TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/5 W214 2216249-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.09.2019
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Entscheidungsdatum

05.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W214 2216249-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. SOUHRADA-KIRCHMAYER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX (auch: XXXX ), geb. am XXXX (Aliasgeburtsdaten: XXXX , XXXX ) Staatsangehörigkeit: Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der persischen Volksgruppe, stellte am XXXX 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der Erstbefragung am selben Tag gab der Beschwerdeführer an, legal aus seinem Heimatland ausgereist zu sein und anschließend schlepperunterstützt und illegal über Serbien in das österreichische Bundesgebiet eingereist zu sein. Weiters gab er an, er habe sein Land verlassen, weil ihm aufgrund seiner Konvertierung vom Islam zum Christentum die Todesstrafe drohe.

Am 06.02.2019 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) im Beisein eines Dolmetschers für Farsi niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, ledig zu sein, keine Kinder zu haben und zuletzt in der Stadt XXXX im Bezirk XXXX gelebt zu haben. Weiters gab er an, der Glaubensgruppe der Bahai anzugehören.

Nach den Fluchtgründen befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass er im Iran an Versammlungen der Bahai teilgenommen habe. Als er einmal eine Versammlung verlassen habe, sei er von drei Personen aufgefordert worden, in deren Auto zu steigen. Diese Personen seien mit ihm dann zu einem Ort gefahren, der einem Gefängnis ähnelte und hätten ihn der Spionage, Kooperation mit "Israeliten" und der Abtrünnigkeit beschuldigt. Er sei schlecht behandelt und verprügelt worden. Unter der Bedingung, dass er mit ihnen kooperiere, für sie spioniere und als Informant tätig werde, der über die Personen berichtet, die an diesen Versammlungen teilnehmen, sei er letztlich freigekommen. Daraufhin habe er umgehend mit seinem Bruder über die Geschehnisse gesprochen, welcher für ihn die Flucht organisiert habe. Im Falle einer Rückkehr gab der Beschwerdeführer an, er fürchte zumindest festgenommen und inhaftiert zu werden. Als Abtrünniger würde man im Iran exekutiert werden.

Er sei etwa zwei Monate vor seiner Ausreise über einen Freund zum Bahaitum gekommen, es sei ein sehr offener und moderner Glaube, man spreche über den allgemeinen Frieden und Gleichberechtigung. Die Teilnehmer des Glaubens seien sehr positiv geladene Menschen, die Teilnahme an den Versammlungen habe ihm eine besondere Freude bereitet. Seine Wertvorstellungen seien ident mit den Grundsätzen der Religion. Vor seiner Hinwendung zum Bahaitum sei er nicht religiös gewesen, dem Klerus jedoch ablehnend gegenübergestanden. Aktuell bereite er sich gerade auf eine Mitgliedschaft im Bahai-Center vor und besuche aus diesem Grund die Versammlungen. Er spreche gerne mit anderen Menschen, insbesondere Asylwerbern, über seinen Glauben, da diese oft eine falsche oder gar keine Vorstellung dieser Glaubensrichtung hätten.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowie auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) , erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.), stellte fest, dass die Abschiebung in den Iran zulässig sei (Spruchpunkt V.) und setzte eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Entscheidung (Spruchpunkt VI.).

Die belangte Behörde stellte neben allgemeinen herkunftsbezogenen Länderfeststellungen fest, dass der Beschwerdeführer iranischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der Volksgruppe der Perser sei. Die Identität könne mangels Vorlage eines für echt befundenen Identitätsdokuments nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer sei illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist sei und habe am XXXX 2018 einen Antrag auf Gewährung internationalen Schutzes eingebracht. Der Beschwerdeführer habe keine Verwandten in Österreich und verfüge auch über sonst keine Bindungen. Eine Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers zum Bahaitum konnte nicht festgestellt werden. Weiters konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland Iran aufgrund einer Verfolgung oder einer Frucht vor solcher verlassen habe. Auch eine Gefährdung im Falle einer Rückkehr konnte nicht festgestellt werden.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass die vage Art und Weise der Schilderung der Ereignisse schwere Zweifel am Wahrheitsgehalt der Aussagen des Beschwerdeführers nach sich gezogen hätten. Die Ausführungen des Beschwerdeführers hätten sich auf oberflächliche Beschreibungen äußerer Vorgänge, wie sie ein Unbeteiligter schildern würde, beschränkt und habe dieser auch zentrale Sachverhaltselemente außer Acht gelassen, die es einem objektiven Zuhörer unmöglich gemacht hätten, den konkreten Ablauf der Dinge schlüssig nachzuvollziehen, ohne eigene Mutmaßungen dazu anzustellen. Während der Einvernahme vor der belangten Behörde sei der Beschwerdeführer oft abgeschweift und habe konsequent inhaltlich unpassende Antworten auf unmissverständliche Fragestellungen gegeben. Es seien beim Beschwerdeführer keinerlei eigene Eindrücke, Gedanken oder Emotionen zum Ausdruck gekommen.

Von einem gläubigen Menschen wäre zu erwarten, dass er anschaulich und mit erkennbar persönlichem Bezug aufzählen könne, wie er seine Religion genau im Alltag ausübe bzw. wie sie sich in seinem Leben niederschlage. Der Beschwerdeführer habe hingegen nicht ausführen können, was genau seine Aufgabe bei den von ihm besuchten Versammlungen sei bzw dass er sich persönlich an Gebote halte, bete oder Feste feiern würde.

Gerade bei iranischen Konvertiten sei für das Ausmaß an innerer Überzeugung und der Fähigkeit, die Gründe dafür zu artikulieren, ein erhöhter Maßstab angebracht, zumal Apostasie und die Zuwendung zu einer neuen Religion massive Konsequenzen nach sich ziehen könne, sodass bei einem Religionswechsel keinesfalls von einem leichtfertigen Entschluss, sondern vielmehr von einer bewussten Entscheidung ausgegangen werden müsse.

Der Beschwerdeführer habe jedoch nicht darlegen können, inwieweit die Versammlungen spirituelle Ereignisse für ihn darstellen würden und habe auch nicht die genauen Tage, an denen die Hochfeste des Bahaitum stattfinden, nennen können. Überdies habe er angegeben, dass das Ridvan-Fest keine besondere Bedeutung für ihn habe. Weiters habe der Beschwerdeführer selbst angegeben, keines der Bahai-Gebete zu kennen, obwohl das kürzeste Gebt nur zwei Sätze beinhalte. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer nach 1 1/2 jähriger Auseinandersetzung mit dem Bahaitum keines der drei Pflichtgebete beherrschen würde. Entgegen den Angaben des Beschwerdeführers würden zudem auch im Bahaitum weit verbreitete Symbole, wie etwa der neunzackige Stern oder das Ringsymbol, existieren, das Nichtwissen des Beschwerdeführers von diesen Symbolen spreche ebenfalls gegen eine echte innere Hinwendung zum Bahaitum.

Hinsichtlich seiner angeblich bevorstehenden Mitgliedschaft im Bahai-Center habe der Beschwerdeführer bis dato keinerlei Bestätigung vorlegen können und sich bezüglich der bevorstehenden Aufnahme in seiner Vernehmung auch selbst widersprochen. Weiters sei nicht nachvollziehbar, wieso sich der Beschwerdeführer nicht mit der heiligsten Schrift des Bahaitums, dem "Adqas-Buch" oder dem "spirituellen Buch 1", auseinandergesetzt habe.

Der Beschwerdeführer habe, befragt nach der Hinwendung zum Bahaitum im Iran, auch nicht im Detail ausführen können, welche Inhalte ihn an der Religion fasziniert hätten und was ihm daran persönlich derart viel gegeben habe, dass er die bekannten Gefahren in Kauf genommen hätte. Zudem hätten sich Widersprüche hinsichtlich der zeitlichen Abläufe gezeigt, da der Beschwerdeführer einmal angegeben habe, sich erst zwei Monate vor seiner Ausreise dem Bahaitum zugewandt zu haben, an anderer Stelle jedoch ausführte, dass die Treffen Mitte des Jahres 2017 begonnen hätten und er zwanzig Mal an solchen wöchentlichen Treffen teilgenommen habe. Ein Schlüsselereignis, welches zur Intensivierung der Hinwendung zum Bahaitum geführt habe, habe der Beschwerdeführer nicht schildern können. Gerade ein solches sei jedoch vor allem bei iranischen Konvertiten im Hinblick auf eine bewusste Religionszuwendung zu erwarten.

Weiters wurde von der belangten Behörde ausgeführt, dass aus den Aussagen des Beschwerdeführers ersichtlich sei, dass sich dieser nicht mit den religiösen Grundlehren des Islam auseinandergesetzt habe, es bleibe daher die Frage bestehen, wieso der Beschwerdeführer ausgerechnet eine Inklination zum Bahaitum entwickelt habe. Insgesamt sei der Eindruck entstanden, dass der Beschwerdeführer gar kein tieferes Interesse an religiösen Themen habe und eine Hinwendung zum Bahaitum nur aus asyltaktischen Gründen vorgegeben habe. Bei der Erstbefragung habe der Beschwerdeführer zudem angegeben, zum Christentum konvertiert zu sein, die Aussage des Beschwerdeführers, dies sei auf Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher zurückzuführen, sei schlicht unglaubwürdig.

Insgesamt ging die belangte Behörde daher davon aus, dass der Beschwerdeführer keinen wahren Sachverhalt vorgebracht hat, sondern vielmehr versuchte eine Fluchtgeschichte zu konstruieren. Es könne daher von keiner Verfolgung des Beschwerdeführers bei einer Rückkehr in den Iran im Sinne der Genfer Konvention ausgegangen werden und komme die Zuerkennung des Staus des Asylberechtigten daher nicht Betracht.

Auch das Erfordernis der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten wurde von der belangten Behörde verneint, zumal der Beschwerdeführer keine auf seine Person bezogene Gefährdungslage habe glaubhaft machen können und von der Behörde auch keine Umstände im Hinblick auf den Iran festgestellt werden konnten, die einer in Art 2 und 3 EMRK genannten Gefährdung gleichzuhalten wären. Der Beschwerdeführer sei erwachsen, gesund und leistungsfähig, so dass davon ausgegangen werden könne, dass dieser in der Lage sei, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Es sei nicht ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt würde.

Da die Gründe für eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG nicht vorlägen, wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen ebenfalls nicht erteilt.

Weiters erließ die belangte Behörde eine Rückkehrentscheidung und führte hierzu aus, dass diese gemäß § 9 Abs. 1- 3 zulässig sei, da der Beschwerdeführer dadurch nicht in seinem Recht auf Familienleben oder Privatleben verletzt sei. Die Abschiebung in den Iran sei auch zulässig, da keine Hinderungsgründe des § 50 FPG vorlägen und habe die Ausreise des Beschwerdeführers binnen 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides zu erfolgen (§ 55 FPG).

3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 15.03.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und führte abermals aus, dass er zum Bahaitum konvertiert sei und im Iran der Verfolgung ausgesetzt gewesen sei. Im Falle einer Rückkehr wäre er der erheblichen Gefahr ausgesetzt, von staatlichen und nichtstaatlichen Institutionen getötet zu werden. Die Angaben bei der Erstbefragung hinsichtlich einer Konvertierung zum Christentum seien nicht korrekt gewesen, was auf ein Missverständnis des Dolmetschers zurückzuführen sei. Er besuche regelmäßig das Bahai Center in Wien, es könne von ihm nicht verlangt werden, seinen Glauben im Iran künftig geheim auszuüben, eine innerstaatliche Fluchtalternative bestehe nicht. Zudem bemühe er sich so schnell wie möglich Deutsch zu lernen, er sei auch aktives Mitglied eines Fußballclubs, was seinen Integrationswillen zeigen würde. Der Beschwerdeführer beantragte, ihm den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen.

Der Beschwerde wurde auch ein Schreiben des Bahai Centers vom 20.02.2019 beigelegt, in welchem die Teilnahme des Beschwerdeführers an einem Kurs des Instituts vom 31.01.2019 bis 03.02.2019 bestätigt wurde.

4. Mit E-Mail vom 04.04.2019 leitete die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht ein E-Mail der Caritas vom 29.03.2019 weiter, welchem eine vom Beschwerdeführer unterschriebene Beratungs-/Betreuungsvereinbarung mit der Caritas, ein vom Beschwerdeführer unterschriebenes Antragsformular für die unterstütze freiwillige Rückkehrhilfe sowie ein ebenfalls vom Beschwerdeführer unterschriebener Projektantrag für das Projekt RESTART II angeschlossen war und in dem die Caritas bekanntgab, dass der Beschwerdeführer freiwillig in seine Heimat zurückkehren wolle.

5. Das Bundesministerium für Inneres übermittelte dem Bundesverwaltungsgericht mit E-Mail vom 03.05.2019 eine von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) am XXXX 2019 ausgestellte Ausreisebetätigung, mit welcher die Ausreise des Beschwerdeführers in den Iran am XXXX 2019 bestätigt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang wird als maßgeblich festgestellt.

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und zum Fluchtvorbringen

Der Beschwerdeführer ist iranischer Staatsangehöriger und Zugehöriger der persischen Volksgruppe. Die Identität des Beschwerdeführers konnte aufgrund der im Akt aufscheinenden unterschiedlichen Namen und Geburtsdaten nicht zweifelsfrei festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist ledig, hat keine Kinder und war im Iran zuletzt in der Stadt XXXX wohnhaft. Er hat 12 Jahre die Schule besucht und diese mit Matura abgeschlossen. Danach hat der Beschwerdeführer einen einjährigen Vorstudienlehrgang in Mathematik und Physik absolviert und war anschließend 11 Jahre lang als Verkäufer für Damenbekleidung berufstätig, wobei er 10 Jahre lang eine eigene Boutique geführt hat und so für seinen Lebensunterhalt aufkommen konnte. Im Herkunftsstaat leben noch die Eltern und die Geschwister des Beschwerdeführers. Zu seinen Eltern hat der Beschwerdeführer nach seinen Angaben täglich Kontakt.

In Österreich leben keine Verwandten des Beschwerdeführers, es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Österreich über einen Freundes- und Bekanntenkreis verfügt.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stelle am XXXX 2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Seit der Antragstellung befand sich der Beschwerdeführer lediglich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz durchgängig rechtmäßig im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer bezog seit der Einreise in das Bundesgebiet Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung des Bundes.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Er geht derzeit keiner legalen Arbeit nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer verfügt über lediglich geringe Deutschkenntnisse.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist am XXXX 2019 freiwillig aus dem österreichischen Bundesgebiet unter Inanspruchnahme einer Rückkehrhilfe in den Iran ausgereist.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer der Religion der Bahai zugehörig ist und eine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche individuelle Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorliegt.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

1.2 Zur hier relevanten Situation im Iran:

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution" [auch Oberster Rechtsgelehrter, Oberster Führer oder Revolutionsführer], Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 15.2.2019a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 12.2018) und kann diesen theoretisch auch absetzen (ÖB Teheran 12.2018). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel "Revolutionsführer" (GIZ 3.2019a).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 3.2019a).

Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 12.2018). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel (AA 12.1.2019).

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 12.2018).

Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 15.2.2019a, FH 4.2.2019, BTI 2018). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 3.2019a).

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig (WZ 11.1.2017).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems" sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2019a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 12.1.2019). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a). Am 26. Februar 2016 fanden die letzten Wahlen zum Expertenrat und die erste Runde der Parlamentswahlen statt. In den Stichwahlen vom 29. April 2016 wurde über 68 verbliebene Mandate der 290 Sitze des Parlaments abgestimmt. Aus den Wahlen gingen jene Kandidaten gestärkt hervor, die das Wiener Atomabkommen und die Lockerung der Wirtschaftssanktionen nach dem "Implementation Day" am 16. Januar 2016 unterstützen. Zahlreiche Kandidaten waren im Vorfeld durch den Wächterrat von einer Teilnahme an der Wahl ausgeschlossen worden. Nur 73 Kandidaten schafften die Wiederwahl. Im neuen Parlament sind 17 weibliche Abgeordnete vertreten (AA15.2.2019a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.2.2019).

Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Die Wahlen an sich liefen im Prinzip frei und fair ab, unabhängige Wahlbeobachter waren aber nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 12.1.2019).

Die Erwartung, dass durch den 2015 erfolgten Abschluss des Atomabkommens (JCPOA) Reformkräfte im Iran gestärkt würden, hat sich in den Parlamentswahlen im Februar bzw. April (Stichwahl) 2016 erfüllt. Die Reformer und Moderaten konnten starke Zugewinne erreichen, so gingen erstmals alle Parlamentssitze für die Provinz Teheran an das Lager der Reformer. Auf Reformbestrebungen bzw. die wirtschaftliche Öffnung des Landes durch die Regierung Rohanis wird von Hardlinern in Justiz und politischen Institutionen mit verstärktem Vorgehen gegen "unislamisches" oder konterrevolutionäres Verhalten reagiert. Es kann daher auch nicht von einer wirklichen Verbesserung der Menschenrechtslage gesprochen werden. Ein positiver Schritt Ende war die Aufhebung der Todesstrafe für die meisten Drogendelikte, was im ersten Halbjahr zu einer signifikanten Reduktion der vollstreckten Todesurteile (-60%) führte. Jedoch gab es 2018 mit der Einschränkung des Zugangs zu unabhängigen Anwälten in "politischen" Fällen und der zunehmenden Verfolgung von Umweltaktivisten auch zwei eindeutig negative Entwicklungen (ÖB Teheran 12.2019).

Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 12.1.2019).

Quellen:

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AA Auswärtiges Amt (15.2.2019a): Innenpolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450. Zugriff 30.4.2019

-

AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 30.4.2019

-

BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report -Iran,

http://www.bti-proiect.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI 2018 Iran.pdf,

Zugriff 30.4.2019

-

FH Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019

-

GIZ - Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2019a):

Geschichte und Staat Iran,

https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/. Zugriff 30.4.2019

-

ÖB - Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf. Zugriff 30.4.2019

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WZ - Wiener Zeitung (11.1.2017): Das politische System des Iran,

https://www.wienerzeitung.at/archiv/iran-2017/iran-hintergrund/524691-Das-politische-System-des-Iran.html?em no split=1, Zugriff 30.4.2019

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken. Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.

Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkonten. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 11.6.2019).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

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AA - Auswärtiges Amt (11.6.2019b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396. Zugriff 11.6.2019

-

BMeiA - Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (11.6.2019): Reiseinformation Iran. https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ . Zugriff: 11.6.2019

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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (11.6.2019): Reisehinweise Iran.

https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html. Zugriff 11.6.2019

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ÖB - Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran.

https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf. Zugriff 11.6.2019

Verbotene Organisation

Die Mitgliedschaft in verbotenen politischen Gruppierungen kann zu staatlichen Zwangsmaßnahmen und Sanktionen führen. Besonders schwerwiegend und verbreitet sind staatliche Repressionen gegen jegliche Aktivität. die als Angriff auf das politische System empfunden wird oder die islamischen Grundsätze in Frage stellt. Als rechtliche Grundlage dienen dazu weitgefasste Straftatbestände. Personen. deren öffentliche Kritik sich gegen das System der Islamischen Republik Iran als solches richtet und die zugleich intensive Auslandskontakte unterhalten. können der Spionage beschuldigt werden (AA 12.1.2019).

Zu den militanten separatistischen Gruppen in Iran zählen insbesondere die kurdisch-marxistische Komalah-Partei. die Democratic Party of Iranian Kurdistan (DPIK). die aus Belutschistan stammende Jundallah. und die Party for a Free Life in Kurdistan (PJAK). die eng mit ihrer Schwesterorganisation. der PKK. zusammenarbeitet (AA 12.1.2019). Die politischen Gruppierungen KDPI. Komala und PJAK sind im Untergrund aktiv (DIS/DRC 23.2.2018). Die PJAK gilt in Iran als Terrororganisation (ÖB Teheran 12.2018) und hat einen bewaffneten Flügel (AI 15.6.2018).

Auch die Volksmudschahedin (MEK. MKO. PMOI) zählen zu den verbotenen Organisationen (AI 11.2.2019).

Im FFM-Bericht des Danish Immigration Service erklärt eine Quelle. dass sie noch nie davon gehört hätte. dass eine Person nur aufgrund einer einzigen politischen Aktivität auf niedrigem Niveau. wie z.B. dem Verteilen von Flyern. angeklagt wurde. Andererseits ist es aber laut einer anderen Quellen schon möglich. dass man inhaftiert wird. wenn man mit politischem Material. oder beim Anbringen von politischen Slogans an Wänden erwischt wird. Es kommt darauf an. welche Art von Aktivität die Personen setzen. Andauernde politische Aktivitäten können in einer Anklage enden (DIS/DRC 23.2.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran.

https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-dieasyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-

01-2019.pdf, Zugriff 11.6.2019

-

AI - Amnesty International (15.6.2018): Urgent Action, Iranian Kurdish Woman denied Medical

Care, UA: 151/14 Index: MDE 13/8598/201, https://www.ecoi.net/en/file/local/1435509/1226_1529323691_mde1385982018english.pdf.

Zugriff

11.6.2019

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AI - Amnesty International (11.2.2019): Amnesty International's written statement to the

40thsessionof theHuman RightsCouncil(25 February -22March 2019), MDE 13/9828/2019, https://

www.ecoi.net/en/file/local/1457788/1226_1550135137_mde1398282019english.pdf. Zugriff 11.6.2019

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DIS/DRC - Danish Immigration Service/Danish Refugee Council (23.2.2018): Iran: Issues concerning persons of ethnic minorities, including Kurds and Ahwazi Arabs, https://www.ecoi.net/en/file/local/1426253/1788_1520517984_issues-concerning-persons-of-

ethnic-minorities-including-kurds-and-ahwazi-arabs.pdf. Zugriff 11.6.2019ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll %C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 11.6.2019

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik. in welcher versucht wird. demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt. dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben. unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich. dass Exekutivorgane. v.a. der Sicherheitsapparat. trotz des formalen Verbots. in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten. dass fast alle Entscheidungen der verschiedenen Staatsgewaltenbei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer ("Iranian Bar Association"; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T dem Regime nahestehen (AA 12.1.2019). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019)

Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst auf Grundlage des kodifizierten Rechts zu entscheiden. Im Zweifelsfall kann jedoch gemäß den Art. 167 und 170 der iranischen Verfassung die Scharia vorrangig angewendet werden (AA 9.12.2015, vgl. US DOS 29.5.2018).

In der Strafjustiz existieren mehrere voneinander getrennte Gerichtszweige. Die beiden wichtigsten sind die ordentlichen Strafgerichte und die Revolutionsgerichte. Daneben sind die Pressegerichte für Taten von Journalisten, Herausgebern und Verlegern zuständig. Die "Sondergerichte für die Geistlichkeit" sollen abweichende Meinungen unter schiitischen Geistlichen untersuchen und ihre Urheber bestrafen. Sie unterstehen direkt dem Revolutionsführer und sind organisatorisch außerhalb der Judikative angesiedelt (AA 9.12.2015, vgl. BTI 2018).

Die Zuständigkeit der Revolutionsgerichte beschränkt sich auf folgende Delikte: Straftaten betreffend die innere und äußere Sicherheit des Landes, bewaffneter Kampf gegen das Regime, Verbrechen unter Einsatz von Waffen, insbesondere "Feindschaft zu Gott" und "Korruption auf Erden"; Anschläge auf politische Personen oder Einrichtungen; Beleidigung des Gründers der Islamischen Republik Iran und des jeweiligen Revolutionsführers; Spionage für fremde Mächte; Rauschgiftdelikte, Alkoholdelikte und Schmuggel; Bestechung, Korruption, Unterschlagung öffentlicher Mittel und Verschwendung von Volksvermögen (AA 9.12.2015).

Gerichtsverfahren, vor allem Verhandlungen vor Revolutionsgerichten, finden nach wie vor unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt und sind extrem kurz. Manchmal dauert ein Verfahren nur wenige Minuten (AI 22.2.2018).

Die iranische Strafrechtspraxis unterscheidet sich stark von jener der europäischen Staaten: Körperstrafen sowie die Todesstrafe werden verhängt (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 12.1.2019). Nach Art. 278 iStGB können in bestimmten Fällen des Diebstahls Amputationen von Gliedmaßen

auch für Ersttäter - vom Gericht angeordnet werden (AA 12.1.2019). Amputation eines beispielsweise Fingers bei Diebstahl fällt unter Vergeltungsstrafen ("Qisas"), ebenso wie die Blendung, die auch noch immer angewendet werden kann. Durch Erhalt eines Abstandsgeldes ("Diya") kann der ursprünglich Verletzte jedoch auf die Anwendung einer Blendung verzichten (ÖB Teheran 12.2018).

Aussagen hinsichtlich einer einheitlichen Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis sind nur eingeschränkt möglich, da diese sich durch scheinbare Willkür auszeichnet. Rechtlich möglich wird dies vorrangig durch unbestimmte Formulierungen von Straftatbeständen und Rechtsfolgen sowie eine uneinheitliche Aufsicht der Justiz über die Gerichte. Auch willkürliche Verhaftungen kommen vor und führen dazu, dass Personen ohne ein anhängiges Strafverfahren festgehalten werden. Darüber hinaus ist die Strafverfolgungspraxis auch stark von aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen bestimmt. Im August 2018 wurde angesichts der kritischen Wirtschaftslage ein Sondergericht für Wirtschaftsstraftaten eingerichtet, das bislang schon sieben Menschen wegen Korruption zum Tode verurteilt hat (AA 12.1.2019).

Wohl häufigster Anknüpfungspunkt für Diskriminierung im Bereich der Strafverfolgung ist die politische Überzeugung. Beschuldigten bzw. Angeklagten werden grundlegende Rechte vorenthalten, die auch nach iranischem Recht garantiert sind. Untersuchungshäftlinge werden bei

Verdacht eines Verbrechens unbefristet ohne Anklage festgehalten, ihre Familien werden nicht oder sehr spät informiert. Oft erhalten Gefangene während der laufenden Ermittlungen keinen rechtlichen Beistand, weil ihnen dieses Recht verwehrt wird oder ihnen die finanziellen Mittel fehlen. Insbesondere bei politisch motivierten Verfahren gegen Oppositionelle erheben Gerichte oft Anklage aufgrund konstruierter oder vorgeschobener Straftaten. Die Strafen sind in Bezug auf die vorgeworfene Tat zum Teil unverhältnismäßig hoch. Hinsichtlich der Ausübung von Sippenhaft liegen gegensätzliche Informationen vor, sodass eine belastbare Aussage nicht möglich ist

(AA

Hafterlass ist nach Ableistung der Hälfte der Strafe möglich. Amnestien werden unregelmäßig vom Revolutionsführer auf Vorschlag des Chefs der Justiz im Zusammenhang mit hohen religiösen Feiertagen und dem iranischen Neujahrsfest am 21. März ausgesprochen. Bei Vergeltungsstrafen können die Angehörigen der Opfer gegen Zahlung eines Blutgeldes auf den Vollzug der Strafe verzichten. Unter der Präsidentschaft Rohanis hat die Zahl der Aussetzung der hohen Strafen bis hin zur Todesstrafe wegen des Verzichts der Angehörigen auf den Vollzug der Strafe stark zugenommen (AA 12.1.2019).

Rechtsschutz ist oft nur eingeschränkt möglich. Anwälte, die politische Fälle übernehmen, werden systematisch eingeschüchtert oder an der Übernahme der Mandate gehindert. Der Zugang von Verteidigern zu staatlichem Beweismaterial wird häufig eingeschränkt oder verwehrt. Die Unschuldsvermutung wird mitunter - insbesondere bei politisch aufgeladenen Verfahren - nicht beachtet. Zeugen werden durch Drohungen zu belastenden Aussagen gezwungen. Es gibt zahlreiche Berichte über durch Folter und psychischen Druck erzwungene Geständnisse.

Insbesondere Isolationshaft wird genutzt, um politische Gefangene und Journalisten psychisch unter Druck zu setzen. Gegen Kautionszahlungen können Familienmitglieder die Isolationshaft in einzelnen Fällen verhindern oder verkürzen (AA 12.1.2019).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (9.12.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der

Islamischen Republik Iran,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1115973/4598_1450445204_deutschland-auswaertiges-amt-

bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-

november-2015-09-12-2015.pdf. Zugriff 24.5.2019

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AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asvl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-

01-2019.pdf, Zugriff 24.5.2019

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AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425078.html. Zugriff 24.5.2019

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BTI -Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report - Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf. Zugriff 24.5.2019

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FH -Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 Iran. https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html. Zugriff 31.5.2019

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HRW- Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 --Iran.

https://www.ecoi.net/de/dokument/2002197.html. Zugriff 24.5.2019

-

ÖB Teheran (12.2018): Asylländerbericht Iran.

https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll %C3%A4nderbericht+2018.pdf. Zugriff 24.5.2019

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US DOS - US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices 2018 Iran.

https://www.ecoi.net/de/dokument/2004255.htm

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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