TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/2 VGW-131/036/13954/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.12.2019
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Entscheidungsdatum

02.12.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §57 Abs1
AVG §58 Abs3
AVG §18 Abs4
VwGVG §28 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Fritz über die Beschwerde des (am ...1952 geborenen) Herrn A. B., vertreten durch MMag.Dr. C. D., Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 12.09.2019, Zl. ..., betreffend Zurückweisung einer Vorstellung als verspätet i.A. Entziehung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt, vom 27.05.2019 war gegenüber dem Beschwerdeführer (Bf) Folgendes angeordnet worden:

„1.) Die Landespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt - entzieht Ihnen gemäß § 24 Absatz 1 Zif. 1 Führerscheingesetz 1997 in Verbindung mit § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 die für die Klasse(n) AM, A, B erteilte Lenkberechtigung.

Gemäß § 26 Absatz 2 Ziffer 7 FSG 1997 i. V. m. § 30 Absatz 2 FSG 1997 wird verfügt, dass Ihnen die Lenkberechtigung für die Zeit von 15 (fünfzehn) Monaten

gerechnet ab Abnahme des Führerscheines,

das ist bis einschließlich 29.07.2020 entzogen wird.

Führerschein ausgestellt von: BELÜGYMINISZTERIUM

am:                              09.11.2018

Zahl:               ...

Klasse(n):    AM, A, B

2.) Die Landespolizeidirektion Wien - Verkehrsamt - ordnet gemäß § 24 Absatz 3, dritter Satz, Führerscheingesetz 1997 in Verbindung mit § 57 Absatz 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 an, dass Sie sich einer Nachschulung zu unterziehen haben.

Bei Nichterfüllung dieser Anordnungen verlängert sich die Entziehung der Lenkberechtigung bis zur Befolgung der Anordnung, sich einer Nachschulung zu unterziehen.“

Diesen Bescheid adressierte die belangte Behörde an den Bf z.H. Rechtsanwalt Dr. E. F.; die Zustellung erfolgte am 04.06.2019.

Mit Schreiben vom 13.05.2019 hatte Rechtsanwalt Dr. F. der Polizeiinspektion … mitgeteilt gehabt, vom Bf damit beauftragt worden zu sein, den gemäß beiliegender Bescheinigung ihm abgenommenen ausländischen Führerschein zur Übersendung an ihn anzufordern. Unter Hinweis darauf, dass der Einbehalt ausländischer Dokumente durch die inländischen Behörden nicht zulässig sei, ersuche er, bis längstens 20.05.2019 den ungarischen Führerschein des Bf an seine Kanzlei zu übersenden (aufgrund dieser Mitteilung ging die belangte Behörde von einer Bevollmächtigung des Rechtsanwaltes Dr. F. auch zur Empfangnahme des Bescheides vom 27.05.2019 aus).

Mit Schreiben vom 11.06.2019 teilte Herr Dr. F. mit, er vertrete den Bf in einem derartigen Verfahren nicht und habe auch seine Vertretungsvollmacht nicht erklärt. Dennoch sei ihm am 04.06.2019 ein Bescheid zugestellt worden. Die Zustellung dieses Bescheides an ihn sei unzulässig und rechtswidrig und entfalte keinerlei Rechtswirkungen.

Mit Schreiben vom 19.06.2019 stellte der Rechtsanwalt MMag. Dr. C. D. bei der belangten Behörde den Antrag, einen allfälligen Entziehungsbescheid zu seinen Handen zuzustellen. Es sei ihm vom Bf Vollmacht und Zustellvollmacht erteilt worden. Sein früherer Rechtsvertreter sei nicht mehr für ihn tätig und habe auch keinerlei Zustellvollmacht gehabt.

Diesem Ersuchen gab die belangte Behörde insofern Folge, als sie eine – nunmehr mit 24.06.2019 datierte – Ausfertigung ihres Bescheides dem Bf z.H. Rechtsanwalt MMag Dr. C. D. zustellte (Zustelldatum: 27.06.2019).

Am 03.07.2019 langte bei der belangten Behörde eine Vorstellung (datiert mit 02.07.2019) des Bf gegen den Bescheid vom 24.06.2019 ein.

Mit Schreiben vom 12.08.2019 brachte die belangte Behörde dem Bf zur Kenntnis, dass seine Vorstellung gegen den Bescheid vom 24.06.2019 offensichtlich verspätet eingebracht worden sei. Der Bescheid sei am 04.06.2019 persönlich von einem Mitarbeiter der vom Bf zum damaligen Zeitpunkt bevollmächtigten Rechtsanwaltskanzlei F. & F. Rechtsanwälte in G. übernommen worden. Die Rechtsmittelfrist habe daher am 04.06.2019 begonnen und am 18.06.2019 geendet. Der Bf habe die Vorstellung erst am 03.07.2019 per E-Mail eingebracht.

In seiner Eingabe vom 26.08.2019 wies der Bf darauf hin, dass die Zustellung am 04.06.2019 nicht rechtswirksam gewesen sei, weil diese Kanzlei keinerlei Zustellvollmacht besessen habe. Es wurde ersucht, die Vorstellung in der Sache zu behandeln und nicht zurückzuweisen.

Mit dem nunmehr beim Verwaltungsgericht Wien angefochtenen Bescheid vom 12.09.2019 wies die belangte Behörde die Vorstellung vom 02.07.2019 gegen den Bescheid über die Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 57 Abs. 2 AVG als verspätet zurück.

Begründend führte die belangte Behörde Folgendes aus:

„Sie wurden zur Anzeige gebracht, dass Sie am 29.04.2019 gegen 22.38 Uhr in Wien, H. den Pkw mit dem Kennzeichen W-... in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (0,45 mg/l Atemluftalkohol) gelenkt haben und einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht haben. Ihr ungarischer Führerschein wurde gemäß § 39 Abs. 1 FSG abgenommen.

Die Landespolizeidirektion Wien, Verkehrsamt hat daher mit Mandatsbescheid vom 27.05.2019 Ihre Lenkberechtigung gemäß § 24 Abs.1 Z.1 iVm § 26 Abs.2 Z.7 iVm § 30 Abs.2 FSG 1997 für die Dauer von 15 (fünfzehn) Monaten entzogen und gemäß § 24 Abs.3 dritter Satz FSG 1997 eine Nachschulung als begleitende Maßnahme angeordnet.

Dieser Entzugsbescheid wurde am 04.06.2019 an den Rechtsanwalt Dr. E. F., G., I.-Str. zugestellt, da von diesem Rechtsanwalt mit Eingabe vom 20.05.2019 unter Berufung auf das ihm in den Angelegenheit „Führerschein A. B.“ erteilte Mandat die Rückgabe des abgenommenen ausländischen Führerscheines beantragt, und die Übersendung (=Zustellung) im Wege der Kanzlei des Rechtsanwaltes begehrt wurde.

Am 19.06.2019 wurde von Ihrem neuen Rechtsvertreter Hrn. Rechtsanwalt Dr. MMag. C. D. unter Hinweis, dass der frühere Rechtsvertreter nicht mehr für Sie tätig sei, die nochmalige Übersendung des Entzugsbescheides vom 27.05.2019 im Wege der Kanzlei des nunmehr ausgewiesenen Rechtsvertreters beantragt.

Diesem Ersuchen wurde am 27.06.2019 entsprochen.

Die Vorstellung gegen den Entziehungsbescheid wurde am 02.07.2019 erhoben.

Die Berufung des Rechtsanwaltes Dr. E. F. auf das ihm von Herrn A. B. erteilte Mandat bezieht sich nach dem Wortlaut des Vorbringens eindeutig auf das administrative Verwaltungsverfahren „Führerschein“. Und es enthält auch ein Zustellungsbegehren zugunsten der Rechtsanwaltskanzlei.

Eine Mitteilung über eine Beendigung dieses Vollmachtsverhältnisses wurde seitens des Rechtsanwaltes Dr. E. F. jedenfalls nicht vor der Zustellung des Entziehungsbescheides an ihn bekanntgegeben.

Es kann auch nicht sein, dass ein Vollmachtsverhältnis bloß auf die für den Vertretenen angenehmen, positiven Verfahrenshandlungen eingeschränkt ist. Der Vertretene muss sich vielmehr auch eine von ihm nicht erwünschte, negative Erledigung seines Begehrens im Wege des namhaft gemachten Vertreters gefallen lassen. Die positive und die negative Verfahrens-Erledigung stehen akzessorisch zueinander.

Die erste Zustellung des das Begehren auf Führerscheinrückgabe negativ erledigenden Entziehungsbescheides am 04.06.2019 an den Rechtsanwalt Dr. E. F. erscheint - ungeachtet dessen Widerspruches - nach h.a. Ansicht als durchaus rechtmäßig und hat die Rechtsmittelfristen in Gang gesetzt.

Gemäß § 6 Zustellgesetz ist bei mehrfachen Zustellungen die erste Zustellung maßgebend.

Die nunmehr von Ihrem neuen Rechtsvertreter Hrn. Rechtsanwalt Dr. MMag. C. D. gegen den Entziehungsbescheid erhobene Vorstellung erscheint somit als verspätet eingebracht.“

Gegen diesen Bescheid erhob der Bf fristgerecht Beschwerde.

Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:

§ 57 AVG lautet wie folgt:

„§ 57. (1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.

(2) Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.

(3) Die Behörde hat binnen zwei Wochen nach Einlangen der Vorstellung das Ermittlungsverfahren einzuleiten, widrigenfalls der angefochtene Bescheid von Gesetzes wegen außer Kraft tritt. Auf Verlangen der Partei ist das Außerkrafttreten des Bescheides schriftlich zu bestätigen.“

Der Bf bringt u.a. vor, der angefochtene Bescheid vom 24.06.2019 sei inhaltsgleich mit dem an Rechtsanwalt Dr. F. „zugestellten“ Bescheid vom 27.05.2019, er trage aber eben nicht nur das Datum 24.06.2019, sondern sei von der Behörde im bisherigen Verfahren auch als eigenständiger Bescheid, der einer gesonderten Bekämpfung zugänglich sei, bezeichnet und auch rechtlich behandelt worden. Es dränge sich daher schon die Frage auf, inwiefern der gegenständliche Bescheid bereits am 04.06.2019 (also rund drei Wochen vor seiner Erlassung) an einen vormaligen Rechtsvertreter zugestellt worden sein solle. Es könne jedenfalls die Vorstellung vom 02.07.2019 niemals verspätet sein, völlig unabhängig von der Vorgeschichte.

Mit diesem Vorbringen ist der Bf im Ergebnis im Recht.

Die dem Bf z.H. seines nunmehrigen Rechtsanwaltes MMag. Dr. D. am 27.06.2019 zugestellte Ausfertigung des Bescheides betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung einer Nachschulung muss als ein gesonderter Bescheid in dieser Verwaltungsangelegenheit angesehen werden. Es handelt sich nicht um die wiederholte und überflüssige neuerliche Zustellung eines bereits erlassenen Bescheides. Diese Annahme verbietet schon allein die unterschiedliche Datierung der beiden Bescheide. Sowohl das Datum als auch die genaue Bezeichnung des (der) Bescheidadressaten sind gesetzlich zwingende Bestandteile eines jeden Bescheides (§ 58 Abs. 3 iVm § 18 Abs. 4 erster AVG; vgl. auch das Erkenntnis des VwGH vom 03.04.2008, Zl. 2006/09/0059).

Die belangte Behörde hat (ausgehend von der von ihr angenommenen rechtmäßigen Zustellung des Bescheides vom 27.05.2019 am 04.06.2019 an den Bf z.H. Rechtsanwalt Dr. F.; die Richtigkeit dieser Annahme brauchte im vorliegenden Fall nicht näher überprüft zu werden, weil für den Fall, dass von einer nicht ordnungsgemäßen Zustellung des Bescheides vom 27.05.2019 auszugehen wäre, die Vorstellung vom 02.07.2019 jedenfalls als rechtzeitig zu behandeln und der angefochtene Bescheid ebenso aufzuheben wäre) daher durch den am 27.06.2019 zustellten (zweiten) Bescheid neuerlich in einer schon bescheidmäßig abgeschlossenen Verwaltungssache einen – wenngleich inhaltlich gleichlautenden – Bescheid erlassen. Sie hat damit rechtswidrig gehandelt und gegen die materielle Rechtskraft des bereits erlassenen, mit 27.05.2019 datierten, am 04.06.2019 zugestellten, Bescheides verstoßen. Dies hat zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu führen.

Aufgrund der obigen Überlegungen war daher der Beschwerde Folge zu geben und der angefochtene Bescheid aufzuheben.

Die ordentliche Revision war nicht zuzulassen, weil sich keine über die Bedeutung des Einzelfalles hinausgehenden Rechtsfragen stellten.

Schlagworte

Mandatsbescheid; Vorstellung; Bescheid; Bescheidbegriff; Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.131.036.13954.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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