt hat und seinen Meldepflichten nicht nachgekommen ist, keine Familienangehörige, soziale oder sonstige berücksichtigungswürdige Bindungen, keinen gesicherten Wohnsitz und auch keine Existenzmittel zur Finanzierung eines weiteren Aufenthaltes im Bundesgebiet hat, ist von einer aufrechten Fluchtgefahr iSv 76 Abs. 3 FPG auszugehen.

Die weitere Aufrechterhaltung der Schubhaft des BF erweist sich nach Abwägung des öffentlichen Interesses an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und des Interesses des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit jedenfalls als verhältnismäßig, berücksichtigt man das Fehlen von familiären, sozialen und sonstigen Bindungen des BF im Bundesgebiet und sein für eine baldige Durchsetzung seiner Abschiebung sprechendes an den Tag gelegtes kriminelles Verhalten kurze Zeit nach seiner Asylantragstellung am 12.04.2016, weswegen er im September 2016 wegen versuchter Körperverletzung und gefährlicher Drohung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten und sieben Wochen, davon sechs Monate bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt wurde, woraufhin der BF durch Untertauchen nach Entlassung aus der Untersuchungshaft im September 2016 sich den Behörden während seines ersten Asylverfahrens entzogen hat.

Die Erlangung eines HRZ ist für den BF außerdem alsbald zu erwarten, sind doch diesbezüglich bereits mehrere schriftliche Urgenzschreiben an die marokkanische Botschaft ergangen - am 05.03.2019, nachdem der BF am 11.03.2019 einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt und dabei seinen marokkanischen Personalausweis vorgelegt hatte, am 19.03.2019, daraufhin am 08.04.2019, 05.06.2019, 10.07.2019, am 12.07.2019, wobei die Urgenzliste an das Konsulat gesendet wurde, und zuletzt am 18.07.2019, wobei persönlich beim marokkanischen Konsul urgiert wurde.

Dem BFA in seiner Stellungnahme mit Beschwerdevorlage folgend bestehen jedenfalls gute Aussichten auf die Erlangung eines HRZ in absehbarer Zeit, dies deshalb, weil

1. Schubhaftfälle bevorzugt werden,

2. eine Kopie des marokkanischen Personalausweises existiert,

3. wöchentlich mit 2-4 HRZ zu rechnen ist und das Verfahren bereits fast sechs Monate läuft,

4. der nächste Termin für eine Urgenz schon vorgemerkt ist und

5. zuletzt erst kürzlich am 18.07.2019 persönlich beim marokkanischen Konsul urgiert wurde.

Die nach § 80 FPG zulässige Dauer der seit 02.03.2019, 12:45 Uhr durchgehenden Schubhaft des BF, für den in absehbarer Zeit ein HRZ von der marokkanischen Botschaft erwartet werden kann, wurde zudem nicht überschritten.

Die fortgesetzte Anhaltung des BF in Schubhaft ist daher jedenfalls gerechtfertigt.

Es war folglich spruchgemäß zu entscheiden und festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft zum Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

3.2.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Fest steht, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis führen würde, war doch der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage klar ersichtlich, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Schubhaft, Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf,
Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G304.2173125.5.00

Zuletzt aktualisiert am

23.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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