Entscheidungsdatum
12.09.2019Norm
ASVG §4Spruch
G308 2005269-1 /4E
G308 2005269-2 /2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin MMag. Angelika Pennitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. REICHL, 5020 Salzburg, gegen die Bescheide der Kärntner Gebietskrankenkasse vom 20.12.2010, GZ XXXX und XXXX, beschlossen:
A)
In Erledigung der Beschwerde werden die Bescheide behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung neuer Bescheide an die Kärntner Gebietskrankenkasse zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang :
1. Verfahrensgegenständliches Versicherungspflichtverfahren
1.1. Im Betrieb der Beschwerdeführerin (im Folgenden auch kurz BF), eines Direktmarketingunternehmens, wurde hinsichtlich des Prüfzeitraumes 01.01.2006 bis 31.12.2008 eine gemeinsame Prüfung aller lohnabhängigen Abgaben [GPLA] durchgeführt.
1.2. Mit (den gegenständlich in Beschwerde gezogenen) Bescheide, beide vom 20.12.2010, GZ XXXX und XXXX, stellte die Kärntner Gebietskrankenkasse (im folgenden auch kurz GKK) fest, dass die in Anlage 1 und 2 zum Bescheid namentlich angeführten 17 Personen zu den ebendort angegebenen Beschäftigungszeiten aufgrund der für den Betrieb der Beschwerdeführerin in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübten, entgeltlichen Tätigkeit der Teilversicherung in der Unfallversicherung gem. § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG und §§ 5 Abs 1 Z2 und Abs 2 sowie 7 Z3 lit a ASVG. bzw. der Pflicht(Voll)versicherung in der Kranken-, Unfall-, Pensions- und Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG iVm § 1 Abs. 1 lit a AlVG unterliegen würden. Die bescheidmäßig festgestellte Pflichtversicherung beruhe auf den Bestimmungen der §§ 4 Abs. 1 und 2, 410 Abs 1 Z7, 409 und 357 und 357 ASVG sowie § 4 Abs. 1 lit. a AlVG.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei allen Dienstnehmern mit denen ein Werkvertrag abgeschlossen worden sei, um scheinselbständig tätige Personen handle und daher eine Nachversicherung vorgenommen worden sei.
1.3. Mit Schreiben vom 12.01.2011 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Einsprüche durch ihren rechtsfreundlichen Vertreter, die nunmehr als Beschwerden zu betrachten sind, gegen die verfahrensgegenständlichen Bescheide vom 20.11.2010.
Begründend führte die nunmehrige BF in den weitgehend identen Einsprüchen zusammengefasst aus, dass es sich bei den relevanten Verträgen um Werkverträge handle. Die Subunternehmer hätten frei entscheiden können, wie viele Daten sie von der Beschwerdeführerin anforderten und bearbeiteten. Urlaube oder krankheitsbedingte Abwesenheiten hätten die Subunternehmer der Beschwerdeführerin nicht mitteilen müssen.
Im Vorfeld zur geplanten Arbeitsaufnahme sei einer potentiell für die Beschwerdeführerin tätigen Person ein freier Dienstvertrag sowie ein Subunternehmervertrag übermittelt worden und hätte die jeweilige Person wählen können, ob sie angestellt oder unternehmerisch tätig sein wolle. Die Subunternehmer hätten auch ein Unternehmenswagnis zu tragen gehabt, da es ihnen möglich gewesen wäre, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Die Zeiteinteilung sei völlig frei, eine Vertretung sei möglich gewesen. Von der Beschwerdeführerin seien weder Arbeitsort vorgegeben noch Arbeitskleidung oder Arbeitsmittel zur Verfügung gestellt worden. Spesen und Auslagen seien nicht ersetzt worden, ein fixes "Stundengehalt", Überstundenzahlungen etc. habe es nicht gegeben. Die rechtliche Beurteilung der GKK sei nicht nachvollziehbar.
Die 17 mitbeteiligten Verfahrensparteien erhoben keine Einsprüche.
1.4. Mit Schreiben vom 25.08.2011 nahm der rechtsfreundliche Vertreter aufgrund des Schreibens der Gebietskrankenkasse vom 05.07.2011 sowie des Schreibens der Kärntner Landesregierung vom 28.07.2011 Stellung und führte aus, dass auf das bisher vorgebrachte verwiesen sowie noch ergänzend ausgeführt wird, dass die Subunternehmer die notwendigen Daten mittels E-Mail anfordern mussten und wurden diese zur jeweiligen Bearbeitung zur Verfügung gestellt. Die Subunternehmer konnten frei entscheiden, wieviele Dateien sie anforderten und bearbeiteten. Versandkataloge waren für die Neukundenakquise vorgesehen und wurde an Bestandkunden kein Katalog versandt. Geplante Urlaube oder krankheitsbedingte Abwesenheiten mussten nicht mitgeteilt werden, lediglich durch die freien Dienstnehmer. Der Salzburger Gebietskrankenkasse vorliegende Unterlagen, in welchen darauf hingewiesen wird, dass Urlaube, Krankenstände etc. bekannt gegeben werden müssen stammen von den freien Dienstnehmern, nicht von Subunternehmern.
Es gab keinerlei Weisungspflicht, es gab keine Vorgaben, keine fixe Arbeitszeit mit Ausnahme der Vorgabe, dass Anrufe zwischen 08:00 und 20:00 Uhr erfolgen sollten, es konnte jeder selbst arbeiten oder konnte sich auch jederzeit vertreten lassen. Die meisten Geschäftspartner haben auch nicht täglich gearbeitet, wie auch an der Höhe der allfälligen Abgabenforderung zu erkennen ist, was ja die Folge einer Dienstnehmereigenschaft wäre.
1.5. Mit Wirksamkeit vom 01.01.2014 ging die Zuständigkeit zur Weiterführung dieses zum 31.12.2013 beim Landeshauptmann von Kärnten anhängig gewesenen Verfahrens gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das nunmehr zuständige BVwG über.
1.6. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des BVwG vom 22.01.2014 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung G 310 zugewiesen, und aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 24.04.2015 der G 310 abgenommen und der G 308 neu zugewiesen.
1.7. Mit Beschluss vom 04.04.2017, GZ W151 2013133-1/4E behob das BVwG den Bescheid der Burgenländischen Gebietskrankenkasse in derselben Angelegenheit und verwies die Sache zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Burgenländische Gebietskrankenkasse zurück.
1.8. Mit Beschlüssen vom 04.07.2019 zur GZ L511 2005114-1/15 E sowie vom gleichen Datum zur GZ L511 2005114-2/2E behob das Bundesverwaltungsgericht die Bescheide der Salzburger Gebietskrankenkasse und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Salzburger Gebietskrankenkasse zurück.
2. Beitragsnachverrechnungsverfahren:
2.1. Ebenfalls mit Bescheid vom 20.12.2010, GZ XXXX, verpflichtete die GKK die beschwerdeführende Partei die mit Beitragsvorschreibung nachverrechneten Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von EUR 1.369,66 und Verzugszinsen gemäß § 59 Abs. 1 ASVG in Höhe von EUR 116,77 zu entrichten.
3. Verfahren vor den Finanzbehörden
3.1. Mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes [BFG] vom 30.10.2014, GZ RV/6100699/2011, wurden die Bescheide des Finanzamtes XXXX vom 31.05.2010, betreffend den Dienstgeberbeitrag 2006, 2007 und 2008 sowie den Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag 2006, 2007 und 2008 sowie die diesbezügliche Berufungsvorentscheidung vom 08.06.2011 gemäß § 278 Abs. 1 BAO aufgehoben. Die Sache wurde an die Abgabenbehörde zurückverwiesen.
Begründet wurde diese Entscheidung zusammengefasst damit, dass wesentliche Ermittlungen zu vielen Sachverhaltsfragen in großem Umfang gefehlt hätten, beispielsweise zur Weisungsgebundenheit und zur Eingliederung. Zusätzlich sei der Kreis der Befragten zu erweitern und die widersprüchlichen Angaben der befragten Personen aufzuklären sowie das Parteiengehör zu wahren.
3.2. Auf Anfrage des BVwG teilten die Finanzbehörden mit Schreiben vom 29.04.2015 mit, dass aus verfahrensökonomischen Gründen keine weiteren Ermittlungen durchgeführt und auch keine neuen Sachbescheide erlassen werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Entscheidungswesentliche Feststellungen
1.1. Die in Anlage 1 und 2 zum Bescheid gelisteten Personen waren in den dort genannten Zeiträumen für die Beschwerdeführerin tätig. Tätigkeitsbereich war die Werbung von Neukunden und Verteilung von Katalogen durch Telefonanrufe.
1.2. Betroffen sind verfahrensgegenständlich insgesamt 17 Personen, für die keine den Versicherungsträger bindenden Lohnsteuerbescheide vorliegen.
1.3. Im Akt einliegend befinden sich die Protokolle der Schlussbesprechung der Salzburger GKK.
2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung
Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Auszüge aus dem Verwaltungsverfahrensakt, aus dem sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt.
Die Feststellungen ergeben sich unmittelbar ohne weitere Interpretation aus den vorliegenden Aktenteilen.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG].
Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die GKK im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).
3.1.2.Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung:
Gemäß § 39 Abs. 2 AVG hat die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Sie kann insbesondere von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchführen und mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden oder sie wieder trennen. Die Behörde hat sich bei allen diesen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) geht davon aus, dass - aufgrund § 17 VwGVG 2014 - auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten das sich aus § 39 Abs. 2 AVG ergebende Amtswegigkeitsprinzip maßgeblich ist (etwa VwGH vom 17.12.2014, Zl. Ro 2014/03/0066; VwGH vom 18.02.2015, Zl. Ra 2015/04/0007; VwGH vom 24.03.2015, Zl. Ra 2014/21/0058). Gleiches hat auch bezüglich der in § 39 Abs. 2 AVG für die Verwaltungsbehörden vorgesehene Möglichkeit zu gelten, den Gang des Verfahrens dahingehend zu bestimmen, mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zu verbinden und sie wieder zu trennen. Bei der Entscheidung, die Verfahren zu verbinden oder zu trennen, hat sich das Verwaltungsgericht - wie auch die Verwaltungsbehörden - von den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen (VwGH vom 17.11.2015, Zl. Ra 2015/03/0058, RS 1).
Nach Ansicht des VwGH sind Verwaltungsgerichte unter den Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 AVG berechtigt und unter der Voraussetzung des § 39 Abs. 2a AVG auch verpflichtet, Beschwerdeverfahren zur gemeinsamen Entscheidung und Verhandlung zu verbinden (VwGH vom 17.11.2015, Zl. Ra 2015/03/0058, RS 3 erster Satz).
Aufgrund desselben Sachverhalts, nämlich der Frage einer etwaigen Dienstnehmereigenschaft, besteht ein enger sachlicher Zusammenhang.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet es angesichts dessen, dass dieselbe BF betroffen ist und den jeweiligen Bescheiden der belangten Behörde derselbe Sachverhalt zugrunde liegt jedenfalls unter den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gerechtfertigt, gemäß § 39 Abs. 2 AVG iVm. § 17 VwGVG beide Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.
Über beide seitens der BF anhängigen Beschwerden wird somit mit der gegenständlichen Entscheidung gemeinsam abgesprochen
3.2. Behebung des bekämpften Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG
3.2.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2). Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG verlangt es das in § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127; 29.04.2015, Ra 2015/20/0038; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 RS29).
3.2.2. Die GKK stützte die Versicherungspflicht der verfahrensgegenständlich betroffenen Personen auf die "übereinstimmenden Aussagen der Dienstnehmer [Anmerkung:nämlich jene Personen, die einen Fragebogen ausgefüllt haben], im Verfahren der Salzburger GKK, sowie auf Buchhaltungsunterlagen, die Arbeitsanleitungen, den Gesprächsleitfaden und die Verträge.
3.2.3. Einleitend ist festzuhalten, dass keine für das ASGV-Verfahren bindende Entscheidung über die Lohnsteuerpflicht ergangen ist, da die Finanzbehörden das diesbezügliche Verfahren im fortgesetzten Rechtsgang eingestellt haben.
3.2.4. In Fällen, in denen sich wie verfahrensgegenständlich die betreffende Rechtsfrage abstrakt für eine Vielzahl von Personen stellt, die sich alle in vergleichbaren Situationen befunden haben, kann im Rahmen einer prozessökonomischen Zielsetzung durch prozessuale Maßnahmen entsprochen werden, etwa durch die Herausarbeitung verallgemeinerungsfähiger Sachverhaltselemente aus Musterfällen oder auch durch Abstandnahme von weiteren Zeugenvernehmungen bei entsprechendem Stand der Ermittlungen und der Vorbringen (VwGH 01.06.2017, Ra 2017/08/0022 mwN). Dies erfordert eine Klärung der in einem oder mehreren Beispielsfällen gegebenen, repräsentativen Sachverhaltskonstellationen um entsprechende Fallgruppen bilden zu können, wobei es weiters erforderlich ist, diese "Musterfälle" mit Bedacht auszuwählen (VwGH 25.04.2019, Ra2019/08/0035, 04.08.2014, 2012/08/0132).
3.2.4.1. Verfahrensgegenständlich wurden weder Fallgruppen (Cluster) gebildet, noch einzelne Musterfälle herausgearbeitet, unter die die übrigen Betroffenen subsumierbar wären. Seitens der Kärntner GKK wurden keine weiteren Ermittlungsschritte gesetzt, etwa durch Befragungen.
3.2.5. Zusammenfassend hat die GKK aus Sicht des BVwG gegenständlich jene Ermittlungstätigkeiten unterlassen, welche für die Beurteilung des Sachverhaltes unabdingbar sind, weshalb keine Ermittlungsergebnisse vorliegen, welche das BVwG allenfalls im Zusammenhalt mit einer durchzuführenden Verhandlung ergänzen (und zu einer meritorischen Entscheidung heranziehen) könnte (vgl. dazu VwGH 09.03.2016, Ra 2015/08/0025, mwN; 10.09.2014, Ra 2014/08/0005), sondern es wäre das gesamte erforderliche Ermittlungsverfahren - beginnend mit jenen Ermittlungen, welche ein Clustern überhaupt erst zulassen würden - erstmalig durch das BVwG durchzuführen.
3.2.5.1. Im fortgesetzten Verfahren wird daher zunächst unter Mitwirkung der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Parteien, jeweils zu ermitteln sein, welcher Vertrag der Tätigkeit zu Grunde lag, welcher konkreten Tätigkeit in welchem Ausmaß nachgegangen wurde, ob ein Gewerbeschein und wenn ja welcher, vorhanden war. In der Folge sind aus diesen Daten homogene Cluster zu bilden und gegebenenfalls Personen stellvertretend für diese Cluster einzuvernehmen.
3.2.6. Wenn die belangte Behörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht iSd § 39 Abs. 2 AVG keine geeignete Schritte gesetzt hat, um die erforderlichen Beurteilungen vornehmen zu können, steht die Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde und die Zurückverweisung der Angelegenheit an dieselbe im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127), weshalb gegenständlich das dem BVwG gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an die GKK zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen war.
4. Entfall der mündlichen Verhandlung
Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).
Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
III. ad B) Unzulässigkeit der Revision
Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).
Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGVG und bewegt sich im vom VwGH eng gesetzten Rahmen der Zulässigkeit einer Zurückverweisung. Etwa jüngst zur Zulässigkeit einer zurückverweisenden Entscheidung bei Fehlen jeglicher Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde VwGH 30.03.2017, Ra 2014/08/0050; 09.03.2016, Ra 2015/08/0025 und VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127 sowie grundlegend VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063.
Der Entfall der mündlichen Verhandlung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.
Schlagworte
Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G308.2005269.1.00Zuletzt aktualisiert am
23.01.2020