Entscheidungsdatum
14.10.2019Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
G311 2196628-1/20E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 02.05.2019 MÜNDLICH VERKÜNDETEN
ERKENNTNISSES:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit: Irak, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.05.2018, Zahl: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.05.2019, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 23.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005.
Am 24.07.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers im Asylverfahren statt. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass 300 IS-Kämpfer die Stadt Mossul, eine Stadt nahe Dohuk, kontrolliert hätten und er Angst gehabt habe, dass sie auch Dohuk unter ihre Kontrolle bringen würden. Er fürchte sich vor den IS-Kämpfern in Mossul und habe Angst um sein Leben.
Am 25.01.2016 wurde der Beschwerdeführer wegen unbekanntem Aufenthalt aus der Grundversorgung abgemeldet. Daraufhin erfolgte mit 19.02.2016 seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Einstellung des Asylverfahrens.
Am 24.01.2017 wurde der Beschwerdeführer in seiner Wohnung im Zuge einer Kontrolle der Polizei nach dem Suchtmittelgesetz betreten. In weiterer Folge erging sodann am 30.01.2017 seitens der Polizeiinspektion XXXX die Meldung einer Straftat eines Asylwerbers gemäß § 30 Abs. 2 BFA-VG wegen des Konsums von Marihuana im Zeitraum von Sommer 2016 bis 24.01.2017.
Am 13.12.2017 langte beim Bundesamt eine weitere Meldung über die Straftat eines Asylwerbers gemäß § 30 Abs. 2 BFA-VG seitens der Polizeiinspektion XXXX vom 11.12.2017 ein, wonach beim Beschwerdeführer am 11.12.2017 im Zuge einer Amtshandlung in der Asylunterkunft 1,34 Gramm Marihuana sichergestellt worden sind.
Am 27.03.2018 langte beim Bundesamt der Abschlussbericht des Bundeskriminalamtes vom 25.03.2018 an die Staatsanwaltschaft XXXX ein, wonach über zwanzig Personen, darunter auch der Beschwerdeführer, der Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung verdächtigt wurden.
Die Staatsanwaltschaft XXXX teilte dem Bundesamt mit Verständigung der Behörde vom Rücktritt von der Verfolgung gemäß § 30 Abs. 5 BFA-VG mit, dass sie wegen des dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 2 SMG von einer strafrechtlichen Verfolgung vorläufig zurücktritt.
Die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, fand am 11.04.2018 statt.
Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er wegen der Angst vor dem IS aus dem Irak geflüchtet sei. Jetzt sei die Situation noch schwieriger, denn statt des IS würden nunmehr die Milizen Probleme machen. Er könnte im Irak nicht mehr als Kurde leben und müsse seine Religion und Volksgruppe ändern. Seine Familie in Dohuk habe sehr viele Probleme und sei es derzeit dort schwierig. Er habe den Irak verlassen, da dort überall Krieg und Ungerechtigkeit herrsche. Er habe nach Europa gehen wollen, um hier ein besseres und gerechteres Leben führen zu können. Weder in Dohuk noch sonst im Irak habe er persönliche Probleme gehabt. Die illegale Ausreise aus dem Irak habe ohne Probleme funktioniert. Im Falle einer Rückkehr fürchte er, sich im Irak irgendwo an Kampfhandlungen beteiligen zu müssen. Er sei im Irak nicht vorbestraft, habe keine Probleme mit irakischen Behörden und seien weder er noch Familienangehörige Mitglied einer politischen Partei oder hätten sich politisch betätigt. Er hätte keine Probleme mit Privatpersonen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative nach Bagdad sei nicht möglich, da er auch dort würde kämpfen müssen.
Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des Bundesamtes wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.), der Antrag bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Es wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist zur freiwilligen Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht zweifelsfrei feststehe. Eine asylrelevante Gefährdungslage habe er nicht vorgebracht. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in eine bedrohliche Situation geraten würde. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu der ihn treffenden allgemeinen Lage im Irak sei nicht glaubhaft. Allein seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden ohne persönliche Verfolgung bilde keinen ausreichenden Grund für eine Asylgewährung. Wenngleich die allgemein schwierige Lage im Irak bekannt und der Wunsch nach besseren, geordneten und gesicherten Lebensbedingungen verständlich sei, so sei eine aktuell drohende individuelle Gefahr einer asylrelevanten Verfolgung nicht vorgebracht worden. Die Sicherheitslage in Kurdistan sei stabil. Eine exzeptionelle Gefährdungslage bestehe nicht. Der Beschwerdeführer sei jung, männlich, gesund und arbeitsfähig. Er hab im Irak familiäre Bindungen und könne eine Rückkehrunterstützung in Anspruch nehmen. Hingegen verfüge er in Österreich über keine privaten und familiären Bindungen, sei nicht besonders integrationsverfestigt und nicht selbsterhaltungsfähig.
Zudem traf die belangte Behörde umfangreiche Länderfeststellungen zur allgemeinen Lage im Irak.
Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 15.05.2018 durch Hinterlegung beim Zustellpostamt nach einem Zustellversuch zugestellt.
Mit dem am 23.05.2018 beim Bundesamt eingebrachten Schriftsatz vom 23.05.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Rechtsvertretung das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den ihn betreffenden Bescheid des Bundesamtes. Darin wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Beschwerde stattgeben und dem Beschwerdeführer den Status des Asylberechtigten, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten, zuerkennen; in eventu den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Rückkehrentscheidung, in eventu der Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung, aufgehoben wird; dem Beschwerdeführer in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG erteilen sowie eine mündliche Verhandlung durchführen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bereits in einer Vielzahl an Entscheidungen bei gleichen Sachverhalten seitens des Bundesverwaltungsgerichtes festgestellt worden sei, dass davon auszugehen sei, dass im Irak eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen Konflikts gegeben sei. Das Vorliegen einer solchen Bedrohung könne gegenständlich als gegeben angenommen werden, da der bestehende bewaffnete Konflikt ein derart hohes Niveau an willkürlicher Gewalt erreicht habe, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Zivilperson bei einer Rückkehr, allein durch die Anwesenheit in diesem Gebiet, einer ernsthaften Bedrohung des Lebens ausgesetzt wäre. Die Situation in Kurdistan sei seit dem Referendum 2017 erheblich destabilisiert. Die in Zukunft infolge der Anerkennung Jerusalems als die Hauptstadt Israels durch die USA folgenden Auswirkungen auf den Nahen Osten müssten ebenfalls berücksichtigt werden. Es werde auch auf die Reisewarnung des österreichischen Außenministeriums hingewiesen, wo festgehalten werde, dass die derzeitige Situation aufgrund der andauernden Kämpfe, in die teilweise auch kurdische Streitkräfte (Peshmerga) eingebunden seien, besorgniserregend und gesondert zu überprüfen sei. Es könne daher dem Beschwerdeführer nicht empfohlen werden, seinen Wohnsitz wieder in den Irak zu verlegen. Es sei zu berücksichtigen, dass Kurdistan bei 5,3 Millionen Einwohnern nahezu 2 Millionen Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak aufgenommen habe. Die meisten von diesen Flüchtlingen würden bereits seit 18 Monaten in Flüchtlingslagern leben. Die Wasserversorgung im ganzen Land sei schlecht. Insgesamt würde der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Situation geraten. Es sei ihm daher jedenfalls subsidiärer Schutz zuzuerkennen.
Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und sind am 28.05.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Am 01.08.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht die Mitteilung ein, dass über den Beschwerdeführer am 21.07.2018 die Untersuchungshaft verhängt worden ist. Mit 20.07.2018 wurde er deswegen bereits von der Grundversorgung abgemeldet.
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX.2019, XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Schlepperei zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Der Beschwerdeführer trat am 13.03.2019 die Strafhaft an.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 02.05.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertretung sowie ein Dolmetscher für die Sprache Kurdisch-Sorani teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf eine Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.
Auf Befragen gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, er wolle in Österreich bleiben und nicht in den Irak zurückkehren. Er habe im Irak 15 Jahre lang in der Provinz Dohuk in einem Bezirk an der Grenze zur Türkei gelebt. Die Familie sei wegen der dortigen PKK-Stellungen und der Attacken durch die Türkei 2004 von dort weggezogen. Seit 2004 oder 2005 versuche er bereits, den Irak zu verlassen. 2007 habe er es nach Griechenland geschafft, habe jedoch nach einem Aufenthalt von rund eineinhalb Jahren wieder in den Irak zurückkehren müssen. Er habe keine Schule besucht und sei Analphabet. Vor seiner letzten Ausreise habe er in Dohuk mit seinen Eltern und Geschwistern in einem Einfamilienhaus gewohnt. Seine Mutter sei bereits 2007 verstorben. Das Haus sei inzwischen verkauft. Der Vater und die Geschwister würden noch immer in Dohuk leben, wobei beim Vater in dessen Mietshaus nur mehr eine Schwester und ein Bruder leben würden. Die anderen Geschwister seien inzwischen verheiratet. Der Vater habe ein Geschäft für Süßwaren und backe dort auch selbst. Er habe einen zusätzlichen Arbeiter im Geschäft. Finanzielle Probleme habe die Familie nie gehabt. Kontakt habe er nur noch mit seiner Schwester.
Schlussendlich gab der Beschwerdeführer nach mehrfachem Nachfragen zu seinem konkreten Fluchtgrund an, dass es im Irak ständig Konflikte gebe und die Region Kurdistan bzw. Dohuk immer von verschiedenen Seiten, sowohl irakischer als auch türkischer, bedroht werde. Die aktuelle Lage in Dohuk sei aber ruhig. Er habe sich im Irak von seiner Ex-Ehefrau 2013 scheiden lassen. Mit dieser habe er eine gemeinsame Tochter (etwa sieben Jahre alt), aber zu beiden keinen Kontakt. Die Familie der Ex-Ehegattin sei wohlhabend und wolle den Beschwerdeführer umbringen, wenn er in den Irak zurückkehre. Es handle sich um Anhänger der KDP. Er sei nicht direkt bedroht worden, aber sein Bruder habe ihm davon abgeraten, nach Hause zu kommen. Das sei etwa vor einem Jahr gewesen. Dies deshalb, da die Familie der Ex-Ehegattin unbedingt wissen wolle, weshalb er sich habe scheiden lassen. Der Hauptgrund für die Ausreise sei die Trennung von seiner Ehegattin gewesen. Zwischen der Scheidung 2013 und der Ausreise im April 2015 habe er keine direkten Probleme mit der Familie der Ex-Ehegattin gehabt, aber er habe gewusst, dass diese etwas planen würde.
An Marihuana habe er sich in Österreich gewöhnt und diese mit den Leistungen aus der Grundversorgung finanziert. Teilweise habe ihm ein Freund aus dem Irak EUR 200,00 bis EUR 300,00 nach Österreich geschickt. Dieser lebe auch in Dohuk und habe ein Textilgeschäft.
Zur strafgerichtlichen Verurteilung wegen Schlepperei führte der Beschwerdeführer aus, dass er nur einmal einen Anruf getätigt und jemanden gebeten habe, eine Familie nach Deutschland zu bringen. Er habe dafür keinen Schlepperlohn erhalten, sondern die im Strafurteil erwähnten EUR 1.600,00 von der Familie an den Schlepper bezahlt, damit dieser sie nach Deutschland bringt.
In weiter Folge wurden seitens des erkennenden Gerichtes die bereits vorweg zur Vorbereitung der Verhandlung übermittelten Länderberichte zur allgemeinen Lage im Irak erörtert und auf deren Zustandekommen hingewiesen. Der Beschwerdeführer gab dazu an, dass die Berichte von der Regierung beeinflusst wären und die Lage damit positiver dargestellt werde, als sie tatsächlich ist. Es gebe keinen Strom, kein Wasser, keine Gehälter und keine medizinische Versorgung. Der Vater könne oft 15 Tage lang nicht backen, weil es keinen Strom gebe, obwohl der Irak voller Öl sei.
Im Anschluss wurde das gegenständliche Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG samt den wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet und die Rechtsmittelbelehrung erteilt.
Sodann beantragte der Beschwerdeführer sogleich die schriftliche Ausfertigung des gegenständlichen Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer führt die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum) und ist Staatsangehöriger des Irak, Angehöriger der Volksgruppe der Kurden und bekennt sich zum moslemischen Glauben sunnitischer Ausrichtung. Seine Muttersprache ist Kurdisch-Sorani (vgl etwa Erstbefragung vom 24.07.2015, AS 3 ff; Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 11.04.2018, AS 159 ff; Kopie irakischer Personalausweis und Staatsbürgerschaftsnachweis, AS 117 ff; Angaben Beschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 02.05.2019, S 3 ff).
Der Beschwerdeführer ist gesund, geschieden und hat eine minderjährige Tochter, die bei der Ex-Ehegattin und Kindesmutter in Dohuk/Irak lebt. Weder zur Ex-Ehegattin noch zur Tochter hat der Beschwerdeführer Kontakt. Er ist in XXXX/Provinz Dohuk/Irak geboren und aufgewachsen, hat keine Schule besucht und ist Analphabet. Seit 2004 lebte der Beschwerdeführer mit seiner Familie in Dohuk. Im Jahr 2007 stellte er in Griechenland einen Antrag auf internationalen Schutz, musste nach 18 Monaten jedoch in den Irak zurückkehren, wo er wieder in Dohuk lebte. Zuletzt war er im Irak als Bäcker berufstätig. Seine Mutter ist bereits 2007 verstorben. Der Vater hat in Dohuk einen Süßwaren-Laden und bäckt dort auch selbst. Eine Schwester und ein Bruder des Beschwerdeführers leben noch mit dem Vater gemeinsam in dessen Mietshaus. Die übrigen Geschwister (fünf Schwestern und zwei Brüder) sind bereits verheiratet und leben ebenfalls in Dohuk. Zu einer der Schwestern hat der Beschwerdeführer regelmäßig Kontakt. In Österreich bzw. Europa hat der Beschwerdeführer keine familiären oder verwandtschaftlichen Bindungen. (vgl etwa Erstbefragung vom 24.07.2015, AS 3 ff; Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 11.04.2018, AS 159 ff; Angaben Beschwerdeführer, Verhandlungsprotokoll vom 02.05.2019, S 3 ff).
Der Beschwerdeführer verließ seinen Herkunftsstaat Irak zuletzt Mitte April 2015 mit einem Linienbus von Dohuk aus in die Türkei, wobei er die Grenze zur Türkei illegal zu Fuß überquerte. Sodann reiste er mit dem Bus weiter nach Ankara und Istanbul und verblieb etwa zwei Monate in der Türkei, bevor er schlepperunterstützt über jedenfalls Serbien und Ungarn in das Bundesgebiet einreiste, wo er am 23.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte (vgl etwa Erstbefragung vom 24.07.2015, AS 3 ff; Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 11.04.2018, AS 159 ff).
Über den Beschwerdeführer wurde mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX.2018, XXXX, die Untersuchungshaft verhängt (vgl Verständigung von der Verhängung der Untersuchungshaft vom XXXX.07.2018).
Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX.2019, XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Schlepperei im Rahmen einer kriminellen Vereinigung gemäß § 114 Abs. 1, Abs. 3 Z 1 und Z 2 sowie Abs. 4 erster Fall FPG rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren unter Anrechnung der Vorhaft von XXXX.2018 bis XXXX.2019 verurteilt (vgl aktenkundiges Strafurteil).
Der Beschwerdeführer trat am XXXX.2019 die Strafhaft an. Das voraussichtliche Strafende wurde mit XXXX.07.2020 berechnet (vgl Verständigung der Fremdenbehörde vom Strafantritt eines Fremden vom XXXX.03.2019).
Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet von 14.08.2015 bis 25.01.2016 und von 23.08.2016 bis 20.07.2018 Hauptwohnsitzmeldungen auf. Seit XXXX.07.2018 ist der Beschwerdeführer mit einem Nebenwohnsitz in der Justizanstalt gemeldet (vgl Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 22.03.2019).
Der Beschwerdeführer übte bisher im Bundesgebiet keine legale Beschäftigung aus und lebte von der Grundversorgung. Er engagierte sich nicht in einem Verein oder einer Organisation und übte keine ehrenamtlichen Tätigkeiten aus. Er hat bisher keine Deutschkurse oder Alphabetisierungskurse besucht und wurde wegen des Konsums bzw. Besitzes von geringen Mengen Marihuana bereits zwei Mal von der Polizei betreten und angezeigt, wobei die Staatsanwaltschaft von einer strafrechtlichen Verfolgung vorläufig zurücktrat (vgl etwa Angaben Beschwerdeführer, Niederschrift Bundesamt vom 11.04.2018, AS 159 ff; Einsicht in die Grundversorgungsdaten; aktenkundige Meldungen über die Straftat eines Fremden vom 30.01.2017, AS 55 f, und vom 11.12.2017, AS 79 f; Verständigung vom Rücktritt von der Verfolgung vom 26.03.2018, AS 109).
Insgesamt konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.
Ein konkreter Anlass oder Vorfall für das (fluchtartige) Verlassen des Herkunftsstaates konnte nicht festgestellt werden. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist oder, dass Gründe vorliegen, die einer Rückkehr oder Rückführung (Abschiebung) in den Herkunftsstaat entgegenstehen würden.
Zur entscheidungsrelevanten Lage im Irak:
Zur allgemeinen Lage im Irak werden die vom Bundesverwaltungsgericht zur Vorbereitung der mündlichen Beschwerdeverhandlung mit Schreiben vom 24.04.2019 in das Verfahren eingeführten Länderberichte, nämlich ein Konvolut aus fallbezogen relevanten aktueller Länderberichte samt den angeführten Quellen (mit Stand April 2019) auch als entscheidungsrelevante Feststellungen zum endgültigen Gegenstand des Erkenntnisses erhoben.
"1. Allgemeine Sicherheitslage:
1.1. Allgemeine Sicherheitslage und Islamischer Staat (IS):
Die allgemeine Sicherheitslage im Irak war seit Oktober 2016 von bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, im Genaueren nichtstaatlichen bewaffneten Milizen, den sogenannten Peshmerga der kurdischen Regionalregierung sowie ausländischen Militärkräften, auf der einen Seite und den bewaffneten Milizen der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) auf der anderen Seite um die Kontrolle der - im Zentrum des seit Sommer 2014 bestehenden Machtbereichs des IS gelegenen - Hauptstadt Mossul der Provinz Ninava gekennzeichnet. Diesen Kämpfen ging die sukzessive Zurückdrängung des IS aus den zuvor ebenfalls von ihm kontrollierten Gebieten innerhalb der Provinzen Anbar, Diyala und Salah al-Din im Zentral- und Südirak voraus. Die kriegerischen Ereignisse im Irak seit 2014 brachten umfangreiche Flüchtlingsbewegungen aus den umkämpften Gebieten in andere Landesteile sowie umgekehrt Rückkehrbewegungen in befreite Landesteile mit sich. Zahlreiche nationale und internationale Hilfsorganisationen unter der Ägide des UNHCR versorgen diese Binnenvertriebenen in Lagern und Durchgangszentren, mit Schwerpunkten in den drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, in sowie um Bagdad sowie im Umkreis von Kirkuk, im Hinblick auf ihre elementaren Lebensbedürfnisse sowie deren Dokumentation und Relokation, ein geringer Anteil der Vertriebenen sorgt für sich selbst in gemieteten Unterkünften und bei Verwandten und Bekannten. Vor dem Hintergrund einer längerfristigen Tendenz unter den Binnenvertriebenen zur Rückkehr in ihre Herkunftsgebiete waren mit 31.03.2018 noch ca. 2,2 Mio. (seit 2014) Binnenvertriebene innerhalb des Iraks registriert, diesen standen wiederum ca. 3,6 Mio. Zurückgekehrte gegenüber. Ca. 90% der bis Ende März 2018 in ihre Herkunftsregion zurückgekehrten ca. 124.000 Binnenvertriebenen stammten aus den Provinzen Anbar, Kirkuk, Ninava und Salah al-Din, 107.000 kehrten alleine in die Provinz Ninava, ca. 77.000 in den Bezirk Mossul zurück.
Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), sowie mit Unterstützung alliierter ausländischer Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines "Kalifats" in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze westlich von Mossul. Ab November 2016 wurden sukzessive die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tel Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste seines früheren Herrschaftsgebiets im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk. Mit Beginn des Dezember 2017 musste der IS seine letzten territorialen Ansprüche innerhalb des Iraks aufgeben, am 01.12.2017 erklärte Premier Abadi den gesamtem Irak für vom IS befreit.
Ab dem 03.11.2017 mit Stand 17.11.2017 wurden die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, Al-Qaim, Ana und Rawa (alle drei im Westen des Landes) von den irakischen Streitkräften zurückerobert. Laut der US-geführten Koalition zur Bekämpfung des IS hat dieser nun 95 Prozent jener irakischen und syrischen Territorien verloren, welches er im Jahr 2014 als Kalifat ausgerufen hatte (Telegraph 17.11.2017; IFK 60.11.2017). Das Wüstengebiet nördlich der drei Städte bleibt vorerst weiterhin IS-Terrain. Die Gebiete rund um Kirkuk und Hawija gehören zu jenen Gebieten, bei denen das Halten des Terrains eine große Herausforderung darstellt. (MEE 16.11.2017; Reuters 05.11.2017; BI 13.11.2017). Alleine in Mossul gab es vor der Rückeroberung 40.000 IS-Kämpfer. Viele sind in die Wüste geflohen oder in der Zivilbevölkerung untergetaucht. Es gab es auch umstrittene Arrangements, die den Abzug von IS-Kämpfern und ihren Familien erlaubten. Der IS ist somit nicht verschwunden, nur sein Territorium (Harrer 24.11.2017).
Seit der IS Offensive im Jahr 2014 ist die Zahl der Opfer im Irak nach wie vor nicht auf den Wert der Zeit zwischen 2008 - 2014 zurückgegangen, in der im Anschluss an den konfessionellen Bürgerkrieg 2006-2007 eine Phase relativer Stabilität einsetzte (MRG 10.2017; vgl. IBC 23.11.2017). Von dem Höchstwert von 4.000 zivilen Todesopfern im Juni 2014 ist die Zahl 2016 [nach den Zahlen von Iraq Body Count] auf 1.500 Opfer pro Monat gesunken; dieser sinkende Trend setzt sich im Jahr 2017 fort (MRG 10.2017). Nach den von Joel Wing dokumentierten Vorfällen, wurden in den Monaten August, September und Oktober 2017 im Irak 2.988 Zivilisten getötet (MOI 09.-11.2017).
Seitdem der IS Ende 2017 das letzte Stück irakischen Territoriums verlor, hat er drei Phasen durchlaufen: Zunächst kam es für einige Monate zu einer Phase remanenter Gewalt; dann gab es einen klaren taktischen Wandel, weg von der üblichen Kombination aus Bombenanschlägen und Schießereien, zu einem Fokus auf die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes. Die Kämpfer formierten sich neu und im Zuge dessen kam es zu einem starken Rückgang an Angriffen. Jetzt versucht der IS, die Kontrolle über die ländlichen Gebiete im Zentrum des Landes und über Grenzgebiete zurückzuerlangen. Gleichzeitig verstärkt er die direkte Konfrontation mit den Sicherheitskräften (Joel Wing 3.7.2018). Im September 2018 fanden die IS-Angriffe wieder vermehrt in Bagdad statt und es ist eine Rückkehr zu Selbstmordanschlägen und Autobomben feststellbar (Joel Wing 6.10.2018).
Mit Stand Oktober 2018 waren Einsätze der irakischen Sicherheitskräfte gegen IS-Kämpfer in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Salah al-Din im Gang. Ziel war es, den IS daran zu hindern sich wieder zu etablieren und ihn von Bevölkerungszentren fernzuhalten. Irakische Beamte warnen vor Bemühungen des IS, Rückzugsorte in Syrien für die Infiltration des Irak zu nutzen. Presseberichte und Berichte der US-Regierung sprechen von anhaltenden IS-Angriffen, insbesondere in ländlichen Gebieten von Provinzen, die vormals vom IS kontrolliert wurden (CRS 4.10.2018; vgl. ISW 2.10.2018, Atlantic 31.8.2018, Jamestown 28.7.2018, Niqash 12.7.2018). In diesen Gebieten oder in Gebieten, in denen irakische Sicherheitskräfte abwesend sind, kommt es zu Drohungen, Einschüchterungen und Tötungen durch IS-Kämpfer, vor allem nachts (CRS 4.10.2018).
Es gibt immer häufiger Berichte über Menschen, die aus Dörfern in ländlichen Gebieten, wie dem Bezirk Khanaqin im Nordosten Diyalas, fliehen. Ortschaften werden angegriffen und Steuern vom IS erhoben. Es gibt Gebiete, die in der Nacht No-go-Areas für die Sicherheitskräfte sind und IS-Kämpfer, die sich tagsüber offen zeigen. Dies geschieht trotz ständiger Razzien durch die Sicherheitskräfte, die jedoch weitgehend wirkungslos sind (Joel Wing 6.10.2018).
Die Extremisten richten auch falsche Checkpoints ein, an denen sie sich als Soldaten ausgeben, Autos anhalten und deren Insassen entführen, töten oder berauben (Niqash 12.7.2018; vgl. WP 17.7.2018).
Das Hauptproblem besteht darin, dass es in vielen dieser ländlichen Gebiete wenig staatliche Präsenz gibt und die Bevölkerung eingeschüchtert wird (Joel Wing 6.10.2018). Sie kooperiert aus Angst nicht mit den Sicherheitskräften. Im vergangenen Jahr hat sich der IS verteilt und in der Zivilbevölkerung verborgen. Kämpfer verstecken sich an den unzugänglichsten Orten: in Höhlen, Bergen und Flussdeltas. Der IS ist auch zu jenen Taktiken zurückgekehrt, die ihn 2012 und 2013 zu einer Kraft gemacht haben: Angriffe, Attentate und Einschüchterungen, besonders nachts. In den überwiegend sunnitischen Provinzen, in denen der IS einst dominant war (Diyala, Salah al-Din und Anbar), führt die Gruppe nun wieder Angriffe von großer Wirkung durch (Atlantic 31.8.2018).
Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat (IS). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert (CRS 4.10.2018; vgl. MIGRI 6.2.2018). IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten aktiv, die Sicherheitslage ist veränderlich (CRS 4.10.2018).
Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.2.2018).
In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.2.2018). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (MIGRI 6.2.2018).
Der Islamische Staat (IS) ist im Irak weitestgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen, d.h., aus den Gouvernements Anbar, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) werden nur die Distrikte Shirqat und Tuz in Salahaddin, Makhmour in Erbil, Hawija und Daquq in Kirkuk, sowie Kifri und Khanaqin in Diyala als umkämpft angesehen (EASO 3.2019). Das ganze Jahr 2018 über führten IS-Kämpfer Streifzüge nach Anbar, Bagdad und Salahaddin durch, zogen sich dann aber im Winter aus diesen Gouvernements zurück. Die Anzahl der verzeichneten Übergriffe und zivilen Todesopfern sank daher im Vergleich zu den Vormonaten deutlich ab (Joel Wing 2.1.2019).
1.2. Allgemeine Sicherheitslage in Kurdistan:
Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Am 25.09.2017 hielt die kurdische Regionalregierung ein Referendum für eine mögliche Unabhängigkeitserklärung der Autonomieregion mitzustimmendem Ausgang ab. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk.
Das Verhältnis der Zentralregierung zur kurdischen Autonomieregion, die einen semi-autonomen Status innehat, hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der Autonomieregion und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil umstrittener Gebiete am 25. September 2017 deutlich verschlechtert (AA 12.2.2018). Die Kurden konnten das von ihnen kontrollierte Territorium im Irak in Folge der Siege gegen den IS zunächst ausdehnen. Mit dem Referendum am 25.9.2017 versuchte die kurdische Regional-Regierung unter Präsident Masud Barzani, ihren Anspruch auch auf die von ihr kontrollierten Gebiete außerhalb der drei kurdischen Provinzen zu bekräftigen und ihre Verhandlungsposition gegenüber der Zentralregierung in Bagdad zu stärken (BPB 24.1.2018).
Bagdad reagierte mit der militärischen Einnahme eines Großteils der umstrittenen Gebiete, die während des Kampfes gegen den IS von kurdischen Peshmerga übernommen worden waren, angefangen mit der ölreichen Region um Kirkuk (AA 12.2.2018). Die schnelle militärische Rückeroberung der umstrittenen Gebiete durch die irakische Armee, einschließlich der Erdöl- und Erdgasfördergebiete um Kirkuk, mit massiver iranischer Unterstützung, bedeutete für die kurdischen Ambitionen einen Dämpfer. Präsident Barzani erklärte als Reaktion darauf am 29.10.2017 seinen Rücktritt. Der kampflose Rückzug der kurdischen Peshmerga scheint auch auf zunehmende Differenzen zwischen den kurdischen Parteien hinzudeuten (BPB 24.1.2018).
Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der kurdischen Autonomieregion (AA 12.2.2018).
Im Dezember 2017 forderte die gewaltsame Auflösung von Demonstrationen gegen die Regionalregierung in Sulaymaniya mehrere Todesopfer. Daraufhin hat sich die Oppositionspartei Gorran aus dem kurdischen Parlament zurückgezogen (BPB 24.1.2018). In der Autonomieregion gehen die Proteste schon auf die Zeit gleich nach 2003 zurück und haben seitdem mehrere Phasen durchlaufen. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind jedoch gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018).
Am 30.9.2018 fanden in der kurdischen Autonomieregion Wahlen zum Regionalparlament statt (Tagesschau 30.9.2018). Mit einer Verzögerung von drei Wochen konnte die regionale Wahlkommission am 20.10.2018 die Endergebnisse veröffentlichen. Zahlreiche Parteien hatten gegen die vorläufigen Ergebnisse Widerspruch eingelegt. Gemäß der offiziellen Endergebnisse gewann die KDP mit 686.070 Stimmen (45 Sitze), vor der PUK mit 319.912 Stimmen (21 Sitze) und Gorran mit
186.903 Stimmen (12 Sitze) (ANF 21.10.2018; vgl. Al Jazeera 21.10.2018, RFE/RL 21.10.2018). Die Oppositionsparteien lehnen die Abstimmungsergebnisse ab und sagen, dass Beschwerden über den Wahlbetrug nicht gelöst wurden (Al Jazeera 21.10.2018).
In Nordkurdistan setzte die Türkei ihre Angriffe auf PKK-Stellungen fort. Zwei Treffer durch Luftschläge in Ninewa zogen letztlich einen Protest der irakischen Regierung nach sich. Die Türkei gab jedoch bekannt, ihre Aktionen fortführen zu wollen (Joel Wing 2.1.2019). Als Folge eines Luftangriffs, bei dem mutmaßlich einige Zivilisten ums Leben kamen, stürmte eine aufgebrachte Menge einen Posten der türkischen Armee nahe Dohuk, wobei eine Person ums Leben kam und zehn verletzt wurden (BBC 26.1.2019). Im Dezember 2018 wurden zwölf Luftschläge mit 31 Toten registriert (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 elf mit 35 Toten (Joel Wing 4.2.2019) und im März zwei Vorfälle mit 32 Toten und 10 Verletzten (Joel Wing 3.4.2019). Zusammenstöße zwischen türkischen Soldaten und kurdischen Kämpfern hatten Todesopfer auf beiden Seiten zur Folge (Joel Wing 26.3.2019). Am 30.3.2019 bombardierte die türkische Luftwaffe erneut PKK-Stellungen im Qandil Gebirge (BAMF 1.4.2019).
Der IS rekrutiert in der kurdischen Autonomieregion (ISW 7.3.2019).
Eine Einreise in die Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist aktuell aus Österreich auf dem Luftweg ausgehend vom Flughafen Wien via Amman und via Dubai nach Erbil und auf indirektem Weg via Bagdad möglich.
Aus einer aktuellen Anfrage-Beantwortung von ACCORD zum Irak:
Autonome Region Kurdistan: Sicherheitslage; Kampfhandlungen, Anschlagskriminalität vom 21.02.2019 [a-10882-1] geht hervor (https://www.ecoi.net/de/dokument/1458102.html, Zugriff am 23.04.2019):
"Die international tätige Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) schreibt in ihrem Jahresbericht vom Jänner 2019 zur Menschenrechtslage im Jahr 2018, dass die Türkei während des Jahres ihre Operationen im Nordirak gegen bewaffnete Mitglieder der kurdischen Arbeiterpartei (PKK) ausgeweitet habe. Die PKK sei seit langem im Nordirak an der Grenze zur Türkei, zu Syrien und zum Iran präsent. Beginnend mit März 2018 hätten türkische Armeekräfte ihre Präsenz im Nordirak um mindestens 30 Kilometer ausgeweitet und Außenposten unter anderem in den Provinzen Dohuk und Erbil errichtet. Im März und im Juni seien bei zwei türkischen Militäroperationen, die ohne erkennbare militärische Ziele durchgeführt worden seien, fünf ZivilistInnen getötet worden. Im September hätten Berichten zufolge iranische Einheiten Angriffe auf die Zentralen der im Irak ansässigen iranischen Oppositionsparteien Kurdistan Democratic Party of Iran und Democratic Party of Iranian Kurdistan ausgeführt. Hierbei seien mindestens 13 Personen getötet und 39 verletzt worden:
'While the United States-led Global Coalition against ISIS continued its military operations in Iraq, Turkey increased its operations in northern Iraq against the armed Kurdistan Workers' Party (PKK). The PKK, an outlawed armed group active in Turkey, has long maintained a presence in northern Iraq near the Turkish, Iranian, and Syrian borders. Turkish forces have conducted operations against the PKK in Iraq at various times for over two decades. Starting in March, Turkish forces extended their presence into northern Iraq by at least 30 kilometers, establishing multiple outposts, including in rural areas of Dohuk and Erbil governorates. In March and June, two Turkish military operations in the area killed five non-combatants in attacks where there were no apparent military objectives. In September, Iranian forces reportedly carried out an attack on the headquarters of the Kurdistan Democratic Party of Iran and the Democratic Party of Iranian Kurdistan, two opposition groups in the northern town of Koya, in northern Iraq, killing at least 13 individuals and wounding another 39.' (HRW, 17. Jänner 2019)
In einer Stellungnahme des UNO-Generalsekretärs an den UNO-Sicherheitsrat zu aktuellen Entwicklungen im Irak vom Februar 2019 (Berichtszeitraum: 31. Oktober 2018 bis Ende Jänner 2019) wird ebenfalls erwähnt, dass das türkische Verteidigungsministerium Luftangriffe auf PKK-Ziele im Irak zugegeben habe. Die irakische Regierung sei weiterhin über zivile Opfer und die Zerstörung von Eigentum durch diese Angriffe besorgt. Am 14. Dezember habe das irakische Außenministerium in einer Stellungnahme die türkischen Luftangriffe auf PKK-Stellungen in den Sindschar-Bergen und im Distrikt Makhmur verurteilt. Laut der Stellungnahme hätten die Luftangriffe vier zivile Opfer gefordert:
'During the reporting period, the Turkish Ministry of Defence acknowledged air strikes against Kurdistan Workers Party (PKK) targets in northern Iraq. Civilian casualties and property damage from those attacks remain of concern to the Government of Iraq. On 14 December, the Ministry of Foreign Affairs of Iraq issued a statement deploring Turkish military air strikes against PKK positions in the Sinjar mountains and in Makhmur. According to the statement, the air strikes resulted in the deaths of four civilians.' (UN Security Council, 1. Februar 2019, S. 4)
Auf Musings on Iraq, einem Blog des US-Amerikanischen Irakanalysten Joel Wing, finden sich in einwöchigen oder zweiwöchigen Abständen Übersichten zu sicherheitsrelevanten Vorfällen im Irak, deren Daten sich wiederum auf verschiedene, meist regionale Nachrichtenquellen stützen. Die bis dato erstellten Übersichten zum Jahr 2019 wurden jeweils nach Vorfällen in den drei kurdischen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaimaniya durchsucht. Die wenigen dokumentierten sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Region Kurdistan sind, wie in diesen Übersichten zu erkennen ist, meistens auf Luftangriffe der Türkei zurückzuführen.
In der Wochenübersicht vom 1. -7. Jänner schreibt Musings on Iraq, dass ein türkischer Luftangriff in Kurdistan sieben Anhänger der PKK getötet habe (Musings on Iraq, 11. Jänner 2019). In der Woche vom 8.- 14. Jänner wurden in Kurdistan zwei türkische Luftangriffe mit drei getöteten PKK-Kämpfern dokumentiert (Musings on Iraq, 16. Jänner 2019). Weitere drei türkische Luftangriffe und sechs tote PKK-Kämpfer wurden in Kurdistan in der Woche vom 15. Bis zum 21. Jänner 2019 dokumentiert (Musings on Iraq, 23. Jänner 2019). In der Wochenübersicht vom 22. Bis zum 28. Jänner meldet Musings on Iraq, dass die türkische Luftwaffe im Norden von Kurdistan fünf Angriffe durchgeführt habe, bei denen 15 PKK-Kämpfer und vier ZivilistInnen getötet worden seien (Musings on Iraq, 30. Jänner 2019). In der ersten Februarwoche hat Musings on Irak keine sicherheitsrelevanten Vorfälle in der Autonomen Region Kurdistan dokumentiert (Musings on Iraq, 11. Februar 2019).
Im Juli 2018 meldet die Nachrichtenagentur Reuters, dass kurdische Sicherheitskräfte in Erbil bewaffnete Männer erschossen hätten, die ein Regierungsgebäude gestürmt und Geiseln genommen hätten. Die Bewaffneten seien mit Maschinengewehren und Handgranaten über zwei Eingänge in das Gebäude eingedrungen. Ersten Ermittlungen zufolge seien bei den vier Stunden dauernden Zusammenstößen ein Regierungsmitarbeiter getötet und zwei Polizisten verletzt worden. Einem Sicherheitsbeamten zufolge habe es sich bei den Angreifern um Kämpfer der Gruppe Islamischer Staat (IS) gehandelt. Laut einem IS-Experten seien es jedoch wahrscheinlicher Mitglieder der Ansar al-Islam gewesen, einer vornehmlich kurdischen, salafistischen Organisation mit Verbindungen zu Al-Qaida. Der Artikel fügt weiters noch hinzu, dass solche Angriffe größeren Ausmaßes in Erbil, dem Sitz der kurdischen Regionalregierung, selten seien:
'Kurdish security forces killed gunmen who had stormed a government building in the Kurdish city of Erbil on Monday and took hostages in an attack suspected of being carried out by Islamic State, security officials said. Armed with pistols, AK-47 rifles and hand grenades, the assailants shot their way into the building housing the governorate from the main gate and a side entrance. According to preliminary investigations, one government employee was killed in four hours of clashes. Two policemen were wounded. [...]
'We believe that the attackers are from Islamic State because of the tactics they used in breaking into the building from the main gate. Two gunmen used pistols to shoot at the guards,' said a security official. Hisham al-Hashimi, an expert on Islamic State who advises the Iraqi government, said the attack was more likely carried out by Ansar al-Islam, a predominantly Kurdish, Salafist organization which had links to Al Qaeda. [...]
Such high-profile assaults are rare in Erbil, seat of the Kurdistan Regional Government (KRG).' (Reuters, 23. Juli 2018)
Reuters berichtet in einem weiteren Artikel vom September 2018, dass die iranischen Revolutionsgarden sieben Raketen auf in Koya in Kurdistan lebende iranisch-kurdische Dissidenten abgefeuert hätten. Dabei seien mindestens elf Personen getötet worden. Gleichzeitig habe die Türkei ihre Luftangriffe auf Stützpunkte der PKK in Kurdistan ausgeweitet. Regelmäßig würde sie das Rückzugsgebiet der PKK in den Qandil-bBergen in der Nähre der iranischen Grenze ins Visier nehmen:
'Iran's Revolutionary Guards fired seven missiles in an attack on Iraq-based Iranian Kurdish dissidents that killed at least 11 people on Saturday, the elite military unit was reported as saying by Iranian news agencies on Sunday. Iraqi Kurdish officials said Iran attacked the base of an Iranian Kurdish armed opposition group in northern Iraq on Saturday, killing at least 11 people and wounding scores more.[...]
The Democratic Party of Iranian Kurdistan, an armed opposition group fighting for greater autonomy for Iran's Kurdish community, posted on Twitter pictures and video of explosions, as well as of the wounded, at its headquarters in Koya, in Iraq's semi-autonomous Kurdistan region.
Turkey has also ramped up air strikes on Kurdistan Workers' Party (PKK) bases in northern Iraq this year. It routinely targets the PKK stronghold in the Qandil mountains, near the border with Iran, where Ankara suspects high-ranking members of the militant group are located.' (Reuters, 9. September 2018)
BBC schreibt im Jänner 2019, dass mindestens eine Person getötet und zehn weitere verletzt worden seien, als eine wütende Menge ein türkisches Militärlager in Kurdistan gestürmt habe. Lokale Bewohner hätten Fahrzeuge und Gebäude in Brand gesetzt, um gegen türkische Luftangriffe in der Region zu protestieren, bei denen Berichten zufolge mehrere Personen getötet worden seien. Laut einem örtlichen Beamten hätten türkische Soldaten auf Demonstranten geschossen und seien dann verschwunden. Es sei noch nicht genau klar, wie es zu dem Todesfall nahe der Stadt Dohuk gekommen sei:
'At least one person has died and 10 have been injured after an angry crowd stormed a Turkish military camp in Iraq's Kurdish region. Residents set light to vehicles and buildings in protest against Turkish airstrikes in the area, which are said to have killed several people. Turkey conducts frequent raids against the militant group, the PKK, which is based on the Iraqi side of the border. It accuses insurgents of disguising as civilians to fuel conflict in the area. Local official Najib Saeed said Turkish soldiers had shot at protesters and then left, and that the fires had caused several explosions. He said it was not yet clear what caused the death near the city of Dohuk.' (BBC, 26. Jänner 2019)
Die derzeit gültigen Sicherheitshinweise des österreichischen Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres (BMEIA) sowie des deutschen Auswärtigen Amtes (AA) zur Autonomen Region Kurdistan lauten wie folgt:
‚Nordirak/autonome Region Kurdistan-Irak: Die Reisewarnung gilt für das gesamte Staatsgebiet. In Erbil bzw. Suleymania und unmittelbare Umgebung erscheint die Sicherheitssituation vergleichsweise besser als in anderen Teilen des Irak. Allerdings kommt es immer wieder zu militärischen Zusammenstößen, in die auch kurdische Streitkräfte (Peshmerga) verwickelt sind, weshalb sich die Lage jederzeit ändern kann. Insbesondere Einrichtungen der kurdischen Regionalregierung und politischer Parteien sowie militärische und polizeiliche Einrichtungen können immer wieder Ziele terroristischer Attacken sein.' (BMEIA, Stand 19. Februar 2019, unverändert gültig seit 21. November 2018)
‚Region Kurdistan-Irak In der Region Kurdistan-Irak (Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah/Halabja) ist die Sicherheitslage weiter volatil. Wegen der anhaltend erhöhten Gefahr von Terroranschlägen wird von nicht notwendigen Reisen in die Region abgeraten. Aufenthalte können in dieser Region nur nach sorgfältiger Prüfung der aktuellen örtlichen Sicherheitslage und mit den dann jeweils notwendigen Sicherheitsmaßnahmen in Betracht gezogen werden.' (AA, Stand 19. Februar 2019, unverändert gültig seit 5. Oktober 2018)"
1.3. Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen:
Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte vorerst eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte. Aktuell sind im Gefolge der Vertreibung des IS aus seinem früheren Herrschaftsgebiet im Irak keine maßgeblichen sicherheitsrelevanten Ereignisse bzw. Entwicklungen für die Region bekannt.
Der gesamte südliche Teil des Irak, einschließlich der Provinz Babil, steht nominell unter der Kontrolle der irakischen Regierung. Vielerorts scheinen die Regierungsbehörden gegenüber lokalen Stämmen und Milizen noch immer in einer schwächeren Position zu sein. Die irakische Regierung war gezwungen, dem Kampf gegen den IS im Zentral- und Nordirak in den letzten Jahren Vorrang einzuräumen und bedeutende militärische und polizeiliche Ressourcen aus dem Süden abzuziehen und in diese Gegenden zu entsenden. Vor diesem Hintergrund sind Stammeskonflikte, eskalierende Gesetzlosigkeit und Kriminalität ein Problem der lokalen Sicherheitslage. Die Bemühungen der Regierung, die Kontrolle wieder zu übernehmen, scheinen noch nicht zum entscheidenden Erfolg geführt zu haben. Regierungsnahe Milizen sind in unterschiedlichem Maße präsent, aber der Großteil ihrer Kräfte wird im Norden eingesetzt. Terrorismus und Terrorismusbekämpfung spielen im Süden nach wie vor eine Rolle, insbesondere in Babil, aber im Allgemeinen in geringerem Maße als weiter im Norden. Noch immer gibt es vereinzelte Terroranschläge (Landinfo 31.5.2018).
In der Provinz Basra kam es in den vergangenen Monaten immer wieder zu gewalttätigen Auseinandersetzungen bewaffneter Gruppierungen. In Basra und den angrenzenden Provinzen besteht ebenfalls das Risiko von Entführungen (AA 1.11.2018).
Seit 2015 finden in allen Städten des Südirak regelmäßig Demonstrationen statt, um gegen die Korruption der Regierung und die Arbeitslosigkeit zu protestieren und eine bessere Infrastruktur zu fordern. Gewöhnlich finden diese Demonstrationen in Ruhe statt, sie haben jedoch auch schon zu Zusammenstößen mit der Polizei geführt, zu Verletzten und Toten (CEDOCA 28.2.2018). Dies war auch im Juli und September 2018 der Fall, als Demonstranten bei Zusammenstößen mit der Polizei getötet wurden (Al Jazeera 16.7.2018; vgl. Joel Wing 5.9.2018, AI 7.9.2018).
Am 21.12.2018 setzte die Polizei scharfe Munition und Tränengas ein, um Demonstranten im südirakischen Basra an der Erstürmung eines Regierungsgebäudes zu hindern. Die zweitgrößte Stadt des Landes erlebt seit Juli 2018 ausgedehnte Proteste gegen Korruption, Misswirtschaft, die schlechte Grundversorgung und Arbeitslosigkeit (Guardian 18.7.2018; vgl. Reuters 21.12.2019). Auch 2019 kommt es weiterhin zu häufigen Protesten (Jane's 5.2.2019).
In Qadisiya wurde im Dezember 2018 ein sicherheitsrelevanter Vorfall mit einer verwundeten Person registriert. In Babil waren es im Dezember 2018 zwei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 2.1.2019), im Jänner 2019 drei Vorfälle mit sechs Verletzten (Joel Wing 4.2.2019) und im Februar zwei Vorfälle mit zwei Verletzten (Joel Wing 4.3.2019). Im März wurde in Babil ein Vorfall registriert, bei dem zwei Personen getötet wurden (Joel Wing 3.4.2019). In Basra wurden bei einem Zusammenstoß zweier Stämme am 11.3.2019 mindestens drei Menschen getötet und sieben weitere verwundet (Kurdistan 24 12.3.2019).
1.4. Sicherheitslage Nord- und Zentralirak:
In den Provinzen Ninewa und Salah al-Din muss weiterhin mit schweren Anschlägen und offenen bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen dem IS und irakischen Sicherheitskräften gerechnet werden. Diese Gefährdungslage gilt ebenfalls für die Provinz Anbar und die Provinz Ta'mim (Kirkuk), sowie auch für die Provinz Diyala. Hinzu kommen aktuelle Spannungen zwischen irakischen Streitkräften und kurdischen Peshmerga (AA 1.11.2018).
Mit dem Zuwachs und Gewinn an Stärke von lokalen und sub-staatlichen Kräften, haben diese auch zunehmend Verantwortung für die Sicherheit, politische Steuerung und kritische Dienstleistungen übernommen. Infolgedessen ist der Nord- und Zentralirak, obgleich nicht mehr unter der Kontrolle des IS, auch nicht unter fester staatlicher Kontrolle. Die Fragmentierung der Macht und die große Anzahl an mobilisierten Kräften mit widersprüchlichen Loyalitäten und Programmen stellt eine erhebliche Herausforderung für die allgemeinen Stabilität dar (GPPI 3.2018).
Der Zentralirak ist derzeit der wichtigste Stützpunkt für den IS. Die Gewalt dort nahm im Sommer 2018 zu, ist aber inzwischen wieder gesunken. In der Provinz Diyala beispielsweise fiel die Zahl sicherheitsrelevanter Vorfälle von durchschnittlich 1,7 Vorfällen pro Tag im Juni 2018 auf 1,1 Vorfälle im Oktober 2018. Auch in der Provinz Salah al-Din kam es im Juni 2018 zu durchschnittlich 1,4 sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Tag, im Oktober jedoch nur noch zu 0,5. Die Provinz Kirkuk verzeichnete im Oktober 2018 einen Anstieg an sicherheitsrelevanten Vorfällen, mit durchschnittlich 1,5 Vorfällen pro Tag, die höchste Zahl seit Juni 2018. Die Anzahl der Vorfälle selbst ist jedoch nicht so maßgeblich wie die Art der Vorfälle und die Schauplätze an denen sie ausgeübt werden. Der IS ist in allen ländlichen Gebieten der Provinz Diyala, in Süd-Kirkuk, Nord- und Zentral-Salah-al-Din tätig. Es gibt regelmäßige Angriffe auf Städte; Zivilisten und Beamte werden entführt; Steuern werden erhoben und Vergeltungsmaßnahmen gegen diejenigen ausgeübt, die sich weigern zu zahlen; es kommt auch regelmäßige zu Schießereien. Es gibt immer mehr Berichte über IS-Mitglieder, die sich tagsüber im Freien bewegen und das Ausmaß ihrer Kontrolle zeigen. Die Regierung hat in vielen dieser Gegenden wenig Präsenz und die anhaltenden Sicherheitseinsätze sind ineffektiv, da die Kämpfer ausweichen, wenn die Einsätze im Gang sind, und zurückkehren, wenn sie wieder beendet sind. Der IS verfügt derzeit über eine nach außen hin expandierende Kontrolle in diesen Gebieten (Joel Wing 2.11.2018).
In einem Bericht des UN-Sicherheitsrats vom 1.2.2019 heißt es, dass verbliebene IS-Kämpfer nach wie vor eine Bedrohung im Nord- und Zentralirak (Gouvernements Kirkuk, Ninewa und Salahaddin, sowie Anbar, Bagdad und Diyala) darstellen (UNSC 1.2.2019). Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salahaddin sind dabei das Herzstück der Umgruppierungsbemühungen des IS. Dort werden monatlich auch die meisten sicherheitsrelevanten Vorfälle verzeichnet. Der IS ist beinahe im gesamten ruralen Gebiet dieser Gouvernements aktiv, kann sich Berichten zufolge in einigen Städten nachts völlig frei bewegen und hebt Steuern ein (Joel Wing 3.4.2019). Die Lage in diesen umstrittenen Gebieten hat sich nach dem Abzug der kurdischen Peschmerga 2017 verschärft (Landinfo 8.1.2019). Die Konkurrenz zwischen der irakischen Zentralregierung und der kurdischen Autonomieregierung, erzeugt in diesen Gebieten zusätzliche Instabilität, die wiederum vom IS ausgenutzt werden kann (ISW 7.3.2019). Sowohl kurdische Streitkräfte als auch Mitglieder der vom Iran unterstützten Volksmobilisierungskräfte (PMF) üben weiterhin in unterschiedlichem Ausmaß Kontrolle und Einfluss aus, was die Zentralregierung in eine prekäre Lage versetzt, da sie sowohl mit zivilen Unruhen, als auch mit Versuchen einer Reorganisation des IS umgehen und gleichzeitig ihre Verbündeten unter Kontrolle halten muss (ACLED 2019).
Insbesondere ländliche Gebiete, das Hamrin-Gebirge, sowie das Diyala-Flussdelta dienen dem IS als Rückzugsorte, von wo bereits im Jahr 2018 ein Großteil der IS-Operationen im Irak ausgegangen sind (Landinfo 8.1.2019). Das Hamrin-Gebirge ermöglicht dabei den Nord-Süd Übergang zwischen den Gouvernements Ninewa und Diyala und bietet dem IS dauerhaften Schutz vor Luftangriffen und Bodenoffensiven (ISW 7.3.2019). Es gelang den irakischen Sicherheitskräften (ISF) bisher trotz umfangreicher Säuberungsaktionen nicht, den IS aus Hawija zu vertreiben (ISW 7.3.2019; vgl. Landinfo 8.1.2019). Zwischen 25. und 27. März wurde eine neuerliche koordinierte Luft- und Bodenoperation durch die Luftwaffe der Koalition und die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) gegen den IS im nordwestlichen Irak geführt (OIR 29.3.2019).
Der IS führt seine Operationen hauptsächlich südlich und westlich von Ninewas Hauptstadt Mossul durch (Joel Wing 4.2.2019). Er soll auch in der Stadt über Schläferzellen verfügen, und hat dort zuletzt im Februar 2019 eine Autobombe eingesetzt (ISW 7.3.2019). Seit einigen Wochen fordern IS-Angriffe insbesondere in Ninewa regelmäßig viele Opfer (Joel Wing 1.4.2019). So wurden in der Provinz im Dezember 2018 22 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 36 Toten und 37 Verwundeten registriert, wobei hier elf ältere Leichen eingerechnet wurden, die aus Trümmern der Altstadt von Mossul geborgen wurden. Mit den verbliebenen 25 im Dezember getöteten Personen und 37 Verwundeten verzeichnete die Provinz die meisten Gewaltopfer im Irak im Dezember (Joel Wing 2.1.2019). Die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen für den Irak nennt für denselben Zeitraum hingegen sieben Tote und 19 Verwundete (UNAMI 3.1.2019). Im Jänner 2019 wurden neun Vorfälle mit 75 Toten und einer verwundeten Person, sowie zwei Massengräberfunde (ältere Gräber aus der Zeit der IS-Herrschaft) mit den Überresten von insgesamt 66 Leichen verzeichnet (Joel Wing 4.2.2019). Im Februar kam es erneut zu einem Anstieg der IS-Aktivitäten, mit 20 Vorfällen mit 147 Toten und 31 Verl