Entscheidungsdatum
27.11.2019Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §74 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag.a Kovar-Keri über die Beschwerde der Frau A. B., Wien, C.-straße, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 23.05.2019, Zahl ..., mit welchem die zusätzliche Auflage "Die Betriebs- und Öffnungszeiten werden von Montag bis Sonntag auf 6:00 bis 22:00 Uhr eingeschränkt." auf Grund des § 79 GewO 1994 vorgeschrieben wurde,
zu Recht erkannt:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz – B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
ad I.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde der nunmehrigen Beschwerdeführerin als Anlageninhaberin gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 eine zusätzliche Auflage vorgeschrieben, mit welcher die Betriebs- und Öffnungszeiten von Montag bis Sonntag auf 6:00 bis 22:00 Uhr beschränkt werden.
Begründet wurde diese Vorschreibung damit, dass der Schutz der Nachbarn der Betriebsanlage vor einer Lärmbelästigung zur Nachtzeit im gegenständlichen Fall nur durch die Vorschreibung dieser Auflage erreicht werden könne. Die Gesundheitsgefährdung sei durch die messtechnische Erhebung des Amtssachverständigen für Schalltechnik im Zusammenhalt mit der Beurteilung durch die medizinische Amtssachverständige erwiesen. Da - obzwar der Konsens eine Sperrstunde bis 02:00 Uhr morgens beinhalte – es sich bei der gegenständlichen Betriebsanlage um ein Kaffeehaus handle und Kaffeehäuser üblicherweise während der Tages- bzw. Abendzeit am meisten durch Gäste mit ruhigem Gästeverhalten frequentiert seien, werde das Wesen der Betriebsanlage nicht verändert und auch nicht in die Substanz des verliehenen Rechtes eingegriffen.
Dagegen richtet sich die vorliegende form- und fristgerecht eingebrachte Beschwerde, in welcher die unrichtige Anwendung der einschlägigen Rechtsvorschriften geltend gemacht werde.
Einerseits habe die belangte Behörde die Verhältnismäßigkeit der vorgeschriebenen Auflage nicht beurteilt. Andererseits werde der Genehmigung der Betriebsanlage der Beschwerdeführerin durch die gegenständliche Auflage als solche in Frage gestellt und die Betriebsanlage durch die Tatsache, dass sie zwischen 22:00 Uhr und 02:00 Uhr morgens am meisten bzw. stark besucht werde, in ihrem Wesen verändert. Auch ist mit der Auflagenvorschreibung ein Eingriff in das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit gemäß Art 6 StGG verbunden, zumal eine Betriebseinschränkung um 20 % gerade zu den Hauptbetriebszeiten verfügt worden sei.
Daher würden die Anträge auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, ersatzlose Behebung des Bescheides in eventu Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde gestellt.
Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens (Einsichtnahme in den behördlichen Akt, Parteienvorbringen) ergibt sich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Die gegenständliche Betriebsanlage wurde erstmals mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 20. Dezember 1979, GZ: MBA ..., gemäß § 74 GewO 1973 rechtskräftig genehmigt. Damals wurde das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Gasthaues betrieben.
Mit Bescheid vom 7. September 1993, GZ: MBA ..., wurde eine Änderung der Betriebsanlage hinsichtlich der Lüftungsanlage und Beheizung gemäß § 81 GewO 1973 rechtskräftig genehmigt. Seither wird in dieser Betriebsanlage das Gastgewerbe in der Betriebsart eines Kaffeehauses ausgeübt.
Neben der Vorschreibung von zwei zusätzlichen Auflagen (Bescheid vom 11. Jänner 2012, GZ: MBA ..., und vom 8. Juni 2018, GZ: ...) wurde mit Bescheid des Magistrats der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk vom 26. November 2018, GZ: ..., die Aufstellung einer kleinen Musikanlage für Hintergrundmusikdarbietung (58 db(A) gemessen in Raummitte) und eines haushaltsüblichen Flachbildfernsehers (58 db(A), gemessen in Raummitte) im Gastraum gemäß § 345 Abs. 6 GewO 1994 iVm § 81 Abs. 3 und § 81 Abs. 2 Z 7 GewO 1994 sowie § 93 Abs. 3 ASchG bescheidmäßig zur Kenntnis genommen.
Anlässlich der Messung am 12. April 2018 konnten für die örtlich akustische Situation bei geschlossenen Fenstern ein A-bewerteter energieäquivalenter Dauerschallpegel LA,eq = 0 25 dB und ein A-bewerteter Basispegel LA,95 = 18 dB ermittelt werden. Die Störgeräusche wurden mit Schallpegeln von LA,eq = 33-38 dB gemessen. Diese Schallpegel übersteigen den örtlichen Umgebungsgeräuschpegel um 8-13 dB wodurch deutlich wahrnehmbare Störgeräusche zu erwarten sind. In der Wohnung der exponiertesten Nachbarin treten ausgehend von der gegenständlichen Betriebsanlage Schallimmissionen auf, die zur Nachtzeit eine erhebliche Beeinträchtigung der Wohnqualität und Störungen des Wohlbefindens und somit eine das ortsübliche Ausmaß übersteigende Belästigung hervorrufen. Bei andauernder Einwirkung ist eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen.
Diese Feststellungen gründen auf den im Akt einliegenden Genehmigungsbescheiden, den seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen (Messbericht des Amtssachverständigen für Schalltechnik und medizinische Beurteilung des medizinischen Amtssachverständigen) im Zusammenhalt mit dem Vorbringen der Beschwerde. Den Ergebnissen der Beurteilungen durch die Amtssachverständigen für Schalltechnik und Medizin wurde seitens der Beschwerdeführerin in keiner Weise entgegengetreten.
In rechtlicher Hinsicht folgt aus dem festgestellten Sachverhalt:
Gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben; die Auflagen haben gegebenenfalls auch die zur Erreichung dieses Schutzes erforderliche Beseitigung eingetretener Folgen von Auswirkungen der Anlage zu umfassen; die Behörde hat festzulegen, dass bestimmte Auflagen erst nach Ablauf einer angemessenen, höchstens drei Jahre, in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen (zB bei Betriebsübernahmen) höchstens fünf Jahre, betragenden Frist eingehalten werden müssen, wenn der Inhaber der Betriebsanlage nachweist, dass ihm (zB wegen der mit der Übernahme des Betriebes verbundenen Kosten) die Einhaltung dieser Auflagen erst innerhalb dieser Frist wirtschaftlich zumutbar ist, und gegen die Fristeinräumung keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen bestehen. Die Behörde hat solche Auflagen nicht vorzuschreiben, wenn sie unverhältnismäßig sind, vor allem wenn der mit der Erfüllung der Auflagen verbundene Aufwand außer Verhältnis zu dem mit den Auflagen angestrebten Erfolg steht. Dabei sind insbesondere Art, Menge und Gefährlichkeit der von der Anlage ausgehenden Emissionen und der von ihr verursachten Immissionen sowie die Nutzungsdauer und die technischen Besonderheiten der Anlage zu berücksichtigen.
Nach Absatz 2 dieser Bestimmung sind Auflagen im Sinne des Abs. 1 zugunsten von Personen, die erst nach Genehmigung der Betriebsanlage Nachbarn im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 geworden sind, nur soweit vorzuschreiben, als diese zur Vermeidung einer Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit dieser Personen notwendig sind. Auflagen im Sinne des Abs. 1 zur Vermeidung einer über die unmittelbare Nachbarschaft hinausreichenden beträchtlichen Belastung durch Luftschadstoffe, Lärm oder gefährliche Abfälle sind, sofern sie nicht unter den ersten Satz fallen, zugunsten solcher Personen nur dann vorzuschreiben, wenn diese Auflagen im Sinne des Abs. 1 verhältnismäßig sind.
Könnte der hinreichende Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen nach Abs. 1 oder 2 nur durch die Vorschreibung solcher anderer oder zusätzlicher Auflagen erreicht werden, durch die die genehmigte Betriebsanlage in ihrem Wesen verändert würde, so hat die Behörde nach § 79 Abs. 3 GewO 1994 dem Inhaber der Anlage mit Bescheid aufzutragen, zur Erreichung des hinreichenden Interessenschutzes und der Begrenzung der Emissionen von Luftschadstoffen nach dem Stand der Technik innerhalb einer dem hierfür erforderlichen Zeitaufwand angemessenen Frist ein Sanierungskonzept für die Anlage zur Genehmigung vorzulegen; für dieses Sanierungskonzept ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Abs. 1) maßgebend. Im Bescheid, mit dem die Sanierung genehmigt wird, hat die Behörde, erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter Auflagen, eine dem Zeitaufwand für die vorgesehenen Sanierungsmaßnahmen entsprechende Frist zur Durchführung der Sanierung festzulegen. § 81 Abs. 1 ist auf diese Sanierung nicht anzuwenden.
Gemäß § 1 Abs. 1 lit. a der Verordnung des Landeshauptmannes von Wien, mit der die Sperrstunde und die Aufsperrstunde im Gastgewerbe festgelegt werden (Sperrzeitenverordnung 1998) ist für Gastgewerbe in der Betriebsart Kaffeehaus eine Sperrstunde von 02:00 Uhr morgens und eine Aufsperrstunde von 06:00 Uhr morgens festgelegt.
Die Bestimmung des § 79 GewO 1994 enthält die gesetzliche Ermächtigung der Behörde, ungeachtet der Rechtskraft des Genehmigungsbescheides andere oder zusätzliche Auflagen vorzuschreiben, für den Fall, dass das Verfahren zur Genehmigung einer Betriebsanlage abgeschlossen ist, mit den in diesem Verfahren vorgeschriebenen Auflagen aber nicht das Auslangen gefunden werden kann, um die in § 74 GewO umschriebenen Interessen hinreichend zu schützen. Sie ermöglicht es der Behörde, in bestehende Recht einzugreifen, wobei es schon nach dem bloßen Wortlaut des § 79 GewO nicht darauf ankommt, worauf es zurückzuführen ist, dass nach der Genehmigung der Betriebsanlage die in Rede stehenden Interessen nicht hinreichend geschützt sind, welche Umstände also eine Situation eintreten ließen, die die Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen nach Erteilung der Betriebsanlagegenehmigung iS dieser Gesetzesstelle erforderlich machen. Insbesondere ist nicht Voraussetzung der Vorschreibung neuer oder anderer Auflagen nach § 79 dieser Bestimmung, dass eine Änderung in dem dem Genehmigungsbescheid zu Grunde gelegenen Sachverhalt eingetreten ist (VwGH vom 26. September 2012, Zl. 2007/04/0151).
Auflagen nach § 79 Abs. 1 kommt kein anderer Inhalt zu als dem der Auflagen nach § 77 Abs. 1, weshalb auch andere oder zusätzliche Auflagen gemäß § 79 Abs. 1 bestimmt und geeignet sein müssen (VwGH vom 24. Juni 1986, 86/04/0033). Die anderen oder zusätzlichen Auflagen müssen nach dem Stand der Technik und der medizinischen und der sonstigen in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung eines hinreichenden Schutzes der gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen erforderlich sein.
Im vorliegenden Fall ist weder die Bestimmtheit noch die Eignung der Auflage bestritten worden. Einzig die mit der Auflage verbundene Änderung des Wesens der Betriebsanlage wurde moniert.
Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof in seinen Erkenntnissen vom 2. März 1977, Zl. 1193/76, und vom 28. Mai 1975, Zl. 273/274/75, ausgesprochen, dass eine zeitliche Beschränkung des Betriebes von Gastgewerben gemäß § 79 iZm § 74 Abs. 2 und 3 GewO 1973 verfügt werden kann. Dies jedoch unter der Vorgabe des Zutreffens der Voraussetzungen des § 79 GewO.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH darf eine Betriebsanlage durch Auflagen nur soweit modifiziert werden, dass die Betriebsanlage ihrem Wesen nach unberührt bleibt (vgl. VwGH vom 12. November 1996, Zl 94/94/9266). Dieser aus der Antragsbedürftigkeit der Betriebsanlagengenehmigung abgeleitete Grundsatz ist (nunmehr) im Hinblick auf die Regelung des § 79 Abs. 3 GewO 1994 ausdrücklich festgelegt (vgl. VwGH vom 26. Juni 2002, Zl 2002/04/0037). Ob eine Auflage die genehmigte Anlage in deren Wesen berührt und daher unzulässig ist, muss im Einzelfall durch erforderliche Sachverhaltsfeststellungen geprüft werden. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut der Bestimmung des § 79 Abs. 3 GewO 1994 aber auch durch die ständige höchstrichterliche Judikatur (vgl. VwGH vom 18. April 1984, Zl. 87/04/0061). Eine Auflage [..] ändert dann die „genehmigte Betriebsanlage in ihrem Wesen“, wenn sie in die Substanz des verliehenen Rechtes – in die Summe der im Rahmen der Gewerbeberechtigung zu verrichtenden Tätigkeiten (vgl. VwGH Slg. 6400 A [1964]; vgl. auch das bei Hanusch, Kommentar zur Gewerbeordnung, Rz 16 zu § 77, genannte [Extrem-]Beispiel des Verbotes eines Nachtbetriebes für einen Nachtclub) - eingreift (vgl. VwGH vom 26. Juni 2003, Zl. 2002/04/0037, vom 15. Oktober 2003, Zl. 2000/04/0193, vom 21. Dezember 2004, Zl. 2003/04/0094).
Aus dem Sinn des § 79 Abs. 1 GewO 1994 und dem Begriff der Auflage ergibt sich, dass durch die Vorschreibung anderer oder zusätzlichen Auflagen – auch wenn sie zur Vermeidung einer Gefährdung erforderlich sind – die Betriebsanlagengenehmigung als solche nicht in Frage gestellt werden darf.
Im vorliegenden Fall betreibt die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Standort ein Gastgewerbe in der Betriebsart „Kaffeehaus“. Durch § 1 Abs. 1 lit. a Sperrzeitenverordnung ist eine Sperrstunde bis 02:00 Uhr morgens festgelegt.
Die belangte Behörde begründet ihre Ansicht, es liege durch die Einschränkung der täglichen Betriebszeit auf den Zeitraum 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr keine wesensändernde Maßnahme vor, mit der nach der allgemeinen Lebenserfahrung mit einem Kaffeehaus verbundenen Vorstellung des Betriebes und des Gästeverhaltens.
Dabei übersieht die belangte Behörde allerdings einerseits die Vielfalt an unterschiedlichen Ausgestaltungen von Kaffeehäusern. Das Gastgewerbe in der Betriebsart Kaffeehaus wird nicht nur in der Tradition Altwiener Kaffeehäuser oder auch amerikanische Kaffeeselbstbedienungsläden ausgeübt. Vielmehr sind auch Ausformungen beispielsweise als Wettcafé oder Tanzcafé in der breiten Palette der Formen von Kaffeehäusern enthalten.
Andererseits ist festzuhalten, dass bei Beurteilung der Wesensänderung einer Betriebsanlage gerade nicht nur auf die abstrakte Betriebsart abzustellen ist, sondern vielmehr im Rahmen einer Einzelfallbetrachtung der konkrete Betriebsablauf in der gegenständlichen Betriebsanlage zu untersuchen ist, sodass die Grenze zwischen einem Eingriff in das „was der Betriebsanlage“ oder in das „wie der Betriebsanlage“ eindeutig gezogen werden kann.
Wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, zwischen 22:00 Uhr und 02:00 Uhr morgens herrsche der stärkste Betrieb in ihrer Betriebsanlage, kann diesem Vorbringen nicht entgegengetreten werden. War doch der Gästeanfall und die damit verbundene Lärmentwicklung in diesem Zeitraum Anlass für zahlreiche Beschwerden der Nachbarn und das hier gegenständliche Verfahren.
In diesem Zusammenhang ist auch auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach in Grenzfragen der Erklärung des Bewilligungswerbers Bedeutung zukommt. So hat der Gerichtshof entschieden, dass bei Präzisierung des Ansuchens des Bewilligungswerbers, dass die Abfahrt der (Betriebs-) Fahrzeuge sonntags ab 22:00 Uhr erfolgen solle, die Vorschreibung einer Auflage, dass die Abfahrt vor 22:00 Uhr erfolgen müsse, eine Veränderung des Ansuchens in seinen Grundzügen vorliegt (vgl. VwGH vom 2. Oktober 1989, Zl. 87/04/0046). Umgelegt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies aber, dass eine Beschränkung der Hauptbetriebszeit, welche – wie von der Beschwerdeführerin vorgebracht – eine ruinöse Einschränkung des Betriebes darstellt, jedenfalls als in das Wesen der Betriebsanlage eingreifende Maßnahme zu qualifizieren ist, weil damit in die Substanz des verliehenen Rechtes eingegriffen wird. Damit wird in weiterer Folge auch die gegenständliche Auflage unzulässig.
Der gegenständliche Bescheid war daher zu beheben.
Ungeachtet des Parteienantrages war von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abzusehen, zumal bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG).
Da im gegenständlichen Verfahren jedoch eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn im Raum steht, ist noch Folgendes zu bemerken:
Sind aber zum Schutz der gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen das Wesen der Anlage verändernde Maßnahmen erforderlich, so ist ein diese Maßnahmen vorsehendes Sanierungskonzept für die Anlage (zur Erreichung des hinreichenden Interessenschutzes unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit) über bescheidmäßige Aufforderung durch die Behörde vom Anlageninhaber auszuarbeiten und der Behörde zur Genehmigung vorzulegen. Hierbei ist zu beachten, dass der Bescheid, mit dem ein Auftrag zur Vorlage eines Sanierungskonzeptes erteilt wird, dazulegen hat, inwiefern ein hinreichender Schutz der Interessen des § 74 Abs. 2 GewO 1994 trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht gewährleistet ist und weiters, inwiefern eine Sanierung dieses Mangels Maßnahmen erfordert, die die genehmigte Betriebsanlage in ihrem Wesen verändern (VwGH vom 21. Dezember 2004, Zl. 2003/04/0094). Insbesondere ist darauf zu verweisen, dass eine Gesundheitsgefährdung der Nachbarn nicht bloß „nicht ausgeschlossen werden dürfe“, sondern dass mit einer solchen zu „rechnen sein müsse“.
Vermeint die belangte Behörde, dass das in der gegenständlichen Betriebsanlage konkret festgestellte Gästeverhalten nicht dem Konsens als Kaffeehaus entspricht, so wäre allenfalls von einem konsenswidrigen Betrieb auszugehen, wobei dann die Zulässigkeit der Vorschreibung einer zusätzlichen Auflage gemäß § 79 GewO 1994 zur Erreichung der Einhaltung des gesetzmäßigen Zustandes jedenfalls zu verneinen ist. Vielmehr kommen Maßnahmen nach § 360 GewO 1994 sowie die Durchführung von Strafverfahren in Betracht.
ad II.
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Auflage; Vorschreibung zusätzlicher Auflagen; Einschränkung der Betriebszeit; Wesen der Betriebsanlage; Wesensänderung; SperrzeitenverordnungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.122.043.8961.2019Zuletzt aktualisiert am
16.01.2020