TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/3 W156 2190481-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.09.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

03.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W156 2190481-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ über die Beschwerde des A XXXX Q XXXX H XXXX , alias: A XXXX S XXXX , A XXXX H XXXX , A XXXX Q XXXX A XXXX , geboren XXXX , alias: XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Niederösterreich vom 23.02.2018, Zl.: XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.03.2019 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 31.01.2016 nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer als Fluchtgrund an, dass sein Onkel General in K XXXX sei und der Beschwerdeführer die Kinder seines Onkel in die Schule gebracht habe. Da sei auf das Auto geschossen worden. Diese Menschen hätten dann nach dem Beschwerdeführer gesucht.

Das (Erst-)Verfahren des Beschwerdeführers wurde aufgrund eines Asylantrages des Beschwerdeführers in Bulgarien mit Bescheid vom 06.07.2016 gemäß § 5 Asylg 2005 und § 61 FPG negativ beschieden, die Beschwerde wurde am 23.08.2016 vom BVwG als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer stellte am 28.11.2016 einen Folgeantrag, ohne neue Fluchtgründe vorzubringen.

Am 15.11.2017 wurde der Beschwerdeführer von einem Organwalter des BFA einvernommen. Er gab im zusammengefasst dieselben Fluchtgründe an, wie in der Erstbefragung. Probleme mit der Polizei oder Behörden brachte er nicht vor, ebenso keine Verfolgung wegen seiner Religion, Rasse, Religion oder Volksgruppenzugehörigkeit.

2. Eine von Seiten der belangten Behörde veranlasste multifaktorielle Untersuchung des Beschwerdeführers ergab ein spätest mögliches Geburtsdatum mit 17.09.1997.

3. Mit Bescheid des BFA vom 23.02.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (I.) als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf Afghanistan abgewiesen (II.) und dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (III.). Es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (V.), die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage betrage (VI.).

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte vollumfängliche Beschwerde. Eine innerstaatliche Fluchtalternative sei nicht gegeben, seine Verfolger könnten ihn überall aufspüren. Auch sei der Beschwerdeführer nicht in der Lage, in Kabul oder einer anderen Großstadt sein Überleben zu sichern.

5. Der Beschwerdeführer gab am 30.01.2019 eine Stellungnahme zu den vorab übersendeten Länderinformationen ab. Die Versorgungslage in den Städten sei katastrophal. Herat und Balkh seien von einer Dürre betroffen. Es sei anzunehmen, dass dem Beschwerdeführer internationaler Schutz zu gewähren sei.

6. Im Rahmen der durchgeführten mündlichen öffentlichen Beschwerdeverhandlung des Bundesverwaltungsgerichts am 26.03.2019 wiederholte der Beschwerdeführer sein bisheriges Fluchtvorbringen. Zu seinem Gesundheitszustand gab er an, er sei am Ohr wegen seiner Schwerhörigkeit operiert worden, es sei aber wieder alles in Ordnung. Sein Onkel ms sei ein militärischer General. Der Beschwerdeführer habe sich um dessen Kinder gekümmert. Eines Tages sei auf das Auto geschossen worden, in dem der Beschwerdeführer die Kinder des Onkels zur Schule bringen sollte. Sein Onkel habe ihm gesagt, dass sein Leben in Gefahr sei und diese Personen den Beschwerdeführer töten würden. Der Beschwerdeführer sei danach in sein Heimatdorf zurückgekehrt. Auch dort hätten die Taliban nach ihm gefragt. Sein Onkel habe ihm erzählt, dass dem Beschwerdeführer vorgeworfen werde, dass er schuld an der Verhaftung eines Mullahs und an einer Bombardierung sei. Er habe das vor dem BFA nicht angegeben, da man ihn nicht gefragt habe und ihn jedes Mal unterbrochen habe. Auch in der Beschwerde habe er es nicht erwähnt, da ihn der Beschwerdeverfasser nicht danach gefragt habe. Die Taliban hätten die anderen Taliban im Dorf mit einem Brief informiert.

Der länderkundige Experte, welcher an der mündlichen Verhandlung teilnahm, wurde ersucht, folgende Fragen zu beantworten:

"1. Welche Sicherheitsmaßnahmen ergreift in der Regel ein hoher Beamter der Polizei, Armee oder Regierung - wie her ein General der Grenzpolizei-, zum eigenen Schutz und zum Schutz seiner Familie vor eventuellen Angriffen? Haben die Begleitpersonen Anweisungen wie in Fall eines Überfalles zu reagieren ist? Ist die Beschreibung des BF über den Überfall, insbesondere der Begleitung der Kinder des Generals am Schulweg, damit in Einklang zu bringen?

2. Der BF gibt an, keine Informationen darüber zu haben, ob es Vorfälle seinen Onkel ms betreffend in der Zeit zwischen dem Überfall und seiner Ausreise gegeben hat? Könnten Angriffe - durch wie hier die Taliban - auf den Onkel ms. in der genannten öffentlichen Position unbemerkt bzw. unerwähnt bleiben?

3. Ist der BF aufgrund seines Vorbringens im Fokus der Taliban oder ist es realistisch, dass die Taliban sich am Onkel ms rächen, der ja wohl den Befehl zur Verhaftung gegeben hat? Können Familienmitglieder weiterhin im Heimatort verbleiben ohne Konsequenzen fürchten zu müssen, wie der Cousin vs., der ihm auch noch zur Flucht geholfen hat?

4. Stimmen die Angaben des BF zur seiner Ausbildung in der Koranschule, insbesondere bei den genannten Fächern und der genannten Dauer, mit der üblichen Ausbildung in Koranschulen überein?

SV:

Zu Frage 1:

Nach einem Telefonat nach J XXXX habe ich feststellen können, dass XXXX ein Teil der Stadt XXXX ist und in der Nähe des T XXXX -Hafen, auf der Hauptstraße zwischen pakistanische Grenze und Kabul, liegt. XXXX ist eine sichere Gegend von XXXX und deshalb wohnen auch prominente Leute dort. Eine Polizeiausbildungsschule und weiter militärische Einrichtungen befinden sind in XXXX bzw. in seiner Umgebung.

In so einem Bezirk ist es normal, dass die Kinder eines Generals von einem seiner Verwandten mit einem Auto und Fahrer gefahren und zurückgebracht werden.

Wenn aber die Gegend unsicher ist, werden die Familienmitglieder des Generals mit bewaffneten Soldaten begleitet.

Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass die Familie eines Generals auch aus einem Hinterhalt angegriffen werden kann. Ein solcher Angriff, den der BF erzählt hat, muss den Generals-Kindern gegolten haben. Denn die Stellung des Generals ist viel wichtiger als die des BFS. Außerdem müsste an der ersten Stelle die Kinder des Generals, der als Chef der Grenzpolizei auch zuständig für die Bekämpfung der Taliban ist, die Zielscheibe der Taliban gewesen sein und nicht der BF.

Zu Frage 2:

Der Angriff auf einen General, der eine hohe Position bekleidet, Chef der Grenzpolizei, ist zu vergleichen mit der Position eines Polizeichefs in einer ganzen Provinz-Ebene, wird sofort in der Gegend durch Medienbericht-Erstattung und durch den sofortigen Massenpolizeieinsatz bekannt.

Zu Frage 3:

Wenn tatsächlich der BF dem Onkel es berichtet hat und der Onkel die Verfolgung und Festnahmen durchgeführt bzw. den Befehl dazu erteilt hat, wie es zu seinem Job gehört, ist der Onkel Feind Nr. 1. In weiterer Folge werden auch die engen Familienmitglieder des Onkels Zielscheibe der Taliban und der betroffenen Familien.

Wenn tatsächlich ein solcher Vorfall stattgefunden hat und der BF darin involviert gewesen ist, ergibt sich daraus Sippenhaft. D.h. der Vater, Mutter und die Brüder des BF sind von Sippenhaft betroffen. Wenn die Feinde den Täter finden, dann verfolgen sie seine engen Familienmitglieder.

Auch der Cousin ist von Sippenhaft betroffen, weil er mit dem BF engzusammen war und den BF bei der Flucht unterstützt hat.

Zu Frage 4:

Eine Quran-Schule bzw. Moschee Schule ist eine Art Kindergarten und Grundschule für die Kinder des Dorfes, wo die Kinder das einfache Gebetformel lernen und dann Qura Lesen lernen. Sobald die Kinder im Schulalter sind bzw. Quran gelesen haben gehen nicht mehr zum Unterricht in die Moschee, sie gehen meistens in den staatlichen Schulen. Parallel zur staatliche Schulen gibt es Madrassa, eine Art höhere islamische Schule, in der hauptsächlich die islamischen Gegenstände gelehrt wird. Wenn die Betreiber von den Madrassas es sich wünschen, können sie ihre Schulen bei der Bildungsbehörde registrieren und Förderung bekommen. In solchen Madrassas werden auch dann die Gegenstände die in den staatlichen Schulen unterrichtet werden, angewandt.

Daher waren die Angaben des BF diesbezüglich nicht authentisch. Aber der BF ist eine gebildete Person, der eine höhere Schule in welcher Form auch immer besucht hat."

Ins Verfahren eingebracht wurden folgende Erkenntnisquellen:

-

LIB Afghanistan, letzte Kurzinformation 30.01.2019

-

UNHCR Richtlinie 30.08.2018

-

EASO Country Guidance Afghanistan 20.06.2018

Anfragebeantwortung Staatendokumentation, Taliban Drohbriefe vom 28.07.2016

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Afghanistans, führt im Verfahren den im Spruch genannten Namen, ist Paschtune und sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer ist in der der Provinz K XXXX geboren. Der Beschwerdeführer besuchte nach seinen Angaben 5 Jahre lang eine Koranschule und hat keinen Beruf erlernt. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 31.01.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz und am 28.11.2016 einen Folgeantrag. In Afghanistan hatte der Beschwerdeführer selbst keine Probleme mit staatlichen Behörden oder der Polizei. Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohenden Erkrankung. Der Beschwerdeführer hält sich nachweislich seit 2016 in Österreich auf. Im Bundesgebiet leben keine Angehörigen des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse besucht, er kann sich auf Deutsch artikulieren. Derzeit lebt der Beschwerdeführer von der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer verfügt über geringfügige Kenntnisse der österreichischen Geschichte, Kultur oder Politik. Er verrichtet derzeit keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Für den Fall einer positiven Entscheidung legte der Beschwerdeführer eine Einstellungszusage als Lagerarbeiter vor. Der Beschwerdeführer hat wenig Kontakt mit Österreichern und keine österreichischen Freunde. Eine strafrechtliche Verurteilung ist im Strafregister zum Entscheidungszeitpunkt nicht evident.

Die Familie des Beschwerdeführers lebt nach wie vor in seinem Heimatdorf. Nach eigenen Angaben hat er derzeit keinen Kontakt mit der Familie.

1.2. Zu den Fluchtgründen:

Im Falle einer Verbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat droht diesem kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 (in der Folge EMRK), oder der Prot. Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

1.3. Zu einer Rückkehr in sein Herkunftsland:

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung. Er leidet an keiner lebensbedrohenden Erkrankung und ist arbeitsfähig.

1.4. Zum Herkunftsland:

Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Zur Lage in Afghanistan werden die im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der Gesamtaktualisierung vom 29.06.2018 mit Stand vom 26.03.2019, in den UNHCR Richtlinien vom 30.08.2018, den EASO Leitlinien zu Afghanistan vom Juni 2018, im Landinfo Report Afghanistan zum Thema "Der Nachrichtendienst der Taliban und die Einschüchterungskampagne" vom 23.08.2017 und in Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Afghanistan vom 28.07.2016 zum Thema "Taliban Drohbriefe, Bedrohung militärischer Mitarbeiter" enthaltenen folgenden Informationen als entscheidungsrelevant festgestellt:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt insgesamt volatil und weist starke regionale Unterschiede auf. Provinzen und Distrikten mit aktiven Kampfhandlungen stehen andere gegenüber, in denen die Lage trotz punktueller Sicherheitsvorfälle vergleichsweise stabil ist. Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, Transitrouten, Provinzhauptstädte und den Großteil der Distriktzentren. Ausländische Streitkräfte und Regierungsvertreter sowie die als ihre Verbündeten angesehenen Angehörigen der afghanischen Sicherheitskräfte und Vertreter der afghanischen Regierung sind prioritäre Ziele der Aufständischen. Eine Bedrohung für Zivilisten geht insbesondere von Kampfhandlungen zwischen den Konfliktparteien sowie improvisierten Sprengkörpern, Selbstmordanschlägen und komplexen Angriffen auf staatliche Einrichtungen aus. In einigen Teilen des Landes ist fehlende Sicherheit die größte Bewegungseinschränkung. In bestimmten Gebieten machen Gewalt durch Aufständische, Landminen und improvisierte Sprengfallen (IEDs) das Reisen besonders gefährlich, speziell in der Nacht. Bewaffnete Aufständischengruppen betreiben illegale Checkpoints und erpressen Geld und Waren.

Kabul

Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt, die Stadt, in der Verwandte des mj. BF leben. Die Provinz Kabul grenzt im Nordwesten an die Provinz Parwan, im Nordosten an Kapisa. im Osten an Laghman, an Nangarhar im Südosten, an Logar im Süden und an (Maidan) Wardak im Südwesten. Die Provinz Kabul besteht aus folgenden Einheiten: Bagrami. Chaharasyab/Char Asiab. Dehsabz/Deh sabz. Estalef/Istalif. Farza. Guldara. Kabul Stadt. Kalakan. Khak-e Jabbar/Khak-i-Jabar. Mirbachakot/Mir Bacha Kot. Musayi/Mussahi. Paghman. Qarabagh. Shakardara. Surobi/Sorubi. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf

4.679.648 geschätzt.

In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander in Kabul Stadt.

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. In den letzten Jahren kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte.

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich.

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind. Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt. Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen. Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden.

UNHCR stellt fest, dass Zivilisten, die in Kabul tagtäglich ihren wirtschaftlichen oder sozialen Aktivitäten nachgehen, Gefahr laufen, Opfer der allgegenwärtigen in der Stadt bestehenden Gefahr zu werden. Zu solchen Aktivitäten zählen etwa der Weg zur Arbeit und zurück, die Fahrt in Krankenhäuser und Kliniken, der Weg zur Schule; den Lebensunterhalt betreffende Aktivitäten, die auf den Straßen der Stadt stattfinden, wie Straßenverkäufe; sowie der Weg zum Markt, in die Moschee oder an andere Orte, an denen viele Menschen zusammentreffen.

Die Provinz Kabul zählt laut EASO zu jenen Provinzen Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Art. 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.

Laut der aktuellen UNHCR Richtlinie vom 30.08.2019 ist aufgrund der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul eine interne Schutzalternative in der Stadt grundsätzlich nicht verfügbar.

Provinz Balkh

Hingegen handelt es sich bei der Provinz Balkh, mit deren Hauptstadt Mazar-e Sharif, laut EASO um einen jener Landesteile, wo willkürliche Gewalt ein derart niedriges Ausmaß erreicht, dass für Zivilisten im Allgemeinen keine reelle Gefahr besteht, von willkürlicher Gewalt im Sinne von Art 15 (c) der Qualifizierungsrichtlinie persönlich betroffen zu sein.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften, oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte.

Im Zeitraum 01.01.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden 129 zivile Opfer (52 getötete Zivilisten und 77 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Bodenoffensiven und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 68% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Zusammenstöße zwischen Aufständischen und Sicherheitskräften finden statt. Regierungsfeindliche Gruppierungen versuchen ihren Aufstand in der Provinz Balkh voranzutreiben.

Provinz Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel/Injil, Ghorian/Ghoryan, Guzra/Guzara und Pashtoon Zarghoon/Pashtun Zarghun, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba/Obe, Kurkh/Karukh, Kushk, Gulran, Kuhsan/Kohsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna/Kushki Kohna, Farsi, und Chisht-i-Sharif/Chishti Sharif als Bezirke dritter Stufe. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken.

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat.

Die Provinz ist u.a. ein Hauptkorridor für den Menschenschmuggel in den Iran bekannt - speziell von Kindern. Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge.

Im Zeitraum 01.01.2017-30.04.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016.

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt; dabei wurden Taliban getötet. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen.

Anhänger des IS haben sich im Jahr 2017 in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden.

ACLED registrierte für den Zeitraum 01.01.2017-15.07.2017 IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen die Zivilbevölkerung) in der Provinz Herat.

Bei der Provinz Herat (mit Ausnahme der Stadt Herat) handelt es sich laut EASO um einen jener Landesteile Afghanistans, wo willkürliche Gewalt stattfindet und allenfalls eine reelle Gefahr festgestellt werden kann, dass der BF ernsthaften Schaden im Sinne von Artikel 15(c) der Qualifizierungsrichtlinie nehmen könnte - vorausgesetzt, dass er aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse von derartigen Risikofaktoren konkret betroffen ist.

Provinz Kunar

Die Provinz Kunar befindet sich in Ostafghanistan. Sie grenzt im Norden an die Provinz Nuristan, im Süden an die Provinz Nangarhar, im Westen an die Provinz Laghman und im Osten an die Durandlinie (Pajhwok o.D.). Kunar hat folgende Distrikte: Asadabad, Khas Kunar/Khaskunar, Noorgul/Noorgul, Sawkai/Chawki, Narang, Sarkano/Sarkani, Marawar/Marawara, Shigal/Shigal Wa Sheltan, Dangal/Dangam, Asmar, Ghazi Abad/Ghaziabad, Nari, Watapur, Chapa Dara/Chapadara und Dara-e-Pech/Pech; die Provinzhauptstadt ist Asadabad (Pajhwok o.D.; vgl. UN OCHA 4.2014, NPS o.D.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 465.706 geschätzt (CSO 4.2017). In der Provinz leben Teilstämme der Paschtunen und Nuristani (NPS o.D.).

In Kunar stieg die Opium-Produktion im Jahr 2017 (+358 Hektar), wenngleich nicht so stark wie in der Provinz Nangarhar. Insgesamt wurden im selben Jahr in Kunar 31 Hektar an Opiumfeldern umgewidmet (UNODC 11.2017; vgl. SIGAR 30.1.2018).

Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

In den ersten zwei Monaten des Jahres 2018 zählte Kunar zu den relativ volatilen Provinzen Ostafghanistans: Aufständische der Taliban und des IS waren in einigen Distrikten aktiv (Khaama Press 11.1.2018; vgl. Khaama Press 9.1.2018, FE 25.2.2018, Khaama Press 4.7.2017, Khaama Press 18.2.2018). Verlautbart wurde auch, dass al-Qaida-Aufständische in einigen Distrikten aktiv sind (Khaama Press 18.2.2018).

Kunar gehört zu den Provinzen, in denen sicherheitsrelevante Vorfälle bedeutend waren (SIGAR 30.1.2018). Auch zählt Kunar zu jenen Provinzen, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kam. Obwohl die Anzahl der Gefechte in Kunar zunahm, wurden in der Provinz weniger zivile Opfer in Folge von Bodenoffensiven registriert (UNAMA 2.2018).

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 120 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.

Im gesamten Jahr 2017 wurden in Kunar 224 zivile Opfer (70 getötete Zivilisten und 154 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gezielte Tötungen und Blindgänger/Landminen. Dies bedeutet einen Rückgang von 43% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen in Kunar

In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen durchgeführt, um bestimmte Gegenden von Aufständischen zu befreien (TSD 16.3.2018; vgl. SN 7.3.2018, Xinhua 20.2.2018). Dabei werden u. a. Taliban (TSD 16.3.2018; vgl. SN 7.3.2018) und IS-Kämpfer (Xinhua 20.2.2018; vgl. Khaama Press 4.7.2017) getötet. Im Rahmen von Luft- bzw. Drohnenangriffen werden Aufständische getötet (Khaama Press 16.3.2018; PT 12.3.2017; vgl. Tolonews 8.3.2018, SN 7.3.2018, Geo News 7.3.2018, LWJ 3.3.2018, FE 25.2.2018, Khaama Press 11.1.2018, Khaaama Press 9.1.2018). Auch wurden Anführer des IS in Afghanistan (Brinkwire 21.3.2018; vgl. FE 25.2.2018, Tolonews 15.7.2017, Pajhwok 15.7.2017, NYT 14.7.2017), wie z.B. Abu Sayed, getötet (Brinkwire 21.3.2018). Im Rahmen von Luftangriffen wurden auch Mitglieder der pakistanischen Taliban Tehreek-e-Taliban (TTP) getötet. Unter ihnen befand sich der Sohn des pakistanischen TTP-Chefs Mullah Fazlullah (AJ 8.3.2018; vgl. Reuters 8.3.2018).

In der Provinz kam es zu Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (Pajhwok 5.3.2018; vgl. Xinhua 17.1.2017). Pakistanische Sicherheitskräfte feuern Granaten und Mörser auf die Provinz Kunar ab. Betroffen sind die Distrikte Asmar, Shigal wa Sheltan, Marwara, Sarkano, Dangam, Nari und Khaskunar (DP 21.3.2018; vgl. Pajhwok 16.11.2017, Pajhwok 14.11.2017); zahlreiche Familien mussten Ende 2017 aus den betroffenen Distrikten flüchten (Tolonews 22.11.2017; vgl. Pajhwok 16.11.2017).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in Kunar

Unterschiedliche terroristische Organisationen sind in der Provinz in abgelegenen Distrikten aktiv; zu diesen Gruppierungen zählen die Taliban (FE 25.2.2018; vgl. Khaama Press 11.1.2018), der IS (FE 25.2.2018; vgl. Xinuah 20.2.2018, Khaama Press 11.1.2018) und auch al-Qaida (Khaama Press 18.1.2018). Konflikte zwischen aufständischen Gruppierungen fanden statt (UNAMA 2.2018).

In der Provinz sind Taliban-Kämpfer aktiv, insbesondere Mitglieder der TTP, einer Taliban-Gruppierung deren Kämpfer aufgrund von Angriffen der pakistanischen Streitkräfte aus Pakistan in die Grenzprovinzen Ostafghanistans geflüchtet sind (TDS 16.3.2018; vgl. AJ 8.3.2018, LWJ 3.3.2018). Die TTP hat in der Vergangenheit enge Kontakte zu al-Qaida gepflegt (FE 9.3.2018). Die konkrete Mitgliederanzahl der al-Qaida, unter anderem in der Provinz Kunar, ist umstritten (LWJ 27.4.2017).

Die konkrete Anzahl von IS-Kämpfern in Kunar ist nicht bekannt, Schätzungen zufolge soll es sich um einige Hunderte handeln (Pajhwok 5.7.2017). Die afghanische Regierung wurde bezichtigt, landesweit die Zahlen zu IS-Kämpfern aufzublähen (Tolonews 10.1.2018). Die IS-Kämpfer in der Provinz Kunar sollen angeblich von Ausländern ausgebildet werden (Pajhwok 5.7.2017). IS-Anführer hatten im Juli 2017 in der Provinz Kunar, im Distrikt Shigal wa Sheltan, ihren Stützpunkt (AAN 23.7.2017). Berichten zufolge sollen Sympathisanten des Islamischen Staates angefangen haben, in der Provinz Kunar Mitglieder zu rekrutieren (Khaama Press 24.1.2017; vgl. Khaama Press 4.7.2017); die Zielgruppe der Rekrutierungen sind insbesondere die zahlreichen arbeitslosen Jugendlichen (VOA 4.3.2018; vgl. Khaama Press 24.1.2017). Trotzdem ist fraglich, ob der IS tatsächlich Kontrolle in der Provinz Kunar ausübt (VOA 4.3.2018; NYT 14.7.2017).

Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden IS-bezogene sicherheitsrelevante Vorfälle in der Provinz Kunar registriert (ACLED 23.2.2018).

Sichere Einreise

Die Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif sind über den internationalen Flughafen Kabul sicher erreichbar. Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o.D.). Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistan's Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden (Tolonews 18.12.2017).

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu-Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Wirtschafts- und Versorgungslage

Zur Wirtschafts- und Versorgungslage ist festzuhalten, dass Afghanistan weiterhin ein Land mit hoher Armutsrate und Arbeitslosigkeit ist. Seit 2002 hat Afghanistan mit Unterstützung durch die internationale Gemeinschaft wichtige Fortschritte beim Wiederaufbau seiner Wirtschaft erzielt. Nichtsdestotrotz bleiben bedeutende Herausforderungen bestehen, da das Land weiterhin von Konflikten betroffen, arm und von Hilfeleistungen abhängig ist. Während auf nationaler Ebene die Armutsrate in den letzten Jahren etwas gesunken ist, stieg sie in Nordostafghanistan in sehr hohem Maße. Im Norden und im Westen des Landes konnte sie hingegen reduziert werden. Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut auch im Jahr 2018 weiterhin zu.

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten im Jahr 2018 als arbeitslos oder unterbeschäftigt. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können.

Die afghanische Regierung hat Bemühungen zur Armutsreduktion gesetzt und unterstützt den Privatsektor weiterhin dabei, nachhaltige Jobs zu schaffen und das Wirtschaftswachstum voranzutreiben. Die Ausstellung von Gewerbeberechtigungen soll gesteigert, steuerliche Sanktionen abgeschafft und öffentlich-private Partnerschaften entwickelt werden; weitere Initiativen sind geplant.

Ethnische Minderheiten

In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34,1 Millionen Menschen. Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht.

Schätzungen zufolge, sind: 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara, 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht. Diese weiteren in der Verfassung genannten Sprachen sind Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri. Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz, beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen.

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pasht. Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert.

Paschtunen

Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Pashtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments - jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 20.4.2018). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).

Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden, und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Ausführliche Informationen zu Paschtunen und dem Paschtunwali, können dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden; Anmerkung der Staatendokumentation.

Religion

Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus.

Taliban und Aufständische

Terroristische und aufständische Gruppierungen stellen Afghanistan und die Koalitionskräfte grundsätzlich vor erhebliche Herausforderungen. Derzeit sind rund 20 terroristische Organisationen in Afghanistan zu finden: das von außen unterstützte Haqqani-Netzwerk stellt nach wie vor die größte Gefährdung für afghanische und internationale Kräfte dar. Die Verflechtung von Taliban und Haqqani-Netzwerk ist so intensiv, dass diese beiden Gruppierungen als Fraktionen ein und derselben Gruppe angesehen werden. Wenn auch die Taliban öffentlich verkündet haben, sie würden zivile Opfer einschränken, so führt das Haqqani-Netzwerk auch weiterhin Angriffe in bevölkerungsreichen Gegenden aus. Die Taliban haben hauptsächlich in Faryab und Sar-i-Pul, wo die Mehrheit der Bevölkerung usbekischer Abstammung ist, ihre Reihen für nicht-paschtunische Kämpfer geöffnet. Schätzungen von SIGAR zufolge kontrollierten im Oktober 2017 und im Jänner 2018 die Taliban 14% der Distrikte Afghanistans. Die Taliban selbst verlautbarten im März 2017, dass sie beinahe 10% der afghanischen Distrikte kontrollierten.

Die Taliban haben eine Vielzahl von Personen ins Visier genommen, die sich ihrer Meinung nach "fehlverhalten", unter anderem Mitarbeiter der afghanischen Regierung - praktisch jeder, der der Regierung in irgendeiner Weise hilft. Die Taliban bieten diesen Personen grundsätzlich die Möglichkeit an, Reue und den Willen zur Wiedergutmachung zu zeigen.

Meldewesen

Afghanistan hat kein zentrales Bevölkerungsregister, ebenso wenig "gelbe Seiten" oder Datenbanken mit Telefonnummerneinträgen. Dennoch gibt es Mittel und Wege, um Familienmitglieder ausfindig zu machen. Das Dorf, aus dem jemand stammt, ist der naheliegende Ort, um eine Suche zu starten. Die lokalen Gemeinschaften verfügen über zahlreiche Informationen über die Familien in dem Gebiet und die Ältesten haben einen guten Überblick (BFA/EASO 1.2018; vgl. EASO 2.2018).

Arbeitsmarkt und Arbeitslosigkeit

Schätzungen zufolge leben 74,8% der Bevölkerung in ländlichen und 25,2% in städtischen Gebieten (CSO 4.2017). Für ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle (SCA 22.5.2018; vgl. AF 14.11.2017).

In den Jahren 2016-2017 wuchs die Arbeitslosenrate, die im Zeitraum 2013-2014 bei 22,6% gelegen hatte, um 1%. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet (WB 10.4.2018). Über 40% der erwerbstätigen Bevölkerung gelten als arbeitslos oder unterbeschäftigt (SCA 22.5.2018). Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. SCA 22.5.2018). Seit 2001 wurden zwar viele neue Arbeitsplätze geschaffen, jedoch sind diese landesweit ungleich verteilt und 80% davon sind unsichere Stellen (Tagelöhner) (SCA 22.5.2018).

Ungefähr 47,3% der afghanischen Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 60% unter 24 Jahre. Daher muss die Versorgung der jungen Bevölkerungsschichten seitens einer viel geringeren Zahl von Erwachsenen gewährleistet werden; eine Herausforderung, die durch den schwachen Arbeitsmarkt verschlimmert wird. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden. Gemäß einer Umfrage von Asia Foundation (AF) aus dem Jahr 2017 wird von 70,6% der Befragten die Arbeitslosigkeit als eines der größten Probleme junger Menschen in Afghanistan zwischen 15 und 24 Jahren gesehen (AF 14.11.2017).

Medizinische Versorgung

Gemäß Artikel 52 der afghanischen Verfassung muss der Staat allen Bürgern kostenfreie primäre Gesundheitsversorgung in öffentlichen Einrichtungen gewährleisten; gleichzeitig sind im Grundgesetz die Förderung und der Schutz privater Gesundheitseinrichtungen vorgesehen (MPI 27.1.2004; Casolino 2011). Allerdings ist die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung durch Mangel an gut ausgebildeten Ärzten und Assistenzpersonal (v.a. Hebammen), mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. Dazu kommt das starke Misstrauen der Bevölkerung in die staatlich finanzierte medizinische Versorgung. Die Qualität der Kliniken variiert stark. Es gibt praktisch keine Qualitätskontrollen. Berichten zufolge haben rund 10 Millionen Menschen in Afghanistan keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Grundversorgung. Viele Afghanen suchen, wenn möglich, privat geführte Krankenhäuser und Kliniken auf. Die Kosten von Diagnose und Behandlung dort variieren stark und müssen von den Patienten selbst getragen werden. Daher ist die Qualität der Behandlung stark einkommensabhängig. Auch die Sicherheitslage hat erhebliche Auswirkungen auf die medizinische Versorgung (AA 5.2018).

Medizinische Versorgung ist in Afghanistan insbesondere in größeren Städten wie etwa auch in Mazar-e Sharif sowohl in staatlichen als auch privaten Krankenhäusern verfügbar Psychische Krankheiten wie posttraumatische Belastungsstörung, Depression und Angstzustände - die oft durch den Krieg hervorgerufen wurden - sind in Afghanistan weit verbreitet, es gibt aber nur geringe Kapazitäten zur Behandlung dieser Erkrankungen. Spezifische Medikamente sind grundsätzlich verfügbar. Laut einem 2018 veröffentlichten Bericht der Weltbank haben sich die Gesundheitsdienstleistungen in Afghanistan im Zeitraum 2004-2010 erheblich verbessert, diese Verbesserung hat sich im Zeitraum 2011-2016 jedoch verlangsamt. Der Bericht listet die Provinz Balkh (Mazar-e Sharif) im Zeitraum 2011-2016 unter den Provinzen mit leistungsstarken Gesundheitseinrichtungen. Viele Menschen in Afghanistan haben konfliktbedingt keinen Zugang zur Gesundheitsversorgung. Medizinische Einrichtungen werden zunehmend zum Ziel von Militärangriffen.

Rückkehrer

In der Zeit von 2012 bis 2017 sind 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt, wobei der Großteil der Rückkehrer aus Pakistan und dem Iran kommen. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. In der Provinz Balkh ließen sich von den insgesamt ca. 1,8 Millionen Rückkehrer/innen in der Zeit von 2012 bis 2017 109.845 Personen nieder.

Aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen besteht auch für zurückkehrende Flüchtlinge das Risiko, in die Armut abzurutschen. Sowohl das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen (United Nations World Food Programme) als auch andere UN-Organisationen arbeiten mit der afghanischen Regierung zusammen, um die Kapazität humanitärer Hilfe zu verstärken, rasch Unterkünfte zur Verfügung zu stellen und Hygiene- und Nahrungsbedürfnisse zu stillen.

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen. Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Neue politische Rahmenbedingungen für Rückkehrer/innen und IDPs wurden von unterschiedlichen afghanischen Behörden, dem Ministerium für Flüchtlinge und Repatriierung (MoRR) und internationalen Organisationen geschaffen und sind im Dezember 2016 in Kraft getreten. Diese Rahmenbedingungen gelten sowohl für Rückkehrer/innen aus der Region (Iran und Pakistan), als auch für jene, die aus Europa zurückkommen oder IDPs sind. Soweit dies möglich ist, sieht dieser mehrdimensionale Ansatz der Integration unter anderem auch die individuelle finanzielle Unterstützung als einen Ansatz der "whole of community" vor. Demnach sollen Unterstützungen nicht nur Einzelnen zugutekommen, sondern auch den Gemeinschaften, in denen sie sich niederlassen. Die Rahmenbedingungen sehen die Grundstücksvergabe als entscheidend für den Erfolg anhaltender Lösungen. Hinsichtlich der Grundstücksvergabe wird es als besonders wichtig erachtet, das derzeitige Gesetz zu ändern, da es als anfällig für Korruption und Missmanagement gilt. Auch wenn nicht bekannt ist, wie viele Rückkehrer/innen aus Europa Grundstücke von der afghanischen Regierung erhalten haben - und zu welchen Bedingungen - sehen Experten dies als möglichen Anreiz für jene Menschen, die Afghanistan schon vor langer Zeit verlassen haben und deren Zukunftsplanung von der Entscheidung europäischer Staaten über ihre Abschiebungen abhängig ist.

Die Großfamilie ist für Zurückkehrende die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Quellen zufolge verlieren nur sehr wenige Afghanen in Europa den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migrant/innen in Afghanistan dar. Quellen zufolge haben aber alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen. Quellen zufolge halten Familien in Afghanistan in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren.

Neben der Familie als zentrale Stütze der afghanischen Gesellschaft, kommen noch weitere, wichtige Netzwerke zum Tragen, wie z. B. der Stamm, der Clan und die lokale Gemeinschaft. Diese basieren auf Zugehörigkeit zu einer Ethnie, Religion oder anderen "professionellen" Netzwerken (Kolleg/innen, Kommilitonen etc.) sowie politische Netzwerke usw. Die unterschiedlichen Netzwerke haben verschiedene Aufgaben und unterschiedliche Einflüsse - auch unterscheidet sich die Rolle der Netzwerke zwischen den ländlichen und städtischen Gebieten. Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer/innen auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Ein Mangel an Netzwerken stellt eine der größten Herausforderungen für Rückkehrer/innen dar, was möglicherweise zu einem neuerlichen Verlassen des Landes führen könnte. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer/innen besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden.

Auszug aus der UNHCR-Richtlinie vom 30.08.2018:

Vor dem Hintergrund der Abwägung bezüglich der Relevanz- und Zumutbarkeitsprüfung für Kabul als in Erwägung gezogenes Gebiet für eine interne Flucht- oder Schutzalternative, und unter Beachtung der generellen Situation des Konflikts und der Menschenrechtssituation, sowie deren Auswirkungen auf den breiteren sozio-ökonomischen Kontext, hält das UNHCR eine interne Flucht- oder Schutzalternative für generell nicht verfügbar in Kabul." (S. 10)

[...] im Afghanistan-Kontext wurde die Wichtigkeit der Verfügbarkeit und des Zugangs zu sozialen Netzwerken, dem Existieren von Familie des/der AntragstellerIn oder Mitgliedern seiner/ihrer ethnischen Gruppe, umfangreich dokumentiert. Diesbezüglich kann die Präsenz von Mitgliedern derselben ethnischen Gruppe [...] nicht für sich genommen als Beweis dafür, dass der/die AntragstellerIn in der Lage wäre, bedeutende Unterstützung durch solche Communities zu erlangen; viel eher hängt eine solche Unterstützung in der Regel von spezifischen, bereits existierenden sozialen Beziehungen zwischen AntragstellerIn und individuellen Mitglieder der jeweiligen ethnischen Gruppe ab. Selbst wenn solche sozialen Beziehungen bereits existierenden, muss geprüft werden, ob die Mitglieder dieses Netzwerks in der Lage und willens sind, den/die AntragstellerIn wirklich zu unterstützen [...]." (S. 109)

"Aufgrund begrenzter Jobmöglichkeiten, mangelnder sozialer Schutznetze und schlechter Unterbringungsbedingungen sind Vertriebene nicht nur erhöhten Schutzrisiken in ihrem täglichen Leben ausgesetzt, sondern werden auch in sekundäre Vertreibung und zu negativen Umgangsstrategien wie Kinderarbeit, frühe Heirat, Verminderung von Quantität und Qualität der Ernährung etc. gezwungen." (S. 111)

Auszug aus der Anfrage der Staatendokumentation: Taliban, Drohbriefe

Die Associated Press - eine multinationale, profitfreie Nachrichtenagentur mit Sitz in New York City - berichtet, dass die handgeschriebenen Nachrichten auf dem Briefpapier des sogenannten islamischen Emirates traditionellerweise an jene gesendet wurden, die angeblich für die afghanischen Sicherheitskräfte oder die US - geführten Truppen gearbeitet haben; es wurden deren "Verbrechen" aufgelistet und sie wurden gewarnt, dass die "militärische Kommission" über ihre Strafen entscheidet.

Dieser Tage sagen die Taliban, dass sie diese Praxis aufgegeben haben, während jene, die die gefälschten Briefe verkaufen, ein riskantes Geschäft mit zehntausenden Afghanen betreiben, die nach Europa fliehen und darauf hoffen, um Asyl anzusuchen. Fälscher geben an, dass ein überzeugender Drohbrief bis zu US$ 1.000 kosten kann.

"Bis heute habe ich nur einen einzigen Typen gekannt, der einen ernsthaften Drohbrief von den Taliban erhalten hat. Der Rest ist gefälscht."

Selbst die Taliban, die in den letzten Monaten ihren 14-jährigen Aufstand verstärkt haben und in neue Gebiete eingedrungen sind, sagen, dass die meisten Drohbriefe gefälscht sind.

Der Taliban-Sprecher Zabiullah Mujahid, sagt, dass, wenn ein Kämpfer vermutet, dass jemand mit der Regierung oder den Sicherheitskräften arbeitet, dessen Familie kontaktiert und gefordert wird, diese Tätigkeit einzustellen. "Wir senden keine Drohbriefe, das ist nicht unser Stil. Nur sehr selten verwenden wir das Telefon, wenn wir auf ernsthafte Probleme stoßen."

"All diese Talibandrohbriefe sind gefälscht." Weiters wird eine Liste von Personen angeführ

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten