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20/02 Familienrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1970 geborenen K M, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Jänner 1996, Zl. 111.207/3-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte beim österreichischen Generalkonsulat in Krakau einen mit 4. August 1994 datierten, als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 11. August 1994 beim Magistrat der Stadt Wien einlangte. Als Aufenthaltszweck gab der Beschwerdeführer "Familienzusammenführung bzw. Familiengemeinschaft", und zwar mit seiner Ehegattin, einer österreichischen Staatsbürgerin, an.
Mit Bescheid vom 12. September 1994 wies der Landeshauptmann von Wien den Antrag gemäß § 9 Abs. 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Die Übernahme des Bescheides durch den Beschwerdeführer erfolgte am 27. Dezember 1994 in Krakau (vgl. OZ 21 des Verwaltungsaktes).
Der Beschwerdeführer erhob Berufung und brachte vor, er sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, verfüge im
22. Wiener Gemeindebezirk über eine Unterkunft und durch Anstellung bei einem Unternehmen in Wien über genügende finanzielle Mittel für seinen Lebensunterhalt.
Mit Schreiben vom 21. November 1995 teilte der Magistrat der Stadt Wien dem Bundesministerium für Inneres mit, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers seit 28. August 1995 in einem Obdachlosenheim wohne. Es werde daher angenommen, "daß der Antragsteller und die Ehegattin nicht in einem gemeinsamen Haushalt leben" (vgl. OZ. 30 des Verwaltungsaktes).
Mit Bescheid vom 30. Jänner 1996 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres wörtlich folgendes aus:
"Auf Grund der Ihrem Antrag beigelegten Heiratsurkunde ist ersichtlich, daß Sie am 16.05.1994 eine österreichische Staatsbürgerin ehelichten.
Ihre Gattin wohnt seit 28.08.1995 in einem Obdachlosenheim (Kastanienallee 2). Daher wird angenommen, daß Sie mit Ihrer Ehefrau nicht im gemeinsamen Haushalt leben. Es besteht der berechtigte Verdacht, daß die Ehe zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen eingegangen wurde."
Weiters führte der Bundesminister für Inneres aus, nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stelle die rechtsmißbräuchliche Eingehung einer Ehe durch einen Fremden zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen ein Verhalten dar, welches dazu führt, daß die öffentliche Ordnung durch den weiteren Aufenthalt des Fremden in Österreich gefährdet wäre. "Auf Grund des angeführten Sachverhaltes und der eindeutigen Rechtsprechung" sei der Antrag gemäß § 5 Abs. 1 AufG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG abzulehnen und der Beschwerdeführer vom weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet auszuschließen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich erkennbar in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt. Seit dem 16. Mai 1994 sei er mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Er habe seit der Zeit der Beziehung zu seiner Ehegattin ab ca. März 1994 immer dann mit seiner Ehegattin zusammengewohnt, wenn er sich in Wien aufgehalten habe. Als diese jedoch im August 1995 delogiert worden sei, habe sie mangels anderer Wohnmöglichkeit die von der Behörde genannte Notunterkunft vorübergehend in Anspruch nehmen müssen. Hätte ihm die belangte Behörde die den Bescheid tragende Annahme vorgehalten, hätte er dies darlegen können und zudem darauf hinweisen können, daß seine Ehegattin ab Oktober 1995 bereits eine reguläre Wohnung im 5. Wiener Gemeindebezirk bewohne.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 14. Februar 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.
§ 5 Abs. 1 AufG lautete (auszugsweise):
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, ..."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Eingehen einer Ehe nur zum Schein, um sich eine fremdenrechtlich bedeutsame Bewilligung zu verschaffen, ein Verhalten, das eine gravierende Mißachtung der den Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet regelnden Vorschriften bildet. Es rechtfertigt grundsätzlich die Annahme, der weitere Aufenthalt des Fremden werde die öffentliche Ordnung im Sinne des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG gefährden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. November 1996, Zl. 96/19/1601 mwN). Voraussetzung für die Annahme dieser fremdenrechtlichen Konsequenz ist allerdings die eindeutige (vgl. das eben zitierte hg. Erkenntnis) und mängelfreie Feststellung, daß die Ehe in der Absicht geschlossen wurde, die Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Bewilligungen zumindest (erheblich) zu erleichtern. Für die Entscheidung der Aufenthaltsbehörde über das Vorliegen des dargestellten Grundes für die Versagung einer Aufenthaltsbewilligung ist die Frage, ob ein derartiges Verhalten eines Fremden vorliegt, als Vorfrage zu beurteilen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. September 1996, Zl. 96/19/1651).
Der angefochtene Bescheid enthält ausschließlich die Feststellungen, der Beschwerdeführer habe am 16. Mai 1994 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet und diese wohne seit dem 28. August 1995 in einem Obdachlosenheim. Die belangte Behörde zieht daraus erkennbar den Schluß, daß der Beschwerdeführer nicht im gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau lebt.
Auf der Grundlage dieser Bescheidfeststellungen ist die rechtliche Schlußfolgerung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe seine Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin nur eingegangen, um fremdenrechtlich bedeutsame Berechtigungen zu erlangen, jedoch nicht nachvollziehbar. Dies wird schon durch die Überlegung verdeutlicht, daß Fremde, die Anträge auf Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG vom Ausland aus stellen und die Entscheidung über diese Anträge auch vom Ausland aus abwarten, nicht im gemeinsamen Haushalt mit einer (in Österreich aufhältigen) österreichischen Ehegattin leben können. Da gemäß § 3 Abs. 1 Z. 1 AufG für derartige Fremde jedoch unter bestimmten Voraussetzungen ein Rechtsanspruch auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung besteht, und zwar auch dann, wenn der österreichische Ehegatte in Österreich seinen Hauptwohnsitz hat, so rechtfertigt die bloße Tatsache eines nicht gemeinsamen Haushaltes für sich nicht ohne weiteres die rechtliche Beurteilung, die Ehe sei zur Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen eingegangen worden, weshalb der Aufenthalt des Antragstellers die Ruhe, Ordnung oder Sicherheit im Bundesgebiet gemäß § 5 Abs. 1 FrG gefährde.
Der angefochtene Bescheid ist daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 11. September 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996190931.X00Im RIS seit
02.05.2001