Entscheidungsdatum
30.01.2017Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
VwGVG §28 Abs3Text
Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch den Richter Ing. Dr. Adalbert Lindner über die Beschwerden von AL AV, FF, AI AX, FF, AY und AG AF, FF, AK und AJ AN, FF, MM und NN AR, FF, sowie der Wassergenossenschaft GG-HH, vertreten durch Obfrau AQ AN, FF, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 4.6.2010, Zahl xxx, den
B E S C H L U S S
gefasst:
1. Gemäß § 28 Abs 3 VwGVG wird den Beschwerden mit der Maßgabe Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen wird.
2. Gegen diese Entscheidung ist die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Verfahrensgang und Beschwerdevorbringen:
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 08.07.1985, Zl yyy wurde für den Ausbau der gegenständlichen Kraftwerksanlage an der EE (Gemeinde FF) eine wasserrechtliche Bewilligung mit Konsensdauer bis 31.12.2015 erteilt. Mit Bescheid vom 29.10.1996 wiederum wurde von der Behörde festgestellt, dass der Ausbau grundsätzlich bewilligungsgemäß erfolgte. Einige Änderungen wurden unter Vorschreibung von Auflagen nachträglich bewilligt.
Schließlich erfolgte mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 05.02.1999, Zahlen vvv und www, die (wasserrechtliche und naturschutzrechtliche) Bewilligung von Sanierungsmaßnahmen sowie die Erstreckung der Konsensdauer bis 31.12.2029. Mit Überprüfungsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 17.10.2000, Zahlen vvv und www stellte die Behörde, nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und einer öffentlichen mündlichen Verhandlung (es wurden von den wasserbautechnischen, naturschutzfachlichen, hydrologischen sowie maschinenbau- und elektrotechnischen Amtssachverständigen gutachterliche Stellungnahmen abgegeben), fest, dass die Sanierungsmaßnahmen mit dem Bewilligungsbescheid übereinstimmend ausgeführt wurden und die Anlage bei Erfüllung bzw Einhaltung der angeordneten Vorschreibungen (zB Einvernehmensherstellung mit der Bundeswasserbauverwaltung) als überprüft erklärt werde.
Für die Erstellung einer von der Bundeswasserbauverwaltung in Auftrag gegebenen Variantenstudie über mögliche Hochwasserschutzvarianten für die MM-Siedlung an der EE waren 2004 umfangreiche Vermessungsarbeiten notwendig. Dabei wurde auch die Wehranlage des hier gegenständlichen Kraftwerkes vermessen und festgestellt, dass die Höhenkoten der Wehranlage in der Natur nicht mit dem im Bestandsplan angeführten Höhen übereinstimmt (Schreiben der Abteilung Wasserwirtschaft vom 27.07.2004 an die BH Hallein). Anfang 2005 sollte daher eine Neuvermessung durch einen Geometer erfolgen und wurden neue Gutachten zur Frage der Auswirkungen für Grundstückseigentümer eingeholt.
Nach weiteren (zahlreichen) Gesprächen zwischen Kraftwerksbetreiber, Behörde und Sachverständigen wurden von der belangten Behörde weitere Ermittlungsschritte in dieser Angelegenheit gesetzt. Letztlich konnten in den behördlich eingeholten Gutachten negative Auswirkungen der geänderten Krone der Wehranlage (laut hydrographischen Amtssachverständigen war von ca 67 cm über der in den Plänen eingetragenen Kronenhöhe auszugehen) – im besonderen in Hinblick auf den Hochwasserschutz – nicht ausgeschlossen werden. Der damalige Kraftwerksbetreiber stellte daraufhin die Beteiligung am Hochwasserschutzprojekt "MM-Siedlung" in Aussicht. Dem Aktenvermerk vom 02.05.2006 der Bezirkshauptmannschaft Hallein zufolge wurde schließlich zwischen der Behörde und dem damaligen Kraftwerkbetreiber (Herrn Dkfm. NN) vereinbart, dass eine entsprechende Abänderung des wasserrechtlichen Genehmigungsbescheides aus dem Jahr 1985 erst dann erfolgen könne, wenn die Kompensationsmaßnahmen in der MM-Siedlung realisiert sind und ein neues Verhaimungsprotokoll vorgelegt wird.
Im Juli 2006 wurde ein Finanzierungsvorvertrag zwischen der Wassergenossenschaft GG-HH und dem Kraftwerksbetreiber abgeschlossen, welcher auch von der Wassergenossenschaft in der Sitzung vom 04.10.2006 genehmigt wurde.
Nach Vorliegen der abschließenden Gutachten und Stellungnahmen der beigezogenen Amtssachverständigen, die inhaltlich allesamt einer Bescheidberichtigung oder –änderung nicht entgegentraten, erließ die Bezirkshauptmannschaft Hallein den nunmehr angefochtenen Berichtigungsbescheid vom 04.06.2010, Zahl xxx. Als Begründung wurde ins Treffen geführt, dass die im Bewilligungsbescheid von 1985 angeführte Höhe der Krone der Wehranlage von 475,50 müA offenbar auf einen Schreib- bzw Tippfehler zurückzuführen sei und daher zu korrigieren war. Eine mündliche Verhandlung wurde nicht durchgeführt und daher auch keine Parteien beigezogen.
Gegen diesen Berichtigungsbescheid richtet sich die Beschwerde der AZ vom 14.12.2015, der sich in weiterer Folge die oben angeführten weiteren Beschwerdeführer (im Falle von Herrn AX und Herrn AV mit Beschwerde vom 10.01.2016) vollinhaltlich angeschlossen haben. Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde wird lediglich darauf verwiesen, dass man erst jetzt Kenntnis vom Berichtigungsbescheid der BH Hallein erhalten habe. Begründend wird (zusammengefasst) vorgebracht, dass es sich bei verfahrensgegenständlicher Angelegenheit keineswegs um einen bloßen Schreibfehler handeln würde, weshalb eine Berichtigung unter Ausschluss der Parteien nicht hätte vorgenommen werden dürfen. Es sei folglich über die konsensgemäße Höhe der Krone erneut abzusprechen bzw der konsensgemäße Zustand wieder herzustellen, um ein weiteres Abrutschen der Uferbereiche zu verhindern bzw die Überflutungsgefahr zu reduzieren.
Eine entsprechende Beschwerdemitteilung an die mitbeteiligte Partei, den nunmehrigen Kraftwerksbetreiber Di (FH) AA, erfolgte durch die belangte Behörde. Die mitbeteiligte Partei führte in ihren Stellungnahmen vom 10.01.2016 bzw 22.03.2016 aus, dass die Beschwerden zu Unrecht erhoben wurden. Da nachweislich eine Abstimmung über die neu genehmigte Kote in der WG-Sitzung vom 04.10.2006 stattgefunden habe, hätten alle Beschwerdeführer schon damals Bescheid gewusst. Die Bezirkshauptmannschaft Hallein legte daraufhin sämtliche Beschwerden sowie die Stellungnahmen samt Beilagen der mitbeteiligten Partei dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 und Abs 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) konnte von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden. Dies deshalb, da einerseits bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit den Beschwerden angefochtene Bescheid aufzuheben ist und auch eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache, wie eine Besprechung mit der mitbeteiligten Partei am 31.05.2016 gezeigt hat, nicht erwarten hat lassen.
Sachverhalt und Beweiswürdigung:
Was nun den maßgeblichen Sachverhalt angeht, darf auch (um Wiederholungen zu vermeiden) auf den vorher beschriebenen Verfahrensgang verwiesen werden.
Ergänzend wird dazu (zusammenfassend) festgestellt:
Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Hallein vom 04.06.2010, Zahl xxx, wurde der Bescheid vom 08.07.1985, Zahl yyy, mit dem die wasserrechtliche Bewilligung zur Errichtung bzw Adaptierung einer Kraftwerksanlage an der EE erteilt wurde, insofern berichtigt, als darin die Höhenangabe für die Krone der Wehranlage von 475,50 müA auf 476,17 müA geändert wurde.
In diesem ursprünglichen Bewilligungsbescheid vom 08.07.1985 gibt es mehrere Hinweise auf die Kronenoberkante der Wasserfassung. Auf Seite 3 f heißt es im Abschnitt Wasserfassung etwa: "Das bestehende, auf Fels gegründete, 2 m breite und rd 45 m lange Betonwehr wird saniert und um 45 cm erhöht, sodaß die Kronenoberkante künftig auf Kote 475,50 m zu liegen kommt. (…) Die Sohle des Sandfanges fällt von der Einlaufkote 475,00 m auf Kote 474,00 m am Ende beim Kies- und Sandspülschütz, welches 2,0 m breit und 1,5 m hoch wird. Auf der Spülschwelle, deren Oberkante die Kote 474,5 aufweist, sitzt der 8,3 m breite unter 45 Grad geneigte Feinrechen auf." In der Folge werden auf Seite 6 die wesentlichen Daten und Höhenkoten der Wasserkraftanlage ausgewiesen und damit noch einmal ua die Krone der Wehranlage als Stauziel mit 475,50 m beziffert.
Diese Berichtigung erfolgte nach Einholung diverser Gutachten durch die Behörde und nach Vornahme von Kompensationsmaßnahmen durch den Kraftwerksbetreiber. Weder den heutigen Beschwerdeführern noch deren Rechtsvorgängern wurde, als Parteien des Ausgangsverfahrens, die Möglichkeit eingeräumt zu diesem Sachverhalt Stellung zu nehmen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde nicht durchgeführt. Eine Zustellung des Berichtigungsbescheides erfolgte nur an den damaligen Kraftwerksbetreiber.
Mit Kaufvertrag vom 22.08.2014 erwarb die mitbeteiligte Partei gegenständliche Wasserkraftanlage an der EE in der Gemeinde FF.
Bei der Bezirkshauptmannschaft Hallein ist derzeit ein wasserrechtliches Bewilligungsverfahren betreffend des gegenständlichen Kraftwerkes (Abänderung der bestehenden Kraftwerksanlage durch Errichtung einer Fischaufstiegshilfe) anhängig.
In beweiswürdigender Hinsicht ist festzuhalten, dass sich der maßgebliche Sachverhalt zweifelsfrei aus den aufliegenden Akten sowie den Ermittlungsergebnissen des Beschwerdeverfahrens ergibt. Uneinigkeit besteht lediglich in Bezug auf die rechtliche Würdigung des festgestellten Sachverhaltes, insbesondere in Hinblick auf die Zulässigkeit der von der Behörde vorgenommenen Berichtigung und auf die Frage der Beschwerdelegitimation.
Das Landesverwaltungsgericht hat hiezu erwogen:
Gemäß § 28 Abs 2 Z 1 und 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
§ 28 Abs 3 VwGVG bestimmt, dass das Verwaltungsgericht, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat, den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen kann.
Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in Bescheiden kann die Behörde gemäß
§ 62 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) jederzeit von Amts wegen berichtigen.
Zur Beschwerdelegitimation:
Gegenständlicher Berichtigungsbescheid ändert wesentliche Angaben der Bewilligung aus dem Jahr 1985 ohne die Parteien einbezogen zu haben. Es liegt geradezu auf der Hand, dass eine Erhöhung der Krone der Wehranlage im gegenständlichen Ausmaß nicht ohne Folgen für das Wasserkraftwerk und seine Umgebung bleibt (vor allem in Hinblick auf Wasserstand und Hochwasserschutz). Die Behörde konnte nicht von vornherein davon ausgehen, dass Rechte Dritter durch die Berichtigung nicht beeinträchtigt werden können. Dies sieht man auch daran, dass die Behörde zahlreiche Sachverständigengutachten über mögliche Beeinträchtigungen in Auftrag gegeben hat. Damit hat sie zwar amtswegig versucht, die Frage der Gefährdungen abzuklären, dabei aber gleichzeitig den Parteien das Recht genommen, selbst ihre Rechte im Verfahren geltend zu machen und Parteiengehör zu erhalten. Da auch eine mündliche Verhandlung unterblieb (und folglich auch keine doppelte Kundmachung erfolgte), sind die nicht beigezogenen Personen und Rechteinhaber als übergangene Parteien zu qualifizieren.
Nach überwiegender Auffassung haben übergangene Parteien mehrere Optionen um wieder zurück ins Verfahren zu gelangen: Sie können wahlweise die Zustellung des Bescheides bzw die Feststellung ihrer Parteistellung begehren oder auch sofort ab Kenntnis vom Bescheid Beschwerde erheben. Durch § 7 Abs 3 VwGVG wird die bisherige Rechtsprechung des VwGH rezipiert, wonach in einem Mehrparteienverfahren die Berufung einer Partei gegen einen Bescheid zulässig ist, der zwar ihr nicht zugestellt, wohl aber gegenüber einer anderen Partei bereits erlassen wurde (vgl etwa Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte (2013), Seite 37 unter Verweis auf zB VwGH 14.12.2007, 2006/05/0071; VwGH 4.9.2006, 2005/09/0067; ähnlich Leeb, Die Bescheidbeschwerdelegitimation "übergangener Parteien", ÖJZ 2015/129, 977 ff mwN). Wer von der Beschwerdeerhebungsmöglichkeit schon ab Kenntnis Gebrauch macht, hat damit sein Beschwerderecht konsumiert.
Wenn die mitbeteiligte Partei ins Treffen führt, dass alle Mitglieder der Wassergenossenschaft bereits zum Zeitpunkt der Wassergenossenschaftssitzung am 4.10.2006 Kenntnis über den Berichtigungsbescheid hatten, zumal in dieser Sitzung eine Abstimmung über die neue genehmigte Kote stattfand, so verkennt sie, dass das AVG lediglich die Möglichkeit, nicht aber die Pflicht zur Beschwerdeerhebung ab Kenntnis vom Bescheid, einräumt.
Schon die Rechtsprechung zur Berufung stellt klar, dass die Kenntnisnahme des Inhalts oder der Existenz des Bescheides durch die übergangene Partei die Berufungsfrist nicht in Gang setzt, sondern diese erst mit Zustellung des Bescheides zu laufen beginnt (Hengstschläger/Leeb, AVG II, § 63, Rz 67 unter Verweis auf VwGH 29.1.1985, 84/07/0121 sowie 24.9.1991, 90/05/0154). Aus § 7 Abs 4 Z 1 VwGVG ergibt sich nun eindeutig, dass auch die vierwöchtige Beschwerdefrist erst durch Erlassung des Bescheides (gegenüber den Beschwerdeführern) ausgelöst wird. Auf eine etwaige frühere Kenntnisnahme kommt es somit nicht an.
Es ist folglich davon auszugehen, dass es sich gegenständlich um übergangene Parteien handelt, deren Bescheidbeschwerden sich als rechtzeitig erweisen und daher zuzulassen sind.
Zur Unzulässigkeit der Berichtigung:
Macht die Behörde bei der Formulierung ihrer Entscheidung - nicht jedoch bei der Entscheidung selbst (vgl zB VwGH 20.9.1994, 93/04/0020) - einen Fehler, so kann sie diesen unter den in
§ 62 Abs 4 AVG festgelegten Bedingungen korrigieren. Die Unrichtigkeit muss auf einem Versehen der Behörde beruhen und offenkundig sein. Offenkundig ist eine Unrichtigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes allerdings nur dann, wenn jene Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, die Unrichtigkeit klar erkennen können (VwSlg 4293 A/1957, VwGH 26.2.1990, 88/12/0074) und die Behörde nach der Aktenlage bei entsprechender Aufmerksamkeit den Fehler bereits bei der Erlassung des Bescheides hätte vermeiden können (VwGH 7.3.1996, 95/09/0298, und 24.2.1997, 94/17/0344). Der VwGH geht vom Maßstab eines mit der Materie vertrauten Durchschnittsbetrachters aus, für den das Versehen ohne längeres Nachdenken und ohne Nachschau in Gesetzeswerken erkennbar ist (VwGH 13.9.1991, 90/18/0248).
In Abgrenzung dazu ergibt sich, dass durch die Berichtigung eines Bescheides, sei es in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht, der Inhalt dieses Bescheides nicht verändert werden darf. Die genannte Bestimmung bietet also weder eine Handhabe für eine inhaltlich berichtigende oder erklärende Auslegung des Spruchs oder der Begründung. Noch kann auf Grund dieser Gesetzesstelle eine grundsätzlich richtige rechtliche Beurteilung eines unrichtig angenommenen oder festgestellten Sachverhaltes berichtigt werden [vgl Hengstschläger/Leeb, AVG2 § 62 Rz 49 (Stand 1.1.2014, rdb.at)].
Aufgrund der in der Sachverhaltsfeststellung dargestellten Daten ist belegt, dass im gesamten Bescheid – und im Übrigen auch in den vorausgehenden Ermittlungen – von einer Höhe der Krone der Wehranlage mit 475,50 m (auch als Stauziel) ausgegangen wurde; von einem offensichtlichen Tippfehler (in klarer Abweichung zu den im Akt befindlichen Angaben) kann somit keine Rede sein. Es ist vielmehr nicht unwahrscheinlich, dass im Zuge des Kraftwerkausbaus eine Erhöhung von mehr als den erlaubten 45 cm vorgenommen wurde, wodurch sich die Abweichung erst ergab, und es sich bei der "Berichtigung" im Grunde um eine nachträgliche "Legalisierung" handelt oder aber, dass der Bewilligung aus dem Jahr 1985 schlicht ein unrichtig angenommenen Sachverhalt zu Grunde gelegt wurde. Beides ist aber einer Berichtigung iSd
§ 62 Abs 4 AVG nicht zugänglich.
Damit steht für das erkennende Gericht fest, dass eine Vorgehensweise nach § 62 Abs 4 AVG nicht zulässig war und damit der Berichtigungsbescheid mit Rechtswidrigkeit behaftet ist. Ein Abgehen von den Voraussetzungen einer Berichtigung durch Vereinbarung zwischen Projektwerber, Behörde und Sachverständigen sieht das Gesetz nicht vor. Mit der Behauptung, die vorgenommene Berichtigung sei mangels Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen unzulässig gewesen, sind die Beschwerdeführer daher im Recht, was bei der neuerlichen Entscheidung durch die Verwaltungsinstanz zu berücksichtigen sein wird.
Zur Zurückverweisung:
In seinem Erkenntnis vom 26.6.2014, 2014/03/0063, hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits ausführlich mit der Frage der Zulässigkeit einer kassatorischen Entscheidung durch ein Landesverwaltungsgericht auseinandergesetzt und festgehalten, dass ein prinzipieller Vorgang der meritorischen Entscheidungspflicht (Entscheidung in der Sache selbst) durch die Verwaltungsgerichte gesetzlich festgelegt ist. Die nach § 28 VwGVG von der meritorischen Entscheidungspflicht verbleibenden Ausnahmen sind strikt auf den ihnen gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken. Von der Möglichkeit der Zurückweisung ist daher nur bei krassen bzw gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch zu machen, da das in § 28 VwGVG insgesamt normierte System eine Verfahrensbeschleunigung bzw Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer zum Ziel hat.
Der Verwaltungsgerichtshof legt in oz Entscheidung auch beispielhaft dar, wann solche krassen bzw gravierenden Ermittlungslücken vorliegen und eine Zurückweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen in Betracht kommt. Dies ist dann der Fall, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).
Im Sinn des § 28 Abs 2 Z 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht jedenfalls dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass dies unter anderem dann der Fall ist, wenn sich aus den im Bescheid getroffenen Feststellungen (in Zusammenhang mit dem Verwaltungsakt) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt (VwGH 26.6.2014, 2014/03/0063). Eine Zurückverweisung ist ferner jedenfalls dann nicht denkbar, wenn sich sämtliche für die Entscheidung nötige Parameter bereits aus dem Akt ergeben (VwGH 24.2.2016, Ra 2015/10/0106).
Gemäß § 37 AVG ist im verwaltungsbehördlichen Ermittlungsverfahren Parteiengehör zu gewähren. Das Recht auf Parteiengehör gehört zu den fundamentalen Grundsätzen jedes rechtsstaatlichen Verwaltungsverfahrens (VwGH 3.11.2010, 2007/18/0748). § 45 Abs 3 AVG stellt klar, dass der Partei die Möglichkeit einzuräumen ist, nicht nur vom Ergebnis der Beweisaufnahme bzw vom Abschluss des Ermittlungsverfahrens Kenntnis zu nehmen, sondern auch Stellung zu nehmen, wobei alle Feststellungen des Ermittlungsverfahrens, welche von der Behörde bei der Beweiswürdigung berücksichtigt werden, den Parteien von Amts wegen und unter Angabe der Beweismittel zur Kenntnis zu bringen sind (VwGH 19.5.1993, 92/09/0070).
Durch die Vorgehensweise der belangten Behörde wurde den Beschwerdeführern genau diese Möglichkeit genommen. Wenngleich aus dem Akt hervorgeht, dass die belangte Behörde durchaus Ermittlungen zur Frage der Auswirkungen der tatsächlichen Höhenkote vorgenommen hat, so wurde dennoch ein wesentlicher Teil der Ermittlungen, nämlich das Parteiengehör, vollkommen unterlassen. Das Einholen von Gutachten mag zwar als Ermittlungsschritt zur Sachverhaltsfeststellung durchaus geeignet sein, dies vermag aber dennoch die persönliche Beiziehung der Parteien nicht zu ersetzen. Insofern ist davon auszugehen, dass die Behörde "bloß ansatzweise" iSd Rechtsprechung ermittelt und dabei sogar möglicherweise in Kauf genommen hat, dass dieser Mangel im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausgeglichen wird. Im Sinne des § 28 Abs 2 Z 1 VwGVG ist somit davon auszugehen, dass der für eine inhaltliche Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht feststeht.
Für eine Anwendung des § 28 Abs 3 Satz 2 VwGVG bleibt weiters zu prüfen, ob die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Es ist anzunehmen, dass die belangte Behörde die weiteren Ermittlungen zumindest mit gleicher Raschheit und nicht mit größerem Aufwand bewerkstelligen wird können, als es dies dem Gericht möglich wäre. Dies insbesondere aufgrund der Vorgeschichte des gegenständlichen Falles und der Nähe zur Sache selbst, sodass Ermittlungen vor Ort dem Gericht als weitaus zielführender erscheinen. Hinzu kommt, dass derzeit bei der belangten Behörde ohnehin ein wasserrechtliches Bewilligungsverfahren betreffend desselben Kraftwerkes (Abänderung der bestehenden Kraftwerksanlage durch Errichtung einer Fischaufstiegshilfe) anhängig ist. Würden diese Ermittlungsschritte nunmehr vom Gericht durchgeführt werden, so käme es zu einer Verlagerung eines wesentlichen Teils des Verfahrens vor das Verwaltungsgericht und wäre die Einrichtung der Administrativinstanz somit untergraben worden. Im gegenständlichen Fall ist – da von der Behörde hinsichtlich der Beeinträchtigung der Rechte der Beschwerdeführer jegliches Parteiengehör unterlassen wurde – für das Landesverwaltungsgericht auch nicht ersichtlich, dass die eigene Sachverhaltsermittlung eine Kostenersparnis in welche Richtung auch immer (konkrete Amtshandlung/Gesamtverfahren) bewirken könnte. Die Feststellung des Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht ist daher weder im Interesse der Raschheit gelegen noch mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, sodass das Verwaltungsgericht von der Regelung des § 28 Abs 3 2. Satz VwGVG Gebrauch macht. Insgesamt war daher aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage der ausgesprochene Beschluss der Zurückverweisung zu fassen.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Gegenständliche Entscheidung weicht weder von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hiezu, wobei auf die in der Begründung zitierten Entscheidungen verwiesen werden darf. Auch ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Hinweise auf die grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor. Insbesondere ist auch nicht ersichtlich, dass die Frage, ob im konkreten Anlassfall die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an die belangte Behörde vorliegen, über den Einzelfall hinaus wirkt.
Schlagworte
Zurückverweisung, übergangene Parteien, Voraussetzungen für Bescheidberichtigung nicht gegebenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGSA:2017:LVwG.1.43.1.12.2017Zuletzt aktualisiert am
20.01.2020