TE Bvwg Beschluss 2019/9/4 G313 2189066-1

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Veröffentlicht am 04.09.2019
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Entscheidungsdatum

04.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

G313 2189066-1/7E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, StA: Serbien, vertreten durch RA Dr. Rudolf MAYER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.02.2018, Zl. XXXX, zu Recht:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG), zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit im Spruch angeführtem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) wurde dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z. 1 FPG gegen den BF ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), und einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde beantragt, der Beschwerde stattzugeben und den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Die belangte Behörde habe seinen dauerhaften Aufenthalt in Frankreich und seine familiären Verhältnisse unzureichend berücksichtigt. Der BF sei begünstigter Drittstaatsangehöriger. Er verfüge über einen bis 12.01.2019 gültigen französischen Aufenthaltstitel und habe sowohl in Frankreich als auch in Deutschland, wo seine Ex-Gattin mit ihren gemeinsamen in Deutschland geborenen Kindern lebe, nahe familiäre Bezugspersonen.

3. Am 13.03.2018 langte die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist serbischer Staatsangehöriger, hat abgesehen von einigen Onkeln, Tanten und Cousins in Österreich keine weiteren Familienangehörige, in Deutschland jedoch drei - 2003, 2006 und 2009 geborene - bei der Kindesmutter lebende Kinder, und eine Mutter in Frankreich, bei welcher er sich, bevor er nach Österreich gereist ist, aufgehalten hat.

1.2. Er war nachweislich im Zeitraum von 13.01.2019 bis 12.01.2019 im Besitz eines französischen Aufenthaltstitels aus dem Aufenthaltsgrund "TOUTE PROFESSION EN FRANCE DANS LE CADRE DE LA

LEGISLATION EN VIGUEUR".

1.3. Der BF wurde in Österreich straffällig und wurde im September 2016 rechtskräftig wegen versuchten Einbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, wobei im Dezember 2017 die Probezeit auf insgesamt fünf Jahre verlängert wurde, und im Dezember 2017 rechtskräftig wegen versuchten gewerbsmäßigen Einbruchsdiebstahls zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten strafrechtlich verurteilt.

Am 09.11.2018 erfolgte die gerichtliche Anordnung der Entlassung des BF aus seiner Freiheitsstrafe am 16.11.2018, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren.

Der BF befand sich wegen seiner in Österreich begangenen Straftaten von 27.07.2017 bis 16.11.2018 in Strafhaft.

1.4. Nach seiner Strafhaftentlassung reiste der BF gleich am 16.11.2018 freiwillig selbstständig nach Frankreich.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des BF getroffen werden, beruhen diese auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

2.3. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Aktenlage durchgeführten Ermittlungsverfahrens.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (Anmerkung: sog. Bescheidbeschwerden) dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2).

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 leg cit. nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1

B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 28 VwGVG Anm11). Gemäß dieser Bestimmung kann die Berufungsbehörde, sofern der ihr vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint, den angefochtenen Bescheid beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an eine im Instanzenzug untergeordnete Behörde zurückverweisen. Wie oben ausgeführt, ist aufgrund von § 17 VwGVG die subsidiäre Anwendung von § 66 Abs. 2 AVG durch die Verwaltungsgerichte ausgeschlossen.

Im Gegensatz zu § 66 Abs. 2 AVG setzt § 28 Abs. 3 VwGVG die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung nicht mehr voraus.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss. Gemäß Abs. 3 sind auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 26.06.2014, Zl. Ro 2014/03/0063 (Waffenverbot), in Bezug auf die grundsätzliche Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte nach § 28 VwGVG und die Möglichkeit der Zurückverweisung ausgesprochen, dass angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte darstellt. So kommt eine Aufhebung des Bescheides nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Das Verwaltungsgericht hat nachvollziehbar zu begründen, wenn es eine meritorische Entscheidungszuständigkeit nicht als gegeben annimmt, etwa weil es das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und Z 2 des § 28 Abs. 2 VwGVG verneint bzw. wenn es von der Möglichkeit des § 28 Abs. 3 erster Satz VwGVG nicht Gebrauch macht.

3.2. Der gegenständlich angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt als mangelhaft:

Der gegenständlich angefochtene Bescheid, mit welchem gegen den BF als serbischen Staatsangehörigen eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot erlassen wurde, erweist sich insofern als mangelhaft, als es die belangte Behörde unterlassen hat, zu prüfen, ob der BF angesichts seiner auf das ihm vorgehaltene Ergebnis der Beweisaufnahme von Dezember 2017 folgende Stellungnahme, er verfüge über einen französischen Aufenthaltstitel, welcher alle zehn Jahre verlängert werden müsse, habe acht Jahre lang bei seiner Ex-Frau und seinen drei Kindern in Deutschland und, bevor er nach Österreich gekommen ist, in Frankreich bei seiner Mutter gelebt, sei in Frankreich "selbstständig" und würde durch die Selbstständigkeit eine "normale Versicherung und eine EU-Versicherung bevorzugen", in Bezug auf seine in Deutschland lebende ehemalige Ehegattin oder in Bezug auf seine in Frankreich lebende Mutter, als Familienangehöriger einer EWR-Bürgerin, die ihr Freizügigkeitsrecht in Anspruch genommen hat, und damit als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSv § 2 Abs. 4 Z. 11 FPG eingestuft werden kann, käme doch bei Einstufung des BF als begünstigten Drittstaatsangehörigen als aufenthaltsbeendende Maßnahme die Erlassung einer Ausweisung und eines Aufenthaltsverbotes und nicht einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes zur Anwendung.

Es war der gegenständlich angefochtene Bescheid daher zu beheben und die Angelegenheit zur Verfahrensergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da im gegenständlichen bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G313.2189066.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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