Entscheidungsdatum
04.09.2019Norm
AVG §8Spruch
W158 2197393-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die vorsitzende Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL, den Richter Dr. Martin MORITZ und den Richter Mag. Volker NOWAK als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch FRITSCHE FRANK FLETZBERGER, Nibelungengasse 11, 1010 Wien, vom 24.05.2018 gegen das Straferkenntnis der Finanzmarktaufsicht vom 24.04.2018, GZ. XXXX zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Das hier angefochtene Straferkenntnis vom 24.04.2018 der Finanzmarktaufsicht (in Folge: FMA), der Beschwerdeführerin (in Folge: BF) zugestellt am 26.04.2018, richtet sich gegen die BF als Beschuldigte und enthält folgenden Spruch:
"Die XXXX ( XXXX ), ein konzessioniertes Kreditinstitut mit Geschäftsanschrift XXXX , hat als juristische Person folgenden Verstoß zu verantworten:
Die XXXX hat an ihrem Sitz von 01.01.2014 bis 12.02.2016 entgegen den Vorschriften gemäß § 40b Abs 1 Z 3 lit a iVm § 41 Abs 4 Z 1 BWG über keine angemessenen, risikobasierten Verfahren verfügt, anhand derer bestimmt werden kann, ob wirtschaftliche Eigentümer von Bestandskunden während aufrechter Geschäftsbeziehung zu politisch exponierten Personen (PEP) werden.
Die XXXX führte jedenfalls von 01.01.2014 bis 12.02.2016 vor Begründung von Geschäftsbeziehungen im Zuge der Kundenanlage einen Abgleich durch, bei dem die Namen sämtlicher Neukunden sowie von Personen mit Bezug zur Geschäftsbeziehung (z.B. wirtschaftliche Eigentümer, vertretungsbefugte Personen) mit einer PEP-Datenbank abgeglichen werden.
Die Bestandskunden und vertretungsbefugten Personen wurden jedenfalls von 01.01.2014 bis 12.02.2016 automatisch wöchentlich mit PEP-Listen abgeglichen, um so festzustellen, ob sie im Laufe der Geschäftsbeziehung zu PEP geworden sind.
Die wirtschaftlichen Eigentümer von Kunden wurden von 01.01.2014 bis 12.02.2016 manuell mit PEP-Listen abgeglichen. Bei Kreditkunden fand eine PEP-Prüfung der wirtschaftlichen Eigentümer lediglich einmal im Jahr statt, bei Kunden mit Konten jeglicher Art mit Ausnahme von Kreditkonten fand die Prüfung "risikobasiert" statt (bei Hochrisikokunden einmal im Jahr, bei Kunden im Standardrisiko alle zwei Jahre und bei Kunden im niedrigen Risiko alle drei Jahre). Eine entsprechende Anweisung an die Mitarbeiter bzw eine schriftliche Bestimmung im Regelwerk der XXXX (AML/CTF Know you Customer Procedure) gab es in diesem Zusammenhang im Tatzeitraum nicht.
Erst im Rahmen der Vor-Ort-Prüfung durch die FMA wurde am 12.02.2016 eine Anweisung an die Mitarbeiter herausgegeben, dass die wirtschaftlichen Eigentümer quartalsweise mit PEP-Listen abzugleichen sind. Das Regelwerk der XXXX (AML/CTF Know you Customer Procedure) wurde anschließend entsprechend angepasst.
Erst am 12.02.2016 wurde von der XXXX der rechtmäßige Zustand hergestellt.
Die Verantwortlichkeit der XXXX ergibt sich folgendermaßen:
Die im Tatzeitraum (01.01.2014 bis 12.02.2016) zur Vertretung nach außen berufenen Mitglieder des Vorstandes der XXXX (siehe dazu den beiliegenden Auszug aus dem Firmenbuch, der einen integrierten Bestandteil dieses Straferkenntnisses bildet) haben selbst gegen die angeführten Verpflichtungen verstoßen beziehungsweise durch mangelnde Überwachung oder Kontrolle die Begehung der angeführten Verstöße durch eine für XXXX tätige Person ermöglicht.
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:
§ 41 Abs. 4 Z 1 BWG, BGBl. Nr. 532/1993 idF BGBl. I Nr. 13/2014 iVm
§ 40b Abs. 1 Z 3 lit a BWG, BGBl. Nr. 532/1993 idF BGBl. I Nr.
37/2010 iVm § 35 Abs. 3 erster Strafsatz FM-GwG, BGBl. Nr. 118/2016 idF BGBl. I Nr. 118/2016 iVm § 34 Abs. 1 Z 8 FM-GwG, BGBl. Nr. 118/2016 idF BGBl. I Nr. 118/2016 iVm § 99d BWG, BGBl. Nr. 532/1993 idF BGBl. I Nr. 107/2017
Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von 56.000,- Euro Gemäß §§ 35 Abs. 3 erster Strafsatz FM-GwG, BGBl. Nr. 118/2016 idF BGBl. I Nr. 118/2016 iVm § 34 Abs. 1 Z 8 FM-GwG, BGBl. Nr. 118/2016 idF BGBl. I Nr. 118/2016
Weitere Verfügungen (z.B. Verfallsausspruch, Anrechnung von Vorhaft):
--
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen:
• 5.600,- Euro als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, mindestens jedoch 10 Euro (ein Tag Freiheitsstrafe gleich 100 Euro);
• 0 Euro als Ersatz der Barauslagen für---.
Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher
61.600,- Euro."
Dagegen richtet sich die am 28.05.2018 bei der belangten Behörde eingelangte Beschwerde der BF.
Bezugnehmend auf das beim VwGH anhängige Verfahren Ro 2018/02/0023 setzte das BVwG mit Beschluss vom 12.09.2018 das gegenständliche Verfahren mit der Begründung aus, dass wie zu Ro 2018/02/0023 die Frage, in welcher Form die Feststellung des Verhaltens einer zurechenbaren natürlichen Person ergehen muss, um zur Feststellung eines strafbaren Verhaltens der juristischen Person zu gelangen, geklärt werden müsse. Die belangte Behörde erhob dagegen eine außerordentliche Revision, welche nach der Entscheidung des VwGH zu Ro 2018/02/0023 von letzterem mittels Beschluss vom 02.05.2019 für gegenstandslos erklärt wurde. Bereits am 08.04.2019 informierte das BVwG die Parteien von der Fortsetzung des Verfahrens und übermittelte per Schreiben vom 06.05.2019 die Entscheidung des VwGH zu Ro 2018/02/0023 zur Stellungnahme binnen 14 Tagen.
In der Stellungnahme der belangten Behörde vom 21.05.2019 teilte diese die Einstellung der Verfahren gegen die dort namentlich genannten zur Verantwortung nach außen befugten Vorstandsmitglieder mit. Am 29.05.2019 langte - nach Erteilung einer Fristerstreckung - die Stellungnahme der BF ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde und den gegenständlichen Akt des BVwG.
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Die XXXX (in Folge auch Kreditinstitut) ist ein konzessioniertes Kreditinstitut mit Geschäftsanschrift XXXX . Sie gehört zu 100% der Muttergesellschaft XXXX mit Sitz in XXXX .
Die Beschuldigtenrechte der zur Vertretung nach außen befugten Mitglieder des Vorstandes des Kreditinstituts, insbesondere jenes auf Parteiengehör, wurden im gegenständlichen Verfahren gegen das Kreditinstitut (die juristische Person) nicht gewahrt.
Die belangte Behörde hat die Einstellung des Verfahrens gegen die zur Vertretung nach außen befugten Mitglieder des Vorstandes des Kreditinstituts verfügt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zum Kreditinstitut ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde.
Die mangelnde Wahrung der Beschuldigtenrechte der natürlichen Personen im gegenständlichen Verfahren gegen die juristische Person ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde. Dem wurde von Seiten der FMA auch nicht widersprochen (vgl. Stellungnahme der FMA vom 21.05.2019).
Die Einstellung gegen die zur Vertretung nach außen befugten Mitglieder des Kreditinstituts ergibt sich aus der Stellungnahme der belangten Behörde vom 21.05.2019.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts, anzuwendendem Verfahrensrecht und zur Zulässigkeit der Beschwerde:
Gemäß § 22 Abs. 2a FMABG, BGBl. I 97/2001 idF BGBl 184/2013 entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der FMA das Bundesverwaltungsgericht durch Senat, wenn entweder eine primäre Freiheitsstrafe oder eine 600€ übersteigende Geldstrafe verhängt wurde.
Im vorliegenden Fall wurde mit dem angefochtenen Straferkenntnis eine Strafe von 60.000€ verhängt. Der Vorschrift des § 22 Abs. 2a FMABG nach liegt somit gegenständlich Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 38 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG in Verwaltungsstrafsachen die Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG, BGBl. Nr. 52/1991, mit Ausnahme des 5. Abschnittes des II. Teiles, und des Finanzstrafgesetzes - FinStrG, BGBl. Nr. 129/1958, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem den Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Das gegenständliche Straferkenntnis wurde der BF zu Handen der zustellbevollmächtigten Vertreterin am 26.04.2018 zugestellt, die Beschwerde langte am 24.05.2018 bei der belangten Behörde ein. Sie ist somit zulässig. Sie ist auch begründet.
3.2. Anzuwendendes Recht
Bis 31.12.2016 maßgebliche Rechtsvorschriften
§ 41 Abs. 4 Z 1 BWG BGBl. I Nr. 13/2014 lautet:
"(4) Die Kredit- und Finanzinstitute haben [...] angemessene und geeignete Strategien und Verfahren für die Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden, Verdachtsmeldungen, die Aufbewahrung von Aufzeichnungen, die interne Kontrolle, die Risikobewertung, das Risikomanagement, die Gewährleistung der Einhaltung der einschlägigen Vorschriften und die Kommunikation einzuführen, um Transaktionen, die mit Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung zusammenhängen, vorzubeugen und zu verhindern sowie ge-eignete Strategien zur Verhinderung des Missbrauchs von neuen Technologien für Zwecke der Geldwäscherei und der Terrorismusfinanzierung zu entwickeln [...]."
§ 40b Abs 1 Z 3 lita BWG, BGBl. I Nr. 532/1993 idF BGBl. I Nr. 184/2013 lautet:
(1) Die Kredit- und Finanzinstitute haben in den Fällen, in denen ihrem Wesen nach ein erhöhtes Risiko der Geldwäscherei oder Terrorismusfinanzierung besteht, auf risikoorientierter Grundlage zusätzlich zu den Pflichten der § 40 Abs. 1, 2, 2a und 2e weitere angemessene Sorgfaltspflichten anzuwenden und die Geschäftsbeziehung einer verstärkten kontinuierlichen Überwachung zu unterziehen. Sie haben jedenfalls zusätzlich
[...]
3. hinsichtlich Transaktionen oder Geschäftsbeziehungen mit Bezug zu politisch exponierten Personen von anderen Mitgliedstaaten oder von Drittländern, wobei diesen Personen solche gleichzuhalten sind, die erst im Laufe der Geschäftsbeziehung politisch exponierte Personen werden, [...]
a) über angemessene, risikobasierte Verfahren zu verfügen, anhand derer bestimmt werden kann, ob es sich bei dem Kunden um eine politisch exponierte Person handelt oder nicht, [...]
§ 98 Abs. 5a Z 3 BWG in der 15.08.2015 bis 31.12.2016 geltenden Fassung des BGBl. I Nr. 117/2015 lautet:
"(5a) Wer als Verantwortlicher (§ 9 VStG) eines Kreditinstitutes [...] die Pflichten der §§ 40, 40a, 40b, 40d oder 41 Abs. 1 bis 4 verletzt [...] begeht, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit Geldstrafe bis zu 150 000 Euro, im Falle einer Verwaltungsübertretung gemäß Z 3 mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen oder mit einer Geldstrafe bis zu 150 000 Euro zu bestrafen.
§ 99d Abs. 1 bis 4 BWG in der 15.08.2015 bis 31.12.2016 geltenden Fassung des BGBl. I Nr. 117/2015 lauten:
"(1) Die FMA kann Geldstrafen gegen juristische Personen verhängen, wenn Personen, die entweder allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt haben und eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person aufgrund
1. der Befugnis zur Vertretung der juristischen Person,
2. der Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person zu treffen, oder
3. einer Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person
innehaben, gegen die in § 98 Abs. 1, Abs. 2 Z 7 und 11, Abs. 5, Abs. 5a oder § 99 Abs. 1 Z 3 oder 4 angeführten Verpflichtungen verstoßen haben, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(2) Juristische Personen können wegen Verstößen gegen die in § 98 Abs. 1, Abs. 2 Z 7 und 11, Abs. 5, Abs. 5a oder § 99 Abs. 1 Z 3 oder 4 angeführten Pflichten auch verantwortlich gemacht werden, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle durch eine in Abs. 1 genannte Person die Begehung dieser Verstöße durch eine für die juristische Person tätige Person ermöglicht hat, sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet.
(3) Die Geldstrafe gemäß Abs. 1 oder 2 beträgt bis zu 10 vH des jährlichen Gesamtnettoumsatzes gemäß Abs. 4 oder bis zu dem Zweifachen des aus dem Verstoß gezogenen Nutzens, soweit sich dieser beziffern lässt.
(4) Der jährliche Gesamtnettoumsatz gemäß Abs. 3 ist bei Kreditinstituten der Gesamtbetrag aller in Z 1 bis 7 der Anlage 2 zu § 43 angeführten Erträge abzüglich der dort angeführten Aufwendungen; handelt es sich bei dem Unternehmen um eine Tochtergesellschaft, ist auf den jährlichen Gesamtnettoumsatz abzustellen, der im vorangegangenen Geschäftsjahr im konsolidierten Abschluss der Muttergesellschaft an der Spitze der Gruppe ausgewiesen ist. Bei sonstigen juristischen Personen ist der jährliche Gesamtumsatz maßgeblich. Soweit die FMA die Grundlagen für den Gesamtumsatz nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind."
Ab 01.01.2017 maßgebliche Rechtsvorschriften
§ 11 Abs. 1 Z 1 FM-GwG, BGBl. I Nr. 118/2016 lautet:
(1) Die Verpflichteten haben zusätzlich zu den in § 6 festgelegten Sorgfaltspflichten gegenüber Kunden 1. über angemessene Risikomanagementsysteme, einschließlich risikobasierter Verfahren, zu verfügen, um feststellen zu können, ob es sich bei dem Kunden, dem wirtschaftlichen Eigentümer des Kunden oder dem Treugeber des Kunden um eine politisch exponierte Person handelt und diese Verfahren vor Begründung der Geschäftsbeziehung sowie in angemessenen regelmäßigen Abständen während aufrechter Geschäftsbeziehung anzuwenden.
§ 23 Abs 1 FM-GwG, BGBl. I Nr. 118/2016 lauten:
(1) Die Verpflichteten haben Strategien, Kontrollen und Verfahren zur wirksamen Minderung und Steuerung der auf Unionsebene, auf nationaler Ebene und auf Unternehmensebene ermittelten Risiken von Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung einzurichten, die in einem angemessenen Verhältnis zu Art und Größe des Verpflichteten zu stehen haben. Dabei haben sie den Bericht der Europäischen Kommission gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie (EU) 2015/849, die nationale Risikoanalyse (§ 3) und die Risikoanalyse auf Unternehmensebene (§ 4) zu berücksichtigen. Die Strategien, Kontrollen und Verfahren haben insbesondere Folgendes zu umfassen:
2. die Risikomanagementsysteme (§ 11 Abs. 1 Z 1),
§ 34 Abs. 1 Z 8 FM-GwG, BGBl. I Nr. 118/2016 lautet:
(1) Wer als Verantwortlicher (§ 9 VStG) eines Verpflichteten, die Pflichten gemäß
8. § 23 Abs. 1 bis 3 oder 6 (interne Organisation),
verletzt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der FMA mit einer Geldstrafe bis zu 150 000 Euro zu bestrafen.
§ 35 FM-GwG, BGBl. I Nr. 118/2016 lautet:
(1) Die FMA kann Geldstrafen gegen juristische Personen verhängen, wenn eine Pflichtverletzung gemäß § 34 Abs. 1 bis 3 zu ihren Gunsten von einer Person begangen wurde, die allein oder als Teil eines Organs der juristischen Person gehandelt hat und die aufgrund einer der folgenden Befugnisse eine Führungsposition innerhalb der juristischen Person innehat:
1. Befugnis zur Vertretung der juristischen Person,
2. Befugnis, Entscheidungen im Namen der juristischen Person zu treffen oder
3. Kontrollbefugnis innerhalb der juristischen Person.
(2) Juristische Personen können wegen Pflichtverletzungen gemäß § 34 Abs. 1 bis 3 auch dann verantwortlich gemacht werden, wenn mangelnde Überwachung oder Kontrolle durch eine in Abs. 1 genannte Person die Begehung einer in § 34 Abs. 1 bis 3 genannten Pflichtverletzungen zugunsten der juristischen Person durch eine für sie tätige Person ermöglicht hat.
(3) Die Geldstrafe gemäß Abs. 1 und 2 beträgt bei
Pflichtverletzungen gemäß § 34 Abs. 1 bis zu 150 000 Euro und bei
Pflichtverletzungen gemäß § 34 Abs. 2 und 3 bis zu 5 000 000 Euro oder 10 vH des jährlichen Gesamtumsatzes. Der jährliche Gesamtumsatz bestimmt sich nach den jährlichen Umsatzerlösen aus dem letzten festgestellten Jahresabschluss. [...]
(4) Die FMA kann von der Verhängung einer Geldstrafe gegen eine juristische Person absehen, wenn es sich um keinen schwerwiegenden, wiederholten oder systematischen Verstoß handelt und keine besonderen Umstände vorliegen, die einem Absehen von der Bestrafung entgegenstehen.
3.3. Zur Sache:
Die gesetzlichen Vorschriften sehen - wie der VwGH in der zitierten Entscheidung Ro 2018/02/0023 offenlegt - vor, dass jenen natürlichen Personen, die namentlich genannt oder aus der sonstigen Umschreibung eindeutig nach individuellen Kriterien bestimmbar (vgl. Lewisch/Fister/Weilguni, Verwaltungsstrafgesetz², Rn 13 zu § 32) sind und denen als Führungsperson in einer Verfolgungshandlung gegen die juristische Person eine der genannten Straftaten vorgeworfen wird, sofern diese Führungspersonen für eine Bestrafung in Betracht kommen, was aufgrund der in § 99d BWG verwiesenen Bestimmungen (nur) auf die Verantwortlichen gemäß § 9 VStG zutrifft, gemäß § 32 Abs. 1 VStG die Rechtsstellung von Beschuldigten zukommt, da sie ab diesem Zeitpunkt im Verdacht dieser Verwaltungsübertretung stehen.
Diese Rechtsstellung geht mit Beschuldigtenrechten - insbesondere jener des Parteiengehörs - einher, die von der belangten Behörde offensichtlich nicht gewahrt wurden. Die FMA argumentiert allerdings zur Verletzung der Beschuldigtenrechte in ihrer Stellungnahme vom 21.05.2019, dass sich die Frage, ob und wie die Rechte der Verantwortlichen im Sinne des § 9 VStG durch die FMA gewahrt wurden, durch die Einstellung gegen diese erübrige, weil diese nicht mehr als Beschuldigte zu behandeln wären. Dem kann sich das BVwG jedoch im Hinblick auf das VwGH-Erkenntnis Ro 2018/02/0023 Rz 29 nicht anschließen: "Da die juristische Person nicht selbst handeln kann, ist ihre Strafbarkeit gemäß § 99d BWG eine Folge des tatbestandsmäßigen, rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens einer Führungsperson. Demgemäß ist für die Wirksamkeit der gegen die juristische Person gerichteten Verfolgungshandlung die genaue Umschreibung der Tathandlung der natürlichen Person vonnöten. Eine Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 31 und 32 VStG muss nämlich eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrunde liegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (VwGH 8.3.2017, Ra 2016/02/0226, mwN). Richtet sich ein so erhobener Vorwurf gegen die juristische Person, so ist - wegen der Abhängigkeit der Strafbarkeit der juristischen Person von der Übertretung der ihr zurechenbaren natürlichen Person - darin auch der Vorwurf gegen die darin genannte natürliche Person enthalten."
Aufgrund dieser Abhängigkeit bzw. engen Bindung der Strafbarkeit der juristischen Person mit den der natürlichen Person zum Vorwurf gemachten Übertretungen hat die Verletzung von Beschuldigtenrechten gegenüber letzterer unweigerlich Auswirkungen auf die juristische Person, schon alleine in Anbetracht diesbezüglicher Verteidigungsrechte, die die juristische Person anders gar nicht ausüben kann. Die fehlende Wahrung der Rechte der natürlichen Person durch die FMA bedeutet also auch eine fehlende Wahrung der Rechte der juristischen Person und kann nicht, wie von dieser behauptet, durch die Einstellung des Verfahrens gegen die natürlichen Personen gleichermaßen saniert oder deren Feststellung dahingestellt bleiben.
Die Mitwirkungspflicht des Beschuldigten geht nicht soweit, dass sich die Behörde ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren ersparen könnte, zu dessen Durchführung sie verpflichtet ist (idS auch VwGH 26.1.1995, 94/19/0413 ua).
Fraglich ist für das erkennende Gericht, ob die Einstellung des Verfahrens gegen die natürlichen Personen als Beschuldigte einer Behandlung eben dieser Personen als Beschuldigte im Verfahren gegen die juristische Person und damit einer Sanierung verletzter Beschuldigtenrechte im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht im Wege steht:
Zwar ist das Verfahren gegen die natürliche Person nicht zwingend vorrangig zu führen und zu beenden, sowie kein Schuldspruch gegen diese erforderlich, um auch die juristische Person bestrafen zu dürfen. Es kommt auch nicht darauf an, ob und gegebenenfalls gegen welche natürliche Person - ebenfalls - ein Verwaltungsstrafverfahren geführt wird oder wurde, aber die Wahrung der Beschuldigtenrechte der natürlichen Person ist, wie eben erörtert, untrennbar von der Wahrung der Rechte der juristischen Person, da ein gegen die juristische Person erhobener Vorwurf wegen der Abhängigkeit der Strafbarkeit der juristischen Person von der Übertretung der ihr zurechenbaren natürlichen Person gerade auch den Vorwurf gegen die darin genannte natürliche Person enthält.
Ginge man davon aus, dass die Einstellung lediglich das Verfahren gegen die natürliche Person beträfe, diese aber im Verfahren gegen die juristische Person nach wie vor als Beschuldigte behandelbar wäre, wäre dem entgegenzuhalten, dass es sich im vorliegenden Fall um den gleichen Sachverhalt handelt. Eine Verfolgungshandlung im Sinne der §§ 31 und 32 VStG muss eine bestimmte Verwaltungsübertretung zum Gegenstand haben, was erfordert, dass sie sich auf alle der späteren Bestrafung zugrundeliegenden Sachverhaltselemente beziehen muss (VwGH 08.03.2017, Ra 2016/02/0226, mwN). Diese Sachverhaltselemente sind in den vorliegenden Verfahren gegen die natürlichen Personen und die BF (die juristische Person) identisch. Die Einstellung bezieht sich auf eben jene Sachverhaltselemente. Daher ist nach Ansicht des BVwG ein Weiterführen der natürlichen Person als Beschuldigte im vorliegenden Verfahren gegen die juristische Person nicht möglich. Zwar ist durchaus denkbar, dass die juristische Person bestraft werden kann, auch wenn gegen die natürliche Person, von der sich ihre Strafbarkeit ableitet, zB wegen § 22 Abs 6 Z 2 FMABG eingestellt wurde oder gar kein Verwaltungsstrafverfahren geführt wird, jedoch sind die Beschuldigtenrechte der natürlichen Person im Verfahren gegen die juristische Person zuvor jedenfalls zu wahren. Dies ergibt sich aus der eben zitierten Abhängigkeit der Strafbarkeit der juristischen Person von der Übertretung der ihr zurechenbaren natürlichen Person (vgl. VwGH 29.03.2019, Ro 2018/02/0023). Auch aus der Stellungnahme der belangten Behörde selbst geht hervor, dass diese eindeutig die Einstellung des Verfahrens gegen die zur Vertretung nach außen befugten Mitglieder des Vorstands hinsichtlich des gleichen Sachverhalts bezweckte, dies jedoch unter der - in Anbetracht von Ro 2018/02/0023 Rz 32 unverständlichen - Fehlannahme, dass die Verantwortlichen gemäß § 9 VStG im Verfahren gegen die juristische Person nicht als Beschuldigte zu behandeln sind (vgl. Stellungnahme der FMA vom 21.05.2019).
Die belange Behörde bringt in der zu W158 2173890-1 eingebrachten ao. Revision vor, der Täter der Anlasstat sei im Verfahren gegen die juristische Person mangels Parteistellung nicht zwingend zu hören, dies würde keinen Verfahrensmangel bewirken (S 15 4. Absatz). Dies widerspricht eindeutig dem VwGH-Erkenntnis zu Ro 2018/02/0023 Rz 32:
"Die Stellung als Beschuldigter hat für den Verantwortlichen zur Folge, dass er nicht nur in einem allenfalls gegen ihn geführten Verfahren als Beschuldigter zu behandeln ist, sondern auch im Verfahren gegen die juristische Person, andernfalls seine Parteienrechte nicht gewährleistet wären."
§ 32 Abs 1 zweiter Satz VStG legt klar festlegt, dass dem Beschuldigten Parteistellung im Sinne des § 8 AVG zukommt. Da die natürliche Person im Verfahren gegen die juristische Person Beschuldigte ist, kommt ihr Parteistellung zu. Über die Parteistellung im Sinne des § 8 AVG hinaus sind dem Beschuldigten in einzelnen Bestimmungen des VStG besondere Rechte eingeräumt, wie zB in § 33 Abs 2 (kein Zwang zur Beantwortung von Fragen), § 33 Abs 3 (keine Verhängung von Mutwillensstrafen), § 40 (Gelegenheit zur Rechtfertigung, Wahl zwischen mündlicher Vernehmung und schriftlicher Rechtfertigung, Beiziehung eines Rechtsbeistandes zur Vernehmung), § 43 Abs 3 (Beiziehung einer Person des Vertrauens zur mündlichen Verhandlung), §§ 49 und 51 (umfassende Rechte im Einspruch- und Berufungsverfahren) sowie § 51a (Verfahrenshilfeverteidiger), siehe Raschauer/Wessely, VStG, § 32 Rz 2).
Für den Fall der Einstellung des Verfahrens gegen einen Verantwortlichen gemäß § 9 VStG argumentiert die FMA, dass es der juristischen Person unbenommen bliebe, die Vernehmung der Zurechnungsperson als Zeuge zu beantragen und so ihre Verteidigungsrechte wahrzunehmen (S. 22 letzter Absatz der ao. Revision zu W158 2173890-1). Aufgrund der bereits geschilderten Abhängigkeit bzw. engen Bindung der Strafbarkeit der juristischen Person mit den der natürlichen Person zum Vorwurf gemachten Übertretungen hat die Verletzung bzw Verweigerung von Beschuldigtenrechten gegenüber letzterer auf die juristische Person zur Auswirkung, dass diese in weitem Umfang um ihre eigenen Beschuldigtenrechte gebracht wird, wie sich schon aus den einzelnen eingeräumten besonderen Beschuldigtenrechten des VStG ergibt. Steht zB die natürliche Person, von der sich die Strafbarkeit der juristischen Person ableiten soll, entgegen § 33 Abs 2 VStG unter dem Zwang der Beantwortung der Fragen, sind die Beschuldigtenrechte der juristischen Person dahingehend gleichsam vernichtet. Der Argumentation der belangten Behörde, die zur Vertretung nach außen Berufenen Mitglieder des Vorstandes nach erfolgter Einstellung als Zeugen zu vernehmen, kann daher nicht gefolgt werden. Lediglich nicht der Tat verdächtige Mitarbeiter sind als Zeugen zu vernehmen. Die von der belangten Behörde vorgeschlagene Vorgangsweise würde zu einer rechtswidrigen Diskriminierung der juristischen Person als Beschuldigter führen: Die BF argumentiert in ihrer Stellungnahme vom 29.05.2019, S. 10, zu Recht, dass es sonst im Belieben der belangten Behörde stünde, durch nachträgliche Einstellung die Parteienrechte willkürlich zu unterbinden.
Zusammenfassend konnten im vorliegenden Verfahren die natürlichen Personen - und daraus folgend die BF als juristische Person - ihre Beschuldigtenrechte nicht ausüben, eine Sanierung dieses Mangels ist aufgrund der Einstellung des Verfahrens gegen die natürlichen Personen nicht mehr möglich. Auf eine mündliche Verhandlung konnte daher verzichtet werden.
Der gegenständlichen Beschwerde war stattzugeben, und der bekämpfte Bescheid ersatzlos zu beheben.
3.4. Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von dieser bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. VwGH 26.1.1995, 94/19/0413; VwGH 8.3.2017, Ra 2016/02/0226; VwGH 29.03.2019, Ro 2018/02/0023);
weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (VwGH 31.01.2018, Ra 2017/17/0902; VwGH 10.08.2018, Ra 2017/17/0886;
VwGH 11.03.2019 Ra 2018/03/0113). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die zugrundeliegenden Normen sind klar und bestimmt, dass kein Hinweis vorliegt, der das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vermuten ließe.
Schlagworte
Angemessenheit, Behebung der Entscheidung, Beschuldigter,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W158.2197393.1.00Zuletzt aktualisiert am
21.01.2020