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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde der 1966 geborenen MH in Graz, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. September 1997, Zl. 120.021/4-III/11/97, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 12. September 1997 wurde der am 1. April 1997 bei der österreichischen Botschaft in Laibach überreichte und am 7. April 1997 bei der erstinstanzlichen Behörde eingelangte Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, die Beschwerdeführerin habe sich im Zeitpunkt der Überreichung ihres Antrages durch ihren Ehegatten bei der österreichischen Botschaft in Laibach und auch in der Folge im Bundesgebiet aufgehalten. Ein Asylantrag der Beschwerdeführerin sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19. März 1996 abgewiesen worden. Ungeachtet des Berufungsvorbringens, die Beschwerdeführerin sei - bezogen auf den 23. April 1997 - im siebenten Monat schwanger gewesen, sei der Voraussetzung des § 6 Abs. 2 AufG nicht Genüge getan. Ihr Antrag sei daher abzuweisen gewesen. Die öffentlichen Interessen überwögen die persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 1 Abs. 3 Z. 1 und 6 sowie § 6 Abs. 2 AufG lauteten (auszugsweise):
"§ 1. ...
...
(3) Keine Bewilligung brauchen Fremde, wenn sie
1. auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts, eines Staatsvertrages, unmittelbar anwendbare Rechtsakte der Europäischen Union oder anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen;
...
6. auf Grund des Asylgesetzes 1991, BGBl. Nr. 8/1992, zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.
§ 6. ...
(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: Im Fall des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft, des Asyls oder des Aufenthaltsrechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 1; ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältige Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z 4 festgelegt ist. ..."
Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (25. September 1997) ist für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, maßgeblich. § 4 Z. 3 und 4 dieser Verordnung lautete:
"§ 4. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:
...
3. Personen, die gemäß § 1 Abs. 3 Z 1 des Aufenthaltsgesetzes auf Grund allgemein anerkannter Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrages aufenthaltsberechtigt sind oder waren und
4. Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten."
Die Beschwerdeführerin verfügte nach der Aktenlage niemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, daß die Beschwerdeführerin, welche ihren Asylantrag nach der Aktenlage am 17. November 1995 stellte, bei Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Juli 1993 über eine Berechtigung zum Aufenthalt verfügte. Die belangte Behörde wertete den Antrag der Beschwerdeführerin daher zu Recht als Erstantrag. Damit liegt ein Übergangsfall des § 113 Abs. 6 oder 7 FrG 1997 nicht vor. Der angefochtene Bescheid blieb vom Inkrafttreten des FrG 1997 unberührt.
Die Beschwerdeführerin tritt der Annahme der belangten Behörde, sie habe sich im Zeitpunkt der Antragsüberreichung durch ihren Ehegatten und auch in der Folge im Bundesgebiet aufgehalten, nicht entgegen. Sie behauptet jedoch, es sei ihr während der Dauer ihres Asylverfahrens ein vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 7 AsylG 1991 zugekommen. Das Asylverfahren sei erst durch einen am 13. August 1997 zugestellten Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. August 1997 rechtskräftig beendet worden. Im Hinblick auf dieses vorläufige Aufenthaltsrecht vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, sie sei zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt. Überdies sei sie im Zeitpunkt der Antragstellung schwanger und aus diesem Grund nicht transportfähig gewesen. Es sei ihr daher keinesfalls zuzumuten gewesen, das Bundesgebiet zur Antragseinbringung zu verlassen. Schließlich sei die Versagung der Bewilligung nicht zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele notwendig.
Die Antragstellung durch einen Vertreter, während sich der Fremde selbst in Österreich aufhält, entspricht nicht § 6 Abs. 2 AufG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168). Das im § 6 Abs. 2 AufG normierte Erfordernis, einen Bewilligungsantrag vom Ausland aus zu stellen, wird in der Rechtsprechung nicht als bloße Formvorschrift gewertet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/0897). Vom Erfordernis, daß sich der Antragsteller zur Antragstellung ins Ausland begibt und die Entscheidung über seinen Antrag im Ausland abwartet, wäre die Beschwerdeführerin nur dann ausgenommen, wenn sie zu dem in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG oder einer darauf beruhenden Verordnung umschriebenen Personenkreis zählte. Dies ist jedoch nicht der Fall:
Der Tatbestand des § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG "Verlust des Asyls" kommt im Falle der Beschwerdeführerin nicht in Betracht, weil ihr niemals Asyl zuerkannt wurde. Unter Verlust im Sinne dieser Gesetzesbestimmung ist die Aberkennung des Asyls zu verstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1998, Zl. 98/19/0115). Im Gegensatz zur Auffassung der Beschwerdeführerin begründete ihr behauptetes vorläufiges Aufenthaltsrecht gemäß § 7 AsylG 1991 kein Aufenthaltsrecht im Sinne des § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG. Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 13. März 1998, Zl. 95/19/1473, dargelegt hat, genießen asylberechtigte Fremde nicht gemäß § 1 Abs. 3 Z. 1 AufG aufgrund eines Staatsvertrages in Österreich Niederlassungsfreiheit. Die in diesem Zusammenhang in Betracht zu ziehende Genfer Flüchtlingskonvention gewährt Flüchtlingen im Verständnis dieser Konvention nämlich kein Recht auf Niederlassungsfreiheit, also auf freie Wahl ihres Wohnortes. Nichts anderes gilt für Asylwerber vor dem rechtskräftigen Abschluß ihres Asylverfahrens, zu denen nach ihrem Beschwerdevorbringen die Beschwerdeführerin gezählt hat. Allgemein anerkannte Regeln des Völkerrechts oder eines Staatsvertrages, denen zufolge auch derartige Fremde in Österreich Niederlassungsfreiheit genießen würden, sind nicht erkennbar (vgl. das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1998).
Unter die Ausnahmebestimmung des § 4 Z. 4 und der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz für 1997, BGBl. Nr. 707/1996, zählte die Beschwerdeführerin nicht, weil sie niemals eine Aufenthaltsbewilligung besaß. Mit "Aufenthaltsbewilligung" im Sinne der zitierten Verordnungsbestimmung ist die im § 1 Abs. 1 AufG vorgeschriebene besondere Bewilligung gemeint. Diese - im Aufenthaltsgesetz "Bewilligung" genannte - Berechtigung ist Gegenstand des Antrages nach § 6 Abs. 2 AufG. § 4 der Verordnung BGBl. Nr. 707/1996 bezeichnet diesen als "Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung". Die Verordnung bietet keinen Anhaltspunkt dafür, daß der Begriff "Aufenthaltsbewilligung" in § 4, erster Satzteil, etwas anderes bedeuten soll, als jener in Z. 4 leg. cit. (vgl. das zum gleichlautenden § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 ergangene hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/0897).
Schließlich hatte auch der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Umstand, sie habe das Bundesgebiet (infolge ihrer Schwangerschaft) zum Zwecke der Antragstellung nicht verlassen können, nicht zur Folge, daß ihr ungeachtet des Vorliegens des Versagungsgrundes nach § 6 Abs. 2 AufG eine Bewilligung zu erteilen gewesen wäre (vgl. das zu Personen, die das Bundesgebiet infolge ihrer Staatenlosigkeit nicht verlassen können, ergangene hg. Erkenntnis vom 31. Oktober 1997, Zlen. 96/19/1860 bis 1862).
Insoweit sich die Beschwerdeführerin schließlich auf ihre durch die Anwesenheit ihres Ehegatten in Österreich begründeten familiären Interessen verweist, ist ihr zu entgegnen, daß der Gesetzgeber der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 bereits auf die familiären Interessen von Personen, die aufgrund des Asylgesetzes 1991 aufenthaltsberechtigt sind oder waren, Bedacht genommen hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1997, Zl. 96/19/0593).
Die in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG vorgenommene Einschränkung des Rechtes solcher Fremder zur Inlandsantragstellung nur auf den Fall des Verlustes des Asyls widerspricht aus folgenden Erwägungen nicht dem Art. 8 MRK:
Die aus den erläuternden Bemerkungen zum Aufenthaltsgesetz (vgl. RV 525 BlgNR 18. GP) ersichtliche Zielvorstellung dieses Gesetzes, die Umgehung von Einwanderungsvorschriften durch Stellung von Asylanträgen zu verhindern, welche zum Schutze der öffentlichen Ordnung auch im Sinne des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt erscheint, verbietet es, sowohl abgewiesene Asylwerber als auch Asylwerber während der Dauer ihres Asylverfahrens in Ansehung ihrer privaten Interessen im Inland besser zu stellen als einen Fremden, der erstmals eine Aufenthaltsbewilligung beantragt. Eine Einschränkung eines gedachten durch Art. 8 Abs. 1 MRK geschützten Rechtes der Beschwerdeführerin auf Familiennachzug zu ihrem in Österreich lebenden Ehegatten durch die in Rede stehende Bestimmung des § 6 Abs. 2 AufG wäre - ebenfalls aus dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ordnung und des damit verbundenen Rechtes des Staates auf Regelung der Neuzuwanderung - aus dem Grund des Art. 8 Abs. 2 MRK gerechtfertigt.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. September 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1997191679.X00Im RIS seit
02.05.2001