TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/11 96/19/1617

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Veröffentlicht am 11.09.1998
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §6 Abs2 idF 1995/351;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Bayjones, Dr. Schick und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Martschin, über die Beschwerde des 1972 geborenen FA in Wien, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 30. Oktober 1995, Zl. 303.770/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer verfügte nach der Aktenlage über Wiedereinreisesichtvermerke mit Gültigkeit vom 22. Oktober 1991 bis zum 31. Dezember 1991, vom 10. Februar 1992 bis 30. Mai 1992, vom 31. August 1992 bis 30. Dezember 1992, vom 21. Juni 1993 bis 30. November 1993 sowie über Aufenthaltsbewilligungen mit Gültigkeit vom 1. Dezember 1993 bis 1. August 1994 sowie vom 2. August 1994 bis 2. Februar 1995. Er beantragte am 3. Jänner 1995 die Verlängerung der letztgenannten Bewilligung. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes vom 7. April 1995 gemäß § 5 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) abgewiesen. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin am 16. Juni 1995 neuerlich die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung und gab bekannt, seit 17. Mai 1995 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet zu sein. Die erstinstanzliche Behörde wies diesen Antrag gemäß § 6 Abs. 2 AufG mangels einer Antragstellung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus ab. Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er darauf hinwies, zur Antragstellung vom Inland aus berechtigt zu sein.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Oktober 1995 wurde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 6 Abs. 2 AufG sowie § 5 Abs. 1 AufG und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes 1992 (FrG) abgewiesen. Die belangte Behörde ging davon aus, daß der Beschwerdeführer seit 15. Jänner 1992 in Österreich gemeldet und bis 2. Februar 1995 im Besitz einer gültigen Aufenthaltsbewilligung gewesen sei. Der Verlängerungsantrag sei rechtskräftig abgewiesen worden. Seither halte sich der Beschwerdeführer ohne Aufenthaltsberechtigung im Bundesgebiet auf. Dieser Umstand gehe auch daraus hervor, daß er im Mai 1995 in Wien eine österreichische Staatsbürgerin geehelicht habe und am 23. Juni 1995 einen Antrag auf Aufenthaltsbewilligung sowie am 13. September 1995 auch die Berufung selbst bei der Behörde erster Instanz eingebracht habe. Durch den unrechtmäßigen Aufenthalt seit 19. April 1995 habe er gezeigt, daß er nicht gewillt sei, die Vorschriften des österreichischen Fremdenrechtes einzuhalten und zu respektieren und stelle diese Tatsache eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit dar, da das Verhalten auf andere Fremde durchaus Beispielswirkung haben könnte. Darüber hinaus sei dem Beschwerdeführer eine Erstantragstellung im Inland gemäß § 3 der Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem AufG für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, aufgrund § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG nur möglich, wenn der Angehörige eines österreichischen Staatsbürgers rechtmäßig sichtvermerksfrei oder mit einem gewöhnlichen Sichtvermerk eingereist sei. Dies treffe jedoch auf den Beschwerdeführer nicht zu, weil für diesen Sichtvermerkspflicht bestehe. Bei der Abwägung der persönlichen Interessen mit den öffentlichen habe die Berufungsbehörde festgestellt, daß die öffentlichen Interessen im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen überwögen.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 5 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 AufG lauteten (auszugsweise):

"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist.

§ 6. (1) ...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. ... Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist.

..."

§ 10 Abs. 1 Z. 4 FrG lautete:

"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn

...

4. der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;"

Im Hinblick auf das Datum der Zustellung des angefochtenen Bescheides (11. November 1995) war für seine Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof die Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, maßgebend. § 3 Z. 4 dieser Verordnung lautete:

"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden:

...

4. Angehörigen von österreichischen Staatsbürgern (§ 3 Abs. 1 Z. 1 Aufenthaltsgesetz), die gemäß § 14 Abs. 3 FrG einreisen oder denen vor der Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt wurde."

Aufgrund der rechtskräftigen Abweisung des Verlängerungsantrages des Beschwerdeführers war davon auszugehen, daß es sich beim verfahrensgegenständlichen Antrag um einen Erstantrag handelt, weshalb die Vorschriften des § 113 Abs. 6 und 7 Fremdengesetz 1997 auf den Beschwerdefall keine Anwendung finden.

Wie sich aus dem angefochtenen Bescheid ergibt, hat die belangte Behörde ihre Gefährdungsprognose ausschließlich auf die rechtswidrige Fortsetzung des Inlandsaufenthaltes des Beschwerdeführers nach rechtskräftiger Abweisung seines Verlängerungsantrages gestützt. Weiters ging die belangte Behörde davon aus, dem Beschwerdeführer stehe keine Möglichkeit zur Antragstellung vom Inland aus offen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof (vgl. das hg. Erkenntnis vom 7. März 1997, Zl. 95/19/0876) ausgesprochen hat, rechtfertigt ein länger dauernder Aufenthalt eines Fremden im Anschluß an die rechtskräftige Abweisung seines rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages grundsätzlich die Annahme, sein weiterer Aufenthalt werde die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährden. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat jedoch dann Platz zu greifen, wenn der sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhaltende Fremde zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997, Zl. 96/19/2066). Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführte, gab der Gesetzgeber durch die in § 6 Abs. 2 dritter Satz AufG in Verbindung mit § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG enthaltene (und auch voll ausgeschöpfte) Verordnungsermächtigung an die Bundesregierung, näher umschriebenen Gruppen von Fremden, die sich nach dem Ende ihrer Aufenthaltsbewilligung weiterhin unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, die Möglichkeit zur Antragstellung im Inland einzuräumen, zu erkennen, daß er die vom unrechtmäßigen Aufenthalt solcher zur Antragstellung im Inland berechtigter Fremder ausgehende Störung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens nicht für so gravierend erachtet, daß daraus die gemäß § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG maßgebliche Prognose abzuleiten wäre, auch der weitere Aufenthalt des Fremden aufgrund einer zu erteilenden Bewilligung werde die öffentliche Ordnung (auf diesem Gebiet) gefährden. Ein solches Verhalten eines Fremden kann daher für sich allein genommen den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG nicht begründen.

Der angefochtene Bescheid wäre somit nur dann rechtmäßig, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich nicht zur Antragstellung im Inland berechtigt gewesen wäre. Der Beschwerdeführer, der unbestritten im Zeitpunkt der Bescheiderlassung als Angehöriger einer österreichischen Staatsbürgerin anzusehen war, wäre nach § 3 Z. 4 der obzitierten Verordnung der Bundesregierung dann zur Inlandsantragstellung berechtigt, wenn er entweder gemäß § 14 Abs. 3 FrG eingereist wäre oder wenn ihm vor seiner Einreise ein gewöhnlicher Sichtvermerk erteilt worden wäre. Die belangte Behörde hat keine Feststellungen dazu getroffen, wann der Beschwerdeführer zuletzt eingereist ist und ob ihm vor dieser letzten Einreise einer seiner gewöhnlichen Sichtvermerke oder - diesem gleichzuhalten - eine seiner Aufenthaltsbewilligungen bereits erteilt worden war. Die Behörde geht vielmehr mit der Bemerkung, die Inlandsantragstellungsmöglichkeit treffe auf den Beschwerdeführer nicht zu, da für diesen Sichtvermerkspflicht bestehe, gänzlich darüber hinweg, daß dem Beschwerdeführer wiederholt Sichtvermerke und Aufenthaltsbewilligungen erteilt worden waren. Sollte die belangte Behörde mit diesen Ausführungen aber zum Ausdruck bringen, § 3 Z. 4 der Verordnung setze voraus, daß kein unrechtmäßiger Aufenthalt des Antragstellers nach Ablauf der letzten Aufenthaltsbewilligung vorliege, so ist ihr zu entgegnen, daß eine derartige Einschränkung der Verordnungsbestimmung nicht zu entnehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1998, Zl. 96/19/1254, zur insoweit gleichlautenden Verordnung BGBl. Nr. 854/1995).

Es ist daher nicht auszuschließen, daß dem Beschwerdeführer als Angehörigen einer österreichischen Staatsbürgerin vor seiner letzten Einreise ein Sichtvermerk (oder eine Aufenthaltsbewilligung) erteilt worden war und er gemäß § 3 Z. 4 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 zur ausnahmsweisen Antragstellung im Inland berechtigt gewesen wäre. Diesfalls erwiese sich die Abweisung des verfahrensgegenständlichen Antrages als rechtswidrig, weil die Bestimmung des § 6 Abs. 2 erster Satz AufG auf den Beschwerdeführer keine Anwendung fände und der - nach rechtskräftiger Abweisung des Verlängerungsantrages - fortgesetzte unrechtmäßige Aufenthalt im Inland allein den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG aus den im obgenannten hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1997 genannten Erwägungen nicht begründen kann.

Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 11. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996191617.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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