TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/9 W122 2198742-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.08.2019
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Entscheidungsdatum

09.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §55

Spruch

W122 2198742-1/18E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor ERNSTBRUNNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.05.2018, Zahl: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.07.2019 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge kurz "BF"), ein afghanischer Staatsbürger, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.11.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen der am 14.11.2016 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der BF an, dass er Afghanistan aufgrund der Sicherheitslage verlassen habe. Dort herrsche Krieg und gebe immer wieder Anschläge. Er habe bei einem Bombenanschlag ein Auge verloren und sein linkes Ohr sei ebenfalls taub. Er habe Angst davor, dass er umgebracht werde.

3. Am 22.06.2016 erging ein rechtsmedizinisches Sachverständigengutachten zur Tatsachenfeststellung, ob der BF als Minderjähriger oder Volljähriger anzusehen sei. Dieses kam zum Schluss, dass der BF bereits volljährig sei und setzte den spätestmöglichen Geburtstermin des BF mit XXXX fest.

4. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge kurz "BFA") am 09.05.2018 legte der BF an Unterlagen eine Besuchsbestätigung eines Deutschtrainings und ein Teilnahmezertifikat von "Men Talk". Nach der Einvernahme wurden noch eine Besuchsbestätigung an einem Alphabetisierungskurs und eine Teilnahmebestätigung an einem Taufvorbereitungskurs nachgereicht.

Er sei gesund und würde die Sprache Dari verstehen. Außerdem sei der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung des Islams angehörig. Er sei ledig und habe in Afghanistan mit seiner Mutter, seinen fünf Brüdern und seinen beiden Schwestern in Kabul zusammengelebt. Ein Bruder sei mittlerweile in den Iran gegangen. Die restliche Familie sei immer noch in Kabul aufhältig. Dorthin sei die Familie aus der Provinz Parwan gezogen, wie er im neunten Lebensjahr gewesen sei. Er stünde in Kontakt mit seiner Familie und es würde ihr gut gehen. Er selbst sei nur ein Jahr in die Schule gegangen und danach ein paar Jahre im Baugewerbe tätig gewesen. Er sei von Afghanistan aus über den Iran und die Türkei nach Europa gekommen. Afghanistan habe er aus religiösen Gründen verlassen. Mohammed sei für ihn kein Prophet, denn der Islam sei weder friedlich noch gebe es in dieser Religion eine Gleichberechtigung der Geschlechter. Um dies zu sagen, habe er bei der Erstbefragung noch keinen Mut gehabt. Mittlerweile habe er mit dem Christentum einen neuen Glauben gefunden. Er habe vor zu konvertieren und besuche bereits seit einem Monat die Kirche. Er sei in Europa mit dem Christentum in Berührung gekommen. Er glaube an Jesus und daran, dass im Christentum die Wahrheit gesagt werde, wobei der BF sonstige etwas mehr in die Tiefe gehende Fragen zum Christentum nicht richtig beantworten habe können. Eine Rückkehr zum Islam oder nach Afghanistan könne er sich nicht mehr vorstellen. Im Falle einer Rückkehr würde er als Konvertit allerdings sofort umgebracht werden. Seiner Familie habe er von der Absicht, den Glauben wechseln zu wollen, aus Angst davor, noch nichts gesagt. Auch zu anderen Afghanen in Österreich habe er wegen der Kirche keinen guten Kontakt. Er sei weder in Afghanistan noch in Österreich strafrechtlich verurteilt. In Afghanistan habe er wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit keine Probleme gehabt, jedoch habe ihn ein Räuber aufgrund seiner schiitischen Religionszugehörigkeit umbringen wollen. Dieser Vorfall habe sich vor vier Jahren ereignet, sei aber nicht fluchtauslösend gewesen. Es sei auch nicht politisch aktiv gewesen.

5. Mit Bescheid vom 30.05.2018 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des BF 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.). Begründend wurde festgehalten, dass das Vorbingen in der Erstbefragung, nämlich Afghanistan aufgrund der vorherrschenden Sicherheitslage verlassen zu haben, völlig unterschiedlich zu seinem in der Einvernahme vorgebrachten Fluchtgrund, nämlich der Abfall von der islamischen Glaubensgemeinschaft, gewesen sei. Gegen eine Glaubwürdigkeit des Vorbringens eines Nachfluchtgrundes aus religiösen Gründen würde es sprechen, dass der BF im Verfahren vor dem BFA noch immer angegeben habe, der islamischen Glaubensgemeinschaft anzugehören und er über kein Wissen betreffend das Christentum verfügen würde. Auch habe der persönliche Eindruck in der Einvernahme nahegelegt, dass BF die wahre Bedeutung des Christentums nicht erkannt habe, sondern es wahrscheinlich sei, dass der BF lediglich ein Rückkehrhindernis habe künstlich erzeugen wollen. Auch würde dies das vorgelegte Schreiben indizieren, denn dessen Inhalt sei zu entnehmen, dass der BF lediglich einen Vorbereitungskurs auf das Katechumenat besuchen würde. Daher habe er sich während seines eineinhalbjährigen Aufenthalts nicht intensiv mit dem Christentum auseinandergesetzt.

6. Mit Verfahrensanordnung vom 01.06.2018 wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG der Verein Menschenrechte Österreich für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt. Ebenso wurde mit Verfahrensanordnung vom 01.06.2018 ein Rückkehrberatungsgespräch gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG angeordnet.

7. Gegen den Bescheid des BFA richtete sich die am 12.06.2018 beim BFA eingelangte und fristgerecht erhobene Beschwerde. In dieser wurde festgehalten, dass der BF seine Fluchtgründe detailliert dargelegt und er am Verfahren mitgewirkt habe. Daher habe es die belangte Behörde unterlassen den wesentlichen Sachverhalt zu ermitteln, weshalb der angefochtene Bescheid an einem schwerwiegenden Verfahrensmangel leiden würde. Aufgrund des in Afghanistan vorherrschenden innerstaatlichen Konflikts hätte dem BF zumindest subsidiärer Schutz gewährt werden müssen.

8. Die gegenständliche Beschwerde und der bezugshabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge kurz "BVwG") am 14.06.2018 vom BFA vorgelegt.

9. Mit Eingaben vom 27.08.2018 und 05.11.2018 wurden dem BVwG Bilder vom BF, die ihn bei kirchlichen Veranstaltungen zeigen, zwei Bestätigungen über ehrenamtliche Tätigkeiten sowie die Bestätigung über die Teilnahme an der Sommerakademie eines Bildungszentrums und einer Teilnahme an der Taufvorbereitung vorgelegt.

10. Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 04.07.2019 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der BF im Beisein seines bevollmächtigten Vertreters persönlich teilnahm. Ebenso war eine Zeugin anwesend. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil.

Zu Beginn legte der BF ein Unterstützungsschreiben, ein Bestätigungsschreiben bezüglich ehrenamtlicher Mitarbeit, einen Terminplan der Sommerakademie 2019 zur Vertiefung des christlichen Glaubens und eine Teilnahmebestätigung an einem kirchlichen Projekt vor. Dies wurde auch durch zahlreiche Fotos bescheinigt.

Der BF gab an, dass er gesund sei, er jedoch keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegen könne. Er sei afghanischer Staatsangehöriger und ledig. Er würde der Volksgruppe der Hazara angehören und stamme ursprünglich aus einer schiitisch-muslimischen Familie ab. Mittlerweile sei er aber römisch-katholischer Christ, weshalb er in seiner Heimat Probleme hätte. Er habe Sprachkenntnisse in Dari und Farsi, wobei er auch noch ein wenig Deutsch auf dem Niveau A2 spreche. Dieses Niveau könne er aber nicht durch abgelegte Prüfungen bezeugen.

In Afghanistan würden seine Mutter, seine fünf Brüder und seine beiden Schwestern allesamt in Kabul aufhältig sein. Ihnen würde es wirtschaftlich gut gehen. Zahlreiche Onkeln und Tanten des BF würden sich ebenfalls in und um Kabul aufhalten.

Auf die Frage, was der religiöse Hintergrund der Veranstaltung gewesen sei, die den BF auf den Bildern zeige, konnte der BF nicht angeben, dass es hierbei um die Fronleichnamsprozession gehandelt habe, wobei der BF meinte, dass er in Deutsch noch Verständigungsschwierigkeiten habe. Der BF vermutete Jesus in einem Spiegel und dadurch bekomme er beim täglichen Beten auch seine innere Ruhe. Auf Nachfrage, was der BF unter dem Spiegel verstehe, antwortete dieser, dass dies nicht Spiegel, sondern Ministrant heiße. Ein Ministrant sei ein großes Kreuz aus Holz, das während des Gebets geöffnet werde, um Jesus näher zu sein. Auf Anmerkung des Richters, ob er vielleicht eine Monstranz meine, entschuldigte sich der BF, dass er diese Begriffe verwechselt habe. Die Frage, was eine Monstranz für ihn bedeute, beantwortete der BF zuerst mit einer Gegenfrage, um danach - nach einer Belehrung durch den erkennenden Richter - auszuführen, dass er durch eine Monstranz näher zu Jesus Christus sei und er dabei eine spezielle innere Ruhe fühle. Er fühle sich immer nahe zu Jesus Christus, jedoch fühle er sich in der Kirche ihm noch näher. In der Messe sei dies der Zeitpunkt, wenn er nach vorne gehe und sich niederknie. Dabei werde auch vom Pfarrer das Vater unser gebetet. Auf Nachfrage, ob es einen Moment gebe, wo er Gott noch näher sei als beim Beten des Vater unser, führte der BF aus, dass er beim Eintritt in die Kirche Respekt erweise und er die gesamte Messe bis zum Ende eine starke Nähe zu Gott spüre.

Er würde das Wort Sakrament kennen und wissen, dass es sieben davon gebe. Ihm würden aber jetzt nur die Taufe und die Vergebung einfallen, weil er unter Stress stehen würde. Bei der Messe würde er auch Brot bekommen, dies sei der Körper von Jesus Christus. Die Frage des Richters, ob er da nicht Jesus Christus am nächsten sei, beantwortete er mit der Gegenfrage "ohja, wieso nicht?" Er fühle sich aber während der gesamten Messe Jesus Christus sehr nahe. Seitdem er die Taufe habe, dürfe er den Köper von Jesus Christus essen. Auf Vorhalt, dass die Taufe noch nicht reiche, um an der Kommunion teilzunehmen, ergänzte der BF seine Angaben dahingehend, dass er auch die Katechumene abgeschlossen habe. Als er nach Europa gekommen sei, habe er in die Kirche gehen wollen. Die Absicht hierzu, habe er bereits in Afghanistan gefasst gehabt. Dort habe er auf der Internetseite "youtube" über die Wunder von Jesus Christus erfahren. Ebenso habe er dort erfahren, dass das Christentum von Liebe handeln würde, die es im Islam nicht gebe, weil dort Tötungen vorkommen würden. Die ihm gestellte Frage, ob er sich auch mit dem Islam europäischer Prägung auseinandergesetzt habe, beantwortete der BF ausweichend, dass er zum islamischen Glauben gedrängt worden sei und er nicht daran glauben würde. So sei Mohammed für ihn auch kein Prophet gewesen. Von seinen afghanischen Freunden in Österreich seien die meisten Christen. Mit den muslimischen Afghanen könne er nur mit einem gewissen Teil von ihnen über das Christentum sprechen.

Der Begriff Opfer bedeute für ihn, dass die Sünden vergeben werden würden. Diese würden vergeben werden, in dem man an Jesus Christus glauben würde. Auf Nachfrage, dass er bereits das Sakrament der Vergebung bzw. Buße genannt habe, führte der BF aus, dass er darüber noch nichts informativ gelernt habe, er jedoch das Bußsakrament bereits abgelegt habe. Dies sei eine Woche nach Pfingsten gewesen, wobei viele Leute da gewesen wären und gebetet hätten. Er sei draußen gestanden sei, weil es drinnen keinen Platz mehr gegeben habe. Da er in der Taufvorbereitung keinen Dolmetsch gehabt habe, habe er vieles dabei nicht verstanden, aber er versuche die Sprache zu erlernen und auch vieles in der Religion.

Die Frage, was er vom Leben Jesus Christus- erzählen könne, beantwortet der BF zuerst mit einer Gegenfrage, um danach auszuführen, dass dieser in einem Stall in Jerusalem geboren worden wäre. Er habe die Kranken geheilt, die Toten wiederauferweckt und Wasser zu Wein gemacht. Er habe sich auch für uns geopfert. Dies würde zu Weihnachten gefeiert werden. Auf Nachfrage gab der BF an, dass dies nicht zu Weihnachten, sondern zu Pfingsten gefeiert werde. Erst auf erneute Nachfrage, was denn zu Ostern geschehe, führte der BF aus, dass Jesus am Freitag sterben und am Sonntag von den Toten auferstehen würde. Auf Nachfrage warum Jesus Wasser in Wein verwandelt habe, gab der BF an, dass er den Grund dafür nicht kenne.

Zu seinem Leben in Afghanistan befragt, gab der BF an, dass er dort nicht in die Schule gegangen sei und er dort als Maurer gearbeitet habe. Deutsch würde er auf dem Niveau A2 sprechen, jedoch möchte er eine Prüfung erst später ablegen, um dabei eine gute Bewertung erlangen zu können. In Österreich habe er nur bei der Gemeinde gearbeitet und Deutschkurse besucht. Verwandte habe er hier nicht, lediglich Freunde. Die Religion und die Leute würden ihn an Österreich binden. Seinen Unterhalt würde er von dem von der Caritas erhaltenen Geld bestreiten.

Zur Kirche sei er ungefähr vor einem Jahr und drei Monaten gekommen. Mittlerweile sei er getauft worden. Der Glaubenswechsel habe bei ihm zu einer inneren Ruhe geführt. Im Gegensatz zu Mohammed, der Kriege geführt habe, habe Jesus über die Liebe gesprochen. Er habe auch in Afghanistan nicht an den Islam geglaubt, jedoch sei er gezwungen worden, dort in eine Moschee zu gehen. Die Frage des Richters, was passieren würde, wenn er wieder in Kabul ab und an in eine Moschee gehen würde, beantwortete der BF nach Nachfrage mit: "Er würde es nicht mögen."

Er würde oft an kirchlichen Veranstaltungen teilnehmen und sei vor zwei Wochen das letzte Mal in der Kirche gewesen. Wenn er nicht in die Kirche gehe, dann würde er sich unwohl fühlen. Nach Afghanistan könne er nicht mehr zurück, denn dort würde er am Tag nach der Ankunft getötet werden, zumal er seinen Glauben dort nicht verheimlichen würde. Auf Nachfrage, dass er gesagt habe, dass ein Österreich mit Afghanen, die sich nicht dafür interessieren würden, nicht über das Christentum sprechen würde, führte der BF aus, dass er sich nicht zurückhalten könne, wenn jemand auf dem falschen Weg unterwegs sei.

Die Zeugin wurde eingehend befragt, ob die Taufvorbereitung ausschließlich auf Deutsch stattgefunden habe. Sie beantwortet dies dahingehend, dass es einen Dolmetsch für Farsi gegeben habe, doch als dieser einen positiven Asylbescheid gehabt hätte, habe er anderwertig zu arbeiten begonnen. Für die Verinnerlichung des christlichen Glaubens seien die Dreifaltigkeit und Taufe unabdingbar. Bei der Erwachsenentaufe würde die Vertiefung in die Religion auch danach fortgesetzt werden. Der BF dürfe die Kommunion empfangen und sei innerlich ein überzeugter Christ. Seine Taufpatin sei eine 87 Jahre alte Frau, die schon einige Asylwerber auf dem Weg zur Taufe begleitet habe. In der fortgesetzten Befragung des BF führte dieser aus, dass er seiner Familie noch nicht von seiner Konversion erzählt habe. Darauf angesprochen, dass er angegeben habe, in Afghanistan Fremden über das Christentum erzählen zu wollen, führte er aus, dass er dies bei einer Rückkehr nach Afghanistan zuerst mit seiner Familie tun würde. Seine Mutter würde Christen als Ungläubige bezeichnen, die man töten müsse. Dies würde übrigens auch die afghanische Regierung so sehen. Ob es in Afghanistan christliche Kirchen geben würde, wisse er nicht. Er wisse aber, dass die Bibel aus altem und neuem Testament bestehen würde, allerdings kenne er von den Evangelisten nur Johannes. Ohne Kirchenbesuch würde er sich innerlich unruhig fühlen. In Afghanistan könne er nicht mehr leben, weil er aus innerer Überzeugung Christ geworden sei. Auf die Frage der wichtigsten christlichen Feiertage, gab der BF an, die Geburt von Jesus Christus, die Auferstehung, Ostern und Pfingsten. Andere Feiertage kenne er nicht. Ostern würde von Freitag bis Sonntag dauern. Das letzte Weihnachten habe er so gefeiert, indem es am Vortag in der Kirche ein Fest gegeben habe. Er könne das Vater unser auf Deutsch und Dari und das Glaubensbekenntnis auf Dari beten.

11. Der BF legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Teilnahmebestätigung an einem Deutschtraining und einem Alphabetisierungskurs

* Bestätigungen über ehrenamtliche Tätigkeiten

* Bestätigungen über die Teilnahme an Taufvorbereitungskursen

* Bestätigungen über die Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen und Kursen

* Unterstützungsschreiben

* Fotos bei der Teilnahme an kirchlichen Veranstaltungen

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest.

1.1. Zum sozialen Hintergrund des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und kam als der schiitischen Glaubensrichtung des Islams zugehörig ins Bundesgebiet, wo er mittlerweile zum christlichen Glauben konvertiert zu sein scheint. Die Muttersprache des BF ist Dari, wobei der BF auch Farsi und ein wenig Deutsch spricht. Er ist im erwerbsfähigen Alter und gesund.

Der BF wurde seinen Angaben nach im Distrikt Shek Ali, in der Provinz Parwan geboren. Er ist im neunten Lebensjahr mit seinen Eltern und seinen Geschwistern nach Kabul gezogen, wo er sich bis zu seiner Ausreise aufgehalten hat. Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Seine Mutter, seine fünf Brüder und seine beiden Schwestern sind in Kabul aufhältig. Zahlreiche weitschichtige Verwandte würden ebenfalls in Afghanistan und zwar in und um Kabul leben. Die wirtschaftliche Situation seiner Familie ist gut.

Der BF ist in Österreich unbescholten. Nach seinen eigenen Angaben ist er auch in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft und hatte bis zu seiner Ausreise keine Probleme aufgrund seiner Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit sowie mit Behörden und war politisch nicht aktiv.

Der BF ist nach seiner Ausreise aus Afghanistan über den Iran und die Türkei nach Europa gereist, wo er sich schließlich in Österreich niedergelassen hat.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF stellte am 14.11.2016 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründet der BF im Wesentlichen damit, dass er Afghanistan aufgrund der schlechten Sicherheitslage verlassen habe. Erst in der Einvernahme vor dem BFA führte der BF aus, dass er sich für das Christentum interessiere und er beabsichtige zu konvertieren. Im Laufe des weiteren Verfahrens berief sich der BF dann ausschließlich darauf, dass er zum Christentum konvertiert sei und er dies bereits verinnerlicht hätte.

Festgestellt wird, dass sich der BF in Österreich für das Christentum zu interessieren begonnen hat und er an zahlreichen kirchlichen Veranstaltungen teilgenommen hat. Es wird ebenso festgestellt, dass der BF das Katechumenat zur Vorbereitung der Taufe 2019 besucht hat und er am Ostersonntag getauft wurde.

Festgestellt wird, dass der BF seiner Familie in Afghanistan nicht von seiner Taufe erzählt hat. Es wird festgestellt, dass der christliche Glaube kein wesentlicher Bestandteil der Identität des BF geworden ist. Es wird daher festgestellt werden, dass der BF seinem derzeitigen Interesse für den christlichen Glauben im Falle der Rückkehr nach Afghanistan nicht nachkommen würde. Es wird festgestellt, dass die afghanischen Behörden und das persönliche Umfeld des BF in Afghanistan von dessen Glaubenswechsel und christlichem Engagement bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Kenntnis erlangen würden. Es wird festgestellt, dass der BF im Falle der Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines ausschließlich in Österreich vorgegebenen Interesses für den christlichen Glauben keiner psychischer und/oder physischer Gewalt ausgesetzt ist.

Dem BF droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgung aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung. Es kann festgestellt werden, dass der BF keiner konkreten Verfolgung oder Bedrohung in Afghanistan ausgesetzt ist oder eine solche, im Falle seiner Rückkehr, zu befürchten hätte.

Es wird festgestellt, dass der BF im Falle der Rückkehr in die Städte Herat oder Mazar-e Sharif keine Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose beziehungsweise existenzbedrohende Situation zu geraten.

1.3. Zur Situation im Fall einer Rückkehr des BF:

Im Falle einer Verbringung des BF in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (in der Folge EMRK), oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Dem BF steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in der Stadt Herat und der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung, auch wenn der BF bis zu seiner Ausreise weder in Mazar-e Sharif noch in Herat gelebt hat. Der BF kann sowohl Mazar-e Sharif als auch Herat von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr des BF nach Mazar-e Sharif oder Herat ausschließen, konnten nicht festgestellt werden. Der BF leidet an keiner ernsthaften Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würde; er ist gesund. Es bestehen keine Zweifel an der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit des BF.

Der BF liefe im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er ist in der Lage, in Mazar-e Sharif oder Herat eine einfache Unterkunft zu finden bzw. am Erwerbsleben teilzunehmen. Zudem verfügt der BF über eine langjährige Berufserfahrung.

Der BF hat die Möglichkeit, finanzielle Unterstützung in Form einer Rückkehrhilfe in Anspruch zu nehmen. Der BF wurde in der Beschwerdeverhandlung über die Rückkehrunterstützungen und Reintegrationsmaßnahmen in Kenntnis gesetzt.

In diesem Zusammenhang kann festgestellt werden, dass der BF bei einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat beim Aufbau einer Existenzgrundlage von Familienangehörigen bzw. sonstigen Personen unterstützt wird, zumal seine Familie in Kabul lebt.

Der BF verfügt über ein überdurchschnittliches Maß an Anpassungs- und Selbsterhaltungsfähigkeit.

Der BF ist mit den kulturellen Gepflogenheiten und der Sprache seines Herkunftsstaates vertraut und in seinem Herkunftsland auch in einem afghanisch geprägten Umfeld aufgewachsen.

1.4. Zum Leben in Österreich:

Der BF hält sich seit November 2016 in Österreich auf.

Der BF hat keine weiteren Familienangehörigen in Österreich.

Der BF pflegt in Österreich freundschaftliche Beziehungen zu Österreichern und Afghanen. Darüber hinaus konnten keine weiteren substanziellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens (wie z. B. Beziehungen, Lebensgemeinschaften) festgestellt werden. Der BF ist kein Mitglied von politischen Parteien und war auch sonst nicht politisch aktiv. Neben den erwähnten Freundschaften, ist der BF, abgesehen von seinem Engagement für die Kirche, kein Mitglied von Vereinen.

Der BF besucht zwischenzeitlich diverse Deutschkurse und weist dies durch die Teilnahmebestätigungen nach. Er ist teilweise in der Lage, in einfachen Situationen des Alltagslebens auf elementarer Basis auf Deutsch zu kommunizieren. Das Niveau seiner Sprachkenntnisse beschränkt sich mit dem Niveau A2.

Der BF war bisher in Österreich nicht erwerbstätig und ist auch nicht strafrechtlich verurteilt worden. Der BF lebt von der Grundversorgung und ist in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.5.1. KI vom 26.3.2019, Anschläge in Kabul, Überflutungen und Dürre, Friedensgespräche, Präsidentschaftswahl

Bei einem Selbstmordanschlag während des persischen Neujahres-Fests Nowruz in Kabul-Stadt kamen am 21.3.2019 sechs Menschen ums Leben und weitere 23 wurden verletzt (AJ 21.3.2019, Reuters 21.3.2019). Die Detonation erfolgte in der Nähe der Universität Kabul und des Karte Sakhi Schreins, in einer mehrheitlich von Schiiten bewohnten Gegend.

Überflutungen und Dürre

Nach schweren Regenfällen in 14 afghanischen Provinzen kamen mindestens 63 Menschen ums Leben. In den Provinzen Farah, Kandahar, Helmand, Herat, Kapisa, Parwan, Zabul und Kabul, wurden ca. 5.000 Häuser zerstört und 7.500 beschädigt (UN OCHA 19.3.2019). Dem Amt für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten der Vereinten Nationen (UN OCHA) zufolge waren mit Stand 19.3.2019 in der Provinz Herat die Distrikte Ghorvan, Zendejan, Pashtoon Zarghoon, Shindand, Guzarah und Baland Shahi betroffen (UN OCHA 19.3.2019). Die Überflutungen folgten einer im April 2018 begonnen Dürre, von der die Provinzen Badghis und Herat am meisten betroffen waren und von deren Folgen (z.B. Landflucht in die naheliegenden urbanen Zentren, Anm.) sie es weiterhin sind. Gemäß einer Quelle wurden in den beiden Provinzen am 13.9.2018 ca. 266.000 IDPs vertrieben: Davon zogen 84.000 Personen nach Herat-Stadt und 94.945 nach Qala-e-Naw, wo sie sich in den Randgebieten oder in Notunterkünften innerhalb der Städte ansiedelten und auf humanitäre Hilfe angewiesen sind (IFRCRCS 17.3.2019).

Friedensgespräche

Kurz nach der Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und Vertretern der USA in Katar Ende Jänner 2019 fand Anfang Februar in Moskau ein Treffen zwischen Taliban und bekannten afghanischen Politikern der Opposition, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehrere "Warlords", statt (Qantara 12.2.201). Quellen zufolge wurde das Treffen von der afghanischen Diaspora in Russland organisiert. Taliban-Verhandlungsführer Sher Muhammad Abbas Stanaksai wiederholte während des Treffens schon bekannte Positionen wie die Verteidigung des "Dschihad" gegen die "US-Besatzer" und die gleichzeitige Weiterführung der Gespräche mit den USA. Des Weiteren verkündete er, dass die Taliban die Schaffung eines "islamischen Regierungssystems mit allen Afghanen" wollten, obwohl sie dennoch keine "exklusive Herrschaft" anstrebten. Auch bezeichnete er die bestehende afghanische Verfassung als "Haupthindernis für den Frieden", da sie "vom Westen aufgezwungen wurde"; Weiters forderten die Taliban die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Führer und die Freilassung ihrer gefangenen Kämpfer und bekannten sich zur Nichteinmischung in Angelegenheiten anderer Länder, zur Bekämpfung des Drogenhandels, zur Vermeidung ziviler Kriegsopfer und zu Frauenrechten. Diesbezüglich aber nur zu jenen, "die im Islam vorgesehen seien" (z.B. lernen, studieren und sich den Ehemann selbst auswählen). In dieser Hinsicht kritisierten sie dennoch, dass "im Namen der Frauenrechte Unmoral verbreitet und afghanische Werte untergraben würden" (Taz 6.2.2019).

Ende Februar 2019 fand eine weitere Friedensgesprächsrunde zwischen Taliban und US-Vertretern in Katar statt, bei denen die Taliban erneut den Abzug der US-Truppen aus Afghanistan forderten und betonten, die Planung von internationalen Angriffen auf afghanischem Territorium verhindern zu wollen. Letzterer Punkt führte jedoch zu Meinungsverschiedenheiten: Während die USA betonten, die Nutzung des afghanischen Territoriums durch "terroristische Gruppen" vermeiden zu wollen und in dieser Hinsicht eine Garantie der Taliban forderten, behaupteten die Taliban, es gebe keine universelle Definition von Terrorismus und weigerten sich gegen solch eine Spezifizierung. Sowohl die Taliban- als auch die US-Vertreter hielten sich gegenüber den Medien relativ bedeckt und betonten ausschließlich, dass die Friedensverhandlungen weiterhin stattfänden. Während es zu Beginn der Friedensgesprächsrunde noch Hoffnungen gab, wurde mit Voranschreiten der Verhandlungen immer klarer, dass sich eine Lösung des Konflikts als "frustrierend langsam" erweisen würde (NYT 7.3.2019).

Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (Reuters 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019). Beispielsweise erklärte USUnterstaatssekretär David Hale am 18.3.2019 die Beendigung der Kontakte zwischen USVertretern und dem afghanischen nationalen Sicherheitsberater Hamdullah Mohib, nachdem dieser US-Chefunterhändler Zalmay Khalilzad und den Ausschluss der afghanischen Regierung aus den Friedensgesprächen öffentlich kritisiert hatte (Reuters 18.3.2019).

Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Die Präsidentschaftswahl, welche bereits von April auf Juni 2019 verschoben worden war, soll Quellen zufolge nun am 28.9.2019 stattfinden. Grund dafür seien "zahlreiche Probleme und Herausforderungen welche vor dem Wahltermin gelöst werden müssten, um eine sichere und transparente Wahl sowie eine vollständige Wählerregistrierung sicherzustellen - so die unabhängige Wahlkommission (IEC) (VoA 20.3.2019; vgl. BAMF 25.3.2019).

KI vom 22.1.2019, Anschlag auf Ausbildungszentrum des National Directorate of Security (NDS) in der Provinz Wardak und weitere

Bei einem Anschlag auf einen Stützpunk des afghanischen Sicherheitsdienstes (NDS, National Directorate of Security) in der zentralen Provinz Wardak (auch Maidan Wardak) kamen am 21.1.2019 zwischen zwölf und 126 NDS-Mitarbeiter ums Leben (TG 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019). Quellen zufolge begann der Angriff am Montagmorgen, als ein Humvee-Fahrzeug der U.S.- amerikanischen Streitkräfte in den Militärstützpunkt gefahren und in die Luft gesprengt wurde. Daraufhin eröffneten Angreifer das Feuer und wurden in der Folge von den Sicherheitskräften getötet (TG 21.1.2019; vgl. NYT 21.1.2019). Die Taliban bekannten sich zum Anschlag, der, Quellen zufolge, einer der tödlichsten Angriffe auf den afghanischen Geheimdienst der letzten 17 Jahre war (NYT 21.1.2019; IM 22.1.2019). Am selben Tag verkündeten die Taliban die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit den U.S.-amerikanischen Vertretern in Doha, Qatar (NYT 21.1.2019; vgl. IM 22.1.2019, Tolonews 21.1.2019).

Am Vortag, dem 20.1.2019, war der Konvoi des Provinzgouverneurs der Provinz Logar, Shahpoor Ahmadzai, auf dem Autobahnabschnitt zwischen Kabul und Logar durch eine Autobombe der Taliban angegriffen worden. Die Explosion verfehlte die hochrangigen Beamten, tötete jedoch acht afghanische Sicherheitskräfte und verletzte zehn weitere (AJ 20.1.2019; vgl. IM 22.1.2019).

Des Weiteren detonierte am 14.1.2019 vor dem gesicherten Green Village in Kabul, wo zahlreiche internationale Organisationen und NGOs angesiedelt sind, eine Autobombe (Reuters 15.1.2019). Quellen zufolge starben bei dem Anschlag fünf Menschen und über 100, darunter auch Zivilisten, wurden verletzt (TG 21.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019, RFE/RL 14.1.2019). Auch zu diesem Anschlag bekannten sich die Taliban (TN 15.1.2019; vgl. Reuters 15.1.2019).

KI vom 8.1.2019, Anschlag in Kabul und Verschiebung der Präsidentschaftswah

Anschlag auf Regierungsgebäude in Kabul

Am 24.12.2018 detonierte vor dem Ministerium für öffentliches Bauwesen im Osten Kabuls (PD16) eine Autobombe; daraufhin stürmten Angreifer das nahe gelegene Gebäude des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Märtyrer und Behinderte und beschossen weitere Regierungseinrichtungen in der Umgebung (ORF 24.12.2018; vgl. ZO 24.12.2018, Tolonews 25.12.2018). Nach einem mehrstündigen Gefecht zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Angreifern konnten diese besiegt werden. Quellen zufolge kamen ca. 43 Menschen ums Leben (AJ 25.12.2018; vgl. Tolonews 25.12.2018, NYT 24.12.2018). Bisher bekannte sich keine Gruppierung zum Anschlag (Tolonews 25.12.2018; vgl. AJ 25.12.2018).

Problematische Stimmenauszählung nach Parlamentswahlen und Verschiebung der Präsidentschaftswahl

Am 6.12.2018 erklärte die afghanische Wahlbeschwerdekommission (IECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Somit wurden die Stimmen von ungefähr einer Million Kabulis annulliert (Telepolis 15.12.2018; vgl. TAZ 6.12.2018). Die Gründe für die Entscheidung der IECC seien mehrere, darunter Korruption, Wahlfälschung und die mangelhafte Durchführung der Wahl durch die Unabhängige Wahlkommission (IEC) (Telepolis 15.12.2018; vgl. RFE/RL 6.12.2018). Die Entscheidung wurde von der IEC als "politisch motiviert" und "illegal" bezeichnet (Tolonews 12.12.2018). Am 8.12.2018 erklärte die IECC dennoch, die Kommission würde ihre Entscheidung revidieren, wenn sich die IEC kooperationswillig zeige (Tolonews 8.12.2018). Einer Quelle zufolge einigten sich am 12.12.2018 die beiden Wahlkommissionen auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen, welche die Transparenz und Glaubhaftigkeit dieser wahren sollte; ca. 10% der Stimmen in Kabul sollen durch diese neue Methode nochmals gezählt werden (Tolonews 12.12.2018). Die Überprüfung der Wahlstimmen in der Provinz Kabul ist weiterhin im Gange (Tolonews 7.1.2019). Dem Gesetz zufolge müssen im Falle der Annullierung der Stimmen innerhalb von einer Woche Neuwahlen stattfinden, was jedoch unrealistisch zu sein scheint (Telepolis 15.12.2018). Bisher hat die IEC die vorläufigen Ergebnisse der Wahl für 32 Provinzen veröffentlicht (IEC o.D.).

Am 30.12.2018 wurde die Verschiebung der Präsidentschaftswahl vom 20.4.2019 auf den 20.7.2019 verkündet. Als Gründe dafür werden u.a. die zahlreichen Probleme während und nach den Parlamentswahlen im Oktober genannt (WP 30.12.2018; vgl. AJ 30.12.2018, Reuters 30.12.2018).

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefängnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

KI vom 29.10.2018, Parlamentswahlen und UNAMA-Update zu zivilen Opfern

Am 20. und am 21.10.2018 fand in Afghanistan die Wahl für das Unterhaus (Wolesi Jirga, Anm.) in 32 der 34 Provinzen statt (AAN 21.10.2018b; vgl. LS 21.10.2018). In der Provinz Ghazni wurde die Parlamentswahl verschoben, voraussichtlich auf den 20.4.2019, wenn u. a. auch die Präsidentschafts- und Distriktwahlen stattfinden sollen (siehe hierzu KI der Staatendokumentation vom 19.10.2018). In der Provinz Kandahar fand die Wahl am 27.10.2018 mit Ausnahme der Distrikte Nesh und Maruf statt (AAN 26.10.2018; vgl. CNN 27.10.2018). Grund für die Verzögerung war die Ermordung u.a. des lokalen Polizeichefs General Abdul Raziq am 18.10.2018 (AJ 19.10.2018; vgl. LS 21.10.2018). Während der Wahl in der Provinz Kandahar wurden keine sicherheitsrelevanten Vorfälle gemeldet (CNN 27.10.2018). Die Wahl, die für den 20.10.2018 geplant war, wurde um einen Tag verlängert, weil die Wähler aus sicherheits- und technischen Gründen in zahlreichen Provinzen nicht wählen konnten:

Lange Wartezeiten vor den Wahllokalen sowie verspätete Öffnungszeiten, Mangel an Wahlunterlagen, Probleme bei der biometrischen Verifizierung der Wähler, sicherheitsrelevante Vorfälle usw. waren die Hauptprobleme während der beiden Wahltage (AAN 20.10.2018; vgl. AAN 21.10.2018a). Von den ca. neun Millionen Afghanen und Afghaninnen, die sich für die Wahl registriert hatten, wählten laut Schätzungen der Independent Election Commission (IEC) zwischen drei und vier Millionen (CNN 27.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018b). In den Städten und Gebieten, die als sicherer gelten, war der Wahlandrang höher als in den ländlichen Gegenden, in denen die Taliban Einfluss ausüben (AAN 20.10.2018; vgl. RN 21.10.2018, AAN 21.10.2018a).

Während der beiden Wahltage fanden Quellen zufolge landesweit ca. 200 sicherheitsrelevante Vorfälle statt und ca. 170 Zivilisten kamen während des ersten Wahltages ums Leben bzw. wurden verwundet: In Kabul wurden 15 Tote, in Baghlan 12, in Nangarhar 11 und in Kunduz 3 Tote verzeichnet. Auch Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte befanden sich unter den Opfern (vgl. AAN 21.10.2018a, RN 21.10.2018, AFP 20.10.2018).

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte zwischen 1.1.2018 und 30.9.2018 im Zusammenhang mit den Parlamentswahlen insgesamt 366 zivile Opfer (126 Tote und 240 Verletzte) (UNAMA 10.10.2018).

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptstädte von den Taliban angegriffen: Farah-Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

KI vom 22.08.2018, Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz-Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).

Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).

Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).

IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018

Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).

IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018

Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).

1.5.2 Allgemeine Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielten Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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