TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/3 W224 2170269-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2019
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Entscheidungsdatum

03.09.2019

Norm

AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W224 2170269-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.08.2017, Zl. 1088402909-151407667, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.10.2018, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 53/2019, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Syriens, reiste am 01.08.2014 legal von Syrien in den Libanon. Zuvor reiste der Beschwerdeführer mehrmals zwischen 2013 und dem 01.08.2014 legal zwischen Syrien und dem Libanon hin und her. Vom Libanon reiste der Beschwerdeführer dann weiter in die Türkei, danach weiter in das österreichische Bundesgebiet. Dabei wurde er einer fremdenpolizeilichen Kontrolle unterzogen. Am 22.09.2015 stellte er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.09.2015 gab der Beschwerdeführer an, er sei legal aus ihrem Herkunftsstaat Syrien ausgereist. Befragt nach seinem Fluchtgrund gab er an, er habe Syrien wegen des Krieges verlassen, es habe keine Arbeit gegeben. Seine Frau und er hätten ein Baby gehabt und er habe keine Zukunft für seine Familie gesehen. Aus Angst sei er mit seiner Familie geflüchtet.

2. Am 01.03.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Er legte seinen syrischen Reisepass, Führerschein und Personalausweis im Original vor.

Auf die Frage nach seinen Fluchtgründen in Bezug auf Syrien gab der Beschwerdeführer an, jemand habe seinen Bus beim ihm reparieren lassen. Dann seien Polizisten zweimal gekommen und hätten nach dem Busfahrer gefragt, den Beschwerdeführer niedergeschlagen und beleidigt. Beim zweiten Mal wollten sie auf alle Geschäftsinhaber der Straße schießen. Da die Polizei so oft beim ihm gewesen sei, hätten die Nachbarn ihn für Informanten gehalten und gedroht, ihn umzubringen. Der Beschwerdeführer habe daher in den Libanon fliehen müssen. Nach kurzer Zeit habe er auch seine Frau in den Libanon geholt. Später sei die Polizei bei den Eltern des Beschwerdeführers gewesen, um ihn als Reservist einzuziehen. Er habe davon erfahren, als er im Libanon gewesen sei. Den Libanon habe er verlassen, weil er für einen weiteren Verbleib einen Bürgen gebraucht hätte. Er sei legal von Syrien in den Libanon mit seinem Reisepass gekommen. Er sei nach seiner Ausreise in den Libanon im Jahr 2013 dann im Jahr 2014 wieder nach Syrien zurückgefahren, weil seine Mutter krank gewesen sei.

3. Das BFA wies mit Bescheid vom 22.08.2017, Zl. 1088402909-151407667, den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I) ab. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III).

Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe eine Bedrohung durch die syrische Polizei bzw. das Regime nicht glaubhaft machen können. Der Beschwerdeführer habe den Vorfall rund um die Nachfrage der Polizei nach dem Busfahrer unplausibel und teilweise widersprüchlich geschildert. Der Beschwerdeführer habe für sich und seine Familie am 21.04.2013 Reisepässe ausstellen lassen. Da ihm das gelungen ist, sei es nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer vom Regime gesucht werde. Ein weiteres Indiz dafür, dass der Beschwerdeführer in Syrien nicht bedroht werde, sei, dass er nach seiner Ausreise in den Libanon nach Syrien zurückkehrte wegen seiner kranken Mutter.

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Die Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides erwuchsen hingegen in Rechtskraft. In der Beschwerde machte er die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit in Folge der Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er habe Furcht, im Bürgerkrieg zwischen die Fronten zu gelangen. Er werde aus politischen Gründen seitens des Regimes auf Grund unterstellter politischer Gesinnung (Kurde, Flucht aus Syrien) und Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auf Grund der Herkunft verfolgt. Es bestehe die Gefahr, zum Kriegsdienst gezwungen zu werden.

5. Am 23.10.2018 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher Folgendes auszugsweise erörtert wurde (BF1=verfahrensgegenständlicher Beschwerdeführer):

"[...]

R: Haben Sie zu Ihrer Familie in Syrien noch Kontakt?

BF1: Vater und Mutter sind noch in Syrien, ich habe Kontakt mit ihnen. Sonst habe ich niemanden in Syrien.

R: Wo haben Sie in Ihrem Herkunftsstaat gelebt bevor Sie ausgereist sind?

BF1: In XXXX .

R: Unter wessen Kontrolle steht die Stadt momentan?

BF1: Unter der Kontrolle des Regimes.

Es wird Einsicht genommen in die Karte auf der Internetseite https://syria.liveuamap.com/ und feststellt, dass das Herkunftsgebiet des BF1 unter der Kontrolle des Regimes steht.

R: Wie sind Sie aus Syrien ausgereist?

BF1: Ich bin von Syrien in den Libanon eingereist. Ich bin mit meinem Reisepass legal in den Libanon eingereist.

R: Wurden Sie bei Ihrer Ausreise aus Syrien bzw. Einreise in den Libanon kontrolliert?

BF1: Ja.

R: Wann war das?

BF1: Das war 2013.

R: Sind Sie nach dieser Ausreise aus Syrien abermals nach Syrien eingereist?

BF1: Ja, ich war danach dreimal in Syrien.

[...]

R: Schildern Sie Ihre Fluchtgründe, also die Gründe, aus denen Sie die Syrien verlassen haben, abschließend.

BF1: Ich bin im Jahr 2013 ausgereist. Ich hatte eine Automechanikerwerkstatt in Syrien. Ich hatte eine Werkstatt in der Industriezone gehabt und wollte aber meine Werkstatt in eine sichere Gegend verlegen. Mein Geschäft in der Industriezone wurde zugesperrt und ich bin nach XXXX umgesiedelt. Dort habe ich das Geschäft aufgemacht und habe angefangen zu arbeiten. Dann bekam ich den Auftrag, einen Autobus für 24 Personen zu reparieren. Der Besitzer vom Bus brachte mir den Bus und er ging weg, ich hätte die Bremse reparieren sollen. Dann kamen ca. 50 Leute vom Regime und wollten den Besitzer des Autobusses bzw. den Fahrer haben. Sie haben mich zusammengeschlagen und beschimpft, dann sind sie weggegangen. Sie kamen immer wieder, sie glaubten ich arbeite mit dem Regime zusammen.

R: Waren diese 50 Leute dann von der Opposition?

BF1: Die Leute, die gekommen sind, sind Regimeanhänger. Sie sind von der Geheimpolizei. Die Oppositionellen haben geglaubt, ich arbeite mit dem Regime zusammen, weil ich zwar geschlagen und beschimpft wurde, aber nicht mitgenommen wurde.

R fasst das bisher Gesagte kurz zusammen.

BF1 bestätigt das.

BF1 setzt fort: Die Opposition hat geglaubt, ich arbeite mit dem Regime zusammen und ich wurde unter Druck gesetzt. Ich habe das Geschäft dann zugesperrt, weil der Beisitzer den Mietvertrag nicht verlängern wollte. Der Besitzer hat auch Bedrohungen bekommen und hat deswegen den Vertrag nicht verlängert. Dann bin ich in den Libanon gereist.

R: Haben Sie abschließend jetzt alles zu Ihrer Flucht geschildert?

BF1: Dann bin ich zum Militär einberufen worden. Dann bin ich geflüchtet und nicht mehr nach Syrien zurückgekehrt.

R: Wann wurden Sie zum Militär einberufen?

BF1: Das war im Jahr 2014.

R: Also zu einem Zeitpunkt, zu dem Sie Syrien bereits verlassen haben?

BF1: Ja, ich war bereits im Libanon.

R: Wie haben Sie dann von der Einberufung erfahren?

BF1: Meine Familie hat es mir gesagt.

R: Wie hat diese Einberufung ausgesehen, wie ist das abgelaufen?

BF1: Sie sind nach Hause gekommen und haben mich mitnehmen wollen.

R: Was ist passiert, weil Sie nicht zuhause waren?

BF1: Meine Mutter sagte, ich bin nicht in Syrien, ich bin im Libanon. Dann war ich ein Jahr im Libanon, ich bin nach Syrien kein einziges Mal zurückgekehrt. Ich konnte im Libanon meinen Aufenthaltstitel nicht mehr verlängern, dieser galt nur für ein Jahr, danach habe ich den Libanon verlassen. Der Libanon arbeitet sehr eng mit dem syrischen Geheimdienst zusammen und die Libanesen hätten mich an den Checkpoints anhalten können ohne Aufenthaltstitel und in weiterer Folge nach Syrien abschieben. Ich will aber nicht nach Syrien zurückkehren, weil ich nicht zum Militär gehen wollte.

R: Wie oft sind die Rekrutierungsbehörden wegen Ihnen zu Ihrer Familie gekommen?

BF1: Sie sind fast jeden Tag zu uns nach Hause gekommen, bis meine Eltern dieses Haus verlassen haben, sie wohnen nicht mehr dort.

R: Welchen Sinn soll das haben, wenn den Rekrutierungsbehörden Ihre Eltern gesagt haben, dass Sie schon außer Landes sind?

BF1: Sie sind nicht nur meinetwegen gekommen, alle meine Brüder werden vom Militär gesucht. Sie glaubten, irgendjemanden von uns werden sie erwischen. Sie glaubten nicht, dass meine Eltern die Wahrheit sagten. Wir sind fünf Brüder.

R: Wann sind Ihre Brüder ausgereist?

BF1: Meine Brüder sind vor mir ausgereist.

R: Hat es für Ihre Eltern irgendwelche Konsequenzen gehabt, dass fünf Söhne außer Landes gereist sind?

BF1: Beide Elternteile sind krank geworden durch die Geheimpolizei.

R: Wann haben Sie sich einen Reisepass ausstellen lassen?

BF1: Im Jahre 2013 habe ich einen Reisepass ausstellen lassen.

R: Wann haben Sie für Ihre Frau und für Ihr Kind einen Reisepass ausstellen lassen?

BF1: Gemeinsam mit meinem.

R: Ist Ihre Frau gemeinsam mit Ihnen ausgereist?

BF1: Nein, ich bin vorher alleine in den Libanon gefahren, meine Frau ist nachgekommen.

R: Ist Ihre Frau alleine nachgekommen oder haben Sie sie abgeholt aus Syrien?

BF1: Sie ist alleine, gemeinsam mit meiner Tochter ausgereist. Die Schwiegermutter hat sie begleitet.

R: Wie verläuft das Leben Ihrer Familienmitglieder vor Ort in Syrien?

BF1: Sie sind nicht mehr dort wo sie gewohnt haben, sie wohnen bei meiner Tante mütterlicherseits in XXXX , das ist auch ein Teil von

XXXX .

R: Aus welchem Grund verließe Ihre Familie Syrien nicht gleichzeitig mit Ihnen?

BF1: Meine Mutter ist schwerkrank und mein Vater ist alt und sie können die Strapazen der Reise nicht vertragen.

R: Gibt es in Syrien konkret gegen Ihre Familie gerichtete Vorfälle?

BF1: Nein, es gab nichts, weil meine Eltern sind alt und das Regime verschont sie, weil sie alt sind. Sie haben gesundheitliche Probleme von den Strapazen und das Leben verläuft in Syrien sehr schlecht. Sie haben aus diesem Grund das Haus wo sie lebten verlassen und es geht ihnen nicht gut. Das Regime hat das Haus immer wieder gestürmt und sie belästigt.

R: Was würde passieren, wenn Sie wieder in den Herkunftsstaat zurückmüssten?

BF1: Ich gelte für das Regime als Landesverräter, weil ich nicht zum Militär gegangen bin und ich werde sicher eingesperrt, wenn nicht getötet.

R: Wenn Sie die geschilderten Probleme nicht hätten, könnten Sie dann im Herkunftsstaat leben?

BF1: Natürlich kann ich leben.

R: Hat sich an den Gründen Ihrer Asylantragstellung seit Erhalt des angefochtenen Bescheids etwas geändert?

BF1: Nein, es hat sich nicht geändert, ich werde aber trotzdem noch gesucht in Syrien.

R: Haben Sie Ihren Militärdienst abgeleistet und welche Funktion hatten Sie dabei inne?

BF1: Ich habe in der Spezialeinheit meinen Militärdienst geleistet. Ich war Mechaniker.

R: Wieso ist das eine Spezialeinheit, wenn man Mechaniker ist?

BF1: Ich war Infanterist und habe dort gearbeitet.

R wiederholt die Frage.

BF1: Wir haben die Stadt verteidigt, das war unsere Aufgabe. Ich habe die Autos repariert, damit diese immer in Schuss waren.

R bittet um Erläuterung.

BF1: Ich habe einen Führerschein für militärische Fahrzeuge und habe oft auch Soldaten transportiert, ich war immer da.

R: Dass "mit der Stadt verteidigen", verstehe ich nicht. Das müssen Sie mir erklären.

BF1: Ich war von 2007 bis 2009 beim Militär. Ich war zwei Monate in der Grundausbildung für Waffen. Dann habe ich eine Spezialeinheit ein Monat lang besucht. Danach hatte ich Führerscheinausbildung ein Monat lang. Dann wurde ich befragt, was ich machen kann. Ich bin dann eingeteilt worden in eine Einheit, die die Autos repariert. Zusammengefasst kann man sagen, dass ich nach meiner Grundausbildung den Rest meiner Militärzeit als Automechaniker gearbeitet habe.

R: Ich habe zu Ihrem Verfahren vorerst keine weiteren Fragen.

R an BF und RV: Wollen Sie noch etwas Ergänzendes vorbringen oder Beweisanträge stellen?

RV: Warum möchten Sie nicht am Krieg teilnehmen?

BF1: Ich gelte als Verräter für das Regime, daher will ich keinen Krieg. Das Regime von Assad ist kriminell.

RV: Als Sie das letzte Mal in den Libanon gefahren sind, haben Sie an der Grenze etwas bezahlen müssen?

BF1: Ja, ich habe Geld bezahlt.

BF1: Nein.

R: Haben Sie einen syrischen Reisepass?

BF1: Ja.

R nimmt Einsicht in den syrischen Reisepass von BF1.

D übersetzt die darin befindlichen Ein- und Ausreisestempel. Aus diesen Stempeln geht hervor, dass BF1 am 01.08.2014 zum letzten Mal Syrien verlassen hat und am 01.08.2014 in den Libanon eingereist ist.

R: Kann es sein, dass Sie am 01.08.2014 zum letzten Mal Syrien verlassen haben und am 01.08.2014 in den Libanon eingereist sind?

BF1: Ja, das stimmt.

R: Aus meiner Sicht schauen diese Stempel gleich aus, wie alle anderen Stempel auch. Man kann aus meiner Sicht nicht unterscheiden, dass Sie bei Ihrer letzten Ausreise gezahlt haben?

BF1: Das stimmt, es schaut auch gleich so aus wie der andere Stempel, aber ich habe dafür bezahlt. Das ist eine normale Grenzbehörde, welche die Stempel ausgeteilt hat.

R fragt den BF1 noch einmal, ob er etwas Ergänzendes vorbringen will?

BF1: Nein, das ist alles.

R fragt den BF1, ob er den Dolmetscher gut verstanden habe; dies wird bejaht.

[...]"

6. Mit Erkenntnis vom 05.11.2018, W224 2170269-1/8E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides mit näheren Ausführungen als unbegründet ab.

7. Der Verwaltungsgerichtshof hob das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.11.2018, W224 2170269-1/8E, mit Erkenntnis vom 19.06.2019, Ra 2018/18/0549, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf. Für den Verwaltungsgerichtshof habe die Begründung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts die Abweisung des Asylantrags nicht getragen. Ob und wann ein Einberufungsbefehl als Reservist ergangen sei, könne nämlich dahin gestellt bleiben. Entscheidend für die Frage eines möglichen Asylanspruchs sei - so der Verwaltungsgerichtshof - vielmehr, ob dem XXXX geborenen Beschwerdeführer bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat angesichts des in den Länderfeststellungen ausgewiesenen erhöhten Rekrutierungsdrucks der syrischen Armee und der besonderen Gefährdung von einreisenden Männern im wehrfähigen Alter mit maßgebender Wahrscheinlichkeit eine Einziehung zum Wehrdienst drohe und inwiefern ihm (insbesondere als Kurden und Sunniten) sowie seinen Angehörigen in diesem Zusammenhang eine asylrelevante Verfolgung durch die syrischen Behörden drohe. Weiters zeigten Auszüge aus den getroffenen Länderfeststellungen, dass sich für Kurden und Sunniten aus ihrer Volksgruppenzugehörigkeit im Einzelfall sehr wohl ein besonderes Verfolgungsrisiko aufgrund unterstellter oppositioneller Gesinnung ergeben könne.

8. Die dem Verfahren zugrunde gelegten Länderfeststellungen wurden dem Beschwerdeführer mit Verfügung des Bundesverwaltungsgerichts übermittelt. Der Beschwerdeführer erstattete hierzu eine Stellungnahme, in welcher er ausführte, dass ihm einerseits asylrelevante Verfolgung in Syrien drohe, weil er als Reservist gesucht werde, und ihm andererseits eine oppositionelle Gesinnung unterstellt werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger syrischer Staatsangehöriger. Er ist Vater von mj. XXXX , geb. XXXX und Ehegatte von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien. Er gehört der Volksgruppe der Kurden an und ist sunnitischer Moslem. Er lebte bis zu seiner endgültigen legalen Ausreise am 01.08.2014 in XXXX , XXXX . Zuvor reiste er mehrmals zwischen 2013 und dem 01.08.2014 von Syrien in den Libanon und wieder zurück nach Syrien. Am 01.08.2014 reiste er legal mit dem PKW in den Libanon. Er reiste unter Verwendung seines syrischen Reisepasses aus Syrien aus. Im Reisepass befindet sich ein offizieller Ausreisestempel. Der Reisepass war bis 20.04.2019 gültig. Nunmehr verfügt der Beschwerdeführer über keinen gültigen syrischen Reisepass.

Mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Heimatstaat Syrien wegen der realen Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung seines Lebens auf Grund der instabilen Sicherheitslage und des innerstaatlichen Konfliktes in Syrien zuerkannt.

Dem Beschwerdeführer droht in Syrien (bei einer nunmehrigen Rückkehr) die reale Gefahr, als Reservist zum Militärdienst bei der syrischen Armee eingezogen zu werden und er ist in Zusammenhang mit der Einziehung, der Ableistung und der Verweigerung des Militärdienstes der Gefahr erheblicher Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat Syrien mit verlassen, damit er sich seiner Wehrdienstverpflichtung als Reservist in Syrien entziehen kann.

Der Beschwerdeführer ist im 31. Lebensjahr, leistete seinen Militärdienst als einfacher Soldat ab und wurde als Mechaniker eingesetzt.

Es kann festgestellt werden, dass der letzte Herkunftsort des Beschwerdeführers, der in XXXX Syrien liegt, unter Kontrolle des Regimes steht. Dieses Ermittlungsergebnis wurde dem Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung durch Einsichtnahme in die Karte https://syria.liveuamap.com/ vorgehalten und er ist diesem auch nicht entgegengetreten.

Hinsichtlich seiner Ausreise droht dem Beschwerdeführer keine Verfolgung bzw. Bestrafung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit durch das Regime in Syrien, auch nicht im Zuge der Einreise. Denn der Beschwerdeführer hat in seinem syrischen Reisepass einen offiziellen Ausreisestempel, sodass er als legal ausgereist aufscheint. Der Reisepass des Beschwerdeführers war nur noch bis 20.04.2019 gültig.

Eine hinsichtlich des Reiseweges zumutbare und legale Rückkehr nach Syrien ist nur über den Flughafen in Damaskus möglich, der sich in der Hand der Regierung befindet. Einreisende Personen werden im Falle einer Abschiebung oder einer Rückkehr ohne Reisedokument einer intensiven Überprüfung unterzogen. Männliche Rückkehrer werden insbesondere betreffend ihren Militärdienst überprüft.

Es liegen hinsichtlich des Beschwerdeführers keine Asylausschluss- oder -endigungsgründe vor.

Zur Lage in Syrien wird festgestellt (entnommen aus:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 13.05.2019):

1. Sicherheitslage

Die militärische Intervention Russlands und die damit einhergehende Luftunterstützung für Assads Streitkräfte sowie die erheblich ausgeweitete indirekte Bodenintervention des Iran in Form eines Einsatzes ausländischer Milizen konnten 2015 den Zusammenbruch des syrischen Regimes abwenden (KAS 4.12.2018a). Mitte des Jahres 2016 kontrollierte die syrische Regierung ca. ein Drittel des syrischen Staatsgebietes, inklusive der "wichtigsten" Städte im Westen, in denen der Großteil der Syrer lebt (Reuters 13.4.2016).

Am Beginn des Jahres 2019 sind noch drei größere Gebiete außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung: die Provinz Idlib und angrenzende Gebiete im Westen der Provinz Aleppo und Norden der Provinz Hama; die Gebiete im Norden und Osten Syriens, die unter Kontrolle der kurdisch dominierten Syrian Democratic Forces (SDF) stehen; außerdem die Konfliktschutzzone (de-confliction zone) bei Tanf in Homs bzw. in der Nähe des Rukban Flüchtlingslagers (UNHRC 31.1.2019).

Trotz weitreichender militärischer Erfolge des syrischen Regimes und seiner Unterstützer sind Teile Syriens noch immer von Kampfhandlungen betroffen, allen voran die Provinzen Idlib, Teile Aleppos, Raqqas und Deir ez-Zours (AA 13.11.2018).

Laut UNMAS (United Nations Mine Action Service) sind 43% der besiedelten Gebiete Syriens mit Mienen und Fundmunition kontaminiert (AA 13.11.2018). Es kommt immer wieder zu Zwischenfällen mit derartigen Hinterlassenschaften des bewaffneten Konfliktes zum Beispiel im Osten der Stadt Aleppo, Ost-Ghouta und im Osten Hamas (DIS/DRC 2.2019).

Der sogenannte Islamische Staat (IS) kontrollierte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Irak (FAZ 10.3.2019). Ende März 2019 wurde mit Baghus die letzte Bastion des IS von den oppositionellen "Syrian Democratic Forces" erobert. Der IS ist zwar zerschlagen, verfügt aber noch immer über militärische Einheiten, die sich in den Wüstengebieten Syriens und des Irak versteckt halten (DZO 24.3.2019). Schläferzellen des IS sind sowohl im Irak als auch in Syrien weiterhin aktiv (FAZ 10.3.2019). Gegenwärtig sollen im Untergrund mehr als 20.000 IS-Kämpfer auf eine Gelegenheit zur Rückkehr warten (FAZ 22.3.2019). Auch IS-Führer Abu Bakr al-Bagdadi bleibt weiterhin verschwunden (FAZ 23.3.2019).

US-Präsident Donald Trump kündigte im Dezember 2018 an, alle 2.000 US-Soldaten aus Syrien abziehen zu wollen. Er erklärte jedoch später noch Soldaten vor Ort belassen zu wollen. Für die von den Amerikanern unterstützen Kurden ist ein Abzug der amerikanischen Truppen ein herber Schlag (Qantara 28.2.2019).

Die NGO Syrian Network for Human Rights (SNHR) versucht die Zahlen ziviler Todesopfer zu erfassen, für die einzelnen Monate des Jahres 2018 finden sich deren Daten in der unten befindlichen Grafik. Getötete Kämpfer werden in dem Bericht nicht berücksichtigt. Betont wird außerdem, dass die Organisation in vielen Fällen Vorkommnisse nicht dokumentieren konnte, besonders im Fall von Massakern, bei denen Städte und Dörfer komplett abgeriegelt wurden. Die hohe Zahl solcher Berichte lässt darauf schließen, dass die eigentlichen Zahlen ziviler Opfer weit höher als die unten angegebenen sind (SNHR 1.1.2019).

Für Januar 2019 erfasste SNHR zumindest 197 getötete Zivilisten (SNHR 1.2.2019) für Februar 2019 246 (SNHR 1.3.2019), für März 2019 334 (SNHR 1.4.2019) und für April 2019 324. Zudem sind im April 2019 54 Personen aufgrund Folter verstorben, 50 davon durch Einheiten der syrischen Regierung (SNHR 1.5.2019).

2. Folter, Haftbedingungen und unmenschliche Behandlung

Das Gesetz verbietet Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen oder Strafen, wobei das Strafgesetzbuch eine Strafe von maximal drei Jahren Gefängnis für Täter vorsieht. Nichtsdestotrotz wenden die Sicherheitskräfte in Tausenden Fällen solche Praktiken an (USDOS 13.3.2019). Willkürliche Festnahmen, Misshandlung, Folter und Verschwindenlassen sind in Syrien weit verbreitet (HRW 18.1.2018; vgl. AI 22.2.2018, USDOS 13.3.2019, AA 13.11.2018). Sie richten sich von Seiten der Regierung insbesondere gegen Oppositionelle oder Menschen, die vom Regime als oppositionell wahrgenommen werden (AA 13.11.2018).

NGOs berichten glaubhaft, dass die syrische Regierung und mit ihr verbündete Milizen physische Misshandlung, Bestrafung und Folter an oppositionellen Kämpfern und Zivilisten begehen (USDOS 13.3.2019; vgl. TWP 23.12.2018). Vergewaltigung und sexueller Missbrauch von Frauen, Männern und Minderjährigen sind weit verbreitet. Die Regierung soll hierbei auch auf Personen abzielen, denen Verbindungen zur Opposition vorgeworfen werden (USDOS 13.3.2019). Es sind zahllose Fälle dokumentiert, bei denen Familienmitglieder wegen der als regierungsfeindlich wahrgenommenen Tätigkeit von Verwandten inhaftiert und gefoltert wurden, auch wenn die als regierungsfeindlich wahrgenommenen Personen ins Ausland geflüchtet waren (AA 13.11.2018; vgl. AI 22.2.2018).

Systematische Folter und die Bedingungen in den Haftanstalten führen häufig zum Tod der Insassen. Die Gefängnisse sind stark überfüllt, es mangelt an Nahrung, Trinkwasser, Hygiene und Zugang zu sanitären Einrichtungen und medizinischer Versorgung. Diese Bedingungen waren so durchgängig, dass die UN Commission of Inquiry zu dem Schluss kam, diese seien Regierungspolitik. Laut Berichten von NGOs gibt es zahlreiche informelle Hafteinrichtungen in umgebauten Militärbasen, Schulen, Stadien und anderen unbekannten Lokalitäten. So sollen inhaftierte Demonstranten in leerstehenden Fabriken und Lagerhäusern ohne angemessene sanitäre Einrichtungen festhalten werden. Die Regierung hält weiterhin Tausende Personen ohne Anklage und ohne Kontakt zur Außenwelt ("incommunicado") an unbekannten Orten fest (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018, SHRC 24.1.2019).

In jedem Dorf und jeder Stadt gibt es Haft- bzw. Verhörzentren für die ersten Befragungen und Untersuchungen nach einer Verhaftung. Diese werden von den Sicherheits- und Nachrichtendiensten oder auch regierungstreuen Milizen kontrolliert. Meist werden Festgenommene in ein größeres Untersuchungszentrum in der Provinz oder nach Damaskus und schließlich in ein Militär- oder ziviles Gefängnis gebracht. Im Zuge dieses Prozesses kommt es zu Folter und Todesfällen. Selten wird ein Häftling freigelassen. Unschuldige bleiben oft in Haft, um Geldsummen für ihre Freilassung zu erpressen oder um sie im Zuge eines "Freilassungsabkommens" auszutauschen (SHRC 24.1.2019).

Seit Sommer 2018 werden von den Regierungsbehörden Sterberegister veröffentlicht, wodurch erstmals offiziell der Tod von 7.953 Menschen in Regierungsgewahrsam bestätigt wurde, wenn auch unter Angabe wenig glaubwürdiger amtlich festgestellter natürlicher Todesursachen (Herzinfarkt, etc.). Berichte von ehemaligen Insassen sowie Menschenrechtsorganisationen benennen als häufigste Todesursachen Folter, Krankheit als Folge mangelnder Ernährung und Hygiene in den Einrichtungen und außergerichtliche Tötung (AA 13.11.2018; vgl. SHRC 24.1.2019). Die syrische Regierung übergibt die Überreste der Verstorbenen nicht an die Familien (HRW 17.1.2019).

Mit Stand Dezember 2018 ist der Verbleib von 100.000 syrischen Gefangenen noch immer unbekannt. Laut Menschenrechtsgruppen und den Vereinten Nationen sind wahrscheinlich Tausende, wenn nicht Zehntausende davon umgekommen (TWP 23.12.2018).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind jedoch keine Neuerung der Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Auch die Rebellengruppierungen werden außergerichtlicher Tötungen und der Folter von Inhaftierten beschuldigt (FH 1.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Opfer sind vor allem (vermutete) regierungstreue Personen und Mitglieder von Milizen oder rivalisierenden bewaffneten Gruppen. Zu den Bedingungen in den Hafteinrichtungen der verschiedenen regierungsfeindlichen Gruppen ist wenig bekannt, NGOs berichten von willkürlichen Verhaftungen, Folter und unmenschlicher Behandlung. Der IS bestrafte häufig Opfer in der Öffentlichkeit und zwang Bewohner, darunter auch Kinder, Hinrichtungen und Amputationen mitanzusehen. Es gibt Berichte zu Steinigungen und Misshandlungen von Frauen. Dem sogenannten Islamischen Staat (IS) werden systematische Misshandlungen von Gefangenen der Freien Syrischen Armee (FSA) und der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) vorgeworfen. Berichtet werden auch Folter und Tötungen von Gefangenen durch den IS (USDOS 13.3.2019).

3. Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

3.1. Rekrutierung von Minderjährigen durch verschiedenste Organisationen

Regierungseinheiten, Pro-Regime-Milizen, bewaffnete oppositionelle Gruppen und terroristische Organisationen rekrutieren in Syrien Minderjährige (USDOS 28.6.2018; vgl. AA 13.11.2018) und setzen sie als Soldaten, menschliche Schutzschilde, Selbstmordattentäter, Henker sowie in unterstützenden Funktionen ein. Kinder dienen auch als Zwangsarbeiter oder Informanten, was diese dem Risiko von Vergeltungsakten oder extremen Bestrafungen aussetzt (USDOS 28.6.2018). Laut einem FFM-Bericht der finnischen Einwanderungsbehörde liegen keine verlässlichen Informationen vor, die auf die Rekrutierung von Minderjährigen durch die syrische Armee hinweisen, jedoch gibt es durchaus Minderjährige, die in den Rängen von regierungstreuen Milizen kämpfen (FIS 14.12.2018).

Es gibt aktive Versuche der Rekrutierung von Minderjährigen durch den sogenannten Islamischen Staat (IS), die einer Nötigung gleichkommen (BFA 8.2017). Der IS setzt diese aktiv in Kampfhandlungen und teils auch bei Hinrichtungen ein. Der IS zielt bewusst auf Kinder ab, um diese zu indoktrinieren und nutzt Schulen für militärische Zwecke, wodurch Kinder gefährdet werden und ihr Zugang zu Bildung eingeschränkt wird (USDOS 28.6.2018).

Berichten zufolge gibt es weiterhin Rekrutierungen Minderjähriger durch die kurdischen Volksverteidigungseinheiten bzw. Frauenverteidigungseinheiten (YPG/YPJ) (AA 13.11.2018). Im September 2018 erließen die großteils kurdischen Syrian Democratic Forces (SDF) einen Befehl, der die Rekrutierung von Minderjährigen verbietet und vorsieht das Alter der aktuellen Mitglieder der SDF zu überprüfen (HRW 11.9.2018). Im Dezember 2018 wurden Berichten zufolge 56 minderjährige Jungen ihren Familien übergeben (USDOS 13.3.2019).

3.2. Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 oder 21 Monaten gesetzlich verpflichtend. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit eines freiwilligen Militärdienstes. Frauen können ebenfalls freiwillig Militärdienst leisten (CIA 3.4.2019; vgl. AA 13.11.2018, FIS 14.12.2018). Palästinensische Flüchtlinge mit dauerhaftem Aufenthalt in Syrien unterliegen ebenfalls der Wehrpflicht, dienen jedoch in der Regel in der Palestinian Liberation Army (PLA) unter palästinensischen Offizieren. Diese ist jedoch de facto ein Teil der syrischen Armee (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Erreichen des 42. Lebensjahres in den aktiven Dienst einberufen werden. Vor dem Ausbruch des Konflikts bestand der Reservedienst im Allgemeinen nur aus mehreren Wochen oder Monaten Ausbildung zur Auffrischung der Fähigkeiten, und die Regierung berief Reservisten nur selten ein. Seit 2011 hat sich das jedoch geändert. Es liegen außerdem einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z.B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung). Manche Personen werden wieder zum aktiven Dienst einberufen, andere wiederum nicht, was von vielen verschiedenen Faktoren abhängt. Es ist sehr schwierig zu sagen, ob jemand tatsächlich zum Reservedienst einberufen wird. Männer können ihren Dienst-/Reservedienststatus bei der Militärbehörde überprüfen. Die meisten tun dies jedoch nur auf informellem Weg, um zu vermeiden, sofort rekrutiert zu werden (BFA 8.2017).

Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Militärbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit, oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (BFA 8.2017).

Die syrische Armee hat durch Verluste, Desertion und Überlaufen zu den Rebellen einen schweren Mangel an Soldaten zu verzeichnen (TIMEP 6.12.2018).

Aktuell ist ein "Herausfiltern" von Militärdienstpflichtigen im Rahmen von Straßenkontrollen oder an einem der zahlreichen Checkpoints weit verbreitet. In der Praxis wurde die Altersgrenze erhöht und auch Männer in ihren späten 40ern und frühen 50ern sind gezwungen Wehr-/Reservedienst zu leisten. Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab, als vom allgemeinen Gesetz. Dem Experten zufolge würden jedoch jüngere Männer genauer überwacht, ältere könnten leichter der Rekrutierung entgehen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018).

Die Militärpolizei verhaftet in Gebieten unter der Kontrolle der Regierung junge Männer, die für den Wehrdienst gesucht werden. Nachdem die meisten fixen Sicherheitsbarrieren innerhalb der Städte aufgelöst wurden, patrouilliert nun die Militärpolizei durch die Straßen. Diese Patrouillen stoppen junge Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln und durchsuchen Wohnungen von gesuchten Personen (SHRC 24.1.2019). Es gab in der Vergangenheit Fälle, in denen Familienmitglieder von Wehrdienstverweigerern oder Deserteuren Vergeltungsmaßnahmen wie Unterdrucksetzung und Inhaftierung ausgesetzt waren (TIMEP 6.12.2018).

Im November 2017 beschloss das syrische Parlament eine Gesetzesnovelle der Artikel 74 und 97 des Militärdienstgesetzes. Die Novelle besagt, dass jene, die das Höchstalter für die Ableistung des Militärdienstes überschritten haben und den Militärdienst nicht abgeleistet haben, aber auch nicht aus etwaigen gesetzlich vorgesehenen Gründen vom Wehrdienst befreit sind, eine Kompensationszahlung von 8.000 USD oder dem Äquivalent in SYP leisten müssen. Diese Zahlung muss innerhalb von drei Monaten nach Erreichen des Alterslimits geleistet werden. Wenn diese Zahlung nicht geleistet wird, ist die Folge eine einjährige Haftstrafe und die Zahlung von 200 USD für jedes Jahr, um welches sich die Zahlung verzögert, wobei der Betrag 2000 USD oder das Äquivalent in SYP nicht übersteigen soll. Jedes begonnene Jahr der Verzögerung wird als ganzes Jahr gerechnet. Außerdem kann basierend auf einem Beschluss des Finanzministers das bewegliche und unbewegliche Vermögen der Person, die sich weigert den Betrag zu bezahlen, konfisziert werden (SANA 8.11.2017; vgl. SLJ 10.11.2017, PAR 15.11.2017).

3.3. Wehrdienstverweigerung / Desertion

Im Verlauf des syrischen Bürgerkrieges verlor die syrische Armee viele Männer aufgrund von Wehrdienstverweigerung, Desertion, Überlaufen und zahlreichen Todesfällen (TIMEP 6.12.2018).

Wehrdienstverweigerer werden laut Gesetz in Friedenszeiten mit ein bis sechs Monaten Haft bestraft, die Wehrpflicht besteht dabei weiterhin fort. In Kriegszeiten wird Wehrdienstverweigerung laut Gesetz, je nach den Umständen, mit Gefängnisstrafen von bis zu fünf Jahren bestraft (AA 13.11.2018). Bezüglich der Konsequenzen einer Wehrdienstverweigerung gehen die Meinungen der Quellen auseinander. Während manche die Ergreifung eines Wehrdienstverweigerers mit Foltergarantie und Todesurteil gleichsetzen, sagen andere, dass Betroffene sofort eingezogen würden. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018).

Berichten zufolge betrachtet die Regierung Wehrdienstverweigerung nicht nur als eine strafrechtlich zu verfolgende Handlung, sondern auch als Ausdruck von politischem Dissens und mangelnder Bereitschaft, das Vaterland gegen "terroristische" Bedrohungen zu schützen (BFA 8.2017).

Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt (Landinfo 3.1.2018).

Desertion wird gemäß dem Militärstrafgesetz von 1950 in Friedenszeiten mit ein bis fünf Jahren Haft bestraft und kann in Kriegszeiten bis zu doppelt so lange Haftstrafen nach sich ziehen. Deserteure, die zusätzlich außer Landes geflohen sind (sogenannte "externe Desertion"), unterliegen Artikel 101 des Militärstrafgesetzbuchs, der eine Strafe von fünf bis zehn Jahren Haft in Friedenszeiten und 15 Jahre Haft in Kriegszeiten vorschreibt. Desertion im Angesicht des Feindes ist mit lebenslanger Haftstrafe zu bestrafen. In schwerwiegenden Fällen wird die Todesstrafe verhängt (BFA 8.2017).

Deserteure werden härter bestraft als Wehrdienstverweigerer. Deserteure riskieren, inhaftiert, gefoltert und getötet zu werden. Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet haben oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018).

Seit Ausbruch des Syrienkonflikts werden syrische Armeeangehörige erschossen, gefoltert, geschlagen und inhaftiert, wenn sie Befehle nicht befolgen (AA 13.11.2018).

In Gebieten, welche durch sogenannte Versöhnungsabkommen wieder unter die Kontrolle der syrischen Regierung gebracht wurden, werden häufig Vereinbarungen bezüglich des Wehrdienstes getroffen. Manche Vereinbarungen besagen, dass Männer nicht an die Front geschickt, sondern stattdessen bei der Polizei eingesetzt werden (BFA 8.2017). Berichten zufolge wurden solche Zusagen von der Regierung aber bisweilen auch gebrochen (AA 13.11.2018; vgl. FIS 14.12.2018). Auch in den "versöhnten Gebieten" sind Männer im entsprechenden Alter also mit der Wehrpflicht oder mit der Rekrutierung durch regimetreue bewaffnete Gruppen konfrontiert. In manchen dieser Gebiete drohte die Regierung auch, dass die Bevölkerung keinen Zugang zu humanitärer Hilfe erhält, wenn diese nicht die Regierungseinheiten unterstützt (FIS 14.12.2018).

3.4. Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG/YPJ)

Die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG) sind die bewaffneten Einheiten der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) (DZO 13.1.2019). Bis 2014 war der Militärdienst bei der YPG freiwillig. Seit 2014 gibt es jedoch in den Gebieten unter Kontrolle der PYD eine gesetzliche Verordnung zum verpflichtenden Wehrdienst. Jede Familie ist dazu verpflichtet, ein Familienmitglied im Alter von 18 bis 30 Jahren als "Freiwilligen" für einen sechsmonatigen Wehrdienst bei der YPG aufzubieten. Laut Menschenrechtsorganisationen wird dieses Gesetz auch mit Gewalt durchgesetzt (AA 13.11.2018).

Mehrfach ist es zu Fällen gekommen, in denen Männer von der YPG rekrutiert werden, die älter als 30 Jahre waren. Dabei handelte es sich um Personen, die PYD-kritisch politisch aktiv waren, und die mit hoher Wahrscheinlichkeit durch die Rekrutierung abgestraft werden sollten (Savelsberg 3.11.2017).

Frauen können freiwilligen Militärdienst in den kurdischen Einheiten leisten, wobei es gleichzeitig Berichte von Zwangsrekrutierungen von Frauen gibt (AA 13.11.2018). Quellen zufolge gibt es keine Beweise für Zwangsrekrutierungen von Frauen durch die kurdischen Frauenverteidigungseinheiten (YPJ), jedoch kann es einzelne Fälle der Zwangsrekrutierung von Frauen in kleineren lokalen kurdischen Milizen geben, die gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) kämpfen (BFA 8.2017). Dem widersprechen andere Quellen, denen zufolge es in mehreren Fällen zur Rekrutierung bzw. Zwangsrekrutierung minderjähriger Mädchen gekommen ist. Darüber hinaus sind Fälle bekannt, in denen kurdische Frauen, die der YPG zunächst freiwillig beitraten, daran gehindert wurden, diese wieder zu verlassen (Savelsberg 3.11.2017).

4. Allgemeine Menschenrechtslage

Schätzungen besagen, dass etwa eine halbe Million Menschen im syrischen Bürgerkrieg getötet wurden (BS 2018).

Die syrische Verfassung sieht die Baath-Partei als die regierende Partei vor und stellt sicher, dass sie die Mehrheit in allen Regierungs- und Volksverbänden hat. Ein Dekret von 2011 erlaubt die Bildung anderer politischer Parteien, jedoch nicht auf Basis von Religion, Stammeszugehörigkeit oder regionalen Interessen. Die Regierung erlaubt nur regierungsnahen Gruppen offizielle Parteien zu gründen und zeigt wenig Toleranz gegenüber anderen politischen Parteien, auch jenen, die mit ihr verbündet sind. Parteien wie das Communist Union Movement, die Communist Action Party und die Arab Social Union werden schikaniert. Gesetze, welche die Mitgliedschaft in illegalen Organisationen verbieten, wurden auch verwendet um Hunderte Mitglieder von Menschenrechts- und Studentenorganisationen zu verhaften. Es gibt auch zahlreiche Berichte zu anderen Formen der Belästigung von Menschenrechtsaktivisten, Oppositionellen oder Personen, die als oppositionell wahrgenommen werden, von Reiseverboten, Enteignung und Überwachung bis hin zu willkürlichen Festnahmen, "Verschwindenlassen" und Folter (USDOS 13.3.2019).

Es sind zahllose Fälle bekannt, bei denen Personen für als regierungsfeindlich angesehene Tätigkeiten ihrer Verwandten inhaftiert und gefoltert werden, darunter sollen auch Fälle sein, bei denen die gesuchten Personen ins Ausland geflüchtet sind (AA 13.11.2018). Frauen mit familiären Verbindungen zu Oppositionskämpfern werden z.B. als Vergeltung oder zur Informationsgewinnung festgenommen. Außerdem werden Personen festgenommen, die Kontakte zu Verwandten oder Freunden unterhalten, die in oppositionell kontrollierten Gebieten leben (UNHRC 31.1.2019).

Die Methoden der Folter, des Verschwindenlassens und der schlechten Bedingungen in den Haftanstalten sind keine Neuerung der letzten Jahre seit Ausbruch des Konfliktes, sondern waren bereits zuvor gängige Praxis der unterschiedlichen Nachrichtendienste und Sicherheitsbehörden in Syrien (SHRC 24.1.2019).

Russland, der Iran und die Türkei haben im Zusammenhang mit den Astana-Verhandlungen wiederholt zugesagt, sich um die Missstände bezüglich willkürlicher Verhaftungen und Verschwindenlassen zu kümmern. Im Dezember 2017 gründeten sie eine Arbeitsgruppe zu Inhaftierungen und Entführungen im syrischen Konflikt, es waren bisher jedoch nur geringe Fortschritte zu verzeichnen (HRW 17.1.2019).

Weitere schwere Menschenrechtsverletzungen, derer das Regime und seine Verbündeten beschuldigt werden, sind willkürliche und absichtliche Angriffe auf Zivilisten, darunter auch der Einsatz von chemischen Waffen; Massaker und Vergewaltigungen als Kriegstaktik; Einsatz von Kindersoldaten sowie übermäßige Einschränkungen der Bewegungs-, Meinungs-, Versammlungs- und Pressefreiheit, inklusive Zensur. Die Regierung überwacht die Kommunikation im Internet, inklusive E-Mails, greift in Internet- und Telefondienste ein und blockiert diese. Die Regierung setzt ausgereifte Technologien und Hunderte von Computerspezialisten für Überwachungszwecke ein (USDOS 13.3.2019).

Orte, die im Laufe der vergangenen Jahre wieder unter die Kontrolle der Regierung gelangt sind, erlebten organisierte und systematische Plünderungen durch die bewaffneten Einheiten der Regierung (SHRC 24.1.2019). Berichten zufolge sind Personen in Gebieten, die erst vor kurzer Zeit durch die Regierung wiedererobert wurden, aus Angst vor Repressalien oft zurückhaltend über die Situation in diesen Gebieten zu berichten (USDOS 13.3.2019).

Bewaffnete terroristische Gruppierungen, wie die mit al-Qaida in Verbindung stehende Gruppe Hay'at Tahrir al-Sham (HTS), sind für weitverbreitete Menschenrechtsverletzungen wie Massaker, Beschuss, Entführung, unrechtmäßige Inhaftierung, Folter, Tötung und Zwangsvertreibung auf Basis der Konfession Betroffener, verantwortlich. Der sogenannte Islamische Staat (IS) agiert(e) mit Brutalität gegenüber Bewohnern des von ihm kontrollierten Territoriums. Ihm werden u.a. vorgeworfen: außergerichtliche Hinrichtungen und Verhaftungen, Haft unter unmenschlichen Bedingungen, Folter, Verschwindenlassen und Anwendung von Körperstrafen. Frauen erleb(t)en in vom IS gehaltenen Gebieten willkürliche und schwere Bestrafungen, inklusive Hinrichtung durch Steinigung. (USDOS 13.3.2019). Sexuelle Versklavung und Zwangsverheiratung sind zentrale Elemente der Ideologie des IS. Mädchen und Frauen wurden zur Heirat mit Kämpfern gezwungen. Frauen und Mädchen, die Minderheiten angehören, wurden sexuell versklavt (USDOS 28.6.2018; vgl. USDOS 13.3.2019). Im Bezug auf Kampfhandlungen wird dem IS der Einsatz von Kindersoldaten sowie von Zivilisten als menschliche Schutzschilde vorgeworfen. Außerhalb der (ehemals) kontrollierten Gebiete verübte der IS Entführungen und Anschläge (USDOS 13.3.2019).

Auch die oppositionellen bewaffneten Gruppen der Syrian Democratic Forces (SDF) werden für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht, darunter die kurdischen Volksverteidigungskräfte (YPG). Es gibt Berichte über Verschwindenlassen von Gegnern der kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und deren Familien, unrechtmäßige Verhaftungen, Folter von politischen Gegnern, sowie vereinzelte Berichte über Festnahmen von Journalisten, Mitgliedern von Menschenrechtsorganisationen und Oppositionsparteien und Personen, die sich weigerten mit den kurdischen Gruppen zu kooperieren (USDOS 13.3.2019; vgl. HRW 10.9.2018).

Familienmitglieder von gesuchten Aktivisten, darunter auch Verwandte von Mitgliedern des IS, sollen von den SDF in den von ihnen kontrollierten Gebieten gefangen genommen worden sein, um Informationen zu erhalten oder um Druck auszuüben. Weiters gibt es Berichte über vermehrte Verhaftungen von Männern für versuchte Wehrdienstverweigerung und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in den befreiten Gebieten (USDOS 13.3.2019).

Berichten zufolge kam es 2017 auch zur Vertreibung von arabischen Bewohnern aus Gegenden, die durch kurdische Einheiten vom IS befreit worden waren (USDOS 20.4.2018; vgl. AA 13.11.2018).

Die YPG gehört seit 2014 zu den vom VN-Generalsekretär gelisteten Konfliktparteien, die Kindersoldaten einsetzen und Kinderrechte verletzen (AA 13.11.2018). Nach Berichten zu Rekrutierungen von Kindern, auch unter Zwang, durch die SDF, verabschiedeten diese ein Verbot der Rekrutierung und Verwendung von Personen unter 18 Jahren zum Kampf. Verboten sind, unter Androhung von Strafen für die Befehlshaber, auch Hilfsdienste wie Ausspähen, Wach- und Versorgungsdienste. Die kurdischen Gruppen erklärten ihre volle Unterstützung der Anordnung. Im Dezember 2018 wurden 56 Unter-18-Jährige ihren Eltern übergeben (USDOS 13.3.2019).

Die menschenrechtliche Situation in den kurdisch kontrollierten Gebieten stellt sich insgesamt deutlich weniger gravierend dar, als in den Gebieten, die sich unter Kontrolle des syrischen Regimes oder islamistischer bis jihadistischer Gruppen befinden (AA 13.11.2018).

Ein Charakteristikum des Bürgerkriegs in Syrien ist, dass in ganz Syrien bestimmte Personen aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit direkt angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert oft nur auf den familiären Verbindungen der Person, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder einfach auf ihrer Präsenz in oder Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, das als "regierungsfreundlich" oder "regierungsfeindlich" gilt (UNHCR 11.2015).

5. Ethnische Minderheiten

Die anhaltende Vertreibung der syrischen Bevölkerung führt zu einem gewissen Grad an Unsicherheit in den demographischen Daten. Schätzungen der US-Regierung zufolge dürften die Sunniten 74% der Bevölkerung stellen, wobei diese sich unter anderem aus arabischen, kurdischen, tscherkessischen, tschetschenischen und turkmenischen Bevölkerungsanteilen zusammensetzen. Andere muslimische Gruppen, einschließlich Alawiten, Ismailiten und Zwölfer Schiiten machen zusammen 13% aus, die Drusen 3%. Verschiedene christliche Gruppen bilden die verbleibenden 10% (USDOS 29.5.2018; vgl. MRG 5.2018a, AA 2.2018, CIA 11.2.2019). Laut Medien- und anderen Berichten ist davon auszugehen, dass viele Christen aufgrund des Bürgerkrieges das Land verließen, und die Zahl nun bedeutend geringer ist. Vor dem Bürgerkrieg gab es in Syrien ungefähr 80.000 Jeziden. Diese Zahl könnte aufgrund jezidischer Flüchtlinge aus dem Irak mittlerweile höher sein (USDOS 29.5.2018).

Die alawitische Gemeinde, zu der Bashar al-Assad gehört, genießt einen privilegierten Status in der Regierung und dominiert auch den staatlichen Sicherheitsapparat und das Militär (USDOS 13.3.2019).

In Bezug auf die ethnische Zugehörigkeit besteht die syrische Bevölkerung zum Großteil aus Arabern (Syrer, Palästinenser, Iraker). Ethnische Minderheiten sind Kurden, Armenier, Turkmenen und Tscherkessen (AA 2.2018; vgl. MRG 5.2018a).

Religiöse bzw. interkonfessionelle Faktoren spielen auf allen Seiten des Konfliktes eine Rolle, doch fließen auch andere Faktoren im Kampf um die politische Vormachtstellung mit ein. Die Gewalt von Seiten der Regierung gegen Oppositionsgruppen aber auch Zivilisten weist sowohl interkonfessionelle Elemente als auch Elemente ohne interkonfessionellen Bezug auf. Beobachtern zufolge ist die Vorgehensweise der Regierung gegen Oppositionellengruppen, welche die Vormachtstellung der Regierung bedrohen, nicht in erster Linie konfessionell motiviert, doch zeige sie interkonfessionelle Auswirkungen. So versucht die syrische Regierung konfessionell motivierte Unterstützung zu gewinnen, indem sie sich als Beschützerin der religiösen Minderheiten vor sunnitisch-extremistischen Gruppen darstellt, während sie aber gleichzeitig auch radikale sunnitische Gruppen unterstützt und Religionsgemeinschaften kontrolliert. Manche Rebellengruppen bezeichnen sich in Statements und Veröffentlichungen explizit als sunnitische Araber oder sunnitische Islamisten und haben eine fast ausschließlich sunnitische Unterstützerbasis. Dies gibt dem Vorgehen der Regierung gegen oppositionelle Gruppen auch ein konfessionelles Element. Der Einsatz von ausländischen, konfessionell motivierten Milizen auf Seiten der Regierung verstärkt und verschärft das interkonfessionelle Moment des Konflikts. Berichten zufolge baut die Regierung auf schiitische Kämpfer z.B. aus dem Irak, Libanon und Afghanistan, um gegen die mehrheitlich sunnitische Opposition vorzugehen.

Analysten zufolge verschärft dies interkonfessionelle Spaltungen. Laut Experten stellt die Regierung die bewaffnete Opposition auch als religiös motiviert dar, indem sie diese mit extremistischen islamistischen Gruppen und Terroristen in Zusammenhang setzt, welche die religiösen Minderheiten sowie die säkulare Regierung eliminieren wollen (USDOS 29.5.2018).

Dies führte dazu, dass manche Führer religiöser Minderheitengruppen der Regierung Präsident Assads ihr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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