TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/10 97/20/0597

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Veröffentlicht am 10.09.1998
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/01 Strafprozess;
25/02 Strafvollzug;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
StPO 1975 §183 Abs1;
StPO 1975 §184;
StPO 1975 §186 Abs3;
StPO 1975 §186 Abs5;
StVG §109;
StVG §121;
StVG §22 Abs1;
StVG §22 Abs3;
StVG §24;
StVG §33 Abs2;
StVG §64 Abs1;
StVG §91 Abs1;
StVG §91 Abs2 idF 1993/799;
StVG §91 Abs2;
StVG §91 Abs3 idF 1993/799;
StVG §91 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Baur, Dr. Nowakowski und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des H B in X, vertreten durch Dr. Günther Grassner, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Elisabethstraße 1, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes Linz vom 19. Dezember 1996, Zl. JV 3473-16a/96, betreffend Angelegenheit nach dem Strafvollzugsgesetz,

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Kostenausspruch infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie insoweit wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben, als der (Administrativ-) Beschwerde betreffend die Genehmigung einer "Nachttischlampe" und "diverse(r) Schreibmaterialien" (nachfolgend als Beschwerdepunkte 2. und 3. behandelt) nicht stattgegeben wurde.

II. beschlossen:

Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Untersuchungshäftling in der Justizanstalt

X.

Am 20. Mai 1996 beschwerte sich der Genannte u.a. - soweit entscheidungswesentlich - darüber, daß

1. ihm der Empfang eines von einer Sozialhelferin zusammengestellten Lebensmittelpaketes nicht gestattet worden sei;

2. sein Ansuchen um Genehmigung des Ankaufes einer Tischlampe mit dem dazu notwendigen Verlängerungskabel für seinen Haftraum nicht genehmigt worden sei;

3. sein Ansuchen, sich "diverse Schreibmaterialien" durch eine Sozialhelferin in die Justizanstalt bringen zu lassen, nicht bewilligt worden sei;

4. sein Antrag vom 9. Mai 1996, ihm möge für den Monat April das Haushaltsgeld in gesetzlicher Höhe auf sein Konto gutgeschrieben werden, damit er damit Einkäufe tätigen könne, abgelehnt worden sei;

5. ihm am 13. und 14. Mai 1996 nicht gewährt worden sei, sich eine Stunde im Freien zu bewegen, obwohl dies aufgrund der Witterung möglich gewesen wäre.

Mit Bescheid des Anstaltsleiters vom 20. November 1996 wurde der Beschwerde des Untersuchungshäftlings hinsichtlich der Beschwerdepunkte 1. bis 4 nicht Folge gegeben, hinsichtlich des Beschwerdepunktes 5. (Nichtdurchführung der Bewegung im Freien am 14. Mai 1996, also nicht am 13. Mai 1996 wie in der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erwähnt) ausgesprochen, daß diesbezüglich kein Anlaß zu aufsichtsbehördlichem Einschreiten gemäß §§ 122 iVm 14 und 43 StVG gefunden werden könne.

Im einzelnen führte der Anstaltsleiter aus:

Zu Beschwerdepunkt 1.:

Gemäß § 91 Abs. 3 StVG könne der Anstaltsleiter mit Genehmigung des Bundesministeriums für Justiz jeweils für einen bestimmten, sechs Monate nicht übersteigenden Zeitraum anordnen, daß sämtliche Insassen der Anstalt vom Empfang von Lebensmittelpaketen ausgeschlossen werden. Diese Genehmigung sei dem Leiter der Justizanstalt X vom Bundesministerium für Justiz am 5. Dezember 1995 für die Zeit vom 1. Jänner bis 30. Juni 1996 sowie am 3. Juni 1996 für die Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1996 erteilt worden. Eine Ausnahme von dieser Anordnung erscheine jedenfalls für solche "Insassen nicht vertretbar, die bereits mehrmals wegen schwerer Suchtgiftdelikte Freiheitsstrafen verbüßen mußten bzw. sich wegen solcher Delikte in Untersuchungshaft befinden". Das Ansuchen des Beschwerdeführers sei daher abzulehnen. Die Überbringerin eines Lebensmittelpaketes könne anstelle dieser Lebensmittel für den Insassen auch einen Geldbetrag im entsprechenden Gegenwert für den "Insassen" zur Einzahlung bringen, um so dem Beschwerdeführer die Möglichkeit eines Ersatzeinkaufes gemäß § 91 Abs. 4 StVG zu geben.

Zu Beschwerdepunkt 2.:

§ 40 Abs. 3 StVG iVm § 183 Abs. 1 StPO schränke das Recht der "Insassen" eines Haftraumes, ein- und ausschaltbare Leuchten zu gebrauchen, u.a. auch insoferne ein, als die Hafträume mit solchen Lampen ausgestattet sein müssen. Soweit die Hafträume mit solchen Lampen nicht ausgestattet sind, was auf die Justizanstalt X zutreffe, könnten die "Insassen" eine längere Beleuchtung des Haftraumes am Abend nur als Vergünstigung gewährt erhalten. Demgemäß sei dem Ansuchen des Beschwerdeführers zum Ankauf einer Nachttischlampe samt Verlängerungskabel gemäß § 40 Abs. 3 StVG schon deshalb nicht Folge zu geben. Die Gewährung einer Vergünstigung sei im Hinblick auf die massiven Führungsprobleme (betreffend den Beschwerdeführer) und die damit verbundene Gefährdung der Sicherheit und Ordnung in der Anstalt nicht möglich.

Zu Beschwerdepunkt 3.:

Gemäß § 64 Abs. 1 StVG iVm § 183 Abs. 1 StPO seien die zur Ausübung der in den §§ 62 und 63 StVG genannten Rechte erforderlichen Gegenstände auf Kosten des "Insassen" durch die Anstalt zu beschaffen. Dies könne einerseits gemäß § 34 Abs. 1 StVG im Wege des wöchentlichen Einkaufs von zusätzlichen Nahrungs- und Genußmitteln erfolgen, andererseits aber, sofern der Bezug dort nicht möglich sei, durch die Anstalt von außerhalb beschafft werden. Von dieser Bestimmung könne auch bei behaupteter Mittellosigkeit nicht abgegangen werden. Dem Beschwerdeführer wäre es ohne weiteres möglich gewesen, sich Geld im Gegenwert der von ihm angestrebten "diversen Schreibmaterialien" (230 Blatt weißes Papier, 2 Aktenordner mittleren Formates, 7 Schnellhefter, 100 Stk. Klarsichthüllen, ein Locher, eine Heftklammermaschine mit dazugehörigen Heftklammern, etc.) einzahlen zu lassen. Im übrigen erwarte der Beschwerdeführer (ohnehin) die Einzahlung eines Geldbetrages.

Zu Beschwerdepunkt 4.:

Gemäß § 187 Abs. 5 (richtig: 186 Abs. 5) StPO könne einem Untersuchungshäftling, dem offensichtlich keine Geldmittel zum Bezug von Bedarfsgegenständen zur Verfügung stehen, monatlich im nachhinein ein Betrag in der Höhe von 5 % der niedrigsten Arbeitsvergütung als Hausgeld gutgeschrieben werden. Der Beschwerdeführer habe bei seiner Einlieferung am 11. Jänner 1996 einen Bargeldbetrag von S 746,-- bei sich gehabt. Weiters sei ihm bis zum 9. Mai 1996 ein Geldbetrag von insgesamt S 1.100,-- als Eigengeld gutgebucht worden. Der Beschwerdeführer habe somit einen Gesamtgeldbetrag in Höhe von S 1.846,-- zur Verfügung gehabt, weshalb § 187 Abs. 5 StPO auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden und sein diesbezügliches Ansuchen abzulehnen gewesen sei.

Zu Beschwerdepunkt 5.:

Diesbezüglich werde lediglich festgestellt, daß bereits eine Stellungnahme an die Vollzugsoberbehörde als Rechtsmittelinstanz zur Entscheidung übermittelt worden sei.

Gegen diesen Bescheid des Anstaltsleiters erhob der Beschwerdeführer eine umfangreiche Administrativbeschwerde gemäß § 121 StVG.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab der Präsident des Landesgerichtes Linz (die belangte Behörde) dieser Beschwerde hinsichtlich der Punkte 1. bis 4. nicht Folge und sprach hinsichtlich des Beschwerdepunktes 5. "gemäß § 122 StVG" aus, daß ein "Anlaß zu aufsichtsbehördlichem Einschreiten" nicht gefunden werden könne. Dem Beschwerdeführer fielen "die mit S 20,-- bestimmten Kosten des Beschwerdeverfahrens zur Last".

Begründend führte die belangte Behörde aus:

Zu Beschwerdepunkt 1.:

Das Vorbringen in der Administrativbeschwerde sei dermaßen wirr und unverständlich, daß ein weiteres Eingehen darauf nicht möglich sei. Im übrigen werde aber auf die zutreffenden Ausführungen des Anstaltsleiters verwiesen. Ein Recht auf Paketempfang bestehe beim Beschwerdeführer im Hinblick auf § 91 Abs. 3 bzw. "das Delikt, dessentwegen er sich in Untersuchungshaft befindet", nicht.

Zu Beschwerdepunkt 2.:

Der Beschwerdeführer verkenne die Bestimmung des § 40 Abs. 3 StVG. Lese man die ersten beiden Sätze dieser Bestimmung, so könnte man zur Auffassung gelangen, ein Untersuchungs- oder Strafgefangener habe das Recht auf ein- und ausschaltbares Licht, das er auch während der Nachtzeit verwenden könne. Allerdings "kassiere" der letzte Satz des § 40 Abs. 3 leg. cit. dieses "Recht, das er dem Gefangenen in den ersten beiden Sätzen einzuräumen scheint". Nur als Vergünstigung nämlich könne dem Häftling die längere Beleuchtung des Haftraumes gewährt werden, wenn keine entsprechenden ein- und ausschaltbaren (Lese-)Lampen vorhanden seien. Als Vergünstigung gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 leg. cit. käme eine Lampe in Betracht, die im Eigentum des Gefangenen stehe, die längere Beleuchtung des Haftraumes als Vergünstigung im Sinne des §§ 24 Abs. 3 Z. 5. Der Anstaltsleiter habe aber überzeugend begründet, daß beim Beschwerdeführer eine solche Vergünstigung derzeit nicht möglich sei.

Zu den Beschwerdepunkten 3. und 4.:

Schon aus den zahlreichen Eingaben des Beschwerdeführers ergebe sich, daß er in der Justizanstalt mit hinlänglichem Schreibmaterial im Sinne des § 39 StVG versorgt werde.

Soweit der Beschwerdeführer seine schlechte finanzielle Lage erörtere, sei auf das bereits Gesagte bzw. auf die Ausführungen des Anstaltsleiters zu verweisen.

Zu Beschwerdepunkt 5.:

§ 43 StVG gebe dem Antstaltsleiter bei Prüfung der Frage, ob die Witterung die Bewegung im Freien gestatte, Ermessensspielraum. Wenn bei Regen (mag es sich auch bloß um Nieselregen handeln) die Bewegung im Freien entfalle, so sei damit nicht gesagt, daß der Anstaltsleiter seinen Ermessensspielraum verlassen hätte.

Die Kostenentscheidung wird nicht begründet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof mit dem Begehren, den bekämpften Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Über die Behandlung der Untersuchungshäftlinge ordnet § 183 Abs. 1 StPO (in der Fassung BGBl. Nr. 423/1974) an, daß auf die Anhaltung in Untersuchungshaft die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, dem Sinne nach anzuwenden sind, es sei denn, daß in der Strafprozeßordnung etwas anderes bestimmt ist.

Gemäß § 184 StPO soll die Anhaltung in Untersuchungshaft den im § 180 Abs. 2 bezeichneten Gefahren entgegenwirken. Nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen und der darauf gegründeten Vorschriften dürfen den Untersuchungshäftlingen nur jene Beschränkungen auferlegt werden, die der Erreichung der Haftzwecke oder der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den Anstalten dienen. Die Untersuchungshäftlinge sind mit Ruhe, Ernst und Festigkeit, gerecht sowie unter Achtung ihres Ehrgefühles, der Menschenwürde und mit möglichster Schonung ihrer Person zu behandeln.

Nach der Bestimmung des ersten Satzes des § 186 Abs. 1 StPO sind die Untersuchungshäftlinge womöglich einzeln zu verwahren. Nach Absatz 3 desselben Paragraphen ist den Untersuchungshäftlingen auf ihr Ansuchen zu gestatten, daß ihnen auch andere als die im § 33 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes genannten eigenen Gegenstände in ihrem Gewahrsam überlassen werden, soweit kein Mißbrauch zu befürchten ist und die erforderliche Überwachung ohne Beeinträchtigung des Dienstes und der Ordnung in der Anstalt möglich ist. Die Überlassung von Nahrungs- und Genußmitteln ist jedoch nur in den im Strafvollzugsgesetz bestimmten Fällen gestattet.

Absatz 4 der genannten Bestimmung lautet: "Bequemlichkeiten und Beschäftigungen dürfen sich Untersuchungshäftlinge auf ihre Kosten verschaffen, insofern sie mit dem Zweck der Haft vereinbar sind und weder die Ordnung des Hauses stören noch die Sicherheit gefährden. Die Untersuchungshäftlinge haben das Recht, sich während der in der Tageseinteilung als Arbeitszeit oder Freizeit bestimmten Zeit selbst zu beschäftigen, soweit dadurch nicht die Haftzwecke oder die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt gefährdet oder ihre Mithäftlinge belästigt werden."

Gemäß § 188 Abs. 1 StPO steht die Entscheidung darüber, mit welchen Personen die Untersuchungshäftlinge schriftlich verkehren und welche Besuche sie empfangen dürfen, die Überwachung des Briefverkehrs und der Besuche sowie alle übrigen Anordnungen und Entscheidungen, die sich auf den Verkehr der Untersuchungshäftlinge mit der Außenwelt beziehen, mit Ausnahme der Überwachung der Paketsendungen, dem Untersuchungsrichter zu. Von den im Gegenstand nicht in Betracht kommenden Fällen der Entscheidung gemäß Absatz 2 des genannten Paragraphen abgesehen, stehen im übrigen alle Anordnungen und Entscheidungen hinsichtlich der Anhaltung in Untersuchungshaft dem Anstaltsleiter oder den von diesem dazu bestellten Vollzugsbediensteten zu.

Ausgehend von dieser Rechtslage ist gesondert zu untersuchen, inwieweit die belangte Behörde formell und materiell dem Gesetz entsprechend durch den angefochtenen Bescheid einzelne vom Beschwerdeführer geltend gemachte öffentlich-rechtliche Ansprüche aus seiner Anhaltung in der Untersuchungshaft beurteilt hat, da es sich um einen teilbaren Bescheid handelt.

Hinsichtlich der Beschwerdepunkte 2 und 3 sowie im Kostenspruch erweist sich die Beschwerde als berechtigt, im übrigen als unzulässig.

Die von der belangten Behörde unter den Beschwerdepunkten 2 und 3 zur Begründung der Ablehnung des Ankaufes einer Nachttischlampe sowie zum Empfang von Schreibmaterial herangezogenen Gründe entsprechen nicht dem Gesetz:

Soweit ausgeführt wird, der Bezug einer Nachttischlampe samt entsprechender Verkabelung und die damit einhergehende längere Beleuchtung in den Abendstunden könne nur als Vergünstigung gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 und Z. 5 StVG gewährt werden, unterliegt die belangte Behörde jedenfalls dem Rechtsirrtum, einen Untersuchungshäftling im Vollzug einem Strafgefangenen gleichzustellen. Untersuchungshäftlinge dürfen sich Bequemlichkeiten und Beschäftigungen, worunter auch die von der belangten Behörde bezeichneten "Vergünstigungen" zu verstehen sind, kraft Gesetzes verschaffen, soweit weder die Ordnung des Hauses gestört noch die Sicherheit gefährdet wird. Dazu wird in der vorliegenden Beschwerde behauptet, daß der Beschwerdeführer dem Gesetz entsprechend (§ 186 Abs. 1 StPO) als Untersuchungshäftling in Einzelhaft angehalten werde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem hg. Erkenntnis vom 3. Februar 1985, Zlen. 85/01/0021, 0022, ausgeführt, daß bereits der Vergleich des Wortlautes der bereits wiedergegebenen Bestimmung des letzten Satzes des § 184 StPO mit jener des ersten Satzes des § 22 Abs. 1 StVG über die Behandlung der Strafgefangenen erkennen lasse, daß der Gesetzgeber schon bei diesen grundsätzlichen Bestimmungen klar zwischen Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen unterscheide, weil zusätzlich bei Untersuchungshaft der Grundsatz gelte, daß mit möglichster Schonung der Person vorzugehen ist. Im einzelnen ordne insbesondere § 186 Abs. 3 hinsichtlich der Gestattung, den Untersuchungshäftlingen eigene Gegenstände in ihrer Gewahrsam zu überlassen, ausdrücklich an, daß es sich dabei auch um andere als die in § 33 Abs. 2 des Strafvollzugsgesetzes genannte handeln kann, sodaß eine Ungleichbehandlung von Untersuchungshäftlingen und Strafgefangenen in der im Beschwerdefall maßgeblichen Beziehung auf Gegenstände in eigener Gewahrsame (betreffend die Anschaffung von Porzellangeschirr, Silberbesteck und Papiertischdecken) dem Gesetz entspreche.

Diese Grundsätze kommen auch im vorliegenden Beschwerdefall bezüglich des Erhaltes einer Nachttischlampe sowie des Bezuges von "diversem Schreibmaterial" zur Anwendung.

§ 64 StVG schließt somit auch den Erhalt der vom Beschwerdeführer angeführten Büromaterialien auf dem von ihm angestrebten Wege - sofern der Bezug mit den Haftzwecken vereinbar ist und der Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in der Justizanstalt nicht entgegensteht - nach entsprechender Kontrolle nicht von vornherein aus; demgemäß steht auch die Begründung der belangten Behörde, die "zahlreichen Eingaben", die in "ihrem Umfang weit über das Notwendige hinausgehen," zeigten, daß der Beschwerdeführer von der Justizanstalt mit "hinlänglichem Schreibmaterial im Sinne des § 39 (gemeint wohl: 89) StVG versorgt wird", mit den für Untersuchungshäftlingen geltenden gesetzlichen Besonderheiten von vornherein in Widerspruch.

Zu den Beschwerdepunkten 1, 4 und 5:

Gemäß § 91 Abs. 3 StVG hat der Anstaltsleiter, wenn aufgrund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, daß Paketsendungen dazu mißbraucht werden, um Strafgefangenen Suchtgift oder andere Gegenstände zukommen zu lassen, von denen eine Gefahr für die Gesundheit der Strafgefangenen oder sonst für die Sicherheit und Ordnung in der Anstalt zu befürchten wäre, und die Aussonderung solcher Gegenstände nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, die betreffenden Strafgefangenen vom Empfang von Sendungen nach Abs. 2 auszuschließen. Soweit der Gefahr durch den Ausschluß einzelner Strafgefangenen nicht wirksam begegnet werden kann, kann der Anstaltsleiter mit Genehmigung des Bundesministeriums für Justiz jeweils für einen bestimmten, sechs Monate nicht übersteigenden Zeitraum anordnen, daß sämtliche Strafgefangene der Anstalt oder eines Teiles der Anstalt vom Empfang von Sendungen nach Abs. 2 ausgeschlossen werden. Soweit es im Einzelfall vertretbar erscheint, kann der Anstaltsleiter jedoch Ausnahmen von einer solchen Anordnung gestatten.

Der Ausschluß vom Paketempfang ist weder Entzug einer Vergünstigung noch Strafe für einen Ordnungswidrigkeit. Es ist kein Bescheid zu erlassen, es ist keine schriftliche Ausfertigung der Entscheidung an den Strafgefangenen zu überreichen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. April 1989, Zl. 89/01/0048).

Die Bestimmung des § 91 Abs. 2 und 3 StVG gilt sinngemäß nach § 183 Abs. 1 iVm § 186 Abs. 3 letzter Satz StPO auch für Untersuchungshäftlinge. Eine solche generelle Anordnung gemäß § 91 Abs. 3 StVG stellt aber keinen individuellen normativen Verwaltungsakt, der gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG vor dem Verwaltungsgerichtshof anfechtbar wäre, dar. Allerdings richtet sich die Beschwerde insoweit nicht gegen diese generelle Anordnung oder gegen den diese Anordnung genehmigenden Erlaß des Bundesministeriums für Justiz, sondern gegen den Teil des Bescheides der belangten Behörde, mit dem der Administrativbeschwerde des Beschwerdeführers gegen die seinen Antrag auf Erteilung einer Ausnahme von dieser generellen Anordnung gemäß § 91 Abs. 3 StVG ablehnenden Entscheidung des Anstaltsleiters nicht Folge gegeben wurde. Damit stellt sich die zu beurteilende Frage, ob dem Beschwerdeführer durch § 91 Abs. 3 letzter Satz StVG überhaupt ein verfolgbares subjektiv-öffentliches Recht auf Ausnahmegenehmigung vom generellen Ausschluß des Paketempfangs eingeräumt wird. Anders als § 91 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2 StVG, die der Behörde auch und gerade im Interesse des Strafgefangenen (Untersuchungshäftlings) ausdrücklich eine bestimmte

Pflicht auferlegen (arg. "... sind ... auszufolgen, wenn ..." bzw. "die Strafgefangenen dürfen ... erhalten."), spricht die Wendung in § 91 Abs. 3 letzter Satz "..., kann der Anstaltsleiter jedoch Ausnahmen von einer solchen Anordnung gestatten" keinesfalls für die Annahme eines subjektiv-öffentlichen Rechtes. Allerdings schließt eine solche Formulierung für sich allein nicht zwingend die Einräumung eines nach bestimmten (im Sinne des Gesetzes auszuübenden) Ermessenskriterien zu beurteilenden subjektiven Rechtes aus und könnte aufgrund der im Einzelfall zu beurteilenden, aus dem Gesetz hervorleuchtenden Interessenlage die Wendung "kann" auch "muß" bedeuten. Dafür liegen aber keine ausreichenden Anhaltspunkte vor.

§ 91 Abs. 3 StVG räumt der Behörde die rechtliche Verfügungsmacht ein, das dem Häftling gemäß § 91 Abs. 2 StVG ausdrücklich eingeräumte subjektiv-öffentliche Recht auf den Empfang von Sendungen von Nahrungs- und Genußmitteln durch einen generellen Verwaltungsakt auszuschließen.

Im Hinblick darauf, daß eine solche generelle Anordnung lediglich auf einen befristeten Zeitraum zulässig ist, soll die Wendung "soweit es im Einzelfall vertretbar erscheint, kann der Anstaltsleiter ..." lediglich dem Anstaltsleiter die Möglichkeit einräumen, auf Einzelinteressen der Häftlinge Bedacht zu nehmen, ohne allerdings dem einzelnen damit das schon durch die generelle, wenn auch nicht vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpfbare, Anordnung zeitlich befristet ausgeschlossene subjektiv-öffentliche Recht wiederum einzuräumen. Demgemäß wäre die gemäß § 121 StVG erhobene Beschwerde von der belangten Behörde insoweit mangels Legitimation zu ihrer Erhebung zurückzuweisen gewesen. Dadurch, daß sich die belangte Behörde sachlich mit der Beschwerde auseinandersetzte und die Auffassung vertrat, angesichts der unbestrittenen Vorstrafen des Beschwerdeführers "wegen schwerer Suchtgiftdelikte" sei bei ihm eine Ausnahme von der generellen Anordnung des Verbotes eines Paketempfanges nicht vertretbar, und somit die in das Ermessen gestellte Entscheidung des Anstaltsleiters als zutreffend erachtete, wurde der Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt.

Anders als einem Untersuchungshäftling, der sich während der Zeit seiner Anhaltung zur Arbeit bereit erklärt, dem gemäß § 186 Abs. 5 vierter Satz StVG der nach Abzug des von ihm zu leistenden Beitrages zu den Kosten der Anhaltung verbleibende Teil der Arbeitsvergütung zur Gänze als Hausgeld gutzuschreiben ist, kann einem Untersuchungshäftling, der offenbar keine Geldmittel zum Bezug von Bedarfsgegenständen zur Verfügung hat, monatlich im nachhinein ein Betrag von 5 % der niedrigsten Arbeitsvergütung als Hausgeld gutgeschrieben werden. Auch für diese Bestimmung kommen die vorerwähnten Erwägungen zur Anwendung, daß diesfalls der Behörde lediglich die in ihrem Ermessen stehende Möglichkeit eingeräumt wird, einem Untersuchungshäftling von Amts wegen ein Hausgeld gutzuschreiben. Der gesetzlichen Bestimmung sind aber keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß dieser Norm des objektiven Rechtes ein subjektiver Rechtsanspruch des Strafgefangenen korrespondiert, das in Rede stehende Hausgeld zu erhalten. Es besteht zwar zweifellos ein faktisches Interesse des Häftlings am Erhalt des in Rede stehenden Hausgeldes, jedoch steht dieses faktische Interesse zu der entsprechenden Norm des objektiven Rechtes in einer Situation bloßer Reflexwirkung. Auch der angeführten sprachlichen Wendung über die Qualifikation dieses Interesses ist nicht zu entnehmen, daß es zu einem subjektiv-öffentlichen Recht verdichtet wurde. Geht man also davon aus, daß dem Beschwerdeführer durch diese Bestimmung kein durchsetzbarer Rechtsanspruch eingeräumt wird, sondern er lediglich auf die Ausübung des Aufsichtsrechtes verwiesen wird, so konnte er auch insoweit durch den Bescheid der belangten Behörde in seinen Rechten nicht verletzt werden.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 lit. a B-VG setzt die Erhebung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof - von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen des Art. 130 Abs. 1 lit. b und letzter Satz B-VG abgesehen - das Vorliegen eines Bescheides voraus. Von einem Bescheid in diesem Sinne kann nur dann die Rede sein, wenn in einer bestimmten Angelegenheit der obrigkeitlichen Verwaltung der objektiv erkennbare Wille der Behörde darauf gerichtet ist, in einer förmlichen Weise über individuelle (subjektive) Rechtsverhältnisse abzusprechen, sei es, daß ein Rechtsverhältnis mit bindender Wirkung festgestellt wird, sei es, daß es mit solcher Wirkung gestaltet wird (vgl. den hg. Beschluß vom 26. April 1991, Zl. 90/18/0206; allgemein zu den Elementen des Bescheidbegriffes den Beschluß eines verstärkten Senates vom 15. Dezember 1977, Slg. Nr. 9.458/A).

Im Hinblick auf diesen Bescheidbegriff kann iVm der Bestimmung des § 122 StVG der den Beschwerdepunkt 5. betreffende angefochtene Teil der Erledigung der belangten Behörde nicht als Bescheid angesehen werden, gab diesbezüglich die belangte Behörde doch in ihrem Spruch ausschließlich zu erkennen, daß sie sich "zu einem aufsichtsbehördlichem Einschreiten" nicht veranlaßt fühle. Hinzu kommt, daß bereits der Anstaltsleiter in seinem Bescheid vom 20. November 1996 zum Ausdruck brachte, daß "ein Anlaß zu aufsichtsbehördlichem Einschreiten gemäß §§ 122 iVm 14 und 43 StVG nicht gefunden" werden könnte. Demgemäß lag der belangten Behörde insoweit als Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ein förmlicher Bescheidausspruch auch nicht vor. Da insoweit die angefochtene Erledigung der belangten Behörde ebenfalls kein Bescheid ist, war die vor dem Verwaltungsgerichtshof erhobene Beschwerde auch in diesem Punkt mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mit Beschluß zurückzuweisen.

Dem Bescheid läßt sich für die Auferlegung von Kosten des Administrativbeschwerdeverfahrens in Höhe von S 20,-- keine Begründung entnehmen und war dieser insoweit schon deshalb als überhaupt nicht nachvollziehbar aufzuheben.

Da der Beschwerdeführer teilweise mit seiner Beschwerde erfolgreich war, waren ihm die entstandenen Aufwendungen gemäß den §§ 47 ff VwGG im Zusammenhang mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 zuzusprechen.

Wien, am 10. September 1998

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten in welchen die Anrufung des VwGH ausgeschlossen istErmessenMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Besondere Rechtsgebiete Justizwesen und Grundverkehr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1997200597.X00

Im RIS seit

05.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

08.03.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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