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20/09 Internationales Privatrecht;Norm
AufG 1992 §3 Abs1 idF 1995/351;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der 1995 geborenen DS in Wien, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. November 1995, Zl. 301.608/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Eingabe vom 31. Mai 1995 beantragte die Beschwerdeführerin, eine Angehörige der Bundesrepublik Jugoslawien und Republiksbürgerin Serbiens, die erstmalige Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Als Aufenthaltszweck wurde auf dem Antragsformular "Familiengemeinschaft", und zwar mit "Vater/Mutter" angekreuzt. Als Familienangehöriger, mit dem Familiengemeinschaft angestrebt wurde, war nur der Vater der Beschwerdeführerin angegeben.
Unter der Rubrik "In Österreich verfügbare eigene Mittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes auf die Dauer des Aufenthaltes" berief sich die Beschwerdeführerin auf die Verpflichtungserklärung und den Lohn ihrer Großeltern. Eine Verpflichtungserklärung oder eine Lohnbestätigung ihrer Großeltern war dem Antrag der Beschwerdeführerin nicht angeschlossen. Auch wurde die Einkommenshöhe der Großeltern der Beschwerdeführerin nicht beziffert.
Allerdings erliegt im Verwaltungsakt der Mutter der Beschwerdeführerin betreffend deren Verlängerungsantrag vom 25. August 1994 eine Arbeits- und Entgeltsbestätigung der Großmutter der Beschwerdeführerin, aus der hervorgeht, daß diese über ein monatliches Einkommen von S 12.034,-- verfügt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. November 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 31. Mai 1995 gemäß § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3 und § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nur erteilt werden dürfe, wenn der Lebensunterhalt für die Dauer der Aufenthaltsbewilligung gesichert sei. Da der Antrag der Mutter der Beschwerdeführerin abgewiesen worden sei und somit jene Person, von der sie wirtschaftlich abhängig sei, keine Aufenthaltsbewilligung habe, sei ihr Lebensunterhalt nicht gesichert. Infolge der Abweisung des Antrages der Mutter sei der Beschwerdeführerin keine auf § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 AufG gegründete Aufenthaltsbewilligung zu erteilen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 3 und § 5 Abs. 1 AufG lauteten:
"§ 3. (1) Ehelichen und außerehelichen minderjährigen Kindern und Ehegatten
1.
von österreichischen Staatsbürgern oder
2.
von Fremden, die auf Grund einer Bewilligung, eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes oder sonst gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 bis 5 rechtmäßig seit mehr als zwei Jahren ihren Hauptwohnsitz in Österreich haben, ist nach Maßgabe des § 2 Abs. 3 Z 3 und 4 eine Bewilligung zu erteilen, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5 Abs. 1) vorliegt.
...
§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden unter Berücksichtigung der gemäß § 2 erlassenen Verordnungen sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse in dem Land des beabsichtigten Aufenthaltes erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt. Auf die Verlängerung von Bewilligungen finden die gemäß § 2 erlassenen Verordnungen keine Anwendung.
...
(3) Eine Bewilligung gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 ist jeweils mit der gleichen Befristung zu erteilen, wie die Bewilligung des Ehegatten bzw. Elternteiles oder Kindes, bei der ersten Bewilligung aber höchstens für die Dauer von fünf Jahren.
...
§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
Art. 298 Abs. 1 und Art. 306 des für Engeres Serbien geltenden Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 5. Juni 1980 lautet (zitiert nach Bergmann-Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht):
"Art. 298. (1) Die Eltern sind verpflichtet, ihre minderjährigen
Kinder zu unterhalten.
...
Art. 306. Die Unterhaltspflicht besteht auch zwischen anderen Verwandten in gerader aufsteigender und absteigender Linie."
Allein der Umstand, daß die Mutter der Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht über eine Aufenthaltsbewilligung verfügte, berechtigte die belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht zur Abweisung des (nach der Aktenlage) auf Familiengemeinschaft mit ihrem Vater gerichteten Antrages der Beschwerdeführerin (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Februar 1997, Zl. 95/19/1777).
Nach der Aktenlage verfügte der Vater der Beschwerdeführerin über Aufenthaltsbewilligungen mit Geltungsdauer vom 19. Juli 1994 bis 20. Februar 1995 und vom 21. Februar 1995 bis 21. Februar 1996. Er war daher im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (Bescheidzustellung am 14. Dezember 1995) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Darüber hinaus hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren vorgebracht, daß ihr Vater in Österreich geboren sei und zumindestens seit dem 2. Juni 1987 in Österreich seinen ordentlichen Wohnsitz habe. Aus diesen Gründen erscheint es nicht ausgeschlossen, daß die belangte Behörde bei Auseinandersetzung mit dem Antragsvorbringen der Beschwerdeführerin, sie strebe Familiengemeinschaft mit ihrem Vater an, zum Ergebnis gekommen wäre, ihr sei eine Aufenthaltsbewilligung, sei es nach dem Bewilligungstatbestand des § 3 Abs. 1 Z. 2 AufG, oder aber im Wege einer Ermessensentscheidung gemäß § 4 Abs. 1 AufG, zu erteilen.
Aber auch in Ansehung des von der belangten Behörde ebenfalls herangezogenen Versagungsgrundes nach § 5 Abs. 1 AufG erweist sich der Bescheid als mit einem Verfahrensmangel behaftet. Die von der belangten Behörde allein herangezogene Begründung, der Unterhalt der Beschwerdeführerin sei nicht gesichert, weil ihre Mutter über keine Aufenthaltsbewilligung verfüge, vermag den Bescheidspruch schon deshalb nicht zu tragen, weil sich die Beschwerdeführerin zur Deckung ihres Unterhaltsbedarfes nicht auf Mittel bezog, die von ihrer Mutter, sondern auf solche, die von ihren Großeltern herrühren sollen. Nun hat die Beschwerdeführerin es zwar verabsäumt, in Entsprechung ihrer Verpflichtung zur initiativen Darlegung von Unterhaltsmitteln (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1998, Zlen. 96/19/1802, 1999, mwH) die behauptetermaßen abgegebene Verpflichtungserklärung ihrer Großeltern vorzulegen bzw. deren Einkommenshöhe zu beziffern und zu belegen.
Einer Verpflichtungserklärung der Großeltern bedurfte es jedoch nicht, weil nach dem gemäß § 24 IPRG maßgeblichen serbischen Unterhaltsrecht eine Unterhaltspflicht auch zwischen Großeltern und Enkelkinder besteht (vgl. Art. 306 des für Engeres Serbien geltenden Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 5. Juni 1980).
Zwar ist die Aufenthaltsbehörde nicht verpflichtet, den Antragsteller aufzufordern, entsprechend seiner Obliegenheit zur initiativen Darlegung von Unterhaltsmitteln zu handeln und muß auch diesbezüglich keine amtswegigen Ermittlungen durchführen (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 8. Mai 1998). Dessen ungeachtet hat sie aber diesbezügliche Verfahrensergebnisse ihrer Entscheidung zugrundezulegen, wenn sie im Entscheidungszeitpunkt vorliegen, mögen sie auch nicht von Seiten des Antragstellers herrühren. Nun ergibt sich eine Bezifferung und Bescheinigung der Höhe des Einkommens der Großmutter der Beschwerdeführerin aus dem Antragsakt der Mutter der Beschwerdeführerin (vgl. Bl. 27 dieses Aktes). Offenkundig erfolgte die Entscheidung über die Anträge der Beschwerdeführerin und ihrer Mutter mit Bescheiden vom 30. November 1995 gemeinsam. So erliegt das Original der Berufung der Beschwerdeführerin im Verwaltungsakt ihrer Mutter, die belangte Behörde gründet ihre abweisliche Entscheidung in Ansehung der Mutter der Beschwerdeführerin auch auf den Unterhaltsbedarf für die Beschwerdeführerin, andererseits beruft sie sich in ihrer Entscheidung betreffend die Beschwerdeführerin auch auf die Abweisung des Antrages ihrer Mutter. Angesichts dieser Umstände erscheint es nicht ausgeschlossen, daß die belangte Behörde hievon bei Erlassung des gegenständlichen Bescheides hätte Kenntnis erlangt haben und folglich bei der nach dem Antragsvorbringen der Beschwerdeführerin gebotenen Auseinandersetzung mit der Frage, ob deren Unterhalt aufgrund des Einkommens ihrer Großmutter gesichert ist, zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.
Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 52 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. September 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996191671.X00Im RIS seit
02.05.2001