TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/9 G314 2222977-1

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Veröffentlicht am 09.09.2019
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Entscheidungsdatum

09.09.2019

Norm

B-VG Art. 133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G314 2222977-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a BAUMGARTNER über die Beschwerde der serbischen Staatsangehörigen XXXX, geboren am XXXX, vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2019, Zl. XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Am 11.06.2019 informierte die Beschwerdeführerin (BF), der am 24.04.2017 eine Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ausgestellt worden war, die Bezirkshauptmannschaft XXXX über die seit 07.05.2019 rechtskräftige Scheidung ihrer Ehe.

Mit Schreiben vom 01.07.2017 informierte die Bezirkshauptmannschaft XXXX die BF darüber, dass die Voraussetzungen für ein Niederlassungsrecht nicht mehr vorlägen, weil die Ehe mit dem EWR-Bürger nicht einmal zwei Jahre bestanden habe. Gleichzeitig wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) um Prüfung der Aufenthaltsbeendigung gebeten.

Mit Schreiben vom 29.07.2019 forderte das BFA die BF auf, sich binnen zwei Wochen zur beabsichtigten Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu äußern. Die BF erstattete entsprechende Stellungnahmen und legte diverse Unterlagen vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die BF gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.). Ihr wurde gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Ehe der BF nach weniger als drei Jahren geschieden worden sei. Die Voraussetzungen für ein Weiterbestehen ihres bisherigen Aufenthaltsrechts seien nicht erfüllt. Die Ausweisung greife nicht unverhältnismäßig in ihr Privatleben ein; im Inland bestünde kein Familienleben.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF mit den Anträgen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, den angefochtenen Bescheid zu beheben und der Aufenthaltsbehörde mitzuteilen, dass eine Aufenthaltsbeendigung unterbleibe. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag gestellt. Die BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass sie sämtliche Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" erfülle, zumal sie einen gültigen Reisepass habe und ordnungsgemäß gemeldet, unbescholten sowie erwerbstätig und sozialversichert sei. Es bestünde daher ein Rechtsanspruch auf Erteilung dieses Aufenthaltstitels. Versagungsgründe lägen nicht vor. Eine Ausweisung komme daher nicht in Betracht. Eine Interessensabwägung nach Art 8 EMRK und § 9 BFA-VG sei nicht vorzunehmen; jedenfalls würden aber die Auswirkungen der Ausweisung auf das Privat- und Familienleben der BF schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem Antrag vor, den angefochtenen Bescheid zu bestätigen.

Feststellungen:

Die BF kam am XXXX im serbischen Ort XXXX zur Welt. Sie spricht Serbisch. Am XXXX2017 heiratete sie in Serbien den in Österreich lebenden ungarischen Staatsangehörigen XXXX.

Seit April 2017 lebt die BF in Österreich, wo sie bis April 2019 an derselben Adresse wie ihr Ehemann in XXXX mit Hauptwohnsitz gemeldet war. Am 24.04.2017 wurde ihr antragsgemäß eine bis 24.04.2022 gültige Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers ausgestellt. Seit 14.06.2017 ist sie als Arbeiterin bei der XXXX GmbH in XXXX beschäftigt.

Seit 15.04.2019 bewohnt die BF aufgrund einer Wohnrechtsvereinbarung eine Kleinwohnung in XXXX gemeinsam mit ihrem Unterkunftgeber. Dort ist sie seither auch mit Hauptwohnsitz gemeldet. Am 20.04.2019 legte sie erfolgreich eine Integrationsprüfung bestehend aus Inhalten zur Sprachkompetenz (Niveau A2 des Gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen) und zu Werte- und Orientierungswissen ab. Seit Juli 2019 besucht sie einen Deutschkurs für das Sprachniveau B1.

Mit dem Urteil des Amtsgerichts XXXX (Serbien) vom XXXX2019, XXXX, wurde die Ehe zwischen der BF und XXXX, die kinderlos geblieben war, geschieden. Die Parteien verzichteten auf Rechtsmittel, sodass das Urteil seit 07.05.2019 rechtskräftig ist.

Die Herkunftsfamilie der BF lebt nach wie vor in Serbien; in Österreich hat sie keine Familienangehörigen. Sie ist strafgerichtlich unbescholten, gesund und arbeitsfähig.

Weitere Anhaltspunkte für eine Integration der BF in Österreich bestehen nicht.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens, insbesondere aus den von der BF vorgelegten Urkunden, und der Gerichtsakten. Es liegen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche vor.

Die Feststellungen zu Identität und Staatsangehörigkeit der BF beruhen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen die Beschwerde nicht entgegentritt. Ihr Geburtsort geht aus der vorgelegten Heiratsurkunde hervor. Serbischkenntnisse sind aufgrund der Herkunft der BF plausibel. Die Aufenthaltskarte ist im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) dokumentiert.

Der Aufenthalt der BF in Österreich seit April 2017 ergibt sich aus ihrer Hauptwohnsitzmeldung laut dem Zentralen Melderegister (ZMR). Auch die Wohnsitzmeldungen und die Staatsangehörigkeit des Ex-Ehemanns der BF werden anhand des ZMR festgestellt. Die Wohnrechtsvereinbarung vom April 2019 wurde vorgelegt.

Die Heiratsurkunde des BF und das Scheidungsurteil samt Rechtskraftbestätigung liegen vor. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Ehe Kinder entstammen.

Die Erwerbstätigkeit der BF ergibt sich aus dem Versicherungsdatenauszug und dem vorgelegten Einkommensnachweis. Das Zeugnis über die Integrationsprüfung und die Anmeldebestätigung für den Deutschkurs ab Juli 2019 wurden ebenfalls vorgelegt.

Die Feststellungen zum Fehlen von Familienangehörigen der BF in Österreich und der Umstand, dass ihre nahen Angehörigen in Serbien leben, folgen ihrer schlüssigen und gut nachvollziehbaren Stellungnahme an das BFA.

Die Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus dem Strafregister. Es gibt keine Hinweise auf strafgerichtliche Verurteilungen in anderen Staaten.

Anhaltspunkte für Erkrankungen oder gesundheitliche Einschränkungen der Arbeitsfähigkeit der XXXX-jährigen BF sind nicht zutage getreten. Da sie seit Juni 2017 durchgehend in einem Beschäftigungsverhältnis steht, ist davon auszugehen, dass sie arbeitsfähig ist.

Es gibt keine Beweisergebnisse für über die Feststellungen hinausgehende Anbindungen der BF im Inland.

Rechtliche Beurteilung:

Die BF ist als Staatsangehörige von Serbien grundsätzlich Drittstaatsangehörige iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG. Durch ihre Ehe mit einem EWR-Bürger, der sein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat, erlangte sie den Status einer begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG.

Gemäß § 54 Abs 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Angehörige von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind und die in § 52 Abs 1 Z 1 bis 3 NAG genannten Voraussetzungen erfüllen, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen. Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft gemäß § 54 Abs 5 NAG erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs 1 Z 1 und 2 NAG erfüllen und die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 1); die eingetragene Partnerschaft bis zur Einleitung des gerichtlichen Auflösungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet (Z 2); ihnen die alleinige Obsorge für die Kinder des EWR-Bürgers übertragen wird (Z 3); es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann (Z 4) oder ihnen das Recht auf persönlichen Umgang mit dem minderjährigen Kind zugesprochen wird, sofern das Pflegschaftsgericht zur Auffassung gelangt ist, dass der Umgang - solange er für nötig erachtet wird - ausschließlich im Bundesgebiet erfolgen darf ( Z 5).

§ 55 NAG lautet:

"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, welches eine Aufenthaltskarte dokumentieren soll, ist nicht automatisch auch der rechtmäßige Aufenthalt im Bundesgebiet beendet. Ein Fremder, für den eine Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts ausgestellt wurde, bleibt selbst bei Wegfall des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts bis zum Abschluss des nach § 55 NAG vorgesehenen Verfahrens gemäß § 31 Abs 1 Z 2 FPG rechtmäßig aufhältig. Es soll ihm möglich sein, trotz des Wegfalls der Voraussetzungen für ein aus dem Unionsrecht abgeleitetes Aufenthaltsrecht während seines Aufenthalts im Inland auf einen für seinen künftigen Aufenthaltszweck passenden Aufenthaltstitel "umzusteigen", ohne dass dies zur Folge hätte, dass während dieses Verfahrens sein Aufenthalt unrechtmäßig wäre (VwGH 18.06.2013, 2012/18/0005; siehe auch Abermann et al, Kommentar NAG 2016, § 55 Rz 7 ff).

Kommt die Niederlassungsbehörde - wie hier - bei der Prüfung des Fortbestands der Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen dafür nicht mehr vorliegen, hat sie die in § 55 Abs 3 NAG vorgesehenen Verfahrensschritte (Befassung des BFA und Information des Betroffenen) zu setzen.

Die Frage des Bestehens des gemeinschaftsrechtlichen Aufenthaltsrechts und der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung hat dann das BFA zu beurteilen (vgl VwGH 17.11.2011, 2009/21/0378). Diese Frage ist anhand des § 66 FPG zu prüfen, ohne dass es auf das Vorliegen einer Eigenschaft des Fremden als begünstigter Drittstaatsangehöriger

iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG ankommt. Die Erteilung des von der BF angestrebten Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" setzt voraus, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Verfahren vor dem BFA unterbleibt.

Dies ist hier aber nicht der Fall. Der BF wurde auf Grund ihrer Ehe mit einem freizügigkeitsberechtigten ungarischen Staatsangehörigen gemäß § 54 Abs 1 NAG eine Aufenthaltskarte ausgestellt. Da die Ehe weniger als drei Jahre gedauert hat, kinderlos blieb und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Härtefall iSd § 54 Abs 5 Z 4 NAG vorliegt, sind die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht infolge der Ehescheidung unter Berücksichtigung von § 54 Abs 1 und 5 NAG weggefallen.

Gemäß § 66 Abs 1 FPG können begünstigte Drittstaatsangehörige ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden. Wenn sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben, ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt. Gemäß § 66 Abs 2 FPG sind bei einer Ausweisung insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, das Alter des Betroffenen, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist gemäß § 66 Abs 3 FPG zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde.

Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im

Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß

§ 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Die BF, eine gesunde Erwachsene im erwerbsfähigen Alter, hält sich erst seit ca. 2 1/2 Jahren rechtmäßig in Österreich auf, was für sich genommen keine maßgebliche Verstärkung ihrer persönlichen Interessen an einem Verbleib bewirkt (vgl VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0191). Im Bundesgebiet besteht nach der Ehescheidung kein Familienleben mehr. Im Rahmen des Privatlebens und des Integrationsgrads der BF ist neben ihren Deutschkenntnissen insbesondere zu berücksichtigen, dass sie aufgrund ihrer Erwerbstätigkeit selbsterhaltungsfähig und sozialversichert ist.

Die BF hat aber auch noch starke Bindungen zu ihrem Heimatstaat, wo sie den Großteil ihres bisherigen Lebens verbrachte und familiäre Bindungen hat. Sie spricht die Landessprache und ist mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut, sodass sie nach ihrer Rückkehr nach Serbien in der Lage sein wird, auch dort mit Tätigkeiten wie den bisher ausgeübten ein ausreichendes Einkommen zu erwirtschaften und so für ihren Lebensunterhalt aufzukommen.

Die Ausweisung greift zwar nicht in das Familienleben, wohl aber in das Privatleben des BF ein. Es wird ihr aber möglich sein, die Kontakte zu in Österreich lebenden Freunden und Bekannten über diverse Kommunikationsmittel (etwa Internet oder Telefon) und durch wechselseitige Besuche aufrechtzuerhalten, zumal sie auch nach der Rückkehr nach Serbien für touristische Zwecke visumfrei nach Österreich reisen kann.

Die belangte Behörde ist somit im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes das persönliche Interesse der BF am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und die Ausweisung daher Art 8 EMRK nicht verletzt, zumal dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zukommt. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids ist daher als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist ua begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte, unterbleibt eine mündliche Verhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG. Dem angefochtenen Bescheid ging ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren des BFA voran. Das BFA hat die die entscheidungswesentlichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung offengelegt. Das Gericht teilt die tragenden Erwägungen der behördlichen Beweiswürdigung, zumal keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufgetreten sind. In der Beschwerde wurde kein für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet, der dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegensteht oder darüber hinausgeht.

Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausweisung, Interessenabwägung, öffentliche Ordnung, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2222977.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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