TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/30 W261 2204305-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.07.2019
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Entscheidungsdatum

30.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS über die Beschwerde von XXXX auch XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.06.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.01.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der nunmehrige Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach eigenen Angaben spätestens am 07.03.2016 als Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtling in die Republik Österreich ein, nachdem ihm die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland verweigert wurde. Der BF stellte am 10.03.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 11.03.2016 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu an, dass er in der Provinz Nangarhar geboren sei und zuletzt in der Provinz Nangarhar gelebt habe. Er habe Afghanistan verlassen, weil die Taliban gewollt hätten, dass er mit ihnen gegen die Regierung kämpfe, was er nicht gewollt habe. Er wollte studieren und eine gute Zukunft haben, und nicht kämpfen.

Aufgrund von Zweifeln am Alter des BF veranlasst das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge belangte Behörde) eine medizinische Altersuntersuchung. Im medizinischen Sachverständigengutachten vom 28.05.2016 kommt der medizinische Sachverständige basierend auf einer persönlichen Untersuchung am 04.05.2016 zu dem Ergebnis, dass das höchstmögliche Mindestalter zum Zeitpunkt der Untersuchung 17,5 Jahre sei, woraus sich das spätestmögliche "fiktive" Geburtsdatum des BF mit XXXX ergebe.

Am 24.06.2016 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des BF vor der belangten Behörde im Beisein seines Rechtsvertreters sowie einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu. Er sei der älteste Sohn seiner Familie, habe aber noch zwei ältere Schwestern und drei jüngere Brüder. Die Familie sei nach Pakistan gezogen, als der BF sieben Jahre alt gewesen sei. Dort habe die Familie drei Jahre lang gelebt, er habe dort auch mit der Schule begonnen. Dann sei die Familie wieder nach Afghanistan gezogen. Er habe insgesamt neun Jahre lang die Schule besucht.

Die belangte Behörde hielt in einem Aktenvermerk vom 24.06.2016 fest, dass aufgrund des Umstandes, dass der BF nicht in der Lage gewesen sei, auf die Angaben auf der von ihm vorgelegten Tazkira in Dari zu lesen, der Verdacht bestehe, dass der BF kein afghanischer Staatsbürger, sondern ein paschtu-sprechender Pakistani sei. Auch die bei der Ersteinvernahme anwesende Dolmetscherin bestätige diesen Verdacht, da sein Verhalten und seine Aussprache für einen Afghanen ungewöhnlich seien.

Dem BF wurde vom AMS eine Beschäftigungsbewilligung vom 01.06.2017 bis 31.08.2021 als Lehrling im Gastronomiegewerbe ausgestellt.

Am 28.05.2018 erfolgte neuerlich eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor der belangten Behörde im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu. Er arbeite als Lehrling und bereite sich auf die Berufsschule vor. Ein Cousin seiner Mutter lebe in Linz, er habe alle drei bis vier Monate Kontakt mit diesem. Sein Vater sei Taxifahrer, er selbst habe in Afghanistan keinen Beruf gelernt. Sein Vater habe auch eine Landwirtschaft mit 15 bis 16 Jirib Grund, dort habe er mitgeholfen. Seine Familie lebe nicht mehr in Afghanistan, sein jüngerer Bruder sei von den Taliban entführt worden. Er habe keine Verwandten in Afghanistan. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der BF an, dass er 16 Jahre alt gewesen sei, als die Taliban ihn aufgefordert hätten, für diese zu arbeiten. Er solle in einem Trainingscamp ausgebildet werden. Sie hätten auch Drohbriefe erhalten, darin sei er aufgefordert worden, sich ihnen anzuschließen. Die Taliban seien zu ihm nach Hause gekommen, und der BF habe sich versteckt und sei geflüchtet. Der BF legte eine Reihe von Integrationsunterlagen vor. Auch die belangte Behörde legte Länderinformationen, im speziellen das Länderinformationsblatt Afghanistan mit Stand 30.01.2018 und die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Afghanistan, Taliban Drohbriefe vom 28.07.2016, vor.

Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließ gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates bzw. zu der Situation im Falle einer Rückkehr stellte die belangte Behörde insbesondere fest, dass nicht festgestellt werden könne, dass der BF in Afghanistan der Gefahr einer individuellen, konkret gegen ihn gerichteten Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt sei. Er habe keine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Es könne nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle seiner Rückkehr zu befürchten hätte, verfolgt zu werden. Es bestehe eine innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative in Kabul oder in der Provinz Balkh. Er könne Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Der BF weise kein relevantes Familien- oder Privatleben in Österreich auf.

Der BF erhob mit Eingabe vom 24.07.2018, bevollmächtigt vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen diesen Bescheid fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde und führte begründend aus, dass der Bescheid vollumfänglich angefochten werde. Als Beschwerdegründe gab der BF Verletzung der Verfahrensvorschriften an, die belangte Behörde habe das Parteiengehör verletzt, die Länderfeststellungen seien unzureichend, die belangte Behörde habe unrichtige Feststellungen aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens und einer mangelhaften Beweiswürdigung getroffen, auch sei die rechtliche Beurteilung unrichtig. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung wäre dem Asylantrag des BF stattzugeben gewesen. Es stehe dem BF keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung. Hätte die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht in angemessener Weise wahrgenommen und den vorliegenden Sachverhalt rechtlich richtig beurteilt, hätte sie dem BF zumindest den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkennen müssen. Die Rückkehrentscheidung hätte jedenfalls für dauerhaft unzulässig erklärt werden müssen. Es werde beantragt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 27.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) ein.

Das BVwG führte am 17.01.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm. Der BF wurde im Beisein seiner Vertreterin und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt und wurde ihm Gelegenheit gegeben, zu den aktuellen Feststellungen zur Situation in Afghanistan Stellung zu nehmen.

Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 08.01.2019, die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, AFGHANISTAN, Lage in Auszüge aus den aktuellen EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018 und den Landinfo Report Afghanistan zum Thema "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Der BF, bevollmächtigt vertreten durch den die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, legte mit Eingabe vom 07.02.2019 eine Kopie des Lehrvertrages und der Berechtigung des Lehrvertrages, ausgestellt von der WKO, vor.

Der BF führte in seiner Stellungnahme vom 07.02.2019, bevollmächtigt vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe im Wesentlichen aus, dass dem BF im Falle einer Rückkehr eine Verfolgung seitens der Taliban aufgrund einer ihm unterstellten politischen Gesinnung sowie damit einhergehenden religiösen Gesinnung drohe. Er entspreche den UNHCR Risikoprofilen der Männer im wehrfähigen Alter und von Personen, bei denen vermutete werde, dass sie gegen islamische Grundsätze, Normen und Werte gemäß der Auslegung durch regierungsfeindliche Kräfte (AGEs) verstoße. Da die Taliban in ganz Afghanistan, einschließlich an Orten, die formal unter Regierungskontrolle seien, vernetzt seien, bestehe für den BF in ganz Afghanistan die Gefahr der Verfolgung durch die Taliban und damit keine interne Fluchtalternative. Die Taliban seien in der Lage, den BF im gesamten Staatsgebiet ausfindig zu machen. Die Rückkehr des BF könne nicht geheim gehalten werden. Die Sicherheitslage lasse eine Rückkehr des BF nicht zu. Im Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 sei ausgeführt, dass die Gefahr, allein aufgrund der Anwesenheit in Afghanistan einen ernsthaften Schaden hinsichtlich des Lebens oder der körperlichen Unversehrtheit zu erleiden im gesamten Staatsgebiet bestehe. Der französische nationale Asylberufungsbericht habe in einer Entscheidung vom 09.03.2018 im Falle eines afghanischen Staatsangehörigen subsidiären Schutz mit der Begründung gewährt, dass bei einer Rückkehr nach Kabul aufgrund der bestehenden willkürlichen Gewalt ein real risk einer Verletzung von Art 3 EMRK bestehe. Auch Amnesty International sehe die Sicherheitslage in Afghanistan als prekär an, wie die zitierten Länderinformationen belegen würden. Auch aus einem Sachverständigengutachten von Dr. Raszuly vom 29.01.2018 sei zu entnehmen, dass die Sicherheitslage in Kabul prekär sei. Mazar-e Sharif und Herat seien wegen der anhaltenden Dürre aktuell von großer Wasserknappheit und unzureichender Wasserversorgung betroffen. Es werde diesbezüglich auch auf die ACCORD Aussagen dazu werde verwiesen, wobei Mazar-e Sharif nicht im Fokus der dürrebedingten Auswirkungen stehe. Aus Sicht der Ernährungssicherheit sei Mazar-e Sharif mit Stufe 3 - "Crisis" der Integrated Food Security Phase Classification bewertet. Der BF verfüge über keinerlei soziales Netz in den genannten Städten. Er könne sich aufgrund der beschriebenen Sicherheits- und Versorgungslage aufgrund seiner persönlichen Situation seine Existenz aus eigenem nicht sichern. Der BF würde Gefahr laufen, im Falle einer Rückkehr in eine ausweglose Situation zu geraten, weshalb eine Abschiebung nach Afghanistan jedenfalls eine Verletzung von Art. 2 und 2 EMRK darstellen würde. Der BF komme für seinen Lebensunterhalt selbst auf, er mache seit Juni 2017 eine Lehre als Koch. Allfällige Bindungen zum Herkunftsstaat würden nicht bestehen, da sich auch seine Kernfamilie nicht mehr in Afghanistan aufhalte. Der BF sei nachhaltig integriert, weswegen eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei. Es seien jedenfalls die Voraussetzungen nach Art. 8 EMRK erfüllt. In diesem Zusammenhang werde auf das der Stellungnahme angeschlossene Gutachten "Beschäftigung von Asylsuchenden in Mangelberufen und die Zulässigkeit von Rückkehrentscheidungen" vom 04.07.2018 verwiesen, wonach beim BF aufgrund seiner Lehre als Koch ein besonderer Integrationsfaktor vorliege. Es handle sich dabei um einen Mangelberuf, weswegen im konkreten Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Das BVwG führte am 17.06.2019 eine Abfrage im GVS System durch, wonach der BF seit 11.03.2016 bis 31.05.2017 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung bezog. Seit 01.12.2018 beziehe der BF keine Grundversorgung.

Aus dem vom BVwG am 17.06.2019 eingeholten Auszug aus dem Strafregister ist ersichtlich, dass im Strafregister der Republik Österreich für den BF keine Verurteilungen aufscheinen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Der BF führt den Namen XXXX auch XXXX , der BF kennt sein Geburtsdatum nicht, er ist im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz Nangarhar geboren, ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, ist sunnitischer Moslem, gesund, arbeitsfähig, kinderlos und ledig. Die Muttersprache des BF ist Paschtu. Das Geburtsdatum des BF wird für Identifikationszwecke im Asylverfahren mit XXXX festgelegt. Der BF ist Zivilist.

Der BF lebte ca. bis zu seinem 4. Lebensjahr in seinem Heimatdorf. Dann übersiedelte seine Familie für ca. drei Jahre nach Pakistan. Die Familie kehrte danach wieder in das Heimatdorf zurück, wo der BF im Kreis seiner Familie bis zu seiner Ausreise lebte. Der BF besuchte insgesamt neun Jahre lang die Schule. Der BF hat in Afghanistan keine Berufsausbildung absolviert, er half seinem Vater in der familieneigenen Landwirtschaft.

Der Vater des BF heißt XXXX , er ist ca. 60 Jahre alt. Seine Mutter heißt XXXX , sie ist ca. 60 Jahre alt. Der BF hat Geschwister, drei jüngere Brüder, und zwei ältere Schwestern, die beide im Ausland, genauer in Indien und in Dubai, verheiratet sind. Der Vater des BF ist Taxifahrer. Die Familie besitzt ein eigenes Haus und ca. 15 bis 16 Jirib Land. Der Aufenthaltsort der Familie des BF kann nicht festgestellt werden. Der BF hat wahrscheinlich Verwandte in Afghanistan.

Der BF reiste im Jahr 2015 aus Afghanistan aus und gelangte über Pakistan, den Iran, die Türkei, und weitere unbekannte Länder nach Österreich, wo er spätestens am 07.03.2016 als Unbegleiteter Minderjähriger Flüchtling illegal einreiste und am 10.03.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

1.2 Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Der BF läuft mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht Gefahr, von den Taliban zwangsrekrutiert zu werden. Der BF konnte sein diesbezügliches Fluchtvorbringen nicht glaubhaft machen.

Der BF war in seinem Heimatland Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat sie eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.

Der BF wurde in Afghanistan nie persönlich bedroht oder angegriffen, es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.

Auch sonst haben sich keine Hinweise für eine dem BF in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3 Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der BF befindet sich seit seiner Antragstellung im März 2016 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezog in der Zeit vom 11.03.2016 bis 31.05.2017 Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung. Der BF absolviert seit 01.06.2017 eine Lehrlingsausbildung als Gastronomiefachmann und ist selbsterhaltungsfähig. Er besucht die Berufsschule.

Der BF besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A2, und verfügt über gute Kenntnisse der deutschen Sprache. In seiner Freizeit betreibt der BF Sport. In Österreich, genauer in Linz, lebt ein Cousin mütterlicherseits des BF, XXXX , IFA Zl. XXXX . Neben Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des BF in Österreich festgestellt werden. Der BF ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4 Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Nangarhar aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfinden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem BF steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben. Dem BF droht bei seiner Rückkehr in diese Stadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der BF ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden. Der BF hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise. Er hat eine neunjährige Schulausbildung, hat bereits Berufserfahrung in der Landwirtschaft und in Österreich in der Gastronomie gesammelt, die er auch in Mazar-e Sharif wird nutzen können.

Der BF ist gesund. Der BF läuft im Falle der Rückkehr in eine nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder psychische Erkrankungen einer Rückführung des BF in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.5 Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 08.01.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018, den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018, der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation AFGHANISTAN: Taliban Drohbriefe vom 28.07.2016 und in der Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1 Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

1.5.1.1 Herkunftsprovinz Nangarhar

Die Provinz Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Im Norden grenzt sie an die Provinzen Kunar und Laghman, im Westen an die Hauptstadt Kabul und die Provinz Logar und an den Gebirgszug Spinghar im Süden. Die Provinzhauptstadt Jalalabad ist 120 Kilometer von Kabul entfernt. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

1.573.973 geschätzt.

Die Provinz Nangarhar besteht, neben der Hauptstadt Jalalabad aus folgenden Distrikten: Ghani Khil/Shinwar, Sherzad, Rodat, Kama, Surkhrod, Khogyani, Hisarak/Hesarak, Pachiragam/Pachir Wa Agam, DehBala/Deh Balah/Haska Mina, Acheen/Achin, Nazyan, Mohmand Dara/Muhmand Dara, Batikot, Kot, Goshta, Behsood/Behsud, Kuz Kunar/Kuzkunar, Dara-e Noor/Dara-e-Nur, Lalpora/Lalpur, Dur Baba/Durbaba und Chaparhar.

Nangarhar zählte 2017 zu den Provinzen mit der höchsten Opium-Produktion (UNODC 11.2017). In den letzten Jahren hat sich die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar verschlechtert; Nangahar war seit dem Sturz des Taliban-Regimes eine der relativ ruhigen Provinzen im Osten Afghanistans, jedoch versuchen bewaffnete Aufständische in den letzten Jahren ihre Aktivitäten in der Provinz auszuweiten. Begründet wird das damit, dass seit dem Fall des Talibanregimes von weniger Vorfällen berichtet worden war. In den letzten Jahren versuchen Aufständische der Taliban und des IS in abgelegenen Distrikten Fuß zu fassen. Befreiungsoperationen, in denen auch Luftangriffe gegen den IS getätigt werden, werden in den unruhigen Distrikten der Provinz durchgeführt. Angriffe auch auf lokale Beamte und Sicherheitskräfte in der Provinz werden regelmäßig von Aufständischen der Taliban und dem IS durchgeführt. Im Zeitraum 01.01.2017 bis 30.04.2018 wurden in der Provinz 795 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. So war Nangarhar die Provinz mit den meisten im Jahr 2017 registrierten Anschlägen. Im gesamten Jahr 2017 wurden in Nangarhar 862 zivile Opfer (344 getötete Zivilisten und 518 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 1% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

Anhänger der Taliban, als auch des IS haben eine Präsenz in gewissen Distrikten der Provinz, wobei zu diesen mehrere südliche Distrikte gezählt werden. Nachdem die Grausamkeit des IS ihren Höhepunkt erreicht hat, sind die Taliban in Nangarhar beliebter geworden und haben an Einfluss gewonnen. Auch ist es dem IS nicht mehr so einfach möglich, Menschen zu rekrutieren. Obwohl militärische Operationen durchgeführt werden, um Aktivitäten der Aufständischen zu unterbinden, sind die Taliban in einigen Distrikten der Provinz aktiv. In Nangarhar kämpfen die Taliban gegen den IS, um die Kontrolle über natürliche Minen und Territorium zu gewinnen; insbesondere in der Tora Bora Region, die dazu dient, Waren von und nach Pakistan zu schmuggeln. Bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und IS fanden statt, dabei ging es um Kontrolle von Territorium. In einem Falle haben aufständische Taliban ihren ehemaligen Kommandanten getötet, da ihm Verbindungen zum IS nachgesagt wurden.

Die Provinz Nangarhar zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt ein derart hohes Ausmaß erreicht, dass im Einzelfall nur minimale Teilvoraussetzungen erfüllt sein müssen, um berechtigten Grund für die Annahme zu liefern, dass Zivilisten, welche in die betreffende Provinz rückgebracht würden, eine reelle Gefahr, ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen, zu gewärtigen hätten.

1.5.1.2 Provinz Balkh

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

1.5.2 Sichere Einreise

Die Stadt Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.

1.5.3.1 Wirtschafts- und Versorgungslage der Stadt Mazar-e Sharif

Mazar-e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar-e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar-e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar-e Sharif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.

1.5.4 Medizinische Versorgung

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar.

1.5.5 Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pasht. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben.

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen.

1.5.6 Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten, wie es auch der BF ist.

1.5.7 Rückkehrer

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

1.5.8 Terroristische und aufständische Gruppierungen

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Berichten zufolge werden laut UNHCR Fälle der Zwangsrekrutierung von Kindern zu einem großen Teil unzureichend erfasst. Jedoch geht aus Berichten hervor, dass die Rekrutierung und der Einsatz von Kindern durch alle Konfliktparteien für Unterstützungs- und Kampfhandlungen im ganzen Land beobachtet werden.

Regierungsfeindliche Kräfte nutzen in Gebieten, in denen sie die tatsächliche Kontrolle über das Territorium und die Bevölkerung ausüben, Berichten zufolge verschiedene Methoden zur Rekrutierung von Kämpfern, einschließlich Maßnahmen unter Einsatz von Zwang. Personen, die sich der Rekrutierung widersetzen, sind Berichten zufolge ebenso wie ihre Familienmitglieder gefährdet, getötet oder bestraft zu werden.

Regierungsfeindliche Kräfte rekrutieren, so wird berichtet, weiterhin Kinder, um sie für Selbstmordanschläge, als menschliche Schutzschilde oder für die Beteiligung an aktiven Kampfeinsätzen zu verwenden, um Sprengsätze zu legen, Waffen und Uniformen zu schmuggeln sowie als Spione, Wachposten oder Späher für die Aufklärung.

In Afghanistan können gefälschte Drohbriefe für etwa US$ 1.000 gekauft werden. Die Taliban haben es größtenteils aufgegeben, mit Drohbriefen vorzugehen.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des BF beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens. Die Feststellungen zum fiktiven Geburtsdatum des BF beruhen auf dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten vom 28.05.2016 (vgl. AS 151 ff). Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 145/2017, (in der Folge: AsylG 2005) liegt es auch am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd § 274 ZPO zu verstehen. Ausgehend von § 274 Abs. 1 letzter Satz ZPO eignet sich nur eine Beweisaufnahme, die sich sofort ausführen lässt (mit Hilfe so genannter "parater" Bescheinigungsmittel) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (VwGH 27.05.2014, 2014/16/0003 mwN), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner asylrechtlichen Spruchpraxis von dieser Einschränkung abweicht.

Mit der Glaubhaftmachung ist auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007).

Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel am Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen.

Das Hauptverfolgungsvorbringen des BF lautete im Wesentlichen, dass er vor einer Zwangsrekrutierung durch die Taliban geflüchtet sei. Zwar ist es im Lichte der Länderinformationen durchaus belegt, dass Taliban und andere regierungsfeindliche Kräfte Kinder und Jugendliche, vor allem in unter ihrer Kontrolle stehenden Gebieten wie der Herkunftsprovinz des BF Nangarhar, zu Kämpfern rekrutieren, eine solche konkret den BF betreffende Gefahr konnte er hingegen nicht glaubhaft darlegen:

Wie der BF selbst ausführt, sei nicht nur er Ziel dieser Anwerbungsversuche durch die Taliban gewesen, sondern zahlreiche Jugendliche des Ortes (vgl. S 10 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung: "Die Taliban sind informiert, in welchem Haus es Jugendliche gibt. Sie haben unser Dorf angegriffen, sie haben meine Mitschüler, einige Mitschüler mitgenommen."; S 7 der Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA: "20 - 25 Tage danach kamen die Taliban und haben das Dorf angegriffen und wollten alle Jugendlichen mitnehmen. Auch bei uns wurde an die Türe geklopft."; S 5 der Erstbefragung: "Meine ganzen Schulfreunde sind mit der IS und mit den Taliban gegangen, aber ich wollte das nicht."). Selbst bei hypothetischer Annahme der Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens folgt daraus wiederum, dass es sich beim BF in den Augen der Taliban um keine exponierte Person gehandelt hätte, die speziell als Individuum ins Visier der Taliban geraten sei, sondern er einzig aufgrund seines Alters als möglicher Kämpfer interessant gewesen wäre. Der BF konnte einen tatsächlich stattgefundenen Rekrutierungsversuch der Taliban jedoch ohnehin nicht glaubhaft machen, sondern muss sich eine Steigerung seines Vorbringens vorhalten lassen:

Während er in der Erstbefragung zwar den Wunsch der Taliban an ihn, gegen die Regierung zu kämpfen als einen der fluchtauslösenden Gründe anführte, erwähnte er dabei hingegen nicht, Drohbriefe der Taliban erhalten zu haben. In der Einvernahme vor dem BFA sprach der BF nach seinen Fluchtgründen befragt zunächst von einem Drohbrief ("Wir haben einen Drohbrief erhalten. In diesem Brief wurde gefordert, dass ich [mich] ihnen anschließen soll." vgl. S 6 der Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA am 28.05.2018), um auf weitere Nachfrage vom Erhalt zweier Drohbriefe zu sprechen ("15 oder 20 Tage danach erhielten wir einen zweiten Drohbrief" vgl. S 7 der Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA). In der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG gab der BF schließlich an, insgesamt drei Briefe bekommen zu haben. Auch auf die explizite Frage der erkennenden Richterin, wie viele Drohbriefe er insgesamt erhalten habe, wiederholte er die Angabe von drei Briefen (vgl. S 10 und 11 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vom 17.01.2019).

Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das BVwG können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Es wird im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des BF nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog und diese daher nur in aller Kürze angegeben und protokolliert wurden. Zudem ist zu berücksichtigen, dass der BF zum Zeitpunkt der Erstbefragung noch minderjährig war. Dass der BF die Briefe der Taliban, in welchen er angeblich aufgefordert wurde, sich ihnen anzuschließen - und damit einen wesentlichen Teil seines Fluchtvorbringens - zunächst nicht einmal erwähnte, um im Laufe des Verfahrens die Anzahl der angeblich erhaltenen Briefe mehrfach änderte, ist für das BVwG jedoch nicht nachvollziehbar. Vielmehr ist die Steigerung des Fluchtvorbringens betreffend die Anzahl der erhaltenen Briefe als Indiz für ein insgesamt nicht glaubhaftes Vorbringen zu werten. Seine Antwort auf die Frage, warum er angegeben habe, bereits viele Drohbriefe der Taliban erhalten zu haben ("Für mich ist ein Drohbrief wie hundert Drohbriefe" vgl. S 10 der Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA) bestätigt den Eindruck, dass sein Vorbringen nicht erlebnisbasiert ist und er nie Adressat von Briefen der Taliban wurde.

Es erscheint darüber hinaus nämlich nicht lebensnah, dass der BF angab, seine Mutter hätte die beiden Drohbriefe zerrissen. Eher ist diesbezüglich der belangten Behörde zu folgen, wonach der BF die Zerstörung solch wichtiger potenzieller Beweismittel als Vorwand verwendete, um das Fehlen der Briefe erklären zu können. Dass der BF vor dem BVwG ausführte, den erstmals erwähnten dritten Drohbrief nicht einmal mehr gelesen und gleich weggeworfen zu haben, ist vor dem Hintergrund der geschilderten Angst vor Zwangsrekrutierung ebenfalls völlig unplausibel. Außerdem wird In der zitierten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu "Afghanistan:

Taliban Drohbriefe" vom 28.07.2016 festgehalten, dass es die Taliban größtenteils aufgegeben haben, mit Drohbriefen vorzugehen Es ist weiters unglaubhaft, dass die Taliban - insbesondere in der Provinz Nangarhar, in welcher sie über große Macht verfügen - bei dem vom BF vorgebrachten "Angriff" auf das Dorf lediglich an die Tür des BF klopften und das Haus nicht stürmten. Dies widerspricht darüber hinaus auch dem Vorbringen des BF, der von Entführungen von Jugendlichen durch die Taliban sprach und auch angab, dass mittlerweile sein Bruder Mansur von den Taliban entführt worden sei. Warum die Taliban gerade im Fall des BF von einer Entführung abgesehen und nur an die Tür geklopft hätten, konnte der BF nicht schlüssig darlegen.

Die Erklärung des BF, dass die Taliban damals seine Brüder aus dem Grund verschont hätten, da sie noch klein gewesen seien, ist ebenso nicht mit den Länderinformationen vereinbar, betrifft Zwangsrekrutierung nämlich auch Kinder und ist sein Bruder Mansur nur etwa zwei Jahre jünger als der BF.

Der BF brachte am Ende der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG erstmals vor, er habe Amerikanern die Adressen von Taliban-Camps gegeben, weshalb er als Spion angesehen werde. Mit diesen allgemein gehaltenen und unsubstantiierten Angaben steigerte er sein Fluchtvorbringen weiter. Es ist nicht nachvollziehbar, warum der BF, trotz mehrmaliger Möglichkeit, eine persönliche Verfolgung und Bedrohung vorzubringen, erstmals in der Verhandlung vor dem BVwG angab, unter Spionageverdacht zu stehen. Dabei ist hervorzuheben, dass der BF grundsätzlich in der Lage sein muss, umfassende und inhaltlich übereinstimmende Angaben zu den konkreten Umständen und dem Grund der Ausreise aus dem Herkunftsstaat zu machen, zumal eine Person, die aus Furcht vor Verfolgung ihren Herkunftsstaat verlassen hat, gerade in ihrer ersten Einvernahme auf konkrete Befragung zu ihrer Flucht die ihr gebotene Möglichkeit wohl kaum ungenützt lassen wird, die Umstände und Gründe ihrer Flucht in umfassender und in sich schlüssiger Weise darzulegen, um den beantragten Schutz vor Verfolgung möglichst rasch erhalten zu können.

Im Gesamtzusammenhang betrachtet ist daher nicht davon auszugehen, dass dem BF im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan Übergriffe durch die Taliban drohen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass, wie vom BF zu Beginn angegeben, tatsächlich der Wunsch nach einem Studium in Belgien Grund für seine Ausreise war (vgl. Basisbefragung der Landespolizeidirektion Oberösterreich "Grund der Einreise und Zweck des Aufenthaltes in Österreich: Will nach Belgien studieren und sein bester Freund ist dort."; Erstbefragung am 11.03.2016: "Ich wollte weiter studieren um eine gute Zukunft zu haben und nicht sterben."; S 3 der Niederschrift der Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG: "Anfänglich wollte ich nach Belgien, ich bin nach Deutschland gereist. Dort wurde ich von der Polizei angehalten. Es wurde mir gesagt, dass ich über Deutschland nicht nach Belgien reisen kann. Ich kann zurück nach Österreich oder in ein anderes Land. Später könnte ich dann nach Belgien reisen. Ich bin dann nach Österreich zurückgekommen, habe eine Zeit lang hier gelebt. Es hat mir hier gefallen.").

Die Feststellungen hinsichtlich einer nicht bestehenden Gefährdung des BF aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Asylantragstellung sowie seiner rechtswidrigen Ausreise beruhen auf den ins Verfahren eingebrachten Länderberichten bzw. wurde vom BF auch keine über die oben dargestellten Fluchtgründe hinausgehende drohende Verfolgung substantiiert vorgebracht.

Beim BF gibt es, da er nunmehr volljährig ist, abseits dieser oben genannten Fluchtgründe keine besonderen Vulnerabilitäten, die eine asylrelevante Verfolgung in Afghanistan wahrscheinlich erscheinen lassen. Der BF ist als Paschtune und Sunnit Teil der Mehrheitsbevölkerung Afghanistans, er war nach seinen eigenen Angaben nie politisch aktiv, er brachte auch keine konkret seine Person betreffenden geschlechtsspezifischen und/oder religiösen Verfolgungsgefahren vor.

2.3 Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des BF in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.

Die Feststellung der Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.4 Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Rückkehr des BF nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom BF in seiner Beschwerde, in seinen Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom BF glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.

Im Einklang mit seinen Stellungnahmen kommt die erkennende Richterin unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen, wonach die Provinz Nangarhar zu den relativ instabilen Provinzen im Osten Afghanistans zählt, die in den letzten Jahren eine Zunahme der durch Taliban verursachten Gewalt erlebt hat, zum Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr in diese Provinz allein schon aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich ist.

Entgegen den Ausführungen des BF in seinen Stellungnahmen ist es ihm hingegen möglich, in die Stadt Mazar-e Sharif als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative zurückzukehren. Mazar-e Sharif ist, wie aus den zitierten Länderfeststellungen zu entnehmen ist, für Zivilisten, wie es der BF ist, weitgehen sicher, sodass der BF bei einer Rückkehr in diese Stadt mit keinen Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit zu rechnen hat. Sein Fluchtvorbringen wird, wie schon oben ausgeführt, als nicht glaubhaft erachtet, woraus sich ergibt, dass der BF im Falle einer Rückkehr nicht Gefahr laufen wird, aus einer individuellen Bedrohung ernsthaft Schaden zu nehmen. Eine Reise nach Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher und legal möglich, die Kosten für die Anreise werden ihm im Rahmen der Rückkehrhilfe grundsätzlich ersetzt.

Die Feststellungen, dass der BF in der Lage sein wird, in Mazar-e Sharif für seine grundlegendsten Bedürfnisse selbst aufzukommen, obwohl er keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in dieser Stadt hat, ergeben sich aus seinen eigenen Angaben im gegenständlichen Asylverfahren unter Berücksichtigung der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen. Laut den zitierten EASO Leitlinien vom Juni 2018 ist in der Stadt Mazar-e Sharif die Lebensmittelsicherheit gewährleistet und die unter Punkt

1.5.3.1 genannte Basisinfrastruktur steht dem BF zur Verfügung. Derzeit liegen nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Mazar-e Sharif keine exzeptionellen Umstände vor, die annehmen lassen würden, dass der BF dort keine Lebensgrundlage vorfindet, und von ihm die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.

Aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse in der Landwirtschaft in Afghanistan bzw. in der Gastronomie, welche er in Österreich erwerben konnte, sind die Lebensgrundlage und die Existenz des BF im Falle seiner Rückkehr bei Inanspruchnahme der angebotenen Rückkehrhilfe auch ohne soziales Netz und finanzielle Unterstützung durch seine Familie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausreichend gesichert. Die diesbezüglichen Feststellungen decken sich auch mit den diesem Verfahren zugrundliegenden UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, wonach UNHCR der Auffassung ist, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist zwar der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Fa

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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