TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/7 W260 2192645-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2019
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Entscheidungsdatum

07.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W260 2192645-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Markus BELFIN über die Beschwerde von XXXX alias XXXX alias XXXX , geboren am XXXX alias XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, EAST-WEST, vom 15.03.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX alias XXXX alias XXXX (im Folgenden "Beschwerdeführer"), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 23.06.2017 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 24.06.2017 vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige Beschwerdeführer im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu zusammengefasst an, dass er seinen Herkunftsstaat Afghanistan verlassen habe, da sein Vater von den Taliban getötet worden sei, da er die Zusammenarbeit verweigert hätte. In der Folge seien die Taliban zu seiner Familie nach Hause gekommen und hätten das Haus angezündet, ihnen sei jedoch die Flucht gelungen. Sein Onkel hätte durch einen Grundstückverkauf seine Flucht organisiert, seine Mutter und drei Brüder würden noch in Afghanistan leben, ein weiterer Bruder sei in Pakistan aufhältig. Er selbst stamme aus der Stadt Kunduz, Provinz Kunduz. Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er als er in Bulgarien aufhältig war, seinen Onkel kontaktiert hätte und ihm gesagt hätte, dass er nach Afghanistan zurückkehren werde, wovon ihm sein Onkel abgeraten hätte.

2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge "belangte Behörde") führte eine Altersfeststellung durch Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens durch. Das nunmehr festgestellte Geburtsdatum des Beschwerdeführers mit 01.08.1998 wurde demselben mit Schreiben vom 10.08.2017 mitgeteilt und festgehalten, dass er im Zeitpunkt der Asylantragstellung als Volljähriger gelte.

3. Am 28.02.2018 erfolgte die niederschriftliche Ersteinvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde im Beisein einer Vertrauensperson, einem pakistanischen Staatsbürger, sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari. Er gab zusammengefasst an, dass er in der Provinz Kunduz im Dorf "XXXX" geboren sei und drei bis vier Jahre "sporadisch" die Schule besucht hätte. Zu seinem Gesundheitszustand befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er "Schlafmedikamente" einnehme, sich derzeit nicht in medizinischer Behandlung befinde und seit seinem Aufenthalt in Serbien an Albträumen leide. Im Wesentlichen bestätigte der Beschwerdeführer seinen Fluchtgrund bei seiner Erstbefragung und führte hiezu befragt näher aus, dass er und der Rest seiner Familie sich 25 Tage lang bei seinem Onkel aufgehalten hätte, der von 15 Minuten von ihnen entfernt wohne. Der Rest seiner (Kern-)Familie, seine Mutter und vier Brüder würden illegal in Pakistan leben. Sie hätten ihre Grundstücke in Afghanistan verpachtet, ein Onkel kümmere sich um die Aufsicht. Zu seinen verwandten im Herkunftsstaat befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass ein weiterer Onkel mit seiner Frau in Kabul lebe, Grundstücke und ein Geschäft hätte. Ergänzend führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen aus, dass er nach den 25 Tagen beim Onkel von den Taliban entführt worden sei, es sei ihm jedoch die Flucht gelungen. Zwei weitere Tage sei er beim Onkel geblieben, danach habe sei die Ausreise schlepperunterstützt angetreten. Seine Flucht sei durch einen Grundstücksverkauf organisiert worden, den seine Mutter durchgeführt hätte.

4. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid vom 15.03.2018 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Gemäß § 57 AsylG 2005 erteilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.) und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.). Die belangte Behörde stellte weiters fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters sprach die belangte Behörde aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI).

5. Der Beschwerdeführer erhob durch seine bevollmächtigte Vertretung fristgerecht gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Beschwerde.

6. Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 13.04.2018 beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge "BVwG") ein.

7. Das BVwG führte am 29.03.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der die belangte Behörde entschuldigt nicht teilnahm.

Der Beschwerdeführer wurde im Beisein seiner bevollmächtigen Vertreterin und eines Dolmetschers für die Sprache Paschtu eingehend zu seinen Fluchtgründen und zu seiner Situation in Österreich befragt, wobei er anfangs der mündlichen Beschwerdeverhandlung angab, dass ihn die Dolmetscherin bei der belangten Behörde nicht verstanden habe. Dem Beschwerdeführer wurde somit anfangs der Verhandlung die Möglichkeit gegeben, etwaige Unklarheiten aus seiner Sicht zu beseitigen. Auf die Frage des erkennenden Richters warum er dies nicht bereits im Rahmen seiner Beschwerde tat, konnte der Beschwerdeführer keine Angaben machen.

Das BVwG legte im Rahmen der Verhandlung die aktuellen Länderinformationen zu Afghanistan, genauer das Länderinformationsblatt Afghanistan in der Fassung vom 08.01.2019, die aktuelle UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018, eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 13.09.2018 zur Dürre in Herat und Mazar- e Sharif, die BFA Arbeitsübersetzung Landinfo-Report vom 23.08.2017, Afghanistan: der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 02.03.2018:

Afghanistan, Behandlung von Insomnie, reaktiver Depression und posttraumatischer Belastungsstörung und Auszüge aus den aktuellen EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018, vor und räumte den Parteien des Verfahrens die Möglichkeit ein, hierzu innerhalb einer Frist von vier Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.

Der belangten Behörde wurde die Niederschrift mitsamt den vom Beschwerdeführer vorgelegten Integrationsunterlagen (Beilage ./I und ./II) übermittelt.

8. Der Beschwerdeführer führte hierzu namens seiner bevollmächtigen Vertretung in seiner Stellungnahme vom 26.04.2019 im Wesentlichen aus, dass ihm aufgrund seiner unterstellten politischen Gesinnung Verfolgung in ganz Afghanistan drohe. Die Taliban seien in ganz Afghanistan vernetzt. Zur Sicherheitslage wurde in der Stellungnahme auszugsweise das Gutachten der Fredericke STAHLMANN vom 28.03.2018 Bezug genommen. Zum Eventualantrag der Gewährung subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer über keine sozialen Netzwerke verfüge und eine Unterstützung durch Familienmitglieder, entsprechend den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, nicht sicher sei.

Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX alias XXXX alias XXXX , geboren am am XXXX alias XXXX alias XXXX alias XXXX , Provinz Kunduz, Stadt Kunduz, im Dorf XXXX ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an, ist sunnitischer Moslem und ledig.

Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu, die er sprechen und kaum Schreiben kann. Er lebte bis zu seiner Ausreise ins Bundesgebiet in seinem Herkunftsstaat.

Der Beschwerdeführer besuchte ca. sechs Jahre lang in seinem Herkunftsstaat die Schule.

Der Vater des Beschwerdeführers ist verstorben, die Todesursache kann nicht festgestellt werden. Ein Onkel des Beschwerdeführers lebt in der Stadt Kunduz, in einem Dorf namens Baghe-amir. Die Familie des Beschwerdeführers ist Eigentümer eines Hauses und von Grundstücken in der Ortschaft XXXX . Um die Verpachtung und Weiterleitung der Pacht an die Mutter des Beschwerdeführers kümmert sich genannter Onkel.

Die zwei Brüder des Beschwerdeführers und seine Mutter sind in Pakistan aufhältig.

Der aktuelle Aufenthaltsort der weiteren Familienangehörigen des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist Zivilist.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer reiste ca. 2015 aus Afghanistan aus und gelangte in der Folge nach mehrmonatigen Aufenthalten in Bulgarien und Serbien illegal ins Bundesgebiet und stellte am 24.06.2017 verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Das vom Beschwerdeführer dargelegte Fluchtvorbringen betreffend die Gefahr, aufgrund der Ermordung seines Vaters wegen dessen Weigerung mit den Taliban zu kooperieren, der im Anschluss erfolgten Entführung des Beschwerdeführers durch die Taliban und seiner geglückten Flucht, verfolgt und getötet zu werden, oder dass ihm eine Zwangsrekrutierung drohe, ist nicht glaubhaft. Es droht ihm auch künftig keine psychische und/oder physische Gewalt von staatlicher Seite, und/oder von Aufständischen, und/oder von sonstigen privaten Verfolgern in seinem Herkunftsstaat.

Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat Afghanistan keiner psychischen oder physischen Gewalt aus Gründen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt, noch hat er eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten.

Auch sonst haben sich im gesamten Verfahren keine Hinweise für eine dem Beschwerdeführer in Afghanistan individuell drohende Verfolgung ergeben.

1.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner Antragstellung im Jahr 2017 auf Grund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet.

Er bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der vorübergehenden Grundversorgung.

Der Beschwerdeführer ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse, zuletzt auf Niveau A1 und kann sich gut verständigen. Er besucht in Österreich seit 20.02.2019 ein Einstiegsmodul zum Lehrgang zur Vorbereitung auf den Pflichtschulabschluss beim XXXX , welcher bis zum 19.07.2019 dauern soll. Eine Bestätigung über eine positive Absolvierung dieses Lehrganges wurde zum Zeitpunkt dieses Erkenntnisses vom Beschwerdeführer nicht zur Vorlage gebracht.

Vom 27.08.2018 bis zum 07.09.2018 war der Beschwerdeführer gemeinnützig im Ausmaß von 88 Stunden bei der Marktgemeinde XXXX beschäftigt. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen.

Neben losen Freundschaften konnten keine weiteren substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens des Beschwerdeführers in Österreich festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Überstellung in seine Herkunftsprovinz Kunduz aufgrund der volatilen Sicherheitslage und der dort stattfinden willkürlichen Gewalt im Rahmen von internen bewaffneten Konflikten ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde.

Dem Beschwerdeführer steht als interstaatliche Flucht- und Schutzalternative eine Rückkehr in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, wo es ihm möglich ist, ohne Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können bzw. in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten, zu leben.

Dem Beschwerdeführer droht bei seiner Rückkehr in diese Stadt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit.

Der Beschwerdeführer ist jung und arbeitsfähig. Seine Existenz kann er in Mazar-e Sharif - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern. Er ist auch in der Lage, eine einfache Unterkunft zu finden.

Der Beschwerdeführer hat auch die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form der Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen, sodass er im Falle der Rückkehr - neben den eigenen Ressourcen - auf eine zusätzliche Unterstützung zur Existenzsicherung greifen kann. Diese Rückkehrhilfe umfasst jedenfalls auch die notwendigen Kosten der Rückreise

Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Der Beschwerdeführer läuft im Falle der Rückkehr nach Mazar-e Sharif nicht Gefahr, aufgrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten, oder dass sich eine Erkrankung in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern wird. Es sind auch sonst keine objektivierten Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere schwerwiegende körperliche oder sonstige psychische Erkrankungen einer Rückführung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 09.01.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018 und den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018, in der Arbeitsübersetzung Landinfo report "Afghanistan: Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 und die in der Anfragbeantwortung der Staatendokumentation vom 02.03.2018, Afghanistan, Behandlung von Insomnie, reaktiver Depression und posttraumatischer Belastungsstörung, enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

1.5.1. Sicherheitslage:

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

1.5.1.1. Herkunftsprovinz Kunduz:

Kunduz, die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers, zählt zu den relativ volatilen Provinzen Afghanistans, in der Aufständische aktiv sind (AJ 4.10.2017; vgl. Khaama Press 15.8.2017, Reuters 22.7.2017, Tolonews 24.5.2017). In den Jahren 2015 und 2016 fiel Kunduz-Stadt jeweils einmal an Taliban-Aufständische (Xinhua 8.7.2017); die Stadt konnte in beiden Fällen von den afghanischen Streitkräften zurückerobert werden (BBC 4.10.2016; vgl. Reuters 1.10.2015, NYT 14.1.2018, UNAMA 26.3.2017). Das deutsche Militär hat einen großen Stützpunkt in der Provinz Kunduz (Gandhara 7.3.2018; vgl. SZ 7.3.2018). Während des Jahres 2017 sank die Anzahl der zivilen Opfer in Folge von Bodenoffensiven u.a. in der Provinz Kunduz; ein Grund dafür war ein Rückgang von Militäroffensiven in von Zivilist/innen bewohnten Zentren durch die Konfliktparteien (UNAMA 2.2018).

Aufgrund von Terrorbekämpfungsoperationen in der Provinz sind zahlreiche Familien nach Kunduz-Stadt vertrieben worden (Pajhwok 23.1.2018; vgl. Pajhwok 20.1.2018).

Nach dem US-amerikanischen Luftangriff auf das Medecins Sans Frontieres (MSF)-Krankenhaus im Jahr 2015 wurde im Juli 2017 wieder eine Klinik von MSF in Kunduz-Stadt eröffnet (AJ 4.10.2017; vgl. Reuters 22.7.2017).

Talibankämpfer, insbesondere Mitglieder der "Red Unit", einer Taliban-Einheit, die in zunehmendem Ausmaß Regierungsstützpunkte angreift, sind in der Provinz Kunduz aktiv (NYT 16.1.2018; vgl. AT 17.1.2018; NYT 14.11.2017). Einige Distrikte, wie Atqash, Gultapa und Gulbad, sind unter Kontrolle der Taliban (Pajhwok 11.2.2018). Auch in Teilen der Distrikte Dasht-e-Archi und Chardarah sind Talibankämpfer zum Berichtszeitpunkt aktiv (UOL 9.3.2018; Pajhwok 16.1.2018; Xinhua 14.2.2018, Tolonews 25.10.2017, Xinhua 24.9.2017).

1.5.1.2. Provinz Balkh:

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar- e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte. Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

1.5.2. Sichere Einreise:

Die Stadt Mazar- e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher erreichbar. Der Flughafen von Mazar-e Sharif (MRZ) liegt 9 km östlich der Stadt im Bezirk Marmul. Die Befahrung der Straßen von diesem Flughafen bis zur Stadt Mazar-e Sharif ist zur Tageszeit im Allgemeinen sicher.

1.5.3 Wirtschafts- und Versorgungslage:

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. TD 28.12.2017).

1.5.3.1. Wirtschaftslage der Stadt Mazar-e Sharif:

Mazar- e Sharif ist ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. In Mazar- e Sharif besteht laut EASO grundsätzlich die Möglichkeit, sicheren Wohnraum zu mieten. Als Alternative dazu stehen ferner günstige Unterkünfte in "Teehäusern" zur Verfügung. Generell besteht in Mazar- e Sharif laut EASO, trotz der im Umland herrschenden Dürre, keinerlei Lebensmittelknappheit. In Mazar- e Sahrif haben die meisten Leute laut EASO Zugang zu erschlossenen Wasserquellen sowie auch zu besseren Sanitäreinrichtungen. Schulische Einrichtungen sind in Mazar-e Sharif vorhanden.

1.5.4. Medizinische Versorgung:

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar- e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar. In Mazar- e Sharif zählt dazu das Alemi Krankenhaus.

Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Die Behandlung von Depressionen und posttraumatischen Belastungsstörungen in Afghanistan gewährleistet wird.

Die Infrastruktur für die Bedürfnisse mentaler Gesundheit entwickelt sich langsam. So existieren z. B. in Mazar-e Sharif ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus

Mental erkrankte Personen können beim Roten Halbmond, in entsprechenden Krankenhäusern und bei anderen Nichtregierungsorganisationen behandelt werden. Einige dieser NGOs sind die International Psychological Organisation (IPSO) in Kabul, die Medica Afghanistan und die PARSA (BFA Staatendokumentation 4.2018).

1.5.5. Paschtunen:

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken.

Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht.

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pasht. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben.

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss.

Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen.

1.5.6. Rückkehrer:

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zuürckkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

1.5.7. Terroristische und aufständische Gruppierungen:

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Kollaborateure der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen. Im Grunde steht jeder auf der schwarzen Liste, der (aus Sicht der Taliban) ein "Übeltäter" ist, und dessen Identität und Anschrift die Taliban ausfindig machen können.

Es ist davon auszugehen, dass Sippenhaftung in Afghanistan ein weit verbreitetes Phänomen ist, und die Taliban neben Regierungsmitarbeitern, Sicherheitskräften und anderen, der Kollaboration oder "Spionage" bezichtigten Personen auch deren Angehörige gezielt verfolgen und bedrohen.

Eine solche Bedrohung liegt jedoch festgestelltermaßen beim Beschwerdeführer nicht vor und wird hiezu auf die Ausführungen in der Beweiswürdigung verwiesen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Herkunft, ethnischen und religiösen Zugehörigkeit sowie zu den Aufenthaltsorten, Familienangehörigen, Sprachkenntnissen, der Schulbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers beruhen auf dessen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des Asylverfahrens.

Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage geeigneter Dokumente nicht festgestellt werden. Die Angaben dienen zur Identifizierung im Asylverfahren.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Bereits die belangte Behörde wertete das Vorbringen des Beschwerdeführers betreffend eine asylrelevante Verfolgungsgefahr zusammenfassend aufgrund vager und unplausibler Angaben sowie aufgrund von Widersprüchen in der zeitlichen Abfolge der vorgebrachten Ereignisse als unglaubhaft. Im Laufe des Rechtsmittelverfahrens verstärkte sich der Eindruck der Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers noch, da sich im Rahmen der mündlichen Verhandlung weitere Ungereimtheiten im Vorbringen ergaben, welche der Beschwerdeführer nicht schlüssig zu erklären vermochte.

2.2.1. Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. hierzu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert; die Verwaltungsbehörde bzw. das BVwG können in ihrer Beweiswürdigung also durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen.

Eingangs der mündlichen Beschwerdeverhandlung führte der Beschwerdeführer aus, dass bei der "Erstbefragung" keine "Dolmetscherin" anwesend gewesen sei (gemeint ist richtigerweise die Einvernahme im Asylverfahren vor der belangten Behörde am 28.02.2018), die nicht Paschtu gesprochen hätte, sondern nur Persisch, und wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gegeben, etwaige Unklarheiten zu korrigieren.

Der Beschwerdeführer korrigierte in der Folge seine Aussagen zur vorgebrachten Entführung durch die Taliban dahingehend, dass diese nicht - wie ursprünglich protokolliert - mit einem Motorrad gekommen seien, sondern mit mehreren. Er hätte damals weiters gesagt, dass sein Vater gegen die Entführung eine Anzeige bei der Polizei erstattet hätte, im Protokoll würde dies jedoch ganz anders stehen (vgl. Aussagen des Beschwerdeführers, Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Seite 6). Weiters seien die Angaben über seine Familienangehörigen, hier lediglich die Anzahl seiner Onkel, sowie der Umstand, dass sein ältester Bruder drei Tage vor seiner eigenen Ausreise, gemeinsam mit dem Nachbarn seines Onkels mütterlicherseits nach Pakistan geschickt worden sei, die Taliban hätten ihn bereits gesucht und auch geschlagen.

Die Richtigkeit des Protokolles wurde von der Vertreterin des Beschwerdeführers nicht bestritten und vom erkennenden Richter auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht (vgl. Aussagen des Beschwerdeführers und der Vertreterin, Niederschrift der mündlichen Verhandlung, Seite 7).

Es wird im vorliegenden Fall zwar nicht verkannt, dass sich die Erstbefragung des Beschwerdeführers am 24.06.2017 nicht in erster Linie auf seine Fluchtgründe bezog, und diese daher grundsätzlich nur in aller Kürze angegeben und protokolliert werden. Im Fall des Beschwerdeführers gilt es jedoch beweiswürdigend hervorzuheben, dass er bei der Erstbefragung bereits umfangreiche Aussagen zu seinen Fluchtgründen tätigte und die Übersetzung durch einen Paschtu-sprechenden Dolmetscher erfolgte. An dieser Stelle gilt es ebenso auszuführen, dass er in der Befragung vor der belangten Behörde ein Herr als Dolmetscher für die Sprache Dari fungierte und der Beschwerdeführer angab, dass er Paschtu und Dari spreche (vgl. Aussage des Beschwerdeführers, Einvernahme im Asylverfahren am 28.02.2018, Seite 1).

Das Bundesverwaltungsgericht berücksichtigt im gesamten Beschwerdeverfahren den Umstand, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt des angeblich Erlebten minderjährig war, doch kann von einem damals ca. 15-Jährigen erwartet werden, solch dramatische Erlebnisse, sollten sie stattgefunden haben, ansatzweise wiederzugeben.

Es ist dem Beschwerdeführer aber sehr wohl vorzuwerfen, dass er in der Erstbefragung gar keine Angaben zu seiner im Laufe des Verfahrens vorgebrachten angeblichen Entführung seiner Person durch die Taliban getätigt hat, sondern sich auf die angebliche Ermordung seines Vaters wegen nicht erfolgter Kollaboration mit den Taliban beschränkte und detaillierte Angaben über die finanzielle Ermöglichung seiner Flucht tätigte (vgl. Aussagen des Beschwerdeführers, Erstbefragung nach AsylG, Seiten 5 und 6).

Die Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers wird daher bereits durch diesen Umstand massiv geschmälert.

2.2.2. Trotz der vom Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgenommenen "Richtigstellung" seiner bisherigen Aussagen, erwiesen sich die folgenden Aussagen des Beschwerdeführers im Laufe seines Asylverfahrens als unplausibel und im Ergebnis sein Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft:

Übereinstimmend mit seinen Angaben in der Erstbefragung, gab der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde an, dass nach der Ermordung seines Vaters das Haus der Familie von den Taliban angezündet worden sei und sie in der Folge beim Onkel Zuflucht gefunden hätten. Nach 25 Tagen sei er von der Taliban verschleppt worden und es sei ihm die Flucht gelungen. Er hätte zwei Tage beim Onkel verbracht und im Anschluss hätte er schlepperunterstützt seinen Herkunftsstaat verlassen.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung führte der Beschwerdeführer hingegen aus, dass er nach dem Niederbrennen des Elternhauses sechs Wochen bis zwei Monate bei seinem Onkel gelebt hätte, bis ihn die Taliban entführt hätten (vgl. Aussage des Beschwerdeführers, Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2019, Seite 11), in derselben Verhandlung kurze Zeit später auf diesen angeblichen Vorfall vom erkennenden Richter angesprochen, konnte sich der Beschwerdeführer jedoch nicht mehr erinnern, wie lange er sich bei seinem Onkel nach dem Brand aufgehalten habe (vgl. Aussage des Beschwerdeführers, Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2019, Seite 16), kurze Zeit danach meinte der Beschwerdeführer es seien ca. 1,5 Monate gewesen (vgl. Aussage des Beschwerdeführers, Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2019, Seite 16). Nach dieser Zeit sei er in der Nähe des Hauses seines Onkels eines Tages von Leuten, die auf drei Motorrädern gekommen seien, gefragt worden, ob er der Sohn des XXXX (seines Vaters) sei, was der Beschwerdeführer bejaht hätte. Sie hätten Waffen bei sich gehabt und er hätte keine Chance zur Flucht gehabt (vgl. Aussage des Beschwerdeführers, Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2019, Seite 17).

Bereits an dieser Stelle ist das bisherige Aussageverhalten des Beschwerdeführers unglaubwürdig: einerseits wegen der sich fortwährend ändernden Zeitangaben in derselben Befragung, andererseits ist nicht ersichtlich, warum der Beschwerdeführer fremden bewaffneten Personen seinen Namen preisgab, obwohl er doch, wie er angegeben hat, so große Angst gehabt hätte, dass er nicht mitbekommen habe, "wann der Tag und die Nacht kommen"(vgl. Aussage des Beschwerdeführers, Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2019, Seite 17). In diesem Zusammenhang ist es ebenfalls nicht glaubwürdig, dass die Taliban den Beschwerdeführer erst knapp zwei Monate nach der angeblichen Ermordung seines Vaters suchen würden, dies obwohl das Haus des Onkels lediglich 15 Minuten vom eigenen, angeblich abgebrannten, Haus entfernt gelegen sei (vgl. Aussage des Beschwerdeführers, Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2019, Seite 16). Die Taliban würden zwar nicht alle Familienmitglieder namentlich kennen, eine innerstaatliche Fluchtalternative würde jedoch aufgrund der guten Vernetzung der Taliban ausscheiden (vgl. Stellungnahme vom 26.04.2019, Seite 5). Diesen Ausführungen des Beschwerdeführers wird nicht gefolgt, denn würde man diesen Ausführungen folgen, ist es weder glaubhaft, dass sich der Beschwerdeführer ca. zwei Monate nach der Ermordung seines Vaters beim Onkel unbehelligt aufhalten hätte können, noch, dass er nach seiner angeblichen Flucht nach der Entführung weiterhin zwei Tage unbehelligt abermals beim Onkel gewohnt hätte.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung brachte der Beschwerdeführer weiters erstmals im Asylverfahren vor, dass auch sein Bruder entführt worden sei, ihm sei jedoch auch die Flucht gelungen (vgl. Aussage des Beschwerdeführers, Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 29.03.2019, Seite 16) und er sei nach Pakistan geschickt worden.

Auch hier gilt es, neben der Steigerung seines Fluchtvorbringens, dem Beschwerdeführer entgegenzuhalten, dass es aus beweiswürdigender Sicht nicht nachvollziehbar und im Ergebnis auch nicht glaubhaft ist, wieso nicht auch gleich nach diesem angeblichen Vorfall der Beschwerdeführer mitsamt seinem Bruder nach Pakistan in Sicherheit gebracht worden wäre und ist die gesamte Schilderung des Beschwerdeführers zu seiner Entführung aus den obgenannten Gründen nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer hat keine persönliche Wahrnehmung von der angeblichen Entführung seines Vaters und konnte aus diesem Grund die entsprechende Feststellung getroffen werden.

2.2.3. Aus einer Gesamtschau der oben angeführten Angaben des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren ergibt sich, dass eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus asylrelevanten Gründen in seinem Herkunftsstaat nicht glaubhaft gemacht werden konnte und nicht maßgeblich wahrscheinlich ist.

Es konnte weder eine konkret gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete asylrelevante Verfolgung festgestellt werden, noch sind im Verfahren sonst Anhaltspunkte hervorgekommen, die eine mögliche Verfolgung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat aus asylrelevanten Gründen bei einer Rückkehr für wahrscheinlich erscheinen lassen und waren die entsprechenden Feststellungen zu treffen. Beweismittel, die das Vorbringen des Beschwerdeführers untermauern würden, wurden nicht zur Vorlage gebracht.

2.3. Zu den Feststellungen zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Betreffend das Privatleben und insbesondere die Integration des Beschwerdeführers in Österreich wurden dessen Angaben in der Beschwerdeverhandlung sowie die vorgelegten Unterlagen den Feststellungen zugrunde gelegt.

Die Feststellung der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich.

2.4. Zu den Feststellungen zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Rückkehr des Beschwerdeführers nach Afghanistan ergeben sich aus den o.a. Länderfeststellungen unter Berücksichtigung des vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde, in seinen Stellungnahmen zur Gefährdungslage in Afghanistan diesbezüglich angeführten Länderberichtsmaterials in Zusammenschau mit den vom Beschwerdeführer glaubhaft dargelegten persönlichen Umständen.

Im Einklang mit seinen Stellungnahmen kommt der erkennende Richter unter Berücksichtigung der aktuellen Länderinformationen, wonach die Provinz Kunduz zu den relativ instabilen Provinzen Afghanistans zählt, die in den letzten Jahren eine Zunahme der durch Taliban verursachten Gewalt erlebt hat, zum Ergebnis, dass ihm eine Rückkehr in diese Provinz allein schon aufgrund der Sicherheitslage nicht möglich ist.

Dem Beschwerdeführer ist es hingegen möglich, in die Stadt Mazar-e Sharif als innerstaatliche Flucht- und Schutzalternative zurückzukehren. Mazar- e Sharif ist, wie aus den zitierten Länderfeststellungen zu entnehmen ist, für Zivilisten, wie es der Beschwerdeführer ist, weitgehend sicher, sodass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in diese Stadt mit keinen Eingriffen in seine körperliche Unversehrtheit zu rechnen hat. Sein Fluchtvorbringen wird, wie schon oben ausgeführt, als nicht glaubhaft erachtet, woraus sich ergibt, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht Gefahr laufen wird, aus einer individuellen Bedrohung ernsthaft Schaden zu nehmen. Eine Reise nach Mazar-e Sharif ist über den internationalen Flughafen sicher und legal möglich, die Kosten für die Anreise werden ihm im Rahmen der Rückkehrhilfe grundsätzlich ersetzt.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in der Lage sein wird, in Mazar- e Sharif für seine grundlegendsten Bedürfnisse selbst aufzukommen, obwohl er keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte in dieser Stadt hat, ergeben sich aus seinen eigenen Angaben im gegenständlichen Asylverfahren unter Berücksichtigung der dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationen. Laut den zitierten EASO Leitlinien vom Juni 2018 ist in der Stadt Mazar- e Sharif die Lebensmittelsicherheit gewährleistet und die darin unter Punkt 1.5.3.1 genannte Basisinfrastruktur steht dem Beschwerdeführer zur Verfügung. Derzeit liegen nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens in Mazar-e Sharif keine exzeptionellen Umstände vor, die annehmen lassen würden, dass der Beschwerdeführer dort keine Lebensgrundlage vorfindet, und von ihm die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können.

Aufgrund seiner schulischen und beruflichen Kenntnisse sind die Lebensgrundlage und die Existenz des Beschwerdeführers im Falle seiner Rückkehr bei Inanspruchnahme der angebotenen Rückkehrhilfe auch ohne soziales Netz und finanzielle Unterstützung durch seine Familie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausreichend gesichert.

Die diesbezüglichen Feststellungen decken sich auch mit den diesem Verfahren zugrundliegenden UNHCR Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018, wonach UNHCR der Auffassung ist, dass eine vorgeschlagene interne Schutzalternative nur dann zumutbar ist, wenn die Person Zugang zu (i) Unterkunft, (ii) grundlegender Versorgung wie sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung und (iii) Lebensgrundlagen hat oder über erwiesene und nachhaltige Unterstützung verfügt, die einen angemessenen Lebensstandard ermöglicht. UNHCR ist zwar der Auffassung, dass eine interne Schutzalternative nur dann als zumutbar angesehen werden kann, wenn die Person im voraussichtlichen Neuansiedlungsgebiet Zugang zu einem Unterstützungsnetzwerk durch Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder durch Mitglieder ihrer größeren ethnischen Gemeinschaft hat und man sich vergewissert hat, dass diese willens und in der Lage sind, den Antragsteller tatsächlich zu unterstützen. Die einzige Ausnahme von diesem Erfordernis der externen Unterstützung stellen nach Auffassung von UNHCR alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im erwerbsfähigen Alter ohne besonderen Gefährdungsfaktoren, wie es der Beschwerdeführer ist, dar. Diese Personen können unter bestimmten Umständen ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in städtischen und halbstädtischen Gebieten leben, die die notwendige Infrastruktur sowie Lebensgrundlagen zur Sicherung der Grundversorgung bieten und die unter der tatsächlichen Kontrolle des Staates stehen (vgl. S 134f der UNHCR Richtlinie vom 30.08.2019 in der deutschen Übersetzung).

Worin die vom Beschwerdeführer insbesondere in seiner Beschwerde und der Stellungnahme angeführte reale Gefahr der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan konkret liegt, vermochte der Beschwerdeführer nicht darzutun.

Im Gutachten von Stahlmann, welches der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 26.04.2019 zitiert, wird zwar der Schluss gezogen, dass alleine aufgrund der Anwesenheit einer Person in Afghanistan die Gefahr eines ernsthaften Schadens hinsichtlich ihres Lebens oder ihrer körperlichen Unversehrtheit bestehe. Dabei ist jedoch zu beachten, dass in diesem Gutachten eine subjektive Quellenauswahl und Quelleninterpretation vorgenommen wird. Von regionalen Einzelfällen werden Rückschlüsse auf die Situation in Afghanistan landesweit gezogen. Die Gutachterin trifft zur Sicherheitslage in Afghanistan teilweise nur sehr allgemein gehaltene Aussagen, die im Übrigen einer rechtlichen Beurteilung gleichkommen, und lässt dabei vor allem regionale Unterschiede zwischen den einzelnen Provinzen vollkommen außer Acht. Insbesondere weist das Gutachten von Stahlmann nicht denselben Beweiswert für das erkennende Gericht auf, wie länderkundliche Informationen (z.B. Länderinformationsblatt, UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2019, EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018), die einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat durchliefen, und vermag daher die auf objektiven und für jedermann nachvollziehbaren Quellen beruhenden Länderinformationen nicht zu entkräften.

Im gegenständlichen Verfahren nahm das Bundesverwaltungsgericht eine individuelle Einzelfallprüfung vor, wie sie sowohl von EASO als auch von UNHCR für die Annahme einer innerstaatlichen Flucht- und Schutzalternative gefordert wird. Das erkennende Gericht kommt zu dem Schluss, dass entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers, in seinem Fall eine Rückkehr nach Afghanistan möglich und zumutbar ist.

Der Beschwerdeführer leidet an einer posttraumatischen Belastungsstörung und nimmt wegen Schlafstörungen Medikamente ein. Ausgehend von diesen Ermittlungsergebnissen wird keine Feststellung getroffen, dass der Beschwerdeführer auch im Falle seiner Rückkehr aufgrund seines Gesundheitszustandes in einen unmittelbaren lebensbedrohlichen Zustand geraten wird bzw. dass keine Gründe gesundheitlicher Natur einer Rückführung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat entgegenstehen.

2.5. Zu den Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan:

Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums wie beispielsweise die Accord Anfragebeantwortung vom 26.07.2019 betreffend Sicherheitslage und sozioökonomischer Lage in Herat und Mazar-e Sharif, für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Die Parteien des Verfahrens haben alle genannten Länderinformationen mit der Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme vom erkennenden Gericht übermittelt bekommen und haben von diesem Recht auch teilweise Gebrauch gemacht.

Die vom Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme zitierten Länderinformationen finden Großteils Deckung in dem von der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl erstellten Länderinformationen zu Afghanistan.

Insoweit in der Stellungnahme vom 26.04.2019 auf die schlechte Sicherheitslage in Kabul Bezug genommen wird, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer, folgend der Empfehlung der UNHCR Richtlinie vom 30.08.2018, auf eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Mazar-e Sharif, nicht jedoch nach Kabul verwiesen wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Artikel 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Artikel 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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