Entscheidungsdatum
10.10.2019Norm
BFA-VG §22aSpruch
G306 2007250-3/10E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 09.07.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN
ERKENNTNISSES:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dietmar MAURER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA.: Togo, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.2019, Zl. XXXX, und gegen die Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
II. Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in Höhe von 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion Niederösterreich vom 13.06.2019, vom Beschwerdeführer (BF) persönlich am selben Tag übernommen, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.
Mit dem am 03.07.2019 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eingebrachten und datierten Schriftsatz erhob der BF, durch seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter, Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Schubhaftbescheid und die seither andauernde Anhaltung in Schubhaft.
In der Beschwerde wurde beantragt, das BVwG möge eine mündliche Verhandlung durchführen; die Schubhaftnahme und Anhalt in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären; im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung nicht vorliegen sowie der belangten Behörde aufzutragen, die Verfahrenskosten zu ersetzen.
Auf Grund der entsprechenden Verfügung des BVwG zur Aktenvorlage wurden vom BFA, RD Niederösterreich, am 03.07.2019 der Bezug habende Verwaltungsakt, ohne Abgabe einer Stellungnahme, zur gegenständlichen Schubhaftbeschwerde dem BVwG elektronisch übermittelt.
Das BVwG führte in der gegenständlichen Rechtssache am 09.07.2019 in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung durch (OZ 5Z), an der der BF nach polizeilicher Vorführung aus dem XXXX sowie Vertreter der belangten Behörde sowie der ARGE Rechtsberatung teilnahmen.
Abschließend wurde vom BFA beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, gemäß § 22a BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, sowie die beschwerdeführende Partei zum Ersatz der näher angeführten Kosten zu verpflichten.
Nach Schluss der Verhandlung, wurde das gegenständliche Erkenntnis, mündlich verkündet.
Per Mail langte am 10.07.2019 von der ausgewiesenen Vertretung am BVwG der Antrag auf schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Feststellungen:
Der Beschwerdeführer (BF) führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und behauptet, Staatsangehöriger von Togo zu sein. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.
Der BF verfügt über keine Dokumente und über keine Berechtigung zur Einreise in das österreichische Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem. Der BF reiste bereits im Jahr 2012 erstmalig illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 28.02.2012 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Aufgrund der Zuständigkeit Spaniens "Dublin Fall" wurde der Antrag am 27.03.2012 (rechtskräftig) zurückgewiesen und der BF am XXXX.2012 nach Spanien rücküberstellt. Der BF reiste jedoch im Februar 2013 wieder illegal in das Bundesgebiet ein. Er wurde am XXXX.2013 im Zuge einer polizeilichen Kontrolle im Bundesgebiet aufgegriffen und festgenommen. Über den BF wurde die Schubhaft verhängt. Eine dagegen eingebrachte Beschwerde wurde vom damals zuständigen UVS Wien am 09.04.2013 als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass die weitere Anhaltung in Schubhaft notwendig sei. Der BF wurde am XXXX.2013 aufgrund seines "Hungerstreikes" aus der Schubhaft entlassen. Infolge tauchte der BF wieder unter. Am XXXX.2013 konnte der BF wieder im Zuge einer polizeilichen Kontrolle angetroffen und festgenommen werden. In einer Einvernahme beim BFA am 10.04.2014 brachte er unter anderem vor, dass er nach seiner Entlassung 2013 nach Italien gereist sei. Anfang 2014 sei er dann mit dem Zug nach Österreich zurückgekommen, um hier Arbeit zu suchen bzw. finanzielle Unterstützung zu erhalten. Er habe Italien verlassen, weil er dort nicht viel Hilfe erhalten habe. Der BF habe keine Unterhaltsmittel und lebe von der Unterstützung durch eine karitative Organisation.
Mit Bescheid des Bundesamtes, Regionaldirektion Wien, vom 10.04.2014 (dem BF zugestellt am 10.04.2014), IFA XXXX, wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berück-sichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 idgF nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz idgF gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 6 FPG idgF erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Spanien zulässig sei (Spruchpunkt I.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß 18 Abs. 2 Z 1 und 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idgF die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 18 Monaten befristetes Einrei-severbot erlassen (Spruchpunkt III.). Laut Rechtsberatung sei dagegen eine Beschwerde erhoben worden. Weder das BFA noch das erkennende Gericht konnte in Erfahrung bringen, ob dies tatsächlich passiert ist. Auf alle Fälle gibt es keinen Bezug habenden Akt beim BVwG.
Der BF stellte am 11.01.2018 neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz über welchen zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht entschieden wurde. Grund dafür ist einerseits, dass sich der BF in Strafhaft befunden hat und dass ein Sprachgutachten in Auftrag gegeben wurde.
Der BF weist im Bundesgebiet folgende Daten im Zentralen Melderegister auf:
XXXX.2012 -XXXX.2012
XXXX
Obdachlos
XXXX.2012 -XXXX.2013
XXXX
Obdachlos
XXXX.2013 -XXXX.2014
XXXX
Obdachlos
XXXX.2018 - XXXX.2018
XXXX
Nebenwohnsitz
XXXX.2018 -XXXX.2019
XXXX
Nebenwohnsitz
XXXX.2012 - XXXX.2012
XXXX
Hauptwohnsitz
XXXX.2013 - XXXX.2013
XXXX
Hauptwohnsitz
XXXX.2014 - XXXX.2014
XXXX
Hauptwohnsitz
XXXX.2014 - XXXX.2014
XXXX
Hauptwohnsitz
XXXX.2014 -XXXX.2015
XXXX
Hauptwohnsitz
XXXX.2018 -XXXX.2019
XXXX
Hauptwohnsitz
XXXX.2019 -XXXX.2019
XXXX
Hauptwohnsitz
XXXX.2019 -XXXX.2019
XXXX
Hauptwohnsitz
seit 09.08.2019
XXXX
Hauptwohnsitz
Der BF weist im Bundesgebiet folgende strafrechtliche Verurteilungen auf:
01) LG F. STRAFS. XXXX XXXX vom XXXX.2014 RK XXXX.2014
§§ 27 (1) Z 1 8. Fall, 27 (3) SMG § 15 StGB Datum der (letzten) Tat XXXX.2014
Freiheitsstrafe 9 Monate, davon Freiheitsstrafe 7 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre Junge(r) Erwachsene(r)
Vollzugsdatum XXXX.2015
zu LG F. STRAFS. XXXX XXXX RK XXXX.2014 Unbedingter Teil der Freiheitsstrafe vollzogen am XXXX.2015 LG F.STRAFS.XXXX XXXX vom XXXX.2015
zu LG F. STRAFS. XXXX XXXX RK XXXX.2014 (Teil der) Freiheitsstrafe nachgesehen, endgültig Vollzugsdatum XXXX.2015
LG F. STRAFS. XXXX XXXX vom XXXX.2018
02) LG F. STRAFS. XXXX XXXX vom XXXX.2018 RK XXXX.2018
§ 28a (1) 5. Fall SMG
Datum der (letzten) Tat XXXX.2018
Freiheitsstrafe 20 Monate
zu LG F. STRAFS. XXXX XXXX RK XXXX.2018
Aus der Freiheitsstrafe entlassen am XXXX.2019, bedingt, Probezeit 3 Jahre
LG XXXX XXXX vom XXXX.2019
Der BF wurde am XXXX.2019 aus der Strafhaft bedingt entlassen.
Der BF wurde aufgrund eines Festnahmeauftrages am XXXX.2019 festgenommen und über ihn die Schubhaft verhängt.
Der BF verfügt in Österreich weder über familiäre, berufliche noch über soziale Anknüpfungspunkte. Der BF verfügt über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung seines Lebensunterhaltes. Der BF stellte im Bundesgebiet zuletzt am 11.01.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Der BF gab auch in der mündlichen Verhandlung an, dass er sich hier im Bundesgebiet seit dem Jahr 2014 illegal aufhalte. Er selbst Suchtmittel "Gras" konsumiere. Er hier arbeiten wolle und er vom AMS XXXX als arbeitssuchend gemeldet sei. Des Weiteren habe er vom 22.05.2019 - 08.10.2019 Anspruch auf Arbeitslosengeld in der Höhe von tgl. 25,24 Euro. Dieser Anspruch resultiert darauf, dass der BF in der Strafhaft einer Beschäftigung nachgegangen ist.
Der BF konnte in der mündlichen Verhandlung nicht glaubwürdig vermitteln, dass er nicht versuchen werde sich dem Abschiebeverfahren zu entziehen. Der BF hat sich schon mehrmals einem behördlichen Verfahren entzogen und war untergetaucht. Der BF hat bereits am XXXX.2011 in der Schweiz, am XXXX.2012 in Österreich, am XXXX.2012 in der Schweiz, am XXXX.2011 in Spanien sowie am XXXX.2012 in der Bundesrepublik Deutschland, einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Es konnte nicht festgestellt werden, ob der BF jemals ein Verfahren abgewartet hat, bzw. er den Anordnungen einer Behörde Folge geleistet hat.
2. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.
Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens sowie der durchgeführten mündlichen Verhandlung und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.
Die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und die Staatsangehörigkeit des BF beruhen auf den vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten wurde. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person im gegenständlichen Verfahren.
Die weiteren Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestritten gebliebenen Akteinhalt. Der BF ist auch in seiner Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung den dargelegten Feststellungen des BFA nicht entgegengetreten.
Der BF hat bislang keinerlei Bereitschaft gezeigt, sich an eine gegebene Rechtsordnung zu halten. Ganz im Gegenteil, hält sich doch der BF seit vielen Jahren, zumindest seit dem Jahr 2011 in diversen europäischen Staaten, durch vorhergehenden illegalen Einreise auf. Der BF zeigte sich in den letzten Jahren über sehr mobil und setzte sich, ohne die erforderlichen Dokumente dafür zu haben, über Staatsgrenzen hinweg. Er reist quer durch Europa und hielt sich zumindest in den Staaten Schweiz, Italien, Spanien, Deutschland und Österreich auf. Der BF ist selbst Suchtgiftkonsument und wurde im Bundesgebiet bereits zweimal nach dem Suchtmittelgesetz strafrechtlich rechtskräftig verurteilt. Der BF befand sich auch schon mehrmals im Bundesgebiet in Schubhaft wobei er sich zweimal aufgrund seines "Hungerstreiks" freipresste. Auch in der mündlichen Verhandlung konnte der Eindruck gewonnen werden, dass der BF mit den Behörden als auch mit dem Gericht recht "locker" umgeht. Er zeigt sich nicht einsichtig und vermeint, sich unabhängig von Rechtsvorschriften, dort leben zu können, wo er es für richtig hält. Er akzeptiert keinerlei behördliche wie gerichtliche Entscheidungen, sondern vermeint, hier in Österreich verbleiben zu können. Aufgrund dieser Einstellung muss dringend davon ausgegangen werden, dass der BF sich nach Entlassung aus der Schubhaft absetzen bzw. untertauchen würde.
Auf Grund des bisherigen Gesamtverhaltens hat sich der BF insgesamt als nicht vertrauenswürdig erwiesen.
Rechtliche Beurteilung:
"§ 76 Abs. 2 Ziffer 1 FPG: Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
..... "
Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3).
Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77 leg. cit.) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.
"§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann."
Da die Verhängung von Schubhaft nach ständiger Rechtsprechung des VwGH nur "ultima ratio" sein kann, ist die Behörde für den Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden angehalten, ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann (vgl. VwGH 15.10.2015, Ro 2015/21/0026 mit Verweis auf E vom 25.04.2014, 2013/21/0209).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die im jeweiligen Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. VwGH 05.07.2011,
Zl. 2008/21/0080 mwN). Dabei bedarf es in dem frühen Verfahrensstadium (etwa vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung oder Anordnung zur Außerlandesbringung, können dann unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. VwGH 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432 mwN).
Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:
Die belangte Behörde hat den vorliegenden Schubhaftbescheid auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG gestützt:
"dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,"
Wie die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zutreffend aufgezeigt hat, hat sich der BF in den bisherigen Verfahren nicht an die Rechtsvorschriften gehalten und war auch nur begrenzt kooperativ. Der BF hat durch seine vielzähligen Reisen durch Europa gezeigt, dass er sehr mobil ist und sich ohne weiteres auch illegal über Staatsgrenzen hinwegsetzt. Des Weiteren hat der BF auch im laufenden Asylverfahren den Behörden dadurch entzogen, dass er das Grundversorgungsquartier verlassen hat und unangemeldet untertauchte. Der BF besitzt keinerlei Dokumente. Der BF hält sich illegal im Bundesgebiet auf und hat keinerlei finanzielle Mittel. Der BF hat im Bundesgebiet keine familiären sowie soziale Bindungen. Der BF wurde im Bundesgebiet bereits zweimal wegen Suchtmitteldelikte straffällig und dafür rechtskräftig verurteilt. Der BF gab selbst in der mündlichen Verhandlung an, Suchtgiftkonsument zu sein. Es ist daher naheliegend, dass der BF wieder versuchen wird an Bargeld zu gelangen um sich so seine Sucht finanzieren zu können. Die vorliegende Erwerbslosigkeit erhärtet dies noch.
Der BF stellt daher eine erhebliche Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit da. Er ist auch absolut Vertrauensunwürdig.
Der BF verfügt in Österreich über keine familiäre Anbindung. Der BF verfügt im Bundesgebiet über keine sozialen oder beruflichen Kontakte. Der BF ist mittellos.
Es kann daher der belangten Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF nicht vorgeworfen werden, wenn sie bei ihrer Entscheidung zur Anordnung der Schubhaft und dem dafür erforderlichen Sicherungsbedarf davon ausging, das sich der BF nach Haftentlassung der Rückführung nach Togo entziehen könnte und er seine Reise in ein anderes EU Land fortsetzen würde - was der BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes als auch in der mündlichen Verhandlung angab, indem er mehrmals wiederholte auf gar keinen Fall freiwillig nach Togo zurückkehren zu wollen. Seine Entschlossenheit dazu bewies der BF bereits durch sein beharrliches unkooperativenes Verhalten vor dem BFA als auch vor dem erkennenden Gericht.
Insoweit die belangte Behörde in ihrer Würdigung auch davon ausging, dass ein konkreter Sicherungsbedarf für die Durchführung einer Abschiebung sowie die Erforderlichkeit der Schubhaft als einzige geeignete Sicherungsmaßnahme gegenüber der Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG und auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft gegeben waren, begegnet dies keinen Bedenken. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht dargelegt, dass im vorliegenden Fall der erforderliche Sicherungszweck nicht durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG erreicht werden kann. Weder verfügt der BF über ausreichende finanzielle Mittel für die Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit, noch war davon auszugehen, dass er sich in irgendeiner Weise den Behörden für die beabsichtigte Abschiebung jedenfalls aus freien Stücken zur Verfügung halten würde.
Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen und der Abschiebung das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwogen und ein konkretes Sicherungsbedürfnis bestanden hat. Die belangte Behörde konnte somit unter den gegebenen Umständen zu Recht von einer Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG ausgehen. Auch erweist sich die bisherige Anhaltung in Schubhaft bei Abwägung aller betroffenen Interessen als verhältnismäßig.
Da die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen war, dass sich der unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige BF der zu sichernden Abschiebung entziehen könnte, und sie den gegenständlichen Bescheid zutreffend auf die im Spruch angeführten Rechtsvorschriften gestützt hat, war gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm. § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Beschwerde hinsichtlich des Schubhaftbescheides und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft als unbegründet abzuweisen.
Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft (Spruchpunkt A.II.):
Den oben dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft kommt auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung unverändert Geltung zu.
Darüber hinaus war nunmehr zum Zeitpunkt dieser Entscheidung bei der Beurteilung eines konkreten Sicherungsbedarfs infolge Fluchtgefahr der weiter fortgeschrittene Stand des Verfahrens - Sprachgutachten wurde in Auftrag gegeben - sowie die eindrucksvolle Darstellung des BF in der mündlichen Verhandlung, was seine Einstellung zum rechtskonformen Verhalten anbelangte, maßgeblich zu berücksichtigen:
Die belangte Behörde hat frühzeitig ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikats eingeleitet.
Der BF war in der mündlichen Verhandlung absolut unglaubwürdig, was sein zukünftiges Vorhaben anbelangte.
Aus den eben dargelegten Umständen ist aktuell von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen.
Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG - erweist sich im Hinblick auf die erhebliche Fluchtgefahr als nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck zu erreichen.
Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.
Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, ist in der mündlichen Verhandlung nicht hervorgekommen.
Die fortgesetzte Anhaltung in Schubhaft erweist sich daher zum Zweck der Sicherung der Abschiebung als notwendig und verhältnismäßig.
Die Anhaltung in Schubhaft kann somit derzeit auch aus diesem Gesichtspunkt fortgesetzt werden.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Zum Ausspruch über den Ersatz der Aufwendungen (Spruchpunkte A.III. und A.IV.):
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.
Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:
"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.
(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.
(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:
1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,
2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie
3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.
(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.
(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."
Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:
"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro
2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro
3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro
4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro
5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro
6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro
7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."
Da die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die (andauernde) Anhaltung in Schubhaft abgewiesen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft festgestellt wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und die beschwerdeführende Partei unterlegene Partei.
Die belangte Behörde hat im Zuge der Aktenvorlage und in der mündlichen Verhandlung beantragt, dem Bund Kostenersatz im Umfang des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes sowie des Verhandlungsaufwandes zuzusprechen.
Es war daher spruchgemäß der beschwerdeführenden Partei als unterlege Partei der zu leistende Aufwandersatz (einschließlich Verhandlungsaufwand) in der Gesamthöhe von 887,20 Euro aufzuerlegen.
Der in der Beschwerde gestellte Antrag des BF auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, da der BF (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt.
Zu Spruchpunkt B. (Unzulässigkeit der Revision):
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.
Schlagworte
Aufwandersatz, Fluchtgefahr, Interessenabwägung, öffentlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G306.2007250.3.00Zuletzt aktualisiert am
21.01.2020