Entscheidungsdatum
16.12.2019Norm
Satzung Wohlfahrtsfonds ÄrzteK NÖ 2006 §15 Abs2Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen Richter Dr. Marvin Novak, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Frau A, ***, ***, gegen den Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich vom 28. März 2018, Zl. ***, zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der angefochtene Bescheid bestätigt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision nicht zulässig.
Rechtsgrundlagen:
ad 1.: § 28 Abs. 1 und 2 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG)
ad 2.: § 25a des Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG)
Art. 133 Abs. 4 des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG)
Entscheidungsgründe:
1. Maßgeblicher Verfahrensgang:
1.1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin, Frau A, beantragte mit Schreiben vom 18. August 2017, ergänzt mit Schreiben vom 21. Jänner 2018, die Ermäßigung ihrer Beiträge zum Wohlfahrtsfonds auf das niedrigst mögliche Maß ab 1. Jänner 2017 rückwirkend.
Begründend verwies sie zunächst auf ihr laufendes Ermäßigungsverfahren hinsichtlich des Jahres 2016 und sodann einerseits auf hohe wirtschaftliche Verluste durch krankheitsbedingte Arbeitsausfälle, laufende kostenintensive Therapien und Rehabilitationsaufenthalte, sowie andererseits auf ihre schwierige wirtschaftliche Situation seit der Scheidung und auf den Umstand, dass sie zwei studierende Söhne zu versorgen habe, von denen einer im Jahr 2016 eine inzwischen ausgeheilte Erkrankung mit kostenintensiven Behandlungen erlitten habe.
1.2. Mit Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich vom 28. März 2018 wurde der Ermäßigungsantrag für den Zeitraum von 1. Jänner 2017 bis 31. Dezember 2018 abgewiesen.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das aktuelle Einkommen der Beschwerdeführerin zur Prüfung der Angemessenheit der Beiträge einer Vergleichsrechnung unterzogen worden sei. Die so errechneten Beiträge würden höher ausfallen als die derzeitigen (528,87 Euro statt 520,67 Euro für 2017 bzw. 519,03 Euro für 2018). Es seien auch keine Gründe angeführt worden, welche im Hinblick auf ihr derzeitiges Einkommen Belastungen durch das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände im Sinne von unabwendbaren und unverschuldeten akuten Eingriffen in die Lebenssituation erkennen ließen. Es sei auch kein Härtefall feststellbar.
1.3. Dagegen erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde, wobei sie im Wesentlichen wie bisher ausführte und zusätzlich angab, dass der Pensionsbeitrag in einem Missverhältnis zu ihrem Einkommen stehe, da die Berechnung vom Umsatz und nicht vom Gewinn gemacht werde.
1.4. Der Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich gewährte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 24. April 2018 Parteiengehör und forderte einen Umsatznachweis für das Jahr 2017 an.
1.5. Der Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich erstattete mit Schreiben vom 25. Juli 2018 eine Aktenvorlage, wobei im Vorlageschreiben darauf hingewiesen wurde, dass eine beabsichtigte Beschwerdeabweisung mittels Beschwerdevorentscheidung mangels bewirkter Zustellung formal nicht existiere. Die Begründung der beabsichtigt gewesenen Beschwerdevorentscheidung wurde wiedergegeben (im Wesentlichen wurde davon ausgegangen, dass durch die gleichzeitige ärztliche Tätigkeit in einem Dienstverhältnis und als Selbständige der wirtschaftliche Aktionsradius vergrößert werde, dass das Verhältnis von Beiträgen zu Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit mit 8,46% bzw. 8,44% unter der gesetzlichen Höchstgrenze liege, dass sich bei einer Vergleichsrechnung anhand aktueller Daten ein höherer Beitrag ergebe, sowie dass die vorgebrachten unvorhergesehenen Belastungen nach den vorgelegten Unterlagen offenbar ohne negativen Einfluss auf die ärztliche Tätigkeit und somit die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin geblieben seien).
1.6. Die Beschwerdeführerin legte nach Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung mehrere Unterlagen vor und sie führte in ihren diesbezüglichen Schreiben im Wesentlichen Folgendes aus:
Die Erkrankung ihrer Wirbelsäule habe zu einer deutlichen Verminderung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit geführt, wobei der Einnahmenausfall durch Auszahlungen aus der Betriebsunterbrechungsversicherung abgemindert worden sei. Auf Grund dieser Zahlungen sei die Versicherung inzwischen gekündigt worden. Auch sei die wirtschaftliche Belastung durch Rehabilitation, Therapien und orthopädische Hilfsmittel zu berücksichtigen. Zu erwähnen sei auch, dass bis zum 31. Dezember 2013 ihren Ermäßigungsanträgen aus wirtschaftlichen Gründen stattgegeben worden sei. Trotz unveränderter Situation würden die Ansuchen seit 1. Jänner 2014 abgewiesen.
1.7. Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte in der vorliegenden Rechtssache und in einem weiteren die Beschwerdeführerin betreffenden Beschwerdeverfahren betreffend Beitragsermäßigung am 27. November 2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. An der Verhandlung nahmen die Beschwerdeführerin und ein Vertreter des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich teil. Seitens des Behördenvertreters wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass keine Ermäßigung auszusprechen sei. Seitens der Beschwerdeführerin wurde um Ermäßigung ersucht.
2. Feststellungen und Beweiswürdigung:
2.1. Feststellungen:
Die 1967 geborene Beschwerdeführerin ist seit 1. Dezember 1993 in die Ärzteliste eingetragen und seitdem Kammerangehörige der Ärztekammer für Niederösterreich. Seit 2. Juni 2000 führt sie eine Wahlarztordination in ***, seit 3. Oktober 2005 ist sie in einem Dienstverhältnis zur Versicherungsanstalt öffentlicher Bediensteter in *** tätig. Auf Grund dieser beiden Tätigkeiten gehört sie dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich an.
Die Beschwerdeführerin wurde im Jahr 2006 geschieden. Die Wahlarztordination wurde von ihr und ihrem Ex-Mann gemeinsam gegründet und es hat die Beschwerdeführerin mit der Scheidung die Schuldenlast alleine getragen. Die Schulden sind seit 2017 getilgt.
Die Beschwerdeführerin hat zwei Söhne, geboren 1995 und 1997. Der jüngere Sohn erkrankte im Jahr 2016 an einer (inzwischen vollständig rückgebildeten) peripheren Parese des N. Radialis links (Schwäche im Bereich der linken Hand). Er war nicht arbeitsfähig und es musste die Beschwerdeführerin die Therapiekosten (Physio-, Ergo- und Stromtherapie, Akkupunktur, Massagen) tragen. Er studiert Vollzeit und beabsichtigt im Februar 2020 mit dem Masterstudium zu beginnen. Der ältere Sohn hat 2018 sein Studium abgeschlossen, macht derzeit Freiwilligenarbeit, und beabsichtigt 2020 mit einer fixen Arbeit zu starten. Die Beschwerdeführerin erhält Familienbeihilfe für ihren jüngeren Sohn und es erhalten beide Söhne direkt vom Ex-Mann der Beschwerdeführerin finanzielle Unterstützung.
Die Beschwerdeführerin hat ab Herbst 2016 durch Bandscheibenvorwölbungen der Halswirbelsäule an sensiblen Ausfällen der rechten Hand gelitten. Sie benötigte dadurch konservative Therapien (Physio- und Ergotherapie) und sie war im März 2017 und im Juni 2018 jeweils für drei Wochen auf Rehabilitation. Tageweise musste sie auch Krankenstand nehmen und sie hatte im Februar 2018 einen Krankenstand im Ausmaß von 14 Tagen. Durch die Therapien hat sich ihr Gesundheitszustand inzwischen soweit gebessert, dass sie nur mehr eine Sensibilitätsstörung im rechten Zeigefinger hat und laufend Physiotherapie, aber keine Operation, benötigt um diesen Zustand aufrechtzuerhalten. Arbeitsausfälle hatte die Beschwerdeführerin im Jahr 2019 nicht.
Die Beschwerdeführerin hat die krankheitsbedingten Ausfälle aus ihrer ärztlichen Tätigkeit für das Jahr 2017 mit ca. 5.000,-- Euro und für das Jahr 2018 mit
ca. 6.000,-- Euro beziffert. Die Kosten für ihre Therapien wurden von ihr mit
ca. 600,-- Euro bis 700,-- Euro für die Jahre 2016 und 2018 und mit ca. 2.000,-- Euro für 2017 beziffert.
Der Beschwerdeführerin wurde für das Jahr 2017 ein monatlicher Pensionsbeitrag in Höhe von 520,67 Euro (505,74 Euro für die Grundrente und 14,93 Euro für die Zusatzleistung) und für das Jahr 2018 ein monatlicher Pensionsbeitrag in Höhe von 519,03 Euro (504,10 Euro für die Grundrente und 14,93 Euro für die Zusatzleistung) vorgeschrieben. Für das Jahr 2019 wurde ihr ein Pensionsbeitrag in Höhe von monatlich 513,17 Euro vorgeschrieben.
Die Beschwerdeführerin erhielt auf Grund ihres Dienstverhältnisses in den Jahren 2013 bis 2019 folgende Bruttogrundgehälter:
Jahr
Bruttogrundgehalt
2013
35.935,80 Euro
2014
36.229,20 Euro
2015
38.091,60 Euro
2016
38.528,40 Euro
2017
40.180,80 Euro
2018
zwischen 40.180,80 Euro und 42.132,-- Euro
2019
42.132,-- Euro
Die Beschwerdeführerin erzielte auf Grund ihrer freiberuflichen Tätigkeit in den Jahren 2013 bis 2018 folgende Umsätze und es wird für 2019 ein Umsatz in folgender Höhe erwartet:
Jahr
Umsatz
2013
43.872,47 Euro
2014
48.299,57 Euro
2015
44.432,-- Euro
2016
42.430,27 Euro
2017
41.661,26 Euro
2018
40.258,58 Euro
2019
zwischen 40.000,-- und 48.000,-- Euro
In den Jahren 2017 und 2018 erhielt die Beschwerdeführerin zusätzlich zu den Umsätzen folgende Auszahlungen aus der Betriebsunterbrechungsversicherung der Zürich Versicherung: 4.596,55 Euro für 2017 und 4.396,70 Euro für 2018. Auf Grund dieser Zahlungen wurde das Versicherungsverhältnis seitens des Versicherers mit 31. Dezember 2018 gekündigt. Die Versicherungszahlungen werden vom Verwaltungsausschuss bei der (zukünftigen) Beitragsberechnung nicht als Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit herangezogen.
Der Beschwerdeführerin wurden in den Jahren 2012 und 2013 Beitragsermäßigungen auf Grund ihrer wirtschaftlichen Situation gewährt, danach nicht mehr.
2.2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen gründen sich – ebenso wie der dargelegte maßgebliche Verfahrensgang – auf die vorliegende unbedenkliche und unstrittige Aktenlage (LVwG-AV-827/001-2018 und LVwG-AV-931/001-2018 samt Verwaltungsakten). Konkret ist Folgendes festzuhalten:
Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin beruhen insbesondere auf den unwidersprochenen Ausführungen im Behördenschreiben vom 24. April 2018; darüber hinaus vor allem auf den von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten Unterlagen. Zur Scheidung und den diesbezüglichen Feststellungen ist auf die Angaben der Beschwerdeführerin in der Verhandlung zu verweisen (Verhandlungsschrift S 3). Dass die Beschwerdeführerin zwei 1995 und 1997 geborene Söhne hat, wurde von ihr im Verfahren mehrfach angegeben, insbesondere im Schreiben vom 23. August 2016, in dem auch von der Erkrankung des jüngeren Sohnes berichtet wurde; mit diesem Schreiben wurde auch ein Ambulanter Arztbrief vom 2. Juli 2016 und ein Ärztlicher Befundbericht vom 5. Juli 2016 vorgelegt. Von der vollständigen Rückbildung berichtete die Beschwerdeführerin bereits im Jänner 2018. Im Übrigen ist zu den Söhnen wiederum auf die Angaben in der Verhandlung zu verweisen (Verhandlungsschrift S 5). Ebenso ist zur Erkrankung der Beschwerdeführerin insbesondere auf die Verhandlungsangaben zu verweisen (Verhandlungsschrift S 3 und 4). Die Beschwerdeführerin hat in der Verhandlung auch ihre krankheitsbedingten Ausfälle und die Therapiekosten beziffert (Verhandlungsschrift S 3). Zu den Pensionsbeitragen für die Jahre 2017 und 2018 ist insbesondere auf die aktenkundigen Behördenschreiben an die Beschwerdeführerin vom 11. Jänner 2018 und 12. Jänner 2018 zu verweisen, zum Pensionsbeitrag 2019 auf die Ausführungen des Behördenvertreters in der Verhandlung (Verhandlungsschrift S 6).
Die festgestellten Bruttogrundgehälter basieren auf den Behördenschreiben vom 21. Jänner 2016, 11. Jänner 2018 und 12. Jänner 2018 samt den Anlagen hiezu sowie auf den aktenkundigen Bezugsnachweisen für Oktober 2015, März 2016, Juli und Dezember 2017 und Jänner 2019. Für 2018 liegt kein Monatsbezugsnachweis vor.
Zu den Umsätzen ist neben den Behördenschreiben vom 21. Jänner 2016, 11. Jänner 2018 und 12. Jänner 2018 samt Anlagen auf die Einnahmen-Ausgaben-Rechnungen für 2015, 2016 und 2017 zu verweisen, auf die Beilagen zur Einkommenssteuererklärung E 1 für 2015 und 2016 sowie auf den Umsatzsteuerbescheid 2018. Die Beschwerdeführerin ist diesen Daten in der Verhandlung nicht entgegengetreten bzw. wurde von ihr in der Verhandlung die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung 2017 vorgelegt und hinsichtlich 2019 angegeben (Verhandlungsschrift S 4): „Für 2019 kann ich nicht viel sagen, weil wir das immer rückwirkend machen. Es bleibt aber in dieser Größenordnung, es bleibt immer in diesem Bereich. Nämlich zwischen € 40.000,00 und € 42.000,00.“ Später gab sie dann auf die Frage, ob der Umsatz für 2019 wieder steigen müsste, an (Verhandlungsschrift S 5): „Ja, eigentlich schon. Es müsste in Richtung 2014/15 gehen. Da war ich vorher vielleicht [e]in bisschen zu pessimistisch bei meinen Angabe[n]. Ich hoffe, dass es in diese Richtung wieder geht.“ Seitens des Behördenvertreters wurde angegeben, dass sich diese Daten im Wesentlichen mit den Behördenzahlen decken und es wurde hinsichtlich 2017 auf den nunmehr festgestellten Betrag verwiesen (Verhandlungsschrift S 4).
Zur Betriebsunterbrechungsversicherung ist neben den Angaben in der Verhandlung (Verhandlungsschrift S 3 und 4) vor allem auf das Schreiben vom 15. November 2019 und auf die damit vorgelegten Kontoauszüge – und den darauf ersichtlichen Zahlungseingängen – zu verweisen. Seitens des Behördenvertreters wurde in der Verhandlung wiederholt und ausdrücklich angegeben, dass die Versicherungszahlungen bei der zukünftigen Beitragsberechnung nicht herangezogen werden (Verhandlungsschrift S 4 und 6).
Dass der Beschwerdeführerin in den Jahren 2012 und 2013 Beitragsermäßigungen auf Grund ihrer wirtschaftlichen Situation gewährt wurden, danach nicht mehr, entspricht der gegebenen Aktenlage und den Verhandlungsangaben (Verhandlungsschrift S 3 und 5 f.).
3. Maßgebliche Rechtslage:
3.1. § 111 des Bundesgesetzes über die Ausübung des ärztlichen Berufes und die Standesvertretung der Ärzte (Ärztegesetz 1998 – ÄrzteG 1998), BGBl. I Nr. 169/1998 idgF BGBl. I Nr. 110/2001, lautet:
„Ermäßigung der Fondsbeiträge
§ 111. Die Satzung kann bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände auf Antrag des Kammerangehörigen oder des Pensionsleistungsempfängers (§ 109 Abs. 8) nach Billigkeit eine Ermäßigung oder in Härtefällen den Nachlass der Wohlfahrtsfonds- oder Pensionssicherungsbeiträge vorsehen.“
3.2. § 15 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich (Satzung WFF NÖ) lautete für die Jahre 2017 und 2018:
„§ 15
Ermäßigung der Beiträge
(1) Jede Ermäßigung ist schriftlich unter Vorlage der in § 13 Abs. 1 Beitragsordnung vorgesehenen Unterlagen oder anderer geeigneter Nachweise zu beantragen.
(2) Bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände können die WFF-Beiträge auf Antrag des WFF-Mitgliedes nach Billigkeit ermäßigt oder in Härtefällen nachgelassen werden. Berücksichtigungswürdige Umstände sind insbesondere die Karenz nach dem Mutterschutzgesetz 1979, BGBl Nr. 221/1979, idF BGBl I Nr. 35/2012, die Väterkarenz nach dem Väter-Karenzgesetz 1989, BGBl Nr. 651/1989, idF BGBl I Nr. 58/2010, oder vergleichbaren landesgesetzlichen Regelungen, der Präsenzdienst nach dem Wehrgesetz 2001, BGBl I Nr. 146/2001, idF BGBl I Nr. 63/2012, und der Zivildienst nach dem Zivildienstgesetz 1986, BGBl Nr. 679/1986, idF BGBl I Nr. 87/2012. Darüber hinaus stellen berücksichtigungswürdige Umstände solche Umstände dar, die ohne Verschulden des WFF-Mitgliedes akut und beträchtlich in seine Lebenssituation eingreifen.
(3) Ermäßigungen und Befreiungen sind rückwirkend höchstens bis zum Beginn des siebtvorangegangenen Beitragsjahres zulässig. Darüber hinaus können Ermäßigungen und Befreiungen rückwirkend ausgesprochen werden, wenn dem WFF-Mitglied ein Verstoß gegen Melde- und Auskunftspflichten nicht vorwerfbar ist oder wenn noch keine Vorschreibungen oder Kontoinformationen über diesen Zeitraum an das WFF-Mitglied ergangen sind.“
4. Erwägungen des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich:
4.1. Zum Antrag auf Beitragsermäßigung:
Festzuhalten ist zunächst, dass Sache des vorliegenden Verfahrens ausschließlich die Frage ist, ob die Wohlfahrtsfondsbeiträge der Beschwerdeführerin für die Jahre 2017 und 2018 zu ermäßigen sind. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hängt dies ausschließlich vom Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände ab (vgl. etwa VwGH 26.1.2017, Ro 2014/11/0052).
Gemäß § 111 ÄrzteG 1998 kann die Satzung bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände nach Billigkeit eine Ermäßigung oder in Härtefällen den Nachlass der Beiträge vorsehen. Gemäß § 15 Abs. 2 der Satzung WFF NÖ können demgemäß bei Vorliegen berücksichtigungswürdiger Umstände die Beiträge nach Billigkeit ermäßigt oder in Härtefällen nachgelassen werden, wobei gemäß dem letzten Satz dieser Satzungsbestimmung berücksichtigungswürdige Umstände solche Umstände darstellen, die ohne Verschulden des Wohlfahrtsfondsmitgliedes akut und beträchtlich in seine Lebenssituation eingreifen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Judikatur (auch zu vergleichbaren Satzungsbestimmungen in anderen Bundesländern) bereits mehrfach ausgeführt, dass von einem berücksichtigungswürdigen Umstand nur bei Vorliegen eines außergewöhnlichen Ereignisses gesprochen werden kann. Den Gründen, die eine Ermäßigung oder einen Nachlass der Fondsbeiträge rechtfertigen, liegen überwiegend außergewöhnliche Ereignisse zu Grunde, die außerhalb der Einflusssphäre des Fondsmitglieds liegen und das Fondsmitglied an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit hindern, was einen erheblichen Einkommensverlust zur Folge hat (vgl. etwa VwGH 2.4.2014, 2011/11/0133).
Das Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Umstandes ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa bei einem an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit hindernden Naturereignis zu bejahen (vgl. VwGH 15.10.2015, Ro 2014/11/0053).
Weiters liegen berücksichtigungswürdige Umstände etwa dann vor, wenn ein Fondsmitglied durch krankheitsbedingt erheblich zurückgegangene Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit die Kosten der Lebensführung für sich und seine ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Familienangehörigen nicht mehr bestreiten kann und sich im Verhältnis von Einkommen und Kosten der Lebensführung eine Deckungslücke von mehreren Tausend Euro ergibt (vgl. VwGH 26.2.2015, Ro 2014/11/0045). Eine andere Sichtweise kann aber angebracht sein, wenn das Mitglied über ein hinreichend großes Vermögen zur Abdeckung der Deckungslücke über einen längeren Zeitraum verfügt oder wenn es ungeachtet der eingeschränkten Erwerbsfähigkeit zumutbarer Weise höhere Einnahmen aus seiner ärztlichen Tätigkeit beziehen könnte (vgl. VwGH 17.12.1998, 98/11/0176).
Der Verwaltungsgerichtshof hat das Vorliegen außergewöhnlicher Ereignisse bei der mit der Gründung einer Ordination verbundenen Kosten verneint sowie bei laufenden Kosten, die der Ordinationsbetrieb mit sich bringt, oder im Falle der freiwilligen Übernahme der Geschäftsverbindlichkeiten des Ehemannes. Der Gerichtshof hat dabei betont, dass jeder Beitragspflichtige seine wirtschaftliche Situation grundsätzlich selbst zu verantworten hat und dass er durch die damit verbundene typische wirtschaftliche Belastung nicht gehindert ist, weiterhin in vollem Umfang seiner ärztlichen Tätigkeit nachzugehen (vgl. VwGH 26.2.2015, Ro 2014/11/0045). Ebensowenig stellt es einen berücksichtigungswürdigen Umstand dar, dass eine Ordination aufgrund der Verluste in mehreren Jahren „unwirtschaftlich“ ist (vgl. VwGH 2.4.2014, 2011/11/0133).
Den Antragsteller trifft im Verfahren eine besondere Mitwirkungspflicht (vgl. etwa VwGH 24.5.2011, 2008/11/0182).
Unter Zugrundelegung dieser Vorgaben ist ausgehend von den getroffenen Feststellungen im vorliegenden Fall Folgendes auszuführen:
Die Beschwerdeführerin begehrt die Ermäßigung ihrer Wohlfahrtsfondsbeiträge für die Jahre 2017 und 2018. Das Vorliegen eines außergewöhnlichen Ereignisses im Sinne der dargelegten Judikatur ist allerdings nicht zu erkennen. Insbesondere ist auch nicht zu erkennen, dass die Beschwerdeführerin durch die von ihr vorgebrachten Umstände im maßgeblichen Umfang an der Ausübung der ärztlichen Tätigkeit gehindert gewesen wäre oder sonstwie einen erheblichen Einkommensverlust erlitten hätte. Zu letzterem ist auszuführen, dass die Beschwerdeführerin ein konstantes (bzw. steigendes) Gehalt auf Grund ihres Dienstverhältnisses bezieht sowie nicht unerhebliche Umsätze auf Grund ihrer Wahlarztordination (für 2017: 40.180,80 Euro an Bruttogrundgehalt und 41.661,26 Euro an Umsatz; für 2018: zwischen 40.180,80 Euro und 42.132,-- Euro an Bruttogrundgehalt und 40.258,58 Euro an Umsatz). Die von der Beschwerdeführerin erlittenen krankheitsbedingten Ausfälle wurden zudem weitgehend durch die Auszahlungen aus der Betriebsunterbrechungsversicherung abgedeckt (4.596,55 Euro für 2017 und 4.396,70 Euro für 2018).
Festzuhalten ist auch, dass durch das allgemeine Anknüpfen der Beitragsvorschreibung an die Einnahmen aus ärztlicher Tätigkeit (des drittvorangegangenen Jahres) allfällige niedrigere Einnahmen auch zu niedrigeren Beitragsvorschreibungen führen und dass auch Verluste durch Umsatzeinbußen in den folgenden Jahren durch Verringerung der Bemessungsgrundlage berücksichtigt werden (vgl. etwa VwGH 26.2.2015, Ro 2014/11/0045).
Zum Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass ihren Ermäßigungsanträgen in früheren Jahren aus wirtschaftlichen Gründen stattgegeben wurden, ist darauf hinzuweisen, dass das Beitragssystem des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich mit der Beitragsordnung 2013 maßgeblich geändert wurde. Davon abgesehen sind die in der Vergangenheit gewährten Ermäßigungen nicht Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens und es besteht nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung auch kein Anspruch auf Nichtanwendung eines Gesetzes trotz gegebener Tatbestandsmäßigkeit (vgl. etwa VfSlg. 16.209/2001).
Darauf hinzuweisen ist schließlich noch darauf, dass mit geleisteten Beiträgen zum Wohlfahrtsfonds Ansprüche erworben werden und dass die geleisteten Beiträge steuerlich absetzbar sind (vgl. dazu etwa auch Wallner, Ärztliches Berufsrecht, 2011, S 245).
Die erhobene Beschwerde ist somit als unbegründet abzuweisen und es ist der angefochtene Bescheid zu bestätigen.
4.2. Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Derartige Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind im vorliegenden Fall nicht hervorgekommen und es folgen die hg. Erwägungen der zitierten höchstgerichtlichen Judikatur. Darüber hinaus ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Frage des Beitragsnachlasses aus berücksichtigungswürdigen Umständen eine Ermessensentscheidung (vgl. etwa VwGH 26.03.1998, 97/11/0366) und es stellt eine im Sinne des Gesetzes erfolgte Ermessensausübung keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. etwa VwGH 22.2.2018, Ra 2018/01/0032, mwH). Eine öffentliche mündliche Verhandlung wurde durchgeführt.
Schlagworte
Freie Berufe; Ärzte; Ermäßigung; Wohlfahrtsfondsbeiträge; berücksichtigungswürdige Umstände;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.827.001.2018Zuletzt aktualisiert am
20.01.2020