TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/17 W187 2165787-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.09.2019
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Entscheidungsdatum

17.09.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W187 2165787-3/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Hubert REISNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 und 4 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige, reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein, wo sie am XXXX ihren Antrag auf internationalen Schutz stellte.

2. Im Rahmen ihrer Erstbefragung am XXXX wurde die Beschwerdeführerin im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari zu ihrer Identität, ihrer Reiseroute und ihren Fluchtgründen einvernommen. Hier gab sie an, am XXXX in Afghanistan geboren zu sein, der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören sowie sunnitische Muslimin zu sein. Sie sei verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Kindern. Als Beweggrund für ihre Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat führte die Beschwerdeführerin aus, sie habe in ihrer Heimat als Lehrerin für die Fächer Biologie und Chemie gearbeitet. Außerdem habe sie ihre Schülerinnen und die Frauen im Dorf über ihre Rechte, zB über ihr Recht auf Bildung, bzw. hinsichtlich Zwangsheirat aufgeklärt. Unbekannte Personen hätten daraufhin versucht, sie zu entführen. Die Ortspolizisten hätten dies verhindern können und sie gerettet. Weiter habe sie einige Drohanrufe bekommen. Ihr sei vorgeworfen worden, sie würde ihre Schülerinnen vom Islam distanzieren und gegen den Islam sprechen. Sie habe auch beim Parlament und bei Wahlen mitgewirkt. Aus Angst um ihr Leben sei sie geflüchtet.

3. Mit Schriftsatz vom XXXX erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung, den MigrantInnenverein St. Marx, Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte die Säumnisbeschwerde samt dem zughörigen Verwaltungsakt mit Schriftsatz vom XXXX dem Bundesverwaltungsgericht vor. Mit Erkenntnis vom XXXX wies das Bundesverwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde mit der Begründung, dass die Verzögerung aufgrund des starken Zustroms Schutzsuchender im Jahr 2015 nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen sei, ab.

4. Mit Schreiben vom XXXX ersuchte die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung, den MigrantInnenverein St. Marx, um eine positive Entscheidung in ihrem Fall bzw allenfalls um Durchführung einer Einvernahme, da die Ungewissheit ihres Aufenthalts eine große Belastung für sie darstelle.

5. Am XXXX wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Hier gab sie zunächst an, dass im Rahmen der Erstbefragung vergessen worden sei, ihren Sohn XXXX zu protokollieren, sie habe insgesamt zwei Söhne und eine Tochter. Nach ihrem Beweggrund für die Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat befragt, wiederholte sie ihre Fluchtgründe aus der Erstbefragung und führte im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass sie Lehrerin in einer Schule in einem Dorf gewesen sei und das Fach Science unterrichtet habe. Auch in einem anderen Dorf habe sie unterrichtet. Sie habe Frauen, die überhaupt keine Bildung hatten, unterrichtet und auch Kurse für Schneiderei und Teppichknüpfen angeboten. Dabei habe sie den Frauen immer ihre Rechte erklärt. In dem Dorf seien den Frauen von den Männern die Haare rasiert worden und man habe sie vergewaltigt. Die Männer hätten die jungen Mädchen im Alter von zwölf oder 13 Jahren mit älteren Männern verheiratet. Sie habe den Frauen immer erklärt, dass sie Rechte hätten und man sie nicht mit zwölf, 13 Jahren verheiraten könne. Die jungen Frauen seien nach Hause gegangen und hätten dies ihren Männern erklärt. Die Männer hätten daraufhin gemeint, die Beschwerdeführerin sei eine ungläubige Lehrerin und spreche gegen den Islam. Die Beschwerdeführerin sei daraufhin von Dorfbewohnern bedroht worden. Sie habe Drohbriefe und Drohanrufe erhalten. Man habe sie aufgefordert, ihren Unterricht einzustellen und nicht mehr ins Dorf zu kommen. Widrigenfalls werde man sie umbringen. Am XXXX hätten die Taliban versucht, sie zu entführen, als sie mit ihrem Fahrer im Auto unterwegs gewesen sei. Die Ortspolizei habe sie gerettet und sie ins Stadtzentrum von Mazar-e Sharif begleitet. Sie sei nach Hause gegangen, um mit ihrem Ehemann und ihrem Sohn zu flüchten. Um 10.00 Uhr habe sie sich von Mazar-e Sharif in Begleitung ihres Ehemannes und ihres Sohnes auf den Weg nach Kabul gemacht, wo sie um 3.00 Uhr angekommen sei. Anschließend sei sie weiter nach Herat gefahren und ausgereist. Ihr Ehemann sei nicht in der Lage gewesen, weit zu Fuß zu gehen, weshalb der Schlepper gemeint habe, er könne ihn nicht mitnehmen. Ihr Ehemann sei daher mit dem Sohn nach Pakistan gegangen.

6. Mit dem gegenständlichen angefochtenen Bescheid vom XXXX wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs 1 AsylG der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt. Unter Spruchpunkt III. wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 8 Abs 4 AsylG die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum XXXX erteilt.

Für ein allfälliges Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde der Beschwerdeführerin amtswegig ein Rechtsberater, die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, zur Seite gestellt.

7. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertretung, den MigrantInnenverein St. Marx, mit Schreiben vom XXXX fristgerecht Beschwerde wegen unrichtiger Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.

8. Die Beschwerde und der dazugehörige Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Entscheidung vorgelegt. Unter einem verzichtete die belangte Behörde auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

9. Mit Schreiben vom XXXX erhob die Beschwerdeführerin, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, neuerlich Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des spruchgegenständlichen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung ein für die Beschwerdeführerin günstigerer Bescheid erzielt worden wäre. Die belangte Behörde übermittelte diese zweite Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom XXXX .

10. Mit Schreiben vom XXXX gab der MigrantInnenverein St. Marx bekannt, dass das Vollmachtsverhältnis aufgelöst sei.

11. Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurden den Parteien einschlägige Länderinformationen zu Afghanistan übermittelt.

12. Am XXXX fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer die Beschwerdeführerin im Beisein ihrer Rechtsvertretung, der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari vom erkennenden Richter zu ihrem Antrag auf internationalen Schutz und ihren Beschwerdegründen einvernommen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung fern.

Die Verhandlungsschrift lautet auszugsweise:

"[...]

Richter: Verstehen Sie den Dolmetscher gut?

Beschwerdeführer: Ja.

Richter: Sind Sie psychisch und physisch in der Lage, der heute stattfindenden mündlichen Verhandlung zu folgen? Liegen Gründe vor, die Sie daran hindern?

Beschwerdeführer: Ja, ich bin gesund.

Richter: Nehmen Sie regelmäßig Medikamente, befinden Sie sich in medizinischer Behandlung?

Beschwerdeführer: Ich nehme zurzeit ein paar Medikamente, ich habe sie mit. Es sind Blutdrucktabletten.

[...]

Richter: Können Sie sich an Ihre Aussage vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erinnern? Waren diese richtig, vollständig und wahrheitsgetreu?

Beschwerdeführer: Ich habe das Gefühl gehabt, dass der Dolmetscher oder die Dolmetscherin ein bisschen weniger weitergegeben hat, als ich ein bisschen schnell sprach. Ich hatte das Gefühl, dass nicht alles weitergegeben wird.

Richter: Geben Sie Ihr Geburtsdatum an. Wo sind Sie auf die Welt gekommen?

Beschwerdeführer: Ich bin am XXXX geboren in der Provinz Balkh, in der Stadt Mazar-e Sharif.

Richter: Welche Sprachen sprechen Sie? Können Sie diese lesen und schreiben?

Beschwerdeführer: Ja, ich kann sowohl lesen als auch schreiben. Meine Muttersprache ist Dari. Ich spreche auch Paschtu und ein bisschen Deutsch.

Richter: Geben Sie Ihre Volksgruppe, Religion und Ihren Familienstand an.

Beschwerdeführer: Ich bin Tadschikin. Ich bin verheiratet, aber vor ca. einem Jahr ist mein Mann verstorben. Ich bin sunnitische Muslimin.

Richter: Haben Sie Kinder?

Beschwerdeführer: Ich habe drei Kinder. Eine Tochter von mir, die XXXX heißt, lebt in XXXX . Mein Sohn XXXX wohnt in XXXX . Der andere Sohn heißt XXXX und ich weiß seit einem Jahr nicht, wo er ist. Er ist 16 Jahre alt.

Richter: Können Sie bitte soweit wie möglich chronologisch angeben, wann und wo Sie sich in Afghanistan aufgehalten haben.

Beschwerdeführer: Ich habe den Ort XXXX nie verlassen, bis ich das Land Afghanistan verlassen habe.

Richter: Wie haben Sie in Afghanistan gewohnt?

Beschwerdeführer: Wir haben ein Eigentumshaus gehabt. Es war ein sehr schönes Haus.

Richter: Was haben Sie in Afghanistan gemacht, gearbeitet, gelernt oder etwas Anderes?

Beschwerdeführer: Ich habe als Biologie-Lehrerin gearbeitet.

Richter: Welche Schulbildung haben Sie erhalten?

Beschwerdeführer: Ich habe insgesamt 16 Jahre gelernt, davon vier Jahre auf der Universität.

Richter: Wo und wie leben Ihre Verwandten?

Beschwerdeführer: In Afghanistan habe ich leider niemanden mehr. Seit einem Jahr ist mein Mann tot, als mein Cousin mütterlicherseits nach Afghanistan gefahren ist, weiß ich von ihm, dass mein Mann getötet wurde und als Märtyrer gefallen ist.

Richter: Warum sagen Sie, dass er als Märtyrer gefallen ist?

Beschwerdeführer: In Afghanistan ist es so üblich, wenn jemand getötet wird, wird diese Person als Märtyrer bezeichnet.

Richter: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie (Vater, Mutter, Bruder, Schwester, Onkel)?

Beschwerdeführer: Nein, leider habe ich niemanden. Ich habe Kontakt zu meiner Tochter in XXXX und meinem Sohn in XXXX .

Richter: Haben Sie in Afghanistan Verwandte oder sonstige wichtige Kontaktpersonen und wie heißen sie? Wo leben sie? Haben Sie zu ihnen Kontakt?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Wie ist Ihr Leben derzeit in Österreich? Was machen Sie in Österreich?

Beschwerdeführer: Zurzeit habe ich einen Deutschkurs. A1 habe ich fertig gemacht, sogar A1+ habe ich. Ich versuche immer einen Job zu finden, sogar heute Vormittag war ich dabei, einen Job zu suchen. Natürlich muss ich erst einmal die Sprache sehr gut können, damit ich es gut verwenden kann. Ich würde wirklich gerne arbeiten, habe das auch vor, aber die Voraussetzung ist, dass ich die Sprache so gut kann, dass ich sie beim Job verwenden kann. Außerdem kann man bei der Arbeit noch schneller die Arbeit lernen.

Richter: Haben Sie Freunde in Österreich?

Beschwerdeführer: Ja. Meinen Sie die afghanischen Leute oder die Österreicher? Ja, ich habe österreichische Freunde. Eine heißt XXXX , die andere XXXX . Ich habe noch 5 afghanische Freundinnen, die unsere Muttersprache nicht so gut beherrschen. So wie die Freundin, unterrichte ich auch alle in unserer Muttersprache.

Richter: Sind Sie Mitglied in einem Verein?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Hatten Sie Probleme mit der Polizei oder einem Gericht?

Beschwerdeführer: Nein.

Richter: Schildern Sie den Vorfall, der zu Ihrer Flucht geführt hat!

Beschwerdeführer: Der Grund war, weil ich immer den Frauen helfen wollte. Außer, dass ich damals als Lehrerin gearbeitet habe, habe ich sonntags und donnerstags in anderen Bezirken der Stadt Frauen unterrichtet. Ich habe in zwei Orten namens XXXX und XXXX im Distrikt XXXX , in der Provinz Balkh unterrichtet. Es gab ein Problem im Ort von XXXX . Das hat mit den Taliban zu tun gehabt. In diesem Ort hat man die Frauen sehr unterdrückt. Manchmal, unter Umständen haben sie ihnen die Ohren und Nase abgeschnitten. Es wurde einer Frau die Nase abgeschnitten. Sie ist nicht zum Arzt gegangen, aus welchem Grund auch immer. Die Verletzung hat sich sehr entzündet und wurde immer schlimmer. Als ich diese Frau getroffen habe, war ich auch ihretwegen betroffen. Dann habe ich zu den Frauen gesagt, dass die Männer kein recht hätten, euch die Ohren oder Nase abzuschneiden. Das Recht der Frauen oder der Männer wäre grundsätzlich gleich. Ihr habt das Recht, hier zu arbeiten, zu lernen, zu studieren. Sie haben das gottgegebene Recht frei zu leben und frei zu sein und wir haben auch das Recht über unsere zukünftigen Männer zu entscheiden. Dann habe ich den Frauen angeboten, falls noch einmal so etwas Ähnliches passieren sollte, wäre ich bereit zu helfen. Sie brauchen sich nur an mich zu wenden, weil es gäbe die Staatsanwaltschaft in Mazar-e Sharif und es gibt auch so etwas Ähnliches wie einen Senat von Frauen. Ich würde mich an sie wenden und um euch kümmern. Aus diesem Grund hat man sich gegen mich gestellt und es wurde behauptet, dass im Islam die Frauen ihre Meinung nicht so frei äußern dürfen. Aus diesem Grund wäre ich quasi gegen den Islam gestanden, nach der Meinung der anderen Männer. Ich habe eine Freundin oder besser gesagt Mitarbeiterin gehabt, namens XXXX , mit der der ich immer zusammen zu diesem Ort XXXX gegangen bin, weil sie mir am Anfang versicherte, immer bei mir gewesen zu sein, damit wir keine Probleme bekommen. Eines Tages war ich mit dieser Dame XXXX unterwegs zu diesem Ort XXXX . Als wir dort waren, haben wir gesehen, dass jemand einen großen Zettel an ihre Tür gehängt hat, in diesem Brief wurde von XXXX verlangt, die Schule zu schließen und die Lehrerin, die Beschwerdeführerin, wieder nach Hause zu schicken, weil die Beschwerdeführerin die Frauen von der islamischen Religion abbringt. Und noch stand in diesem Brief, dass wenn wir diese Frau noch einmal in diesem Ort sehen, dann würden wir sie töten, weil ihre Hinrichtung von dem Kommandant XXXX ausgesprochen ist. Aus diesem Grund bin ich ca. 5 Tage nicht mehr in diesen Ort gegangen. Dann nach diesem Ereignis bin ich von den Frauen nach XXXX eingeladen worden, um die Frauen dort zu unterrichten und der Chef oder die Person, der bei diesem Ort bei XXXX das sagen hat. Jemand namens XXXX würde mich beschützen und unterstützen. Er würde quasi meine Sicherheit garantieren. Nachdem die Frauen mich offiziell eingeladen haben, bin ich zu diesem Ort gegangen und zu diesem sogenannten XXXX . Er hat mir versichert, solange ich dorthin unterrichten würde, gibt es Ortspolizisten, die meine Sicherheit garantieren. Es war am XXXX auf unserer Rechnung. Diese Leute, bestehend aus drei bewaffneten Personen stellten sich gegen unser Auto und hielten es an. Aber Gott sei Dank, wie von diesem XXXX versprochen wurde, haben diese Polizisten ihre Hausaufgaben gut gemacht. Sie waren zu zehnt und haben mich vor diesen drei Personen gerettet. Dann hat mich der genannte Chef bis zur Stadt Mazar-e Sharif begleitet, aber er hat mich auch unterwegs gewarnt, dass diese Leute, die vor unserem Auto gestanden sind, sehr gefährliche Leute sind. Es wäre für mich besser, dass ich heute Nacht nicht zu Hause, sondern wo anders verbringen sollte. Aus diesem Grund habe ich mich entschieden, mit einem Bus um 20 Uhr nach Kabul zu fahren. Wir kamen um vier Uhr in der Früh in Kabul an. Von Kabul bin ich nach Herat gefahren. Von Herat bin ich in den Iran gegangen. Um ehrlich zu sein, wollte ich auch im Iran bleiben. Es gab jemand namens XXXX , der mich eines Tages beraten hat, um mich weiter nach Europa zu fahren, weil man im Iran keine gute Grundeinstellung gegenüber Afghanen hat. Im Iran habe ich einen Schlepper finden können und so bin ich weiter nach Europa gereist.

Richter: Was haben Sie denn den Frauen unterrichtet?

Beschwerdeführer: Grundsätzlich lesen und schreiben. Sie waren Analphabeten, waren aber gut beim Lernen. Ich habe auch versucht ihnen Schneiderei beizubringen. Deshalb habe ich Nähmaschinen dorthin mitgenommen und einige haben es gut gelernt. Ich habe auch Teppich-knüpfen unterrichtet. Jede Art Hilfe, die ich mir leisten konnte, habe ich auch hingebracht, zum Beispiel Medikamente und Kleidungen.

Richter: Wie viele Frauen haben Sie unterrichtet und wie lange haben Sie das gemacht?

Beschwerdeführer: Im Dorf von XXXX waren es vielleicht 50 Frauen und junge Mädchen. Im anderen Dorf, in XXXX waren es ca. 50 Leute. Ich habe am XXXX (2014) unserer Zeitrechnung diesen Hilfskurs gegründet und es war ca. Anfang 1394 zu Ende. Der Kurs hat ca. ein Jahr gedauert.

Richter: Was hat Ihr Mann dazu gesagt, dass Sie die Frauen unterrichtet haben?

Beschwerdeführer: Mein Mann war ein sehr freidenkender, liberaler Mensch.

Richter: Was waren das für Leute, die Sie da in dem Dorf auf XXXX bedroht haben?

Beschwerdeführer: Diese Leute gehörten alle den Taliban. Besonders dieser Ort XXXX ist berühmt, dass sehr viele Taliban dort leben.

Richter: Bei der Polizei haben Sie angegeben, dass es zwei Leute waren, die Sie bedroht haben. Jetzt haben Sie gesagt, es seien drei. Wie viele waren es wirklich?

Beschwerdeführer: Ich habe deshalb gesagt, dass bei der Polizei nicht alles richtig weitergegeben wurde. Ich habe damals drei Leute gesagt.

Richter: Bei der Polizei haben Sie angegeben, dass es einen Dorfbewohner gab, der Sie ganz besonders bedroht hat.

Beschwerdeführer: Genau, mit XXXX meinte ich diese Person. Er hat mich mehr als alle anderen bedroht. Ich denke, dass der Drohbrief auch von ihm stammt.

Richter: Bei der Polizei haben Sie angegeben, dass diese Taliban Sie entführen wollten. Jetzt haben Sie von Entführung nichts gesagt und nur von Bedrohung gesprochen.

Beschwerdeführer: Ja, damit meinte ich, wenn Sie sich gegen unser Auto gestellt haben, bedeutet das genauso, dass sie mich entführen wollten. Aber wenn diese Ortspolizisten nicht da gewesen wären, hätten Sie mich auch sicher mitgenommen.

Richter: Bei der Polizei haben Sie angegeben, dass Sie um drei Uhr in Kabul angekommen sind. Jetzt haben Sie vier Uhr gesagt.

Beschwerdeführerin: Bei der Polizei-Einvernahme habe ich die Uhrzeit gar nicht genannt. Das kann auch nur der Dolmetscher gewesen sein. Wie würde ich das falsch sagen. Wenn Sie von 8 mit dem Bus von Mazar-e Sharif ankommen, weiß jedes kleine Kind, dass der Bus um 4 Uhr ankommt. Darf ich Ihnen etwas zeigen? Ich hatte ein Interview mit einem Magazin.

Richter: Können Sie sich erinnern, welches Magazin das war?

Beschwerdeführer: Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, was für ein Magazin das war.

Richter: Sind Sie jemals über das, dass Sie uns gerade geschildert haben, persönlich bedroht oder angegriffen worden?

Beschwerdeführer: Nein. Aber ich bin zweimal in Mazar-e Sharif in der Schule vergiftet worden. Beide Male war ich auch im Krankenhaus.

Richter: Wodurch sind Sie in Afghanistan bedroht?

Beschwerdeführer: Wie ich schon sagte, in der Stadt bin ich zweimal vergiftet worden. Einmal hat man über mich auch Säure gespritzt. Die Bedrohungen waren in diesen zwei Dörfern. Ich habe im Jahre 1380 einen Kurs in Mazar-e Sharif gehabt. Als die Taliban aber die Stadt eingenommen haben, haben sie mir damals gedroht. Die Situation war so schlecht, dass ich meine Schülerinnen durch eine Leiter vom hinteren Teil des Hauses gehen und fliehen ließ.

Richter: Wie haben Sie die Reise bezahlt?

Beschwerdeführer: Es hat insgesamt 10000 Dollar gekostet. Meine Tochter hat dabei auch sehr viel von XXXX aus geholfen.

Richter: Schildern Sie bitte nochmals die Gründe Ihrer Beschwerde!

Beschwerdeführer: Ein Grund war, dass man mir nicht für immer, sondern beschränkt erlaubt hat, dass ich in Österreich bleiben kann. Ich hatte das Gefühl, dass ich das Recht habe, für immer hier in Österreich bleiben zu können.

Richter: Was würde passieren, wenn Sie jetzt nach Afghanistan zurückkehren müssten?

Beschwerdeführer: Ich habe Angst vor den Taliban. Außerdem fühle ich mich hier sicher und das Recht der Frauen ist dem der Männern gleich. Manchmal haben Frauen sogar mehr Rechte. Ich habe keine Angst.

[...]

Richter: Haben Sie den Dolmetscher gut verstanden?

Beschwerdeführer: Ja."

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung legte die Rechtsvertretung der Beschwerdeführerin Kursbesuchsbestätigungen über Deutschkurse und einen Werte- und Orientierungskurs in Kopie vor. Diese wurden zum Akt genommen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA und den gegenständlichen Verfahrensakt betreffend den Beschwerdeführer, insbesondere durch Einsicht in die vorgelegten Dokumente und Integrationsunterlagen, sowie durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung und durch Einsichtnahme in die ins Verfahren eingeführten Länderberichte.

1. Feststellungen

1.1 Zur Person der Beschwerdeführerin und ihrem Leben in Afghanistan

Die Beschwerdeführerin führt den im Spruch angeführten Namen, ist volljährig und afghanische Staatsangehörige. Ihre Identität steht nicht fest. Sie gehört der Volksgruppe der Tadschiken an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Ihre Muttersprache ist Dari, die sie sowohl lesen als auch schreiben kann. Weiter spricht sie auch Paschtu und ein bisschen Deutsch. Die Beschwerdeführerin ist verwitwet und Mutter von zwei Söhnen und einer Tochter.

Die Beschwerdeführerin wurde in Afghanistan in der Provinz Balkh in der Stadt Mazar-e Sharif geboren und wuchs im afghanischen Familienverband mit ihren Eltern, drei Brüdern und einer Schwester auf. Sie heiratete XXXX und bekam mit ihm zwei Söhne und eine Tochter. Ihre Tochter XXXX ist im Entscheidungszeitpunkt ca 29 Jahre alt, ihr Sohn XXXX 28 und ihr Sohn XXXX ca 19 Jahre alt. Die Familie lebte in Mazar-e Sharif im eigenen Haus. Dort lebte die Beschwerdeführerin bis zu ihrer Ausreise im Oktober 2015.

Die Beschwerdeführerin besuchte in ihrem Herkunftsstaat zwölf Jahre die Schule und studierte anschließend vier Jahre Biologie auf der Universität. Anschließend arbeitete sie als Lehrerin für das Fach Science und bot zusätzlich Kurse für Frauen für Schneiderei und Teppichknüpfen an, in denen sie den Frauen auch Lesen und Schreiben beibrachte und sie über ihre Rechte aufklärte.

Die Eltern der Beschwerdeführerin, ihr Ehemann sowie zwei ihrer Brüder sind bereits verstorben. Eine Schwester und ein Bruder der Beschwerdeführerin leben in Deutschland. Ihre Tochter XXXX ist in XXXX aufhältig, ihr Sohn XXXX lebt in Österreich in XXXX . Der Sohn XXXX ist unbekannten Aufenthalts. Die Beschwerdeführerin hat keine Angehörigen in Afghanistan. Die Beschwerdeführerin steht lediglich mit ihrer Tochter in XXXX und ihrem Sohn in XXXX in Kontakt.

1.2 Zum Leben der Beschwerdeführerin in Österreich

Die Beschwerdeführerin reiste im November 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am XXXX gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte, und hält sich seither durchgehend in Österreich auf.

Seit ihrer Einreise besucht die Beschwerdeführerin regelmäßig Deutschkurse, hat jedoch noch keine Deutschprüfungen abgelegt. Sie nahm an mehreren Basisbildungskursen des Magistrats der Stadt XXXX (ua Module Zusammenleben, Wohnen und Soziales) teil und absolvierte einen Integrationskurs des XXXX sowie einen Werte- und Orientierungskurs des ÖIF.

Die Beschwerdeführerin bezieht Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Sie ist derzeit Hausfrau und kümmert sich um ihren in XXXX lebenden Sohn XXXX , der an Morbus Hodgkin (einer Tumorerkrankung des Lymphsystems) leidet. Arztbesuche mit ihrem Sohn nimmt sie selbständig wahr. Die Beschwerdeführerin möchte zukünftig einer beruflichen Tätigkeit nachgehen und ist derzeit auf Jobsuche. Sie arbeitet freiwillig im Flüchtlingsheim mit und unterrichtet in ihrer Freizeit afghanische Frauen in ihrer Muttersprache. Die Beschwerdeführerin hat in Österreich soziale Kontakte - auch zu österreichischen Staatsbürgern - geknüpft.

Der Sohn der Beschwerdeführerin, XXXX , hält sich ebenfalls im Bundesstaat auf. Ihm wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Abgesehen von ihrem Sohn XXXX leben in Österreich keine Verwandten oder sonstige enge Bezugspersonen der Beschwerdeführerin. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft der Beschwerdeführerin in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder der Beschwerdeführerin.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Sie ist im Wesentlichen gesund und arbeitsfähig.

1.3 Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin begründete ihren Antrag auf internationalen Schutz bereits in ihrer Erstbefragung mit Verfolgung aufgrund ihrer Tätigkeit als Lehrerin und ihrer aufklärenden Tätigkeit über Frauenrechte. Diese Fluchtgründe hielt die Beschwerdeführerin im Lauf des Verfahrens aufrecht und ergänzte, dass ihr auch geschlechtsspezifische Verfolgung aufgrund ihrer westlichen Gesinnung und der ihr unterstellten politischen Gesinnung drohe.

Die Beschwerdeführerin arbeitete in Afghanistan als Lehrerin an einer Schule im Stadtteil XXXX in Mazar-e Sharif und unterrichtete dort das Fach Science. Nebenbei unterrichtete sie sonntags und donnerstags junge Frauen, die bislang keine Bildung erhalten hatten, in anderen Bezirken der Stadt bzw. in Dörfern, in denen auch viele Taliban lebten. In diesen Kursen brachte die Beschwerdeführerin den jungen Frauen etwa Lesen und Schreiben bei und lehrte ihnen Schneiderei und Teppichknüpfen. Zudem klärte sie die Frauen über ihre Rechte auf. Sie erklärte ihnen, dass man sie nicht zwingen könne, mit zwölf oder 13 Jahren einen älteren Mann zu heiraten, dass sie das Recht hätten, frei zu leben und selbst - insbesondere auch über ihre zukünftigen Männer - zu entscheiden. Ebenso erzählte die Beschwerdeführerin den Frauen, dass Männer kein Recht hätten, sie zu unterdrücken und ihnen etwa die Ohren oder die Nase als Bestrafung abzuschneiden. Die Rechte der Frauen und Männer seien grundsätzlich gleich. Weiter hätten sie als Frauen das Recht zu arbeiten, zu lernen und zu studieren. Durch ihre Aufklärungsarbeit in ihren Kursen setzte sich die Beschwerdeführerin offen für Frauenrechte ein.

Die Beschwerdeführerin klärte die Frauen nicht nur über ihre Rechte auf, sie bot ihnen auch aktiv ihre Hilfe an. Sie erklärte den Frauen, sie sollten sich an sie wenden, wenn sie Hilfe bräuchten. Die Beschwerdeführerin würde sich dann für die Frauen an die Staatsanwaltschaft in Mazar-e Sharif bzw. an einen Frauen-Senat wenden.

Die Männer in den beiden Dörfern erfuhren von den Aktivitäten der Beschwerdeführerin und bezeichneten sie als ungläubig. Der Beschwerdeführerin wurde unterstellt, gegen den Islam zu sprechen, da Frauen im Islam ihre Meinung nicht so frei äußern dürften. Aufgrund ihres Einsatzes für die Frauen erhielt die Beschwerdeführerin Drohanrufe und Drohbriefe, dass man sie töten würde, sollte sie ihren Unterricht fortsetzen.

Aufgrund dieser Einschüchterungen stellte die Beschwerdeführerin ihren Unterricht für einige Tage ein. Die Frauen baten sie jedoch, sie möge ihren Unterricht fortsetzen. Sie versprachen ihr, jemand namens XXXX würde für ihre Sicherheit garantieren. Dieser versicherte der Beschwerdeführerin, solange sie unterrichte, gebe es Ortspolizisten, die ihre Sicherheit garantieren würden. Die Beschwerdeführerin setzte ihren Unterricht daher fort.

Am XXXX wurde das Auto der Beschwerdeführerin von drei bewaffneten Taliban angehalten. Sie forderten den Fahrer des Autos auf, auszusteigen, da sie die Beschwerdeführerin entführen wollten. Dieser Entführungsversuch wurde durch die Ortspolizisten vereitelt. Die Polizei begleitete die Beschwerdeführerin noch bis ins Stadtzentrum von Mazar-e Sharif. Die Beschwerdeführerin trat ihre Flucht noch am selben Tag an.

Die Beschwerdeführerin ist in ihrer Wertehaltung überwiegend an dem in Europa gelebten, allgemein als "westlich" zu bezeichnenden Frauen- und Gesellschaftsbild orientiert und setzte sich bereits in Afghanistan für Frauenrechte ein. In diesem Zusammenhang droht der Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr asylrelevante Verfolgung aus Gründen ihrer politischen Gesinnung bzw. Religion sowie aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der westlich orientierten afghanischen Frauen. Von einer solchen Verfolgung ist im gesamten Staatsgebiet von Afghanistan auszugehen.

1.4 Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers

Es werden folgende entscheidungsrelevante Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen:

1.4.1 Staatendokumentation (Stand 2.3.2017, außer wenn anders angegeben)

1.4.1.1 Neueste Ereignisse

1.4.1.1.1 Kurzinformation vom 30.1.2018

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie 29.1.2019

Am Montag den 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der Islamische Staat bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

Quellen zufolge operiert der IS in den Bergen der östlichen Provinz Nangarhar (The Guardian 29.1.2018); die Provinzhauptstadt Jalalabad wird als eine Festung des IS erachtet, dessen Kämpfer seit 2015 dort aktiv sind (BBC 24.1.2018). Nachdem der IS in Ostafghanistan unter anhaltenden militärischen Druck gekommen war, hatte dieser immer mehr Angriffe in den Städten für sich beansprucht. Nationale und Internationale Expert/innen sehen die Angriffe in den Städten als Überlappung zwischen dem IS und dem Haqqani-Netzwerk (einem extremen Arm der Taliban) (NYT 28.1.2018).

Angriff im Regierungs- und Diplomatenviertel in Kabul am 27.1.2018

Bei einem der schwersten Angriffe der letzten Monate tötete am Samstag den 27.1.2018 ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 28.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (The Guardian 27.1.2018; vgl. The Guardian 28.1.2018). Der Vorfall ereignete sich im Regierungs- und Diplomatenviertel und wird als einer der schwersten seit dem Angriff vom Mai 2017 betrachtet, bei dem eine Bombe in der Nähe der deutschen Botschaft explodiert war und 150 Menschen getötet hatte (Reuters 28.1.2018).

Die Taliban verlautbarten in einer Aussendung, der jüngste Angriff sei eine Nachricht an den US-amerikanischen Präsidenten, der im letzten Jahr mehr Truppen nach Afghanistan entsendete und Luftangriffe sowie andere Hilfestellungen an die afghanischen Sicherheitskräfte verstärkte (Reuters 28.1.2018).

Angriff auf die NGO Save the Children am 24.1.2018

Am Morgen des 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden dabei getötet und zwölf weitere verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs befanden sich 50 Mitarbeiter/innen im Gebäude. Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018).

Der jüngste Angriff auf eine ausländische Hilfseinrichtung in Afghanistan unterstreicht die wachsende Gefahr, denen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in Afghanistan ausgesetzt sind (The Guardian 24.1.2018).

Das Gelände der NGO Save the Children befindet sich in jener Gegend von Jalalabad, in der sich auch andere Hilfsorganisationen sowie Regierungsgebäude befinden (BBC 24.1.2018). In einer Aussendung des IS werden die Autobombe und drei weitere Angriffe auf Institutionen der britischen, schwedischen und afghanischen Regierungen (Reuters 24.1.2018).

Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul am 20.1.2018

Der Angriff bewaffneter Männer auf das Luxushotel Intercontinental in Kabul, wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018).Fünf bewaffnete Männer mit Sprengstoffwesten hatten sich Zutritt zu dem Hotel verschafft (DW 21.1.2018). Die exakte Opferzahl ist unklar. Einem Regierungssprecher zufolge sollen 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet worden sein. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden(BBC 21.1.2018). Alle Fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

Wie die Angreifer die Sicherheitsvorkehrungen durchbrechen konnten, ist Teil von Untersuchungen. Erst seit zwei Wochen ist eine private Firma für die Sicherheit des Hotels verantwortlich. Das Intercontinental in Kabul ist trotz des Namens nicht Teil der weltweiten Hotelkette, sondern im Besitz der afghanischen Regierung. In diesem Hotel werden oftmals Hochzeiten, Konferenzen und politische Zusammentreffen abgehalten (BBC 21.1.2018). Zum Zeitpunkt des Angriffes war eine IT-Konferenz im Gange, an der mehr als 100 IT-Manager und Ingenieure teilgenommen hatten (Reuters 20.1.2018; vgl. NYT 21.1.2018).

Insgesamt handelte es sich um den zweiten Angriff auf das Hotel in den letzten acht Jahren (NYT 21.1.2018). Zu dem Angriff im Jahr 2011 hatten sich ebenso die Taliban bekannt (Reuters 20.1.2018).

Unter den Opfern waren ausländische Mitarbeiter/innen der afghanischen Fluggesellschaft Kam Air, u.a. aus Kirgisistan, Griechenland (DW 21.1.2018), der Ukraine und Venezuela. Die Fluglinie verbindet jene Gegenden Afghanistans, die auf dem Straßenweg schwer erreichbar sind (NYT 29.1.2018).

1.4.1.1.2 Kurzinformation vom 27.12.2017

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.9. - 15.11.2017) 3.995 sicherheitsrelevante Vorfälle; ein Rückgang von 4% gegenüber dem Vorjahreswert. Insgesamt wurden von 1.1.-15.11.2017 mehr als 21.105 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, was eine Erhöhung von 1% gegenüber dem Vorjahreswert andeutet. Laut UN sind mit 62% bewaffnete Zusammenstöße die Hauptursache aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs [Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen], die in 17% der sicherheitsrelevanten Vorfälle Ursache waren. Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

Zivilist/innen

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des letzten Jahres registrierte die UNAMA zwischen 1.1. und 30.9.2017 8.019 zivile Opfer (2.640 Tote und 5.379 Verletzte). Dies deutet insgesamt einen Rückgang von fast 6% gegenüber dem Vorjahreswert an (UNAMA 10.2017); konkret hat sich die Anzahl getöteter Zivilist/innen um 1% erhöht, während sich die Zahl verletzter Zivilist/innen um 9% verringert hat (UN GASC 20.12.2017). Wenngleich Bodenoffensiven auch weiterhin Hauptursache für zivile Opfer waren - führte der Rückgang der Anzahl von Bodenoffensiven zu einer deutlichen Verringerung von 15% bei zivilen Opfern. Viele Zivilist/innen fielen Selbstmordattentaten, sowie komplexen Angriffen und IEDs zum Opfer - speziell in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Kandahar und Faryab (UNAMA 10.2017).

Zivile Opfer, die regierungsfreundlichen Kräften zugeschrieben wurden, sind um 37% zurückgegangen: Von insgesamt 849 waren 228 Tote und 621 Verletzte zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Anzahl ziviler Opfer, die regierungsfeindlichen Elementen zugeschrieben werden, um 7%: von den 1.150 zivilen Opfer starben 225, während 895 verletzt wurden. Die restlichen Opfer konnten keiner Tätergruppe zugeschrieben werden (UNAMA 10.2017).

High-profile Angriffe

Am 31.10.2017 sprengte sich ein Selbstmordattentäter in der "Green Zone" der Hauptstadt Kabul in die Luft. Der angebliche Täter soll Quellen zufolge zwischen 12-13 Jahren alt gewesen sein. Mindestens vier Menschen starben bei dem Angriff und ein Dutzend weitere wurden verletzt. Dies war der erste Angriff in der "Green Zone" seit dem schweren Selbstmordattentat im Mai 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017). der IS bekannte sich zu diesem Vorfall Ende Oktober 2017 (BBC 31.10.2017; vgl. Telegraph 31.10.2017; UN GASC 20.12.2017)

Am 20.10.2017 sprengte sich ein Angreifer in der Shia Imam Zamam Moschee in Kabul in die Luft; dabei wurden mindestens 30 Menschen getötet und 45 weitere verletzt. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017; UN GASC 20.12.2017). In dem Distrikt Solaina, in der westlichen Provinz Ghor, wurde ebenso eine Moschee angegriffen - in diesem Fall handelt es sich um eine sunnitische Moschee. Die tatsächliche Opferzahl ist umstritten: je nach Quellen sind zwischen 9 und 39 Menschen bei dem Angriff gestorben (Independent 20.10.2017; vgl. NYT 20.10.2017; al Jazeera 20.10.2017).

Am 19.10.2017 wurde im Rahmen eines landesweit koordinierten Angriffes der Taliban 58 afghanische Sicherheitskräfte getötet: ein militärisches Gelände, eine Polizeistationen und ein militärischer Stützpunkt in Kandahar wären beinahe überrannt worden (Independent 20.10.2017; vgl. BBC 21.10.2017). Einige Tage vor diesem Angriff töteten ein Selbstmordattentäter und ein Schütze mindestens 41 Menschen, als sie ein Polizeiausbildungszentrum in der Provinzhauptstadt Gardez stürmten (Provinz Paktia) (BBC 21.10.2017). In der Woche davor wurden 14 Offiziere der Militärakademie auf dem Weg nach Hause getötet, als ein Selbstmordattentäter den Minibus in die Luft sprengte in dem sie unterwegs waren (NYT 20.10.2017). Die afghanische Armee und Polizei haben dieses Jahr schwere Verlusten aufgrund der Taliban erlitten (BBC 21.10.2017).

Am 7.11.2017 griffen als Polizisten verkleidete Personen/regierungsfeindliche Kräfte eine Fernsehstation "Shamshad TV" an; dabei wurde mindestens eine Person getötet und zwei Dutzend weitere verletzt. Die afghanischen Spezialkräfte konnten nach drei Stunden Kampf, die Angreifer überwältigen. Der IS bekannt sich zu diesem Angriff (Guardian 7.11.2017; vgl. NYT 7.11.2017; UN GASC 20.12.2017).

Bei einem Selbstmordangriff im November 2017 wurden mindestens neun Menschen getötet und einige weitere verletzt; die Versammelten hatten einem Treffen beigewohnt, um den Gouverneur der Provinz Balkh - Atta Noor - zu unterstützen; auch hier bekannte sich der IS zu diesem Selbstmordattentat (Reuters 16.11.2017; vgl. UN GASC 20.12.2017)

Interreligiöse Angriffe

Serienartige gewalttätige Angriffe gegen religiöse Ziele, veranlassten die afghanische Regierung neue Maßnahmen zu ergreifen, um Anbetungsorte zu beschützen: landesweit wurden 2.500 Menschen rekrutiert und bewaffnet, um 600 Moscheen und Tempeln vor Angriffen zu schützen (UN GASC 20.12.2017).

Seit 1.1.2016 wurden im Rahmen von Angriffen gegen Moscheen, Tempel und andere Anbetungsorte 737 zivile Opfer verzeichnet (242 Tote und 495 Verletzte); der Großteil von ihnen waren schiitische Muslime, die im Rahmen von Selbstmordattentaten getötet oder verletzt wurden. Die Angriffe wurden von regierungsfeindlichen Elementen durchgeführt - hauptsächlich dem IS (UNAMA 7.11.2017).

Im Jahr 2016 und 2017 registrierte die UN Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Seit 1.1.2016 wurden 27 gezielte Tötungen religiöser Personen registriert, wodurch 51 zivile Opfer zu beklagen waren (28 Tote und 23 Verletzte); der Großteil dieser Vorfälle wurde im Jahr 2017 verzeichnet und konnten großteils den Taliban zugeschrieben werden. Religiösen Führern ist es möglich, öffentliche Standpunkte durch ihre Predigten zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.2017).

ANDSF - afghanische Sicherheits- und Verteidigungskräfte

Informationen zur Stärke der ANDSF und ihrer Opferzahlen werden von den US-amerikanischen Kräften in Afghanistan (USFOR-A) geheim gehalten; im Bericht des US-Sonderbeauftragten für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) werden Schätzungen angegeben:

Die Stärke der ANDSF ist in diesem Quartal zurückgegangen; laut USFOR-A Betrug die Stärke der ANDSF mit Stand August 2017 etwa 320.000 Mann - dies deutet einen Rückgang von 9.000 Mann gegenüber dem vorhergehenden Quartal an. Dennoch erhöhte sich der Wert um

3.500 Mann gegenüber dem Vorjahr (SIGAR 30.10.2017). Die Schwundquote der afghanischen Nationalpolizei war nach wie vor ein großes Anliegen; die Polizei litt unter hohen Opferzahlen (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen eines Memorandum of Understanding (MoU) zwischen dem afghanischen Verteidigungs- und Innenministerium wurde die afghanische Grenzpolizei (Afghan Border Police) und die afghanische Polizei für zivile Ordnung (Afghan National Civil Order Police) dem Verteidigungsministerium übertragen (UN GASC 20.12.2017). Um sogenanntem "Geisterpersonal" vorzubeugen, werden seit 1.1.2017 Gehälter nur noch an jenes Personal im Innen- und Verteidigungsministerium ausbezahlt, welches ordnungsgemäß registriert wurde (SIGAR 30.10.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

Der IS war nach wie vor widerstandsfähig und bekannte sich zu mehreren Angriffen auf die zivile Bevölkerung, aber auch auf militärische Ziele [Anm.: siehe High-Profile Angriffe] (UN GASC 20.12.2017). Unklar ist, ob jene Angriffe zu denen sich der IS bekannt hatte, auch tatsächlich von der Gruppierung ausgeführt wurden bzw. ob diese in Verbindung zur Führung in Mittleren Osten stehen. Der afghanische Geheimdienst geht davon aus, dass in Wahrheit manche der Angriffe tatsächlich von den Taliban oder dem Haqqani-Netzwerk ausgeführt wurden, und sich der IS opportunistischerweise dazu bekannt hatte. Wenngleich Luftangriffe die größten IS-Hochburgen in der östlichen Provinz Nangarhar zerstörten; hielt das die Gruppierungen nicht davon ab ihre Angriffe zu verstärken (Reuters 1.12.2017).

Sicherheitsbeamte gehen davon aus, dass der Islamische Staat in neun Provinzen in Afghanistan eine Präsenz besitzt: im Osten von Nangarhar und Kunar bis in den Norden nach Jawzjan, Faryab, Badakhshan und Ghor im zentralen Westen (Reuters 23.11.2017). In einem weiteren Artikel wird festgehalten, dass der IS in zwei Distrikten der Provinz Jawzjan Fuß gefasst hat (Reuters 1.12.2017).

Politische Entwicklungen

Der Präsidentenpalast in Kabul hat den Rücktritt des langjährigen Gouverneurs der Provinz Balkh, Atta Mohammad Noor, Anfang dieser Woche bekanntgegeben. Der Präsident habe den Rücktritt akzeptiert. Es wurde auch bereits ein Nachfolger benannt (NZZ 18.12.2017). In einer öffentlichen Stellungnahme wurde Mohammad Daud bereits als Nachfolger genannt (RFE/RL 18.12.2017). Noor meldete sich zunächst nicht zu Wort (NZZ 18.12.2017).

Wenngleich der Präsidentenpalast den Abgang Noors als "Rücktritt" verlautbarte, sprach dieser selbst von einer "Entlassung" - er werde diesen Schritt bekämpfen (RFE/RL 20.12.2017). Atta Noors Partei, die Jamiat-e Islami, protestierte und sprach von einer "unverantwortlichen, hastigen Entscheidung, die sich gegen die Sicherheit und Stabilität in Afghanistan sowie gegen die Prinzipien der Einheitsregierung" richte (NZZ 18.12.2017).

Die Ablösung des mächtigen Gouverneurs der nordafghanischen Provinz Balch droht Afghanistan in eine politische Krise zu stürzen (Handelsblatt 20.12.2017). Sogar der Außenminister Salahuddin Rabbani wollte nach Angaben eines Sprechers vorzeitig von einer Griechenlandreise zurückkehren (NZZ 18.12.2017).

Atta Noor ist seit dem Jahr 2004 Gouverneur der Provinz Balkh und gilt als Gegner des Präsidenten Ashraf Ghani, der mit dem Jamiat-Politiker Abdullah Abdullah die Einheitsregierung führt (NZZ 18.12.2017). Atta Noor ist außerdem ein enger Partner der deutschen Entwicklungshilfe und des deutschen Militärs im Norden von Afghanistan (Handelsblatt 20.12.2017).

In der Provinz Balkh ist ein militärischer Stützpunkt der Bundeswehr (Handelsblatt 20.12.2017).

1.4.1.1.3 Kurzinformation vom 25.9.2017

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil; die Regierung und die Taliban wechselten sich während des Berichtszeitraumes bei Kontrolle mehrerer Distriktzentren ab - auf beiden Seiten waren Opfer zu beklagen (UN GASC 21.9.2017). Der Konflikt in Afghanistan ist gekennzeichnet von zermürbenden Guerilla-Angriffen, sporadischen bewaffneten Zusammenstößen und gelegentlichen Versuchen Ballungszentren zu überrennen. Mehrere Provinzhauptstädte sind nach wie vor in der Hand der Regierung; dies aber auch nur aufgrund der Unterstützung durch US-amerikanische Luftangriffe. Dennoch gelingt es den Regierungskräften kleine Erfolge zu verbuchen, indem sie mit unkonventionellen Methoden zurückschlagen (The Guardian 3.8.2017).

Der afghanische Präsident Ghani hat mehrere Schritte unternommen, um die herausfordernde Sicherheitssituation in den Griff zu bekommen. So hielt er sein Versprechen den Sicherheitssektor zu reformieren, indem er korrupte oder inkompetente Minister im Innen- und Verteidigungsministerium feuerte, bzw. diese selbst zurücktraten; die afghanische Regierung begann den strategischen 4-Jahres Sicherheitsplan für die ANDSF umzusetzen (dabei sollen die Fähigkeiten der ANDSF gesteigert werden, größere Bevölkerungszentren zu halten); im Rahmen des Sicherheitsplanes sollen Anreize geschaffen werden, um die Taliban mit der afghanischen Regierung zu versöhnen; Präsident Ghani bewilligte die Erweiterung bilateraler Beziehungen zu Pakistan, so werden unter anderen gemeinsamen Anti-Terror Operationen durchgeführt werden (SIGAR 31.7.2017).

Zwar endete die Kampfmission der US-Amerikaner gegen die Taliban bereits im Jahr 2014, dennoch werden, laut US-amerikanischem Verteidigungsminister, aufgrund der sich verschlechternden Sicherheitslage 3.000 weitere Soldaten nach Afghanistan geschickt. Nach wie vor sind über 8.000 US-amerikanische Spezialkräfte in Afghanistan, um die afghanischen Truppen zu unterstützen (BBC 18.9.2017).

Sicherheitsrelevante Vorfälle

In den ersten acht Monaten wurden insgesamt 16.290 sicherheitsrelevante Vorfälle von den Vereinten Nationen (UN) registriert; in ihrem Berichtszeitraum (15.6. bis 31.8.2017) für das dritte Quartal, wurden 5.532 sicherheitsrelevante Vorfälle registrie

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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