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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
ABGB §1002;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):96/19/2068Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerden des 1956 geborenen AG in Wien, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres je vom 20. Mai 1996, 1.) Zl. 116.324/2-III/11/96, betreffend die Zurückweisung einer Berufung in Angelegenheiten einer Aufenthaltsbewilligung, und 2.) Zl. 116.324/7-III/11/96, betreffend die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung in Angelegenheiten einer Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer verfügte über eine Aufenthaltsbewilligung mit Gültigkeit bis zum 31. Oktober 1994. Er beantragte am 30. September 1994 die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung, dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Jänner 1995 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Z. 2 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung beim Postamt 1164 Wien zugestellt, die Abholfrist begann am 22. März 1995. Mit Schriftsatz vom 20. April 1995, zur Post gegeben am 21. April 1995, erhob der Beschwerdeführer Berufung gegen diesen Bescheid und verband diese mit einem Antrag auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist.
Diesen Wiedereinsetzungsantrag begründete er folgendermaßen:
"Mir wurde der gegenständliche Bescheid Ende März 1995 zugestellt (genaues Zustelldatum nicht mehr erinnerlich). Ich habe, da ich beruflich überlastet war, meine Gattin ... gebeten, einen Termin mit meinem ausgewiesenen Vertreter zu vereinbaren und ihm den Bescheid, dessen Inhalt ich nur, soweit vom fehlenden Versicherungsschutz die Rede war, verstanden habe.
Meine Ehegattin hat zwar einen Termin für 31. März 1995 mit meinem ausgewiesenen Vertreter vereinbart, diesen aber nicht wahrgenommen, da sie den Bescheid verlegt hatte. In der Folge erkrankte sie und vergaß gänzlich auf den Bescheid, wovon sie mir allerdings nichts berichtete.
Erst als sie die Hinterlegungsanzeige am 7. April 1995 vorfand und die diesbezüglichen Bescheide betreffend sie selbst und unsere Kinder abholte, erinnerte sie sich an den Bescheid in meiner Angelegenheit und hatte das Glück, ihn unter einem Bündel von Papieren wiederzufinden. Am Wochenende machte sie mir hievon Mitteilung."
Er sei sohin durch ein für ihn nicht vorhersehbares Ereignis gehindert gewesen, die gegenständliche Berufung zu einem früheren Zeitpunkt einzubringen.
Der Landeshauptmann von Wien wies mit Bescheid vom 23. Mai 1995 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 71 Abs. 1 AVG ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung.
Mit dem nunmehr erstangefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 5. Jänner 1995 (Abweisung des Verlängerungsantrages) zurückgewiesen. Die belangte Behörde stützte sich darauf, daß die Zustellung am 22. März 1995 rechtswirksam erfolgt und die erst am 21. April 1995 erhobene Berufung verspätet eingebracht worden sei, weshalb sie zurückzuweisen war.
Mit dem nunmehr zweitangefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 23. Mai 1995 (betreffend Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages) abgewiesen. Die belangte Behörde stellte fest, es könne nicht davon ausgegangen werden, daß dem Beschwerdeführer kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens treffe. Die Worte "unabwendbar und unvorhergesehen" gingen von einer bestimmten Sorgfaltspflicht eines Durchschnittsmenschen aus. Daß der Beschwerdeführer am weiteren Verlauf seines Verfahrens, insbesondere am 31. März 1995, dem Tag, an dem der Termin beim Rechtsvertreter vereinbart gewesen sei, kein Interesse gezeigt habe, sei nicht glaubhaft. Weil den Beschwerdeführer an der Versäumnis der Berufungsfrist mehr als ein minderer Grad des Versehens treffe, fehlten die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Gegen diese Bescheide richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
§ 113 Abs. 6 FrG 1997 lautet:
"(6) Rechtskräftige Bescheide, mit denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt wurde oder mit denen der Verlust einer Aufenthaltsbewilligung (§ 8 AufG) verfügt wurde, treten mit Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes außer Kraft, sofern der Betroffene sie beim Verfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichtshof angefochten und dieser die Entscheidung noch nicht getroffen hat. In diesen Fällen ist die Beschwerde als gegenstandslos zu erklären und das Verfahren ohne vorherige Anhörung des Beschwerdeführers einzustellen. Mit dem Beschluß über die Gegenstandslosigkeit der Bescheide tritt auch der Bescheid erster Instanz außer Kraft."
§ 71 Abs. 1 AVG lautet:
"§ 71. (1) Gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung ist auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn:
1. die Partei glaubhaft macht, daß sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft, oder
2. ..."
Bei den in Beschwerde gezogenen Bescheiden handelt es sich nicht um rechtskräftige Bescheide, mit denen die Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung (§ 6 AufG) versagt wurde. Über die Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung hat die erstinstanzliche Behörde mit ihrem Bescheid vom 5. Jänner 1995 abgesprochen. Die belangte Behörde hat in dieser Sache keine Entscheidung getroffen, weil sie im erstangefochtenen Bescheid vom Vorliegen eines Zurückweisungsgrundes (hinsichtlich der Berufung) ausging, welcher gemäß § 66 Abs. 4 AVG eine Entscheidung in der "Sache" Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung durch die zweitinstanzliche Behörde hinderte. Gegenstand des zweitangefochtenen Bescheides war ebenfalls nicht die Frage, ob die Aufenthaltsbewilligung des Beschwerdeführers verlängert werden könne, sondern ausschließlich jene, ob ihm die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Berufung gegen den die beantragte Bewilligung abweisenden Bescheid bewilligt werde. Die vorliegenden verfahrensrechtlichen Bescheide sind daher nicht aus dem Grunde des § 113 Abs. 6 FrG 1997 außer Kraft getreten.
Zur inhaltlichen Berechtigung der Beschwerden ist folgendes auszuführen:
1. Zur Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid:
Der Beschwerdeführer tritt der Annahme der belangten Behörde, die rechtswirksame Zustellung des angefochtenen Bescheides sei am 22. März 1995 erfolgt und seine Berufung erst am 24. April 1995 zur Post gegeben worden, nicht entgegen. Auf Basis dieser Bescheidannahme erweist sich die Berufung jedoch gemäß § 63 Abs. 5 AVG als verfristet.
Der Beschwerdeführer vermeint allerdings, die Zurückweisung des Berufungsbescheides (gemeint wohl: die Zurückweisung der Berufung) gegen die Abweisung seines Antrages nach dem AufG sei gleichzeitig mit dem Berufungsbescheid über die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages zugestellt worden und widerspreche demnach dem § 72 Abs. 3 AVG. Dieses Vorbringen erweist sich jedoch als unberechtigt, weil die Bestimmung des § 72 Abs. 3 AVG ausschließlich auf Wiedereinsetzungsanträge gegen die Versäumung einer mündlichen Verhandlung bei gleichzeitiger Berufung gegen den danach erlassenen Bescheid anzuwenden ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 23. Oktober 1986, Slg. Nr. 12275/A).
Die Beschwerde gegen den erstangefochtenen Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2. Zur Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid.
Dem dargestellten Wiedereinsetzungsvorbringen des Beschwerdeführers ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob zwischem ihm und seiner Ehegattin ein Bevollmächtigungsvertrag im Sinne des § 1002 ABGB dergestalt zustandegekommen ist, daß sich letztere zur Vornahme einer Rechtshandlung und nicht bloß zur Überbringung einer Erklärung an den Rechtsanwalt verpflichtete. Für den erstgenannten Fall wäre die Ehegattin als Vertreterin des Beschwerdeführers anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zlen 95/19/0520 bis 0522), im anderen Fall als dessen Botin.
Diese Frage kann hier jedoch dahingestellt bleiben. Wäre die Ehegattin des Beschwerdeführers Bevollmächtigte, so wäre allein entscheidend, ob diese ohne eigenes Verschulden oder nur aufgrund eines minderen Grades des Versehens durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Im Wiedereinsetzungsantrag wird als Grund für die Fristversäumnis ins Treffen geführt, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers einen Termin mit dem Rechtsvertreter am 31. März 1995 nicht wahrgenommen hat, da sie den Bescheid "verlegt hatte". Erst in weiterer Folge sei die Ehegattin des Beschwerdeführers erkrankt und habe auf den Bescheid gänzlich vergessen. Dieses "Verlegen" eines Schriftstückes zu einem vor der Erkrankung der Ehegattin liegenden Zeitpunkt stellt kein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis dar und vermag für sich allein keinen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund zu bilden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1992, Zl. 91/06/0034). Diesem Vorbringen ist auch nicht zu entnehmen, daß die Ehegattin des Beschwerdeführers ohne ihr Verschulden oder bloß aufgrund eines minderen Grades des Versehens an der Wahrnehmung des Termines mit dem Rechtsvertreter gehindert gewesen wäre (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1998, Zl. 96/19/2258).
Die Erwähnung der in weiterer Folge eingetretenen Erkrankung der Ehegattin reichte ebenfalls nicht aus, einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund zu bilden, da der Beschwerdeführer im Wiedereinsetzungsantrag nicht behauptet, durch diese Erkrankung sei seine Ehegattin ihrer Dispositionsfähigkeit beraubt gewesen. Dies geht im übrigen auch aus der - allerdings erst im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegten und daher aufgrund des Neuerungsverbotes nicht weiter beachtlichen - ärztlichen Bestätigung, wonach die Ehegattin im Zeitraum vom 6. März 1995 bis 10. April 1995 an einer schweren Lebererkrankung gelitten habe, nicht hervor.
Wollte man aber die Ehegattin des Beschwerdeführers - wie in der Beschwerde vorgebracht - bloß als Botin qualifizieren, so wäre es Sache des Beschwerdeführers gewesen, nachzufragen, ob der Rechtsanwalt, dem die Erklärung bzw. der Bescheid durch den Boten übermittelt werden sollte, die Beschwerde auch einbringen werde (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1998, Zl. 97/19/0417, 418 m.w.N.). Daß der Beschwerdeführer an einer solchen Nachfrage gehindert gewesen wäre, wurde im Wiedereinsetzungsantrag nicht dargetan.
Ergänzend wird darauf hingewiesen, daß entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht die belangte Behörde bei den von ihr zu treffenden Entscheidungen nicht gehalten war, auf die Frage der Rechtmäßigkeit des erstinstanzlichen Bescheides vom 5. Jänner 1995 einzugehen.
Aus diesen Erwägungen war auch die Beschwerde gegen den zweitangefochtenen Bescheid gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des insgesamt geltend gemachten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1996192067.X00Im RIS seit
03.04.2001Zuletzt aktualisiert am
24.08.2011