Entscheidungsdatum
30.08.2019Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z22Spruch
W221 2202087-1/11E
Schriftliche Ausfertigung des am 07.08.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.06.2018, Zl. 1169349208-171099635, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.08.2019 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin stellte am 26.09.2017 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 26.09.2017 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung der Beschwerdeführerin statt. Befragt, warum sie ihren Herkunftsstaat verlassen habe, antwortete die Beschwerdeführerin, dass sie aus Angst vor dem Krieg und der unsicheren Lage in Syrien geflüchtet sei. Sie wolle hier mit ihrem Mann ein sicheres Leben führen und weiter studieren.
Am 07.06.2018 wurde die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein einer Dolmetscherin für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte sie zunächst, dass ihre bisher getätigten niederschriftlichen Angaben der Wahrheit entsprechen würden. Zu ihren Fluchtgründen befragt gab die Beschwerdeführerin an, dass sie mit ihrer Familie Syrien verlassen habe, weil Ende 2012 bzw. Anfang 2013 der IS ihrer Heimatstadt Raqqa erobert habe. Die Lage sei nicht mehr sicher gewesen und sie habe nicht mehr zur Schule gehen können. Gegenüber vom Haus ihrer Familie habe es das Gebäude für die innere Sicherheit gegeben. Der IS habe dieses Gebäude als Stützpunkt benutzt. Nachdem Raqqa bombardiert worden sei, sei ihre Mutter im Jahr 2015 verletzt worden. Die Familie habe umziehen müssen, sei aber in Raqqa geblieben. Der IS sei mehrmals zu dem Vater der Beschwerdeführerin gekommen und habe sie und ihre Schwestern zwangsverheiraten wollen. Auf der Straße hätten sie immer verschleiert sogar mit Handschuhen herumlaufen müssen. Zum Schluss habe es weder Wasser noch Strom gegeben. Der IS habe ihren Vater bedroht, wobei die Drohung für die Beschwerdeführerin gemeint gewesen sei. Sie hätten sie verheiraten wollen. Der IS seit 2014 zum ersten Mal zu ihrem Vater gekommen. Insgesamt sei er ca. dreimal im Jahr 2014 gekommen. Ihr Vater habe es abgelehnt, die Beschwerdeführerin zu verheiraten, weshalb er einen Monat einen Kurs beim IS habe machen müssen. Sie hätten versucht, ihren Vater zu überzeugen, dass er seine Meinung geändert. Als sie dann woanders hingezogen sein, habe es keine Probleme mehr gegeben
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihr gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl traf umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Syrien, stellte die Identität der Beschwerdeführerin nicht fest und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin unglaubwürdig sei.
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin auch von Regime bedroht sei, weil sie in Del Ar Zor an Demonstrationen teilgenommen habe. Ein paar Tage danach sei sie von einer ihrer Freundinnen angerufen worden, die gemeint habe, dass Angehörige der syrischen Armee bei ihnen zu Hause gewesen seien und nach der Beschwerdeführerin gefragt hätten. Die Beschwerdeführerin sei deshalb zu ihrer Familie nach Raqqa zurückgekehrt. Im Frühling 2015 sei dann einmal ein Bein der Beschwerdeführerin unter dem Niqab sichtbar gewesen und sie sei deshalb von einem IS-Mitglied befragt worden. Dieser sei der Beschwerdeführerin nach Hause gefolgt und habe daher gewusst, wo sie wohne. In der Folge sei dieser Mann immer wieder gekommen und habe gesagt, dass er die Beschwerdeführerin heiraten wolle. Das erste Mal habe dies der Vater verweigert, das zweite Mal auch und beim dritten Mal sei die Forderung schon mit einer Drohung verbunden gewesen. Jedes Mal sei der Mann mit anderen Mitgliedern des IS und bewaffnet gekommen. Beim dritten Mal sei der Vater der Beschwerdeführerin zu einem einmonatigen Kurs zum Islam verpflichtet worden. Danach sei die Familie im Juli 2015 weggezogen, wo es zu keinen weiteren Handlungen des IS gegen die Familie mehr kam. Auch werden zwei Brüder der Beschwerdeführerin in Syrien als Wehrdienstverweigerer gesucht.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt und sind am 25.07.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 07.08.2019 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die arabische Sprache und im Beisein des Rechtsvertreters der Beschwerdeführerin eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Beschwerdeführerin ausführlich zu ihren Fluchtgründen befragt wurde und ihr nun dar Gelegenheit gegeben wurde, zu den aufgetretenen Widersprüchen Stellung zu nehmen. Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis verkündet.
Die Beschwerdeführerin beantragte fristgerecht die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person und zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:
Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Syrien und gehört der der arabischen Volksgruppe an. Sie ist sunnitischen Glaubens.
Die Beschwerdeführerin reiste illegal im Jahr 2016 aus Syrien in die Türkei aus, reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 26.09.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Beschwerdeführerin stammt aus Raqqa.
Festgestellt wird, dass sich die Stadt und deren Umgebung unter der Kontrolle der kurdischen Truppen befindet. Der IS ist dort besiegt.
Festgestellt wird, dass die Beschwerdeführerin Syrien 2016 wegen der schlechten Sicherheitslage und wegen der Herrschaft des IS verlassen hat.
Die behauptete Verfolgung durch den IS ist nicht mehr aktuell.
Die Beschwerdeführerin ging in der Türkei eine Stellvertreterehe mit einem in Österreich lebenden Asylberechtigten nach islamischen Recht ein, wobei der Vater ihres zukünftigen Ehemannes diesen vertreten hat. Weder in Syrien noch in der Türkei bestand jemals ein aufrechtes Familienleben. Im September 2017 heiratete sie diesen Mann standesamtlich in Österreich.
Die Beschwerdeführerin lebt in Österreich als subsidiär Schutzberechtigte.
Die Beschwerdeführerin hat in Syrien nicht an Demonstrationen teilgenommen. Der Beschwerdeführerin droht bei einer Rückkehr keine Verfolgung durch das Regime.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:
"Politische Lage
[...]
Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Auf die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung, die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Bashar al-Assad geführten Baath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Protestierenden, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein zunehmend komplexer werdender bewaffneter Konflikt (AA 13.11.2018). Die tiefer liegenden Ursachen für den Konflikt sind die Willkür und Brutalität des syrischen Sicherheitsapparats, die soziale Ungleichheit und Armut vor allem in den ländlichen Gegenden Syriens, die weit verbreitete Vetternwirtschaft und nicht zuletzt konfessionelle Spannungen (Spiegel 10.8.2016).
Es gibt weiterhin Landesteile, in denen die syrische Regierung effektiv keine Kontrolle ausübt. Diese werden entweder durch Teile der Opposition, kurdische Einheiten, ausländische Staaten oder auch durch terroristische Gruppierungen kontrolliert (AA 13.11.2018; vgl. MPG 2018).
[...]
Die syrischen Kurden unter Führung der PYD beanspruchen in den Selbstverwaltungskantonen ein Gesellschaftsprojekt aufzubauen, das nicht von islamistischen, sondern von basisdemokratischen Ideen, von Geschlechtergerechtigkeit, Ökologie und Inklusion von Minderheiten geleitet ist. Während Befürworter das syrisch-kurdische Gesellschaftsprojekt als Chance für eine künftige demokratische Struktur Syriens sehen, betrachten Kritiker es als realitätsfremd und autoritär. Das Ziel der PYD ist nicht die Gründung eines kurdischen Staates in Syrien, sondern die Autonomie der kurdischen Kantone als Bestandteil eines neuen, demokratischen und dezentralen Syrien (KAS 4.12.2018a). Die PYD hat sich in den kurdisch kontrollierten Gebieten als die mächtigste politische Partei im sogenannten Kurdischen Nationalrat etabliert, ähnlich der hegemonialen Rolle der Baath-Partei in der Nationalen Front (BS 2018). Ihr militärischer Arm, die YPG sind zudem die dominierende Kraft innerhalb des von den USA unterstützten Militärbündnisses Syrian Democratic Forces (SDF). Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Flüchtlingswelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Diese schwierige Situation führt auch dazu, dass die Kurden wieder vermehrt das Gespräch mit der syrischen Zentralregierung suchen (KAS 4.12.2018b).
Die syrische Regierung erkennt die kurdische Enklave oder Wahlen, die in diesem Gebiet durchgeführt werden, nicht an (USDOS 13.3.2019).
Sicherheitslage
[...]
Der sogenannte Islamische Staat (IS) kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghus die letzte Bastion des IS von den oppositionellen "Syrian Democratic Forces" erobert. Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten (DZO 24.3.2019). Schläferzellen des IS sind sowohl im Irak als auch in Syrien weiterhin aktiv (FAZ 10.3.2019). Gegenwärtig sollen im Untergrund mehr als 20.000 IS-Kämpfer auf eine Gelegenheit zur Rückkehr warten (FAZ 22.3.2019). Auch IS-Führer Abu Bakr al-Bagdadi bleibt weiterhin verschwunden (FAZ 23.3.2019).
[...]
Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst
[...]
Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019). Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018).
[...]
Wehrdienstverweigerung / Desertion
Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).
[...]
Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).
[...]
Frauen
Frauen in Syrien haben eine relativ lange Historie der Emanzipation. Vor dem Konflikt war Syrien eines der vergleichsweise fortschrittlicheren Länder der Arabischen Welt in Bezug auf Frauenrechte (BFA 8.2017). Dennoch werden Frauen - teilweise aufgrund der Interpretationen der religiösen Gesetze - von verschiedenen Teilen des Familien- und Strafrechts und der Gesetze zu Personenstand, Arbeit, Erbschaft, Pensionierung, sozialer Sicherheit und Staatsbürgerschaft, diskriminiert (USDOS 13.3.2019).
Die Situation von Frauen verschlechterte sich durch den andauernden Konflikt dramatisch. Da Frauen immer wieder Opfer unterschiedlicher Gewalthandlungen der verschiedenen Konfliktparteien werden, zögern Familien, Frauen und Mädchen das Verlassen des Hauses zu erlauben. Sie nehmen diese aus der Schule, was zur Minderung der Rolle von Frauen und zu ihrer Isolation in der Gesellschaft führt (BFA 8.2017). Vor dem Konflikt nahmen 13% der Frauen am Arbeitsmarkt teil, verglichen mit 73% der Männer. Die Teilhabe sowohl von Männern als auch Frauen am Arbeitsmarkt hat durch Gewalt und Unsicherheit abgenommen. Zuletzt ist in einigen Gebieten, wie in Damaskus, Raqqa und Dara'a, die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt gezwungenermaßen wieder gestiegen, da viele Männer ihre Familien derzeit nicht unterstützen können (USDOS 13.3.2019).
Außerhalb der Gebiete, die unter der Kontrolle des Regimes stehen, unterscheiden sich die Bedingungen für Frauen sehr stark voneinander. Sie reichen von sexueller Versklavung und erdrückenden Kleidungsvorschriften in Gebieten unter Kontrolle von Extremisten einerseits, bis hin zu formaler Gleichberechtigung in den Gebieten unter Kontrolle der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD), wo Regierungssitze immer von einer Frau und einem Mann besetzt sind (FH 1.2018). In jenen oppositionellen Gebieten, welche von radikal-islamistischen Gruppen kontrolliert werden, sind Frauen besonders eingeschränkt. Es ist schwer für sie, für einfache Erledigungen das Haus zu verlassen. Die Situation hängt jedoch von der Region ab (BFA 8.2017).
Extremistische Gruppierungen wie der sogenannte Islamische Staat (IS) oder Hay'at Tahrir al-Sham (HTS) setzen Frauen in den von ihnen kontrollierten Gebieten diskriminierenden Beschränkungen aus. Solche Beschränkungen sind z.B. strikte Kleidervorschriften, Einschränkungen bei der Teilnahme am öffentlichen Leben, bei der Bewegungsfreiheit und beim Zugang zu Bildung und Arbeitsmarkt (USDOS 13.3.2019, MRG 5.2018). Generell wird die Lage junger unverheirateter Frauen in Syrien allgemein, im Speziellen jedoch in den von radikal-islamistischen Gruppierungen kontrollierten Gebieten, als prekär bezeichnet (BFA 8.2017).
Frauen in kurdisch kontrollierten Gebieten
Die Situation von kurdischen Frauen in den kurdischen Gebieten im Nordosten Syriens ist in Bezug auf Unabhängigkeit, Bewegungsfreiheit und die Vormundschaftsgesetze der selbsternannten Autonomieregierung besser. Frauen und Männer sind in der Regierung zu gleichen Teilen repräsentiert (BFA 8.2017). Per Gesetz werden alle Regierungseinrichtungen von einem Mann und einer Frau gleichzeitig geleitet und die meisten staatlichen Behörden und Gremien müssen zwischen Männern und Frauen gleich besetzt sein, außer Einrichtungen, die nur für Frauen sind (TNYT 24.2.2018).
Frauen sind im politischen Leben der kurdischen Gebiete gut repräsentiert. Außerhalb der PYD geführten Strukturen haben sie allerdings nur eingeschränkte Autonomie (FH 1.2018).
Im November 2014 beschloss die Autonomieregierung ein Dekret, das die "Gleichheit zwischen Männern und Frauen in allen Sphären des öffentlichen und privaten Lebens" vorsieht. Demnach haben Frauen in den Augen des Gesetzes den gleichen Status wie Männer, auch zum Beispiel bezüglich Scheidung und Erbrecht. Polygamie, Ehrenmorde, Zwangsehen, Ehen von Minderjährigen und andere Formen von Gewalt gegen Frauen wurden verboten. Frauenkomitees, Frauenhäuser und Frauenzentren wurden eingerichtet, um Frauen zu schützen und zu vertreten, in den Themen Politik, Wirtschaft, Kultur und Recht weiterzubilden, und ihnen die Möglichkeit zu geben über familiäre und soziale Probleme zu sprechen und Lösungen zu finden. Auch arabische und christliche Frauen nutzen die Zentren (TF 27.8.2017; vgl. TNYT 24.2.2018).
Die Emanzipation der Frauen in Nordsyrien ist ein laufender Prozess. Patriarchale Traditionen sind dort tief eingebettet und mit Religion verbunden (TF 27.8.2017). In Gebieten mit arabischer Mehrheitsbevölkerung, die konservativer sind und in denen tribale Strukturen noch stark verwurzelt sind, ist es schwerer für die kurdischen Behörden Gleichberechtigungsmaßnahmen ohne Widerstand durchzusetzen. So wurde beispielsweise in Kobane Polygamie verboten, von der lokalen Bevölkerung in Manbij gab es jedoch Widerstand durch lokale Stammesführer, was zu einer Ausnahme für Manbij von dieser Regelung führte (TNYT 24.2.2018).
Die zivile Verwaltung der kurdisch kontrollierten Provinzen im Norden des Landes, der sogenannten "Demokratischen Föderation Nordsyrien" (kurdisch Rojava) hat die Institution der Zivilehe eingeführt, die unabhängig von der religiösen Zugehörigkeit der Nupturienten vor den zuständigen Behörden geschlossen werden kann. Ob eine in den kurdischen Gebieten geschlossene zivile Ehe vom syrischen Staat anerkannt wird, ist jedoch schwer zu beurteilen. Das syrische Familienrecht erkennt eine solche Ehe insbesondere dann nicht an, wenn sie einen Verstoß gegen das Ehehindernis aufgrund von unterschiedlichen Religionszugehörigkeiten der Ehepartner darstellt (MPG 2018)."
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat, welche den Parteien im Rahmen der mündlichen Verhandlung vorgehalten und denen im Zuge dessen nicht entgegengetreten wurde, stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
2.2. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin und zu ihren Fluchtgründen:
Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin.
Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellungen zur Eheschließung der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben.
Die Feststellung, dass der IS im Herkunftsgebiet der Beschwerdeführerin besiegt ist und Raqqa unter Kontrolle der Kurden steht, ergibt sich einerseits aus den Länderfeststellungen und andererseits aus der Karte https://syria.liveuamap.com/, welche der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgehalten wurde und der sie nicht entgegengetreten ist.
Im vorliegenden Verfahren hat die Beschwerdeführerin nach ihrer Erstbefragung in einer Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Gelegenheit gehabt, ihre Fluchtgründe umfassend darzulegen. Der aufgrund dieser Befragungen festgestellte Sachverhalt und die Beweiswürdigung finden ihren Niederschlag im angefochtenen Bescheid. In Anbetracht des von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie angesichts der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, hat dieses auch keine Bedenken gegen die (in der Bescheidbegründung zum Ausdruck kommende) Annahme der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführerin in ihrem Herkunftsstaat keine gezielte konkrete Verfolgung droht:
Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31).
Die zur Entscheidung berufene Richterin des Bundesverwaltungsgerichtes geht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung und aufgrund ihres persönlichen Eindruckes der Beschwerdeführerin davon aus, dass ihr hinsichtlich ihres Vorbringens keine Glaubwürdigkeit zukommt. Ihre Angaben mit Belegen zu untermauern, war die Beschwerdeführerin nicht imstande, weshalb es umso wichtiger gewesen wäre, ihr Vorbringen gleichbleibend, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Diesen Anforderungen ist die Beschwerdeführerin jedoch nicht gerecht geworden:
Die Beschwerdeführerin gab zu den Gründen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates bei ihrer Erstbefragung zusammengefasst an, dass sie aus Angst vor dem Krieg und der unsicheren Lage in Syrien geflüchtet sei. Sie wolle hier mit ihrem Mann ein sicheres Leben führen und weiter studieren.
Schon in der Befragung vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl steigerte sie diese Angaben dahingehend, dass sie in Raqqa von Männern des IS mit der Zwangsverheiratung bedroht worden wäre.
Da der IS - wie bereits festgestellt - in Raqqa keine Kontrolle mehr hat, ist dieses Vorbringen nicht mehr aktuell. Auch wenn die Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung auf die Schläferzellen verweist, die sich auch aus den Länderfeststellungen ergeben, ist der IS aktuell nicht in der Lage, ein Gebiet unter seiner Kontrolle zu halten und dort seine streng islamistischen und frauenverachtenden Ansichten durchzusetzen und Zwangsverheiratungen durchzuführen. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass im Vorbringen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der angedrohten Zwangsverheiratung massive Widersprüche aufgetreten sind: So gab die Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, dass der IS im Jahr 2014 drei Mal zu ihrem Vater gekommen sei, um die Eheschließung mit der Beschwerdeführerin zu fordern, während sie in der mündlichen Verhandlung angab, dass dies 2015 geschehen sei. Auch gab sie in der Verhandlung an, dass ihr Vater den Kurs im Jahr 2015 absolvieren habe müssen, nachdem der IS das erste Mal bei ihnen gewesen sei und er beim dritten Mal indirekt eine Eheschließung versprochen habe, damit sie Zeit gewinnen, während sie in ihrer schriftlichen Beschwerde ausführte, dass ihr Vater bei der dritten Ablehnung zu dem Kurs verpflichtet worden sei.
Glaubhaft ist jedoch, dass die Beschwerdeführerin Syrien wegen des Krieges und der Vorherrschaft des IS, der die Menschen unterdrückt hat, verlassen hat. Aufgrund des herrschenden Bürgerkrieges und der allgemein unsicheren Lage hat die Beschwerdeführerin auch subsidiären Schutz erhalten.
Darüber hinaus behauptete die Beschwerdeführerin in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung erstmals, dass sie 2014 an Demonstrationen teilgenommen habe und deshalb von Sicherheitskräften gesucht werde. Die Beschwerdeführerin hat eine solche Verfolgung weder in der Erstbefragung noch in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erwähnt. Sie bringt dies - wie bereits erwähnt - erstmals in ihrer Beschwerde und in der Verhandlung vor. Dies macht den Eindruck, dass die Beschwerdeführerin ihre Geschichte an die Gegebenheiten in Syrien anpasst, weil ihr bewusst ist, dass der IS nicht mehr an der Macht ist und ihre eigentliche Fluchtgeschichte damit an Aktualität verloren hat. Außerdem ist auffällig, dass ihr Ehemann in Österreich auch eine Fluchtgeschichte mit einer Verfolgung durch das Regime aufgrund von Demonstrationen präsentiert hat und damit Asyl erhalten hat, was sich aus dem ebenfalls im Akt befindlichen Protokoll der Niederschrift ihres Ehemannes ergibt.
Die Beschwerdeführerin muss sich daher eine Steigerung ihres Fluchtvorbringens vorwerfen lassen, welches ihre Geschichte insgesamt in Zweifel zieht. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein gesteigertes Vorbringen nicht als glaubwürdig anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Dabei wird nicht verkannt, dass sich die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. VfGH 27.06.2012, U 98/12), denn die Beschwerdeführerin hat nicht nur in der Erstbefragung keine konkrete gegen sich gerichtete individuelle Verfolgungshandlung vorgebracht, sondern die Demonstrationen auch in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf konkrete Fragen nicht vorgebracht. Soweit die Beschwerdeführerin dazu ausführt, dass sie sehr nervös gewesen sei und sich auch gefürchtet habe, weil sie im Internet gelesen habe, dass die österreichische Regierung in Beziehung zum syrischen Regime stehe, kann das nur als völlig unglaubwürdige Schutzbehauptung gewertet werden. Die Beschwerdeführerin war zum Zeitpunkt ihrer Einvernahme bereits neun Monate in Österreich und hat schon mit ihrem Ehemann zusammengelebt, der in Österreich Asyl erhalten hat. Es ist daher vollkommen unvorstellbar, dass sie nicht mit ihrem Mann, der bereits in Österreich Asyl erhalten hat, über das spricht, was sie wohl erwarten wird und stattdessen auf falsche Gerüchte aus dem Internet hören sollte.
Soweit die Beschwerdeführerin auch erstmals in ihrer Beschwerde eine Verfolgung durch das Regime aufgrund der Wehrdienstverweigerung ihrer Brüder behauptet, ist dem entgegenzuhalten, dass sich auch aus der Verwandtschaft zu ihren wehrdienstverweigernden Brüdern keine konkret gegen die Beschwerdeführerin gerichtete Verfolgung ableiten lässt. Zwar ist den Länderfeststellungen zu entnehmen, dass auch Familien von Wehrdienstverweigerern mit Konsequenzen zu rechnen haben. Doch werden Familien von Wehrdienstverweigerern hauptsächlich dann unter Druck gesetzt, wenn der Wehrdienstverweigerer dadurch vielleicht gefunden werden kann. Familienmitglieder (auch weibliche) können festgenommen werden, um den Wehrdienstverweigerer dazu zu bringen, sich zu stellen (FIS 23.8.2016; vgl. BFA 8.2017). Da sich die Brüder der Beschwerdeführerin in Deutschland befinden, ist es unwahrscheinlich, dass sie in Syrien gefunden werden kann, wenn Druck auf die Familie ausgeübt wird.
Der Vollständigkeit halber ist noch auszuführen, dass der Heimatort unter Kontrolle der kurdischen Truppen steht und die Beschwerdeführerin daher bei einer - aufgrund der Zuerkennung des subsidiären Schutzes rein hypothetischen Rückkehr - nicht mit dem syrischen Regime in Kontakt kommen würde.
Soweit die Rechtsvertreterin in der mündlichen Verhandlung noch darauf verweist, dass die Beschwerdeführerin in Syrien alleinstehend wäre und daher einer Verfolgung ausgesetzt wäre, ist dazu zuerst auszuführen, dass die Beschwerdeführerin selbst eine solche Befürchtung von sich aus nicht vorgebracht hat und aus den Länderberichten klar hervorgeht, dass die Situation von Frauen im Kurdengebiet (auch für jene der arabischen Volksgruppe) nicht derart ist, dass daraus eine Verfolgungsgefahr für jede alleinstehende Frau abgeleitet werden könnte.
Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl kann dementsprechend nicht darin entgegengetreten werden, dass der Beschwerdeführer im Laufe seines Verfahrens mit seinem Vorbringen eine konkrete und aktuelle Verfolgung oder drohende Verfolgung aus Gründen, wie in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählt, nicht hat glaubhaft machen können.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Zu A)
Zur Asylabweisung:
Stellt gemäß § 34 Abs. 1 AsylG 2005 ein Familienangehöriger (§ 2 Abs. 1 Z 22) von einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist; einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder einem Asylwerber einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen (§ 34 Abs. 4 AsylG 2005).
Familienangehöriger iSd. § 2 Z 22 AsylG 2005 ist, wer Ehegatte eines Asylwerbers oder eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Familieneigenschaft bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat, ist.
Die Beschwerdeführerin kann nicht von ihrem jetzigen Ehemann Asyl ableiten, weil die Ehe nicht vor der Einreise in Österreich bestanden hat. Die in der Türkei nur nach islamischem Recht eingegangene Stellvertreterehe, hinsichtlich der niemals ein Familienleben in Syrien oder der Türkei bestanden hat, widerspricht dem ordre public.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0370). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 26.02.2002, 99/20/0509 mwN; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH vom 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der "hierzu geeigneten Beweismittel", insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).
Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung unter 2.2. dargestellt wurde, kommt dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zu den behaupteten Fluchtgründen keine Glaubwürdigkeit zu, weshalb es der Beschwerdeführerin insgesamt nicht gelungen ist, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien sowie der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens kann daher nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführerin im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Asylantragstellung, asylrechtlich relevante Verfolgung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W221.2202087.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.01.2020