TE Vfgh Erkenntnis 2019/12/12 G164/2019 ua (G164/2019-25, G171/2019-24)

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Veröffentlicht am 12.12.2019
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Index

66/03 Sonstiges

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art10
B-VG Art12
B-VG Art18
B-VG Art140 Abs1 Z2
BVG über die Rechte von Kindern Art1
Sozialhilfe-GrundsatzG §1, §3, §4, §5, §6, §7, §9, §10
Sozialhilfe-StatistikG §1
DSG §1
ASVG §293
IntegrationsG §4
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht und im BVG über die Rechte von Kindern durch Festlegung von – sachlich nicht gerechtfertigten – Höchstsätzen für Kinder mangels Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts bei Mehrkindfamilien; Verletzung im Gleichheitsrecht und Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander betreffend die Regelungen zum Arbeitsqualifizierungsbonus; Verletzung im Recht auf Datenschutz betreffend die Verpflichtung "sämtlicher Behörden" zur Übermittlung personenbezogener Daten an die Länder; keine kompetenzwidrige "Überdeterminierung" des SozialhilfegrundsatzG betreffend die Einrichtung eines einheitlichen Sozialhilfesystems auf Grund verbleibender Regelungsfreiräume für den Ausführungsgesetzgeber; keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch Festlegung einer Obergrenze für Geldleistungen für volljährige Bezugsberechtigte einer Haushaltsgemeinschaft; Förderung der (Wieder-)Eingliederung von Bezugsberechtigten in das Erwerbsleben sowie integrations-, arbeitsmarktpolitische und fremdenpolizeiliche Aspekte vom Kompetenztatbestand "Armenwesen" umfasst; kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch die Anrechnung von Eigeneinkommen bei (Wieder-)Aufnahme einer Erwerbstätigkeit; keine Bedenken gegen die 7-Monatsfrist zur Erlassung der Ausführungsgesetze

Spruch

I. §5 Abs2 Z3 und §5 Abs6 bis 9 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBl I Nr 41/2019, sowie §1 Abs1 Sozialhilfe-Statistikgesetz, BGBl I Nr 41/2019, werden als verfassungswidrig aufgehoben.

Die Bundeskanzlerin ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I verpflichtet.

II. Der Antrag wird abgewiesen, soweit er sich gegen §1, §3 Abs6, §4 Abs1 und Abs2 Z3, §5 Abs2 Z1, 2, 4 und 5 sowie Abs3, 4 und 5, §7 Abs1 und 6, §9 Abs3, die Wortfolge "innerhalb von sieben Monaten" in §10 Abs2 sowie §10 Abs3 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz, BGBl I Nr 41/2019, richtet.

III. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z2 B-VG gestützten Antrag begehren 21 Mitglieder des Bundesrates, der Verfassungsgerichtshof möge

"1.

1.1 §4 Abs1 und §4 Abs2, Zif. 3 SH-GG wegen Verstoßes gegen die Kompetenzbestimmung des Art12 Abs1 Zif. 1 B-VG;

1.2 §3 Abs5 und §5 Abs9 SH-GG wegen Verstoßes gegen die Kompetenzbestimmung des Art12 Abs1 Zif. 1 B-VG;

1.3 §3 Abs6 SH-GG, §5 Abs2 bis Abs9 SH-GG, §7 Abs1 und Abs6 SH-GG sowie §9 Abs3 SH-GG wegen Verstoßes gegen die Kompetenzbestimmung des Art12 Abs1 Zif. 1 B-VG;

2.

2.1 §5 Abs3 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B-VG und Art2 StGG und Verstoß[es] gegen das Legalitätsprinzip gem. Art18 Abs1 B-VG;

2.2 §1 SH-GG sowie §5 Abs6 bis 9 SH-GG wegen Verstoßes gegen Art12 B-VG;

3.

3.1 §5 Abs2 und 3 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B-VG und Art2 StGG;

3.2 §5 Abs4 SH-GG wegen Verstoßes gegen Art7 B-VG und wegen Verstoßes gegen das Legalitätsprinzip;

3.3 §5 Abs3 und 4 sowie 6 bis 9 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B-VG und Art2 StGG und Verstoß[es] gegen §1 BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung;

3.4 die Wendung 'innerhalb von sieben Monaten' in §10 Abs2 SH-GG – in eventu §10 Abs2 SH-GG zur Gänze - sowie §10 Abs3 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B-VG und Art2 StGG;

4. §5 Abs2 Zif. 2 litc) SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B-VG und Art2 StGG und Verstoß[es] gegen Art1 BVG über die Rechte von Kindern;

5. §7 Abs6 SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B-VG und Art2 StGG;

6. §5 Abs7, letzter Satz SH-GG wegen Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B-VG und Art2 StGG;

7. §1 Abs1 und 2 Sozialhilfe-Statistikgesetz wegen Verstoß[es] gegen das Grundrecht auf Datenschutz gem. §1 DSG 2018 sowie Verstoß[es] gegen den Gleichheitsgrundsatz gem. Art7 B-VG und Art2 StGG;

als verfassungswidrig aufheben."

II. Rechtslage

1. Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (im Folgenden: SH-GG), BGBl I 41/2019, lautet wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"Ziele

§1. Leistungen der Sozialhilfe aus öffentlichen Mitteln sollen

       1. zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs der Bezugsberechtigten beitragen,

       2. integrationspolitische und fremdenpolizeiliche Ziele berücksichtigen und

       3. insbesondere die (Wieder-)Eingliederung von Bezugsberechtigten in das Erwerbsleben und die optimale Funktionsfähigkeit des Arbeitsmarktes weitest möglich fördern.

Bedarfsbereiche

§2. (1) Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes umfasst Geld- oder Sachleistungen, die zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs gewährt werden.

(2) Der allgemeine Lebensunterhalt umfasst den regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Nahrung, Bekleidung, Körperpflege sowie sonstige persönliche Bedürfnisse wie die angemessene soziale und kulturelle Teilhabe.

(3) Der Wohnbedarf umfasst den für die Gewährleistung einer angemessenen Wohnsituation erforderlichen regelmäßig wiederkehrenden Aufwand für Miete, Hausrat, Heizung und Strom, sonstige allgemeine Betriebskosten und Abgaben.

(4) Dieses Bundesgesetz berührt nicht sonstige Leistungen der Sozialhilfe, die zum Schutz bei Alter, Schwangerschaft, Krankheit und Entbindung oder zur Deckung eines Sonderbedarfs bei Pflege oder Behinderung erbracht werden. Gleiches gilt für besondere landesgesetzliche Vorschriften, aufgrund derer Leistungen infolge eines Pflegebedarfs oder einer Behinderung gewährt werden.

(5) Landesgesetzliche Vorschriften, die ausschließlich der Minderung eines Wohnaufwandes gewidmet sind und an eine soziale Bedürftigkeit anknüpfen, unterliegen nicht den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes. Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass ein gleichzeitiger Bezug dieser Leistungen (mit Ausnahme von Heizkostenzuschüssen) und monatlicher Leistungen gemäß §5 ausgeschlossen ist.

Allgemeine Grundsätze

§3. (1) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass Leistungen der Sozialhilfe nur nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes und aufgrund der entsprechenden Ausführungsgesetze gewährt werden.

(2) Leistungen der Sozialhilfe sind nur Personen zu gewähren, die von einer sozialen Notlage betroffen und bereit sind, sich in angemessener und zumutbarer Weise um die Abwendung, Milderung oder Überwindung dieser Notlage zu bemühen.

(3) Leistungen der Sozialhilfe sind subsidiär und nur insoweit zu gewähren, als der Bedarf nicht durch eigene Mittel des Bezugsberechtigten oder durch diesem zustehende und einbringliche Leistungen Dritter abgedeckt werden kann.

(4) Leistungen der Sozialhilfe sind von der dauerhaften Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft und von aktiven, arbeitsmarktbezogenen Leistungen der Bezugsberechtigten abhängig zu machen, soweit dieses Bundesgesetz keine Ausnahmen vorsieht.

(5) Leistungen der Sozialhilfe sind vorrangig als Sachleistungen vorzusehen, soweit dadurch eine höhere Effizienz der Erfüllung der Leistungsziele zu erwarten ist. Leistungen für den Wohnbedarf sind, sofern dies nicht unwirtschaftlich oder unzweckmäßig ist, in Form von Sachleistungen zu gewähren. Als Sachleistung gilt auch die unmittelbare Entgeltzahlung an eine Person, die eine Sachleistung zugunsten eines Bezugsberechtigten erbringt.

(6) Bedarfszeitraum ist der tatsächliche und rechtmäßige Aufenthalt im Inland, frühestens jedoch ab dem Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung. Die Landesgesetzgebung hat Leistungen der Sozialhilfe mit längstens zwölf Monaten zu befristen. Ausnahmen können für dauerhaft erwerbsunfähige Bezugsberechtigte vorgesehen werden. Eine neuerliche Zuerkennung befristeter Leistungen der Sozialhilfe ist zulässig, wenn die Anspruchsvoraussetzungen weiterhin vorliegen.

(7) Zuständig für die Gewährung von Sozialhilfe ist jenes Land, in dem die Person, die Leistungen der Sozialhilfe geltend macht, ihren Hauptwohnsitz (Art6 Abs3 B-VG) und ihren tatsächlichen dauernden Aufenthalt hat.

Ausschluss von der Bezugsberechtigung

§4. (1) Leistungen der Sozialhilfe sind unbeschadet zwingender völkerrechtlicher oder unionsrechtlicher Verpflichtungen ausschließlich österreichischen Staatsbürgern und Asylberechtigten, im Übrigen nur dauerhaft niedergelassenen Fremden zu gewähren, die sich seit mindestens fünf Jahren dauerhaft tatsächlich und rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten. Vor Ablauf dieser Frist sind aufenthaltsberechtigte EU-/EWR-Bürger, Schweizer Bürger und Drittstaatsangehörige österreichischen Staatsbürgern nur insoweit gleichzustellen, als eine Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe aufgrund völkerrechtlicher oder unionsrechtlicher Vorschriften zwingend geboten ist und dies im Einzelfall nach Anhörung der zuständigen Fremdenbehörde (§3 NAG) festgestellt wurde. Subsidiär Schutzberechtigten sind ausschließlich Kernleistungen der Sozialhilfe zu gewähren, die das Niveau der Grundversorgung (BGBl I Nr 80/2004) nicht übersteigen.

(2) Von Leistungen der Sozialhilfe auszuschließen sind

       1. Personen ohne tatsächlichen Aufenthalt im Bundesgebiet;

       2. Asylwerber;

       3. ausreisepflichtige Fremde;

       4. Personen, die wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener gerichtlich strafbarer Handlungen zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zumindest sechs Monaten verurteilt wurden, für den Zeitraum der Verbüßung ihrer Strafhaft in einer Anstalt (§8 StVG).

(3) Die Landesgesetzgebung kann ergänzende Regelungen über einen temporären oder dauerhaften Ausschluss von der Bezugsberechtigung treffen.

Monatliche Leistungen der Sozialhilfe

§5. (1) Die Landesgesetzgebung hat Leistungen der Sozialhilfe in Form von Sachleistungen oder monatlicher, zwölf Mal im Jahr gebührender pauschaler Geldleistungen zur Unterstützung des Lebensunterhalts sowie zur Befriedigung eines ausreichenden und zweckmäßigen, das Maß des Notwendigen aber nicht überschreitenden Wohnbedarfs vorzusehen.

(2) Die Landesgesetzgebung hat Leistungen gemäß Abs1 im Rahmen von Haushaltsgemeinschaften degressiv abgestuft festzulegen. Eine Haushaltsgemeinschaft bilden mehrere in einer Wohneinheit oder Wohngemeinschaft lebende Personen, soweit eine gänzliche oder teilweise gemeinsame Wirtschaftsführung nicht aufgrund besonderer Umstände ausgeschlossen werden kann. Die Summe der Geld- und Sachleistungen gemäß Abs1 darf die in Abs2 Z1 bis 4 festgelegten Höchstsätze pro Person und Monat auf Basis des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende nicht übersteigen:

       1. für eine alleinstehende oder alleinerziehende Person …………………… 100%

       2. für in Haushaltsgemeinschaft lebende volljährige Personen

       a) pro leistungsberechtigter Person ……………………………………………………. 70%

       b) ab der dritten leistungsberechtigten volljährigen Person ……………….. 45%

       3. für in Haushaltsgemeinschaft lebende unterhaltsberechtigte minderjährige Personen, für die ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht

       a) für die erste minderjährige Person …………………………………………………. 25%

       b) für die zweite minderjährige Person ……………………………………………….. 15%

       c) ab der dritten minderjährigen Person ……………………………………………….. 5%

       4. Zuschläge, die alleinerziehenden Personen zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts gewährt werden können:

       a) für die erste minderjährige Person …………………………………………………. 12%

       b) für die zweite minderjährige Person …………………………………………………. 9%

       c) für die dritte minderjährige Person …………………………………………………… 6%

       d) für jede weitere minderjährige Person ……………………………………………… 3%

       5. Zuschläge, die volljährigen und minderjährigen Personen mit Behinderung (§40 Abs1 und 2 BBG) zur weiteren Unterstützung des Lebensunterhalts zu gewähren sind, sofern nicht besondere landesgesetzliche Bestimmungen, die an eine Behinderung anknüpfen, höhere Leistungen vorsehen:

        pro Person …………………………………………………………………………………………. 18%

(3) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass die Summe aller Geldleistungen der Sozialhilfe, die unterhaltsberechtigten minderjährigen Personen einer bestimmten Haushaltsgemeinschaft aufgrund einer Berechnung gemäß §5 zur Verfügung stehen soll, rechnerisch gleichmäßig – mit Ausnahme von Leistungen gemäß §5 Abs2 Z5 – auf alle unterhaltsberechtigten minderjährigen Personen aufgeteilt wird.

(4) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass die Summe aller Geldleistungen der Sozialhilfe, die volljährigen Bezugsberechtigten innerhalb einer Haushaltsgemeinschaft aufgrund einer Berechnung gemäß §5 zur Verfügung stehen soll, pro Haushaltsgemeinschaft mit 175% des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende begrenzt wird. Bei Überschreitung der Grenze sind die Geldleistungen pro volljährigem Bezugsberechtigten in dem zur Vermeidung der Grenzüberschreitung erforderlichen Ausmaß anteilig zu kürzen. Geldleistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts im Ausmaß von bis zu 20% des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende pro Person sowie Geldleistungen an Bezugsberechtigte gemäß Abs6 Z1 bis 8 können von der anteiligen Kürzung ausgenommen werden.

(5) Sachleistungen sind im Ausmaß ihrer angemessenen Bewertung auf Geldleistungen anzurechnen. Die Landesgesetzgebung kann vorsehen, dass auf Antrag des Bezugsberechtigten oder von Amts wegen Leistungen zur Befriedigung des gesamten Wohnbedarfs anstelle von Geldleistungen in Form von Sachleistungen erbracht werden. Diesfalls können bis zu 70% der Bemessungsgrundlage gemäß Abs2 und Abs6 ausschließlich in Form von Sachleistungen zur Befriedigung des Wohnbedarfs erbracht und pauschal mit 40% bewertet werden, sodass 60% der Bemessungsgrundlage in Form von Geld- oder Sachleistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts zur Verfügung verbleiben (Wohnkostenpauschale).

(6) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass ein monatlicher Mindestanteil in Höhe von 35% der Leistung gemäß Abs2 Z1 und 2 von der Voraussetzung der Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt im Sinne der Abs7 bis 9 abhängig gemacht wird (Arbeitsqualifizierungsbonus). Von der Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt und von der dauerhaften Bereitschaft zum Einsatz ihrer Arbeitskraft (§3 Abs4) ist für Personen abzusehen, die

       1. das Regelpensionsalter nach dem ASVG erreicht haben;

       2. Betreuungspflichten gegenüber Kindern haben, welche das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet haben, und keiner Beschäftigung nachgehen können, weil keine geeigneten Betreuungsmöglichkeiten bestehen;

       3. pflegebedürftige Angehörige (§123 ASVG), welche ein Pflegegeld mindestens der Stufe 3, bei nachweislich demenziell erkrankten oder minderjährigen pflegebedürftigen Personen mindestens ein Pflegegeld der Stufe 1 (§5 BPGG) beziehen, überwiegend betreuen;

       4. Sterbebegleitung oder Begleitung von schwersterkrankten Kindern (§§14a, 14b AVRAG) leisten;

       5. in einer zielstrebig verfolgten Erwerbs- oder Schulausbildung stehen, die bereits vor Vollendung des 18. Lebensjahres begonnen wurde oder den erstmaligen Abschluss einer Lehre zum Ziel hat;

       6. Grundwehrdienst oder Zivildienst leisten;

       7. von Invalidität (§255 Abs3 ASVG) betroffen oder

       8. aus vergleichbar gewichtigen, besonders berücksichtigungswürdigen Gründen am Einsatz ihrer Arbeitskraft gehindert sind.

(7) Eine Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt im Sinne dieses Bundesgesetzes ist anzunehmen, wenn

       1. zumindest das Sprachniveau B1 (Deutsch) oder C1 (Englisch) gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen für Sprachen und

       2. die Erfüllung der integrationsrechtlichen Verpflichtungen (§16c Abs1 IntG) oder hilfsweise, sofern dies aufgrund einer österreichischen Staatsbürgerschaft oder Unionsbürgerschaft des Bezugsberechtigten nicht in Betracht kommt, der Abschluss einer geeigneten beruflichen Qualifizierungsmaßnahme

nachgewiesen werden. Der Nachweis der ausreichenden Sprachkenntnisse ist durch einen österreichischen oder gleichwertigen Pflichtschulabschluss mit Deutsch als primärer Unterrichtssprache, ein aktuelles Zertifikat des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) oder eine aktuelle Spracheinstufungsbestätigung des ÖIF oder, sofern ausreichende Sprachkenntnisse angesichts der Erstsprache des Bezugsberechtigten offenkundig sind, durch persönliche Vorsprache vor der Behörde zu erbringen.

(8) Vom Erfordernis der Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt sind solche Bezugsberechtigte auszunehmen,

       1. deren Behinderung einen erfolgreichen Spracherwerb gemäß Abs7 Z1 ausschließt;

       2. die über einen Pflichtschulabschluss mit Deutsch als primärer Unterrichtssprache verfügen oder

       3. die ein monatliches Nettoeinkommen aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit in Höhe von mindestens 100% des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende erzielen.

(9) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass Personen, deren Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt aus nicht in Abs6 genannten, in der Person des Bezugsberechtigten gelegenen Gründen, insbesondere aufgrund tatsächlich mangelhafter Sprachkenntnisse oder aufgrund einer mangelhaften Schul- oder Ausbildung eingeschränkt ist, Leistungen der Sozialhilfe gemäß Abs2 nur abzüglich des Arbeitsqualifizierungsbonus gemäß Abs6 gewährt werden. Die Landesgesetzgebung hat als Ersatz für den Differenzbetrag sprachqualifizierende Sachleistungen bei vom ÖIF-zertifizierten Kursträgern oder sonst, sofern bereits ausreichende Sprachkenntnisse bestehen (Abs7 Z1), geeignete berufsqualifizierende Sachleistungen vorzusehen, die jeweils eine Überwindung der eingeschränkten Vermittelbarkeit bezwecken. Der Wert der Ersatzleistung darf die Höhe des Differenzbetrages bzw des Arbeitsqualifizierungsbonus gemäß Abs6 nicht unterschreiten.

Zusatzleistungen zur Vermeidung besonderer Härtefälle

§6. Sofern es im Einzelfall zur Vermeidung besonderer Härtefalle notwendig ist, können durch die Landesgesetzgebung zusätzliche Leistungen zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts oder zur Abdeckung außerordentlicher Kosten des Wohnbedarfs in Form zusätzlicher Sachleistungen gewährt werden, soweit der tatsächliche Bedarf durch pauschalierte Leistungen nach §5 nicht abgedeckt ist und dies im Einzelnen nachgewiesen wird.

Berücksichtigung von Leistungen Dritter und eigenen Mitteln

§7. (1) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass bei der Bemessung von Leistungen der Sozialhilfe alle zur Deckung der eigenen Bedarfe zur Verfügung stehenden Leistungen Dritter, sonstige Einkünfte und verwertbares Vermögen – auch im Ausland – angerechnet werden. Zu den Leistungen Dritter zählen auch sämtliche öffentlichen Mittel zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und des Wohnbedarfs sowie jener Teil des Einkommens des im gemeinsamen Haushalt lebenden unterhaltspflichtigen Angehörigen bzw des Lebensgefährten, der eine für diese Person gemäß §5 vorgesehene Bemessungsgrundlage übersteigt. Leistungen, die einer Person aufgrund der Bemessungsgrundlage gemäß §5 zur Verfügung stehen sollen, sind in einem der Anrechnung entsprechenden Ausmaß zu reduzieren.

(2) Leistungen der Sozialhilfe sind davon abhängig zu machen, dass die diese Leistungen geltend machende Person bedarfsdeckende Ansprüche gegen Dritte verfolgt, soweit dies nicht offenbar aussichtslos oder unzumutbar ist. Die Zulässigkeit einer unmittelbar erforderlichen Unterstützung bleibt unberührt. Die Ansprüche können auch zu deren Rechtsverfolgung an den zuständigen Träger übertragen werden.

(3) Leistungen, die aufgrund des AlVG erbracht werden, sind auf Leistungen der Sozialhilfe anzurechnen. Ansprüche, die dem Bezugsberechtigten aufgrund des AlVG grundsätzlich zustehen, aber aufgrund eines zurechenbaren Fehlverhaltens des Bezugsberechtigten verloren gehen, dürfen nur bis zum Höchstausmaß von 50 % des Differenzbetrages durch Leistungen der Sozialhilfe ausgeglichen werden.

(4) Die Familienbeihilfe (§8 FLAG), der Kinderabsetzbetrag (§33 Abs3 EStG) und die Absetzbeträge gemäß §33 Abs4 EStG sind nicht anzurechnen. Keiner Anrechnung unterliegen auch freiwillige Geldleistungen der freien Wohlfahrtspflege oder Leistungen von Dritten, die ohne rechtliche Verpflichtung erbracht werden, es sei denn, diese Leistungen werden bereits für einen ununterbrochenen Zeitraum von vier Monaten gewährt oder erreichen ein Ausmaß, sodass keine Leistungen der Sozialhilfe mehr erforderlich wären. Darüber hinaus können Heizkostenzuschüsse, die aus öffentlichen Mitteln gewährt werden, von der Anrechnung ausgenommen werden.

(5) Eine Anrechnung von öffentlichen Mitteln hat insoweit zu unterbleiben, als diese der Deckung eines Sonderbedarfs dienen, der nicht durch Leistungen der Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes berücksichtigt wird. Dies gilt insbesondere für Leistungen, die aufgrund von Behinderung oder eines Pflegebedarfs des Bezugsberechtigten gewährt werden. Die Landesgesetzgebung hat diese Leistungen im Einzelnen zu bezeichnen.

(6) Personen, die während des Bezuges von Leistungen der Sozialhilfe eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, ist ein anrechnungsfreier Freibetrag von bis zu 35 % des hieraus erzielten monatlichen Nettoeinkommens und für eine Dauer von höchstens zwölf Monaten einzuräumen.

(7) Bezugsberechtigte sind zur Abgabe eines Einkommens- und Vermögensverzeichnisses, zur Vorlage geeigneter Urkunden zum Nachweis ihrer wirtschaftlichen Situation sowie zur unverzüglichen Bekanntgabe nachträglicher Änderungen, längstens binnen eines Monats zu verpflichten.

(8) Die Landesgesetzgebung hat sicherzustellen, dass das Vermögen des Bezugsberechtigten keiner Anrechnung oder Verwertung unterliegt,

       1. wenn dadurch eine Notlage erst ausgelöst, verlängert oder deren Überwindung gefährdet werden könnte;

       2. wenn dieses der Deckung des unmittelbaren Wohnbedarfes der Person, die Leistungen der Sozialhilfe geltend macht oder ihrer unterhaltsberechtigten Angehörigen dient (Wohnvermögen); insoweit kann die Landesgesetzgebung hinsichtlich solcher Leistungen, die nach drei unmittelbar aufeinander folgenden Jahren eines Leistungsbezugs weiterhin zu gewähren sind, die grundbücherliche Sicherstellung einer entsprechenden Ersatzforderung gegenüber dem Bezugsberechtigten vorsehen;

       3. soweit das verwertbare Vermögen einen Wert von 600 % des Netto-Ausgleichszulagenrichtsatzes für Alleinstehende nicht übersteigt (Schonvermögen).

Datenverarbeitung und Statistik

§8. (1) Die Landesgesetzgebung hat Ermächtigungen zur Erhebung und zur Verarbeitung sämtlicher Daten vorzusehen, die zu Zwecken der Aufrechterhaltung des österreichischen Sozialhilfewesens und zwar zur Feststellung der Voraussetzungen und der Höhe einer Leistung der Sozialhilfe, für Kostenerstattungs- und Rückersatzverfahren, zu Zwecken der Kontrolle eines rechtmäßigen Leistungsbezugs sowie zur Vollziehung des Bundesgesetzes betreffend die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) benötigt werden.

(2) Die Landesgesetzgebung hat zu Zwecken der Einrichtung und Aufrechterhaltung eines wirksamen Kontrollsystems (§9 Abs1) einen wechselseitigen Austausch sowie einen zeitnahen periodischen Abruf bezugsrelevanter Daten gemäß Abs1 zwischen den Sozialbehörden, den Meldebehörden, dem Bundesministerium für Inneres, dem Arbeitsmarktservice sowie dem Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) sicherzustellen.

Wirksames Kontrollsystem und Sanktionen

§9. (1) Die Landesgesetzgebung hat wirksame Kontrollsysteme einzurichten, um die gesamten tatsächlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse von Bezugsberechtigten periodisch zu überprüfen und die Rechtmäßigkeit des Bezugs von Leistungen der Sozialhilfe sowie deren widmungskonforme Verwendung nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes und der Ausführungsgesetze sicherzustellen.

(2) Die Landesgesetzgebung hat für Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit der Bereitschaft zum Einsatz der Arbeitskraft oder der Überwindung einer eingeschränkten Vermittelbarkeit am österreichischen Arbeitsmarkt, für den unrechtmäßigen Bezug, insbesondere aufgrund des Verschweigens von Einkünften bzw sonstiger anrechnungspflichtiger Leistungen oder aufgrund einer fehlerhaften oder unvollständigen Angabe der eigenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse, sowie für eine zweckwidrige Verwendung von Leistungen der Sozialhilfe wirksame und abschreckende Sanktionen vorzusehen, insbesondere Reduktionen bis zur gänzlichen Einstellung sowie Rückforderungen von Leistungen.

(3) Für eine schuldhafte Verletzung der Pflichten gemäß §16c Abs1 IntG sind Leistungskürzungen im Ausmaß von zumindest 25 % über einen Zeitraum von mindestens drei Monaten vorzusehen.

Schluss- und Übergangsbestimmungen

§10. (1) Mit der Wahrnehmung der Rechte des Bundes gemäß Art15 Abs8 des Bundes-Verfassungsgesetzes ist die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz im Einvernehmen mit dem Bundeskanzler betraut.

(2) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juni 2019 in Kraft. Ausführungsgesetze sind innerhalb von sieben Monaten nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes zu erlassen und in Kraft zu setzen.

(3) Ausführungsgesetze haben angemessene Übergangsbestimmungen vorzusehen, um eine allgemeine Überführung sämtlicher Ansprüche von Personen, die Leistungen aus einer bedarfsorientierten Mindestsicherung oder sonstiger Leistungen der Sozialhilfe aufgrund früherer landesgesetzlicher Bestimmungen bezogen haben, in den neuen Rechtsrahmen innerhalb eines Übergangszeitraums, der spätestens mit 1. Juni 2021 endet, zu gewährleisten. Durch gesetzliche Übergangsbestimmungen ist sicherzustellen, dass bestehende behördliche Rechtsakte oder privatrechtliche Vereinbarungen über die Zuerkennung von Leistungen einer bedarfsorientierten Mindestsicherung oder sonstiger Leistungen der Sozialhilfe im Sinne dieses Bundesgesetzes, die aufgrund der früheren Rechtslage erlassen wurden, außer Kraft treten und die Anspruchsvoraussetzungen gegenüber bisherigen Leistungsempfängern nach Maßgabe der neuen Rechtslage geprüft werden, um sämtliche Leistungen bis zum Ablauf des Übergangszeitraums an den Rahmen dieses Bundesgesetzes und der Ausführungsgesetze anzupassen.

2. Das Sozialhilfe-Statistikgesetz (im Folgenden: SH-SG), BGBl I 41/2019, lautet wie folgt (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"§1. (1) Die Sozialversicherungsträger, der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger, die Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservice, der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) sowie sämtliche Behörden, insbesondere die Finanzbehörden, die Justizbehörden, die Meldebehörden und die Fremdenbehörden sind verpflichtet, den Ländern die zu Zwecken der Aufrechterhaltung und Vollziehung des österreichischen Sozialhilfewesens erforderlichen Daten, insbesondere zur Feststellung der Voraussetzungen und der Höhe einer Leistung der Sozialhilfe, für Kostenerstattungs- und Rückersatzverfahren sowie zu Zwecken der Kontrolle eines rechtmäßigen Leistungsbezugs verarbeitet werden (§8 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz), elektronisch zur Verfügung zu stellen.

(2) Die Länder haben der Bundesanstalt Statistik Österreich die statistisch relevanten Daten über die Bezugsberechtigten von Leistungen der Sozialhilfe zur Verfügung zu stellen, wie sie in der Anlage und in dem dort vorgesehenen Zeitplan festgelegt sind. Die Verarbeitung dieser Daten zu Zwecken der Erstellung einer bundesweiten Gesamtstatistik ist zulässig.

(3) Die Bundesanstalt Statistik Österreich hat auf Grundlage der übermittelten Daten eine regelmäßige Gesamtstatistik bzw eine Verlaufsstatistik über Leistungen der Sozialhilfe zu erstellen.

(4) Die Bundesanstalt Statistik Österreich hat die Daten gemäß der Anlage in die Transparenzdatenbank (Transparenzdatenbankgesetz 2012 – TDBG 2012, BGBl I Nr 99/2012, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl I Nr 37/2018) zu Zwecken der Vollziehung des TDBG 2012 sowie der für den Vollzug beauftragten Bundesministerin zu übermitteln.

§2. (1) Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes ist die Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz betraut.

(2) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Juni 2019 in Kraft.

Anlage zu ArtII

Die Länder stellen der Bundesanstalt Statistik Österreich monatlich bis zum 15. des jeweiligen Folgemonats Merkmale über die Bezugsberechtigten von Leistungen der Sozialhilfe im Wege der automationsunterstützten Datenübermittlung zur Verfügung. Dazu gehören:

       1. Auf Personenebene:

       a) verschlüsseltes bereichsspezifisches Personenkennzeichen

       aa) 'Amtliche Statistik' (vbPK-AS)

       ab) für die Verarbeitung in der Transparenzdatenbank (vbPK-ZP-TD)

       b) Identifikationsnummer der Haushaltsgemeinschaft

       c) Identifikationsnummer der Person

       d) Beginndatum der jeweiligen Bezugsperiode

       e) Enddatum der jeweiligen Bezugsperiode

       f) Gesamtbezugsdauer

       g) Geburtsdatum

       h) Geburtsort

       i) Geschlecht

       j) Staatsangehörigkeit der Person (inkl. Staatenlose)

       k) Staatsangehörigkeit und Geburtsort der leiblichen Eltern

       l) Wohnsitzbezirk

       m) Stellung der Person in der Haushaltsgemeinschaft

       ma) Referenzperson

       mb) Partner/in

       mc) Kind

       md) Sonstige

       n) Leistungsbezug des Kindes (ja/nein)

       o) Aufenthaltsrechtlicher Status der Person

       oa) Asylberechtigt

       ob) Subsidiär schutzberechtigt

       oc) EWR-Bürger

       od) Sonstige

       p) Höhe der Leistungen

       pa) Geldleistungen

       pb) Art und Höhe der Sachleistungen

       q) Einsatz der Arbeitskraft der Person

       qa) Steht zur Verfügung

       qb) Nicht arbeitsfähig (befristet oder unbefristet)

       qc) Schüler/in

       qd) Lehre

       qe) Kinderbetreuung

       qf) Angehörigenpflege

       qg) Alter (außerhalb des erwerbsfähigen Alters)

       qh) Sonstiges

       r) Höhe des angerechneten Erwerbseinkommens

       s) Höhe der angerechneten AMS-Leistung

       t) Höhe des angerechneten Unterhaltes

       u) Höhe des angerechneten Kinderbetreuungsgeldes

       v) Höhe der angerechneten Pension

       w) Höhe der sonstigen angerechneten Einkunftsarten

       x) Sanktion aufgrund einer Verletzung des Einsatzes der Arbeitskraft oder Sanktion aufgrund einer Verletzung der Integrationsbemühung

       y) Leistung bzw Vergünstigung zum Arbeitsanreiz

       z) Einbezug in die Krankenversicherung

       2. Auf Haushaltsgemeinschaftenebene:

       a) Identifikationsnummer der Haushaltsgemeinschaft

       b) Beginndatum der jeweiligen Bezugsperiode

       c) Enddatum der jeweiligen Bezugsperiode

       d) Höhe der Leistungen

       da) Geldleistungen

       db) Art und Höhe der Sachleistungen

       e) Höhe der Zahlungen für Lebensunterhalt

       f) Höhe der Sachleistungen für ergänzenden Wohnungsaufwand

       g) Höhe der Zahlungen für die Krankenversicherung

       h) Höhe der Zahlungen für sonstige Krankenhilfe"

3. §16c Integrationsgesetz (im Folgenden: IntG) BGBl I 68/2017 idF BGBl I 41/2019, lautet wie folgt:

"Sprachnachweise und Integrationspflichten für Bezugsberechtigte gemäß dem Sozialhilfe-Grundsatzgesetz

Mitwirkungspflichten

§16c. (1) Asylberechtigte (§3 Z1), subsidiär Schutzberechtigte (§3 Z2) und Drittstaatsangehörige (§3 Z3), die Leistungen der Sozialhilfe zur Unterstützung des allgemeinen Lebensunterhalts und zur Befriedigung des Wohnbedarfs in Anspruch nehmen (§2 Abs1 Sozialhilfe-Grundsatzgesetz), haben sich im Rahmen einer verpflichtenden Integrationserklärung (§6 Abs1) zur Einhaltung der grundlegenden Werte der Rechts- und Gesellschaftsordnung zu verpflichten und unterliegen während des aufrechten Bezugs von Leistungen der Sozialhilfe, die an die Bereitschaft zum Einsatz der eigenen Arbeitskraft geknüpft sind, der Pflicht zur Absolvierung einer B1-Integrationsprüfung des Österreichischen Integrationsfonds sowie zur vollständigen Teilnahme, zur gehörigen Mitwirkung und zum Abschluss eines Werte- und Orientierungskurses gemäß §5 bzw §16a.

(2) Auf Personen gemäß Abs1 ist §28 Abs1 dieses Bundesgesetzes nicht anzuwenden."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Die antragstellenden Mitglieder des Bundesrates legen ihre Bedenken wie folgt dar:

"II. ZUM THEMA UND ZUR ZULÄSSIGKEIT DES ANTRAGS

Am 22. Mai 2019 wurde im Bundesgesetzblatt, BGBl I 41/2019, ein Bundesgesetz, mit welchem Grundsätze für die Sozialhilfe (Sozialhilfe-Grundsatzgesetz) und ein Bundesgesetz über die bundesweite Gesamtstatistik über Leistungen der Sozialhilfe (Sozialhilfe-Statistikgesetz) erlassen und das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz-IntG) geändert werden, kundgemacht. Das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz (im Folgenden kurz: SH-GG) trat gem. §10 Abs2 SH-GG mit 1. Juni 2019 in Kraft, ebenso trat das Sozialhilfe-Statistikgesetz gem. §2 Abs2 leg.cit. am 1. Juni 2019 in Kraft.

Gemäß Art140 Abs1 Zif. 2 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Verfassungswidrigkeit von Bundesgesetzen auf Antrag (wenigstens) eines Drittels der Mitglieder des Bundesrates. Der Bundesrat verfügt derzeit über 61 Mitglieder (vgl Art34 B-VG iVm der Entschließung des Bundespräsidenten betreffend die Festsetzung der Zahl der von den Ländern in den Bundesrat zu entsendenden Mitglieder, BGBl II 237/2013), die Antragsteller repräsentieren daher (mehr als) ein Drittel seiner Mitglieder.

Der Antrag auf Prüfung einzelner Bestimmungen des SH-GG und des Sozialhilfe-Statistikgesetzes idF BGBl I 41/2019, ist daher zulässig.

III. ZUR DARLEGUNG DER BEDENKEN ZUM SH-GG:

1. Verfassungswidrigkeit durch Überschreitung des zulässigen Regelungsinhaltes eines Grundsatzgesetzes gem. Art12 :

Art12 Abs1 B-VG regelt als verfassungsrechtlicher Kompetenztatbestand ua das Armenwesen. Demnach ist Bundessache die Gesetzgebung über die Grundsätze des Armenwesens, Landessache die Erlassung von Ausführungsgesetzen. Der Bundesgesetzgeber hat sich bei der Erlassung von Grundsatzgesetzen auf die Aufstellung von Grundsätzen zu beschränken; die Erlassung von Einzelregelungen ist unzulässig (VfSlg 15.279, 19.658), zumal diese der Ausführungsgesetzgebung vorbehalten sind. Eine Verfassungswidrigkeit besteht insbesondere dann, wenn die grundsatzgesetzlichen Vorgaben überbestimmt sind (VfSlg 16.058) und den Ländern kein Spielraum zur Ausführung bleibt. Ein Grundsatzgesetz darf keinesfalls derartig konkretisiert und bestimmt sein darf, dass es bereits als Grundsatzgesetz im Hinblick auf Art18 B-VG einwandfrei vollziehbar wäre, vielmehr sind Grundsatzgesetze von der Vollziehung nicht anwendbar (VfSlg 7263, 8890, 10.066, 16.244).

Grundsatzgesetze dienen der bundesweiten Vereinheitlichung in Grundzügen; ungeachtet dessen darf den Ländern nicht alles vorgegeben werden, so dass diese keinen oder - wie im hier interessierenden Anlassfall – nur noch Spielraum nach unten haben. Ein Grundsatzgesetz richtet sich an den Landesgesetzgeber, diesem muss eine Möglichkeit für sozialpolitische Gestaltung innerhalb der vom Bund vorgegeben[en] Grundsätze verbleiben.

Art12 Abs1 B-VG räumt den Ländern bei der Erlassung ihrer Ausführungsregelungen einen Spielraum ein (Pürgy, Das Recht der Länder (2012) Rz 34; Grabenwarter/Holoubek, Verfassungsrecht³, Rz 163). Unter Berücksichtigung des bundesstaatlichen Grundprinzips und dem dadurch verankerten Föderalismus ist keine andere Auslegung des Art12 Abs1 B-VG mit der verfassungsrechtlichen Systematik vereinbar.

Das SH-GG verstößt mehrfach gegen diese kompetenzrechtlichen Bestimmungen. Entgegen den oben angeführten Grundsätzen beschränkt es sich in keiner Weise auf die Erlassung von Grundsatzbestimmungen. Vielmehr ist es teilweise weit über das zulässige Maß hinaus konkretisiert und bestimmt:

1.1. Verfassungswidrigkeit der Determinierung der Bezugsberechtigung (§4 SH-GG):

§4 SH-GG regelt detailliert den Kreis der Bezugsberechtigten der Sozialhilfe. In Abs1 leg.cit. wird der Kreis der Anspruchsberechtigten taxativ festgelegt; Personen die nicht von diesem Kreis umfasst sind, werden vom Bezug jeglicher Sozialhilfe ausgeschlossen. §4 Abs2 SH-GG legt bindend fest, wer vom Bezug der Sozialhilfe auszuschließen ist. Einen gesetzgeberischen Spielraum bietet §4 Abs3 SH-GG nur insofern, dass der Landesgesetzgeber weitere Personen vom Bezug der Sozialhilfe temporär oder dauerhaft ausschließen kann, eine Ausweitung des Kreises der Bezugsberechtigten ist dem Landesgesetzgeber aber verwehrt.

§4 Abs1, zweiter Satz SH-GG sieht eine Anhörung der zuständigen Fremdenbehörde in Verfahren betreffend EU-/EWR-Bürger, Schweizer Bürger und Drittstaatsangehörige vor; diese Regelung ist als eine direkte Vollzugsanweisung an die Länder auch kompetenzrechtlich überschießend.

Dem Landesgesetzgeber ist es daher beispielsweise verwehrt, Personen, die zwar ausreisepflichtig sind, die aber faktisch dauerhaft nicht abgeschoben werden können, weil etwa ihre Staatsbürgerschaft unklar ist oder das Herkunftsland die Rücknahme verweigert, in die Sozialhilfe einzubeziehen; da Angehörige dieser Personengruppe nicht am Arbeitsmarkt zugelassen sind, sind sie in besonderem Maße auf die Sozialhilfe angewiesen, um nicht gezwungen zu sein, zu betteln oder mit gesetzwidrigen Methoden den eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Auch Nicht-Österreicher, die sich weniger als fünf Jahre lang dauerhaft und rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten haben, sind vom Sozialhilfebezug ausnahmslos ausgeschlossen, was etwa in Österreich geborene Kinder, die nicht die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, vor dem Erreichen des sechsten Lebensjahres vom Anspruch auf Sozialhilfe ohne erkennbaren sachlichen Grund ausschließt (§4 Abs1, erster Satz SH-GG), wenn ihre Eltern trotz Bedarfs nicht zum Sozialhilfebezug berechtigt sind. Letztlich wird es dem Landesgesetzgeber verwehrt, subsidiär Schutzberechtigten Sozialhilfe in dem Kernleistungen übersteigenden Umfang zu gewähren (§4 Abs1, letzter Satz SH-GG). Gegen letztgenannte Bestimmung bestehen auch erhebliche unionsrechtliche Bedenken, da gemäß Art29 Abs2 der Status-RL (2011/95/EU) der Anspruch subsidiär Schutzberechtigter im Rahmen der Sozialhilfe zumindest die Kernleistungen erreichen muss; diese 'Kernleistungen' im SH-GG zugleich als Obergrenze zu definieren scheint vor diesem Hintergrund unionsrechtlich bedenklich und nimmt in jedem Falle dem Landesgesetzgeber jeden verbliebe[b]nen Regelungsspielraum.

§4 Abs1 und §4 Abs2, Zif. 3 SH-GG sind daher wegen zu detaillierter Einzelregelungen im Rahmen eines Grundsatzgesetzes verfassungswidrig.

Antrag:

Es wird beantragt, §4 Abs1 und §4 Abs2, Zif. 3 SH-GG wegen Verstoßes gegen die Kompetenzbestimmung des Art12 Abs1 Zif. 1 B-VG als verfassungswidrig aufzuheben.

1.2. Verfassungswidrigkeit der Determinierung des Vorrangs von und Zwangs zu Sachleistungen:

Gemäß §3 Abs5 SH-GG sind Leistungen der Sozialhilfe vorrangig als Sachleistungen vorzusehen, soweit dadurch eine höhere Effizienz der Leistungsziele zu erwarten ist. Leistungen für den Wohnbedarf sind, sofern dies nicht unwirtschaftlich oder unzweckmäßig ist, in Form von Sachleistungen zu gewähren.

In §5 Abs9, zweiter Satz, SH-GG ist sogar eine 'Sachleistungszwang' vorgesehen, da nach der zitierten Bestimmung der 'Arbeitsqualifizierungsbonus' durch 'sprachqualifizierende Sachleistungen' oder 'berufsqualifizierende Sachleistungen' zu ersetzen ist. Weitere obligatorische Verpflichtungen zur Sachleistung gibt es bei der Wohnkostenpauschale (§5 Abs5 SH-GG), bei Zusatzleistungen (§6 SH-GG) ind indirekt auch bei der Deckelungsregelung (§5 Abs4 SH-GG).

Der Bundesgesetzgeber hat mit diesem angeordneten Vorrang von Sachleistungen den Landesgesetzgebern jede Möglichkeit genommen, auf individuelle Gegebenheiten im Land Bedacht zu nehmen. Insbesondere der Sachleistungszwang bei Leistungen für den Wohnbedarf (vg. §5 SH-GG, Wohnkostenpauschale) der ungeachtet der Effizienz bei der Erfüllung der Leistungsziele gelten soll, stellt aber jedes Bundesland vor unterschiedliche Herausforderungen: Die Länder verfügen in ganz unterschiedlichem Ausmaß über eigenen Wohnraum, die vom Bundesgesetzgeber angebotene Alternative der Anweisung von Mietzins und Energiekosten durch das Land als indirekte Sachleistung verringert den Anreiz für die Betroffenen, ihre Wohnsituation selbst zu managen und beschneidet damit den Spielraum des Landesgesetzgebers bei der Gewährung der Sozialhilfe für den Wohnbedarf. Darüber hinaus wird damit ein sehr hoher administrativer Aufwand auf Grund ständiger Änderungen der Berechnungsgrundlagen - wie zB Wohnungswechsel, Wechsel Energiebetreiber, Betriebskosten- und Jahresabrechnungen, Mieterhöhungen, Höhe des Einkommens - verbunden sein, der gegen die im Verwaltungsverfahren geltenden Verfahrensgrundsätze der 'Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis' (vgl §39 Abs2 AVG) verstößt. Auch auf Seite der BezieherInnen führt dieser Sachleistungszwang zu nicht vertretbaren Ergebnissen und Aufwendungen, da der über die Wohnunterstützung der Sozialhilfe hinausgehende Wohnkostenanteil von den BezieherInnen durch Ergänzungszahlungen zu begleichen sein wird und die zu erwartenden regelmäßigen Änderungen der Berechnungsgrundlagen auch auf Seiten der BezieherInnen zu wiederkehrenden Änderungen (zB Änderung des Dauerauftrages der Banküberweisung) und Neuberechnungen ihrer Ergänzungszahlungen führt.

Diese starre Regelung des 'Sachleistungszwangs' in §5 Abs4, 5, 9 sowie §6 sieht auch keine Ausnahme vor, sollte die postulierte Gewährung von Sach- statt Geldleistungen aus bestimmten Gründen nicht möglich bzw zweckmäßig sein.

Die gesetzlich für Länder vorgesehene Verpflichtung, im Rahmen von Sachleistungen sprach- und berufsqualifizierende Maßnahmen durchzuführen, ist auch inhaltlich kompetenzwidrig. Die Finanzierung von Sprach- und Berufsqualifikationskursen kann den Ländern nicht im Rahmen eines Grundsatzgesetzes nach dem Kompetenztatbestand 'Armenwesen' vorgeschrieben werden. Das Armenwesen dient ausschließlich der Abdeckung des dringendsten Lebensbedarfes von sozial hilfsbedürftigen Personen. Die Förderung und Finanzierung von Sprach- und Berufsqualifizierungsmaßnahmen ist aber eine ausschließliche Bundesangelegenheit gem. Art10 B-VG und zwar entweder im Rahmen des Kompetenztatbestandes Fremdenwesen oder jenem der Arbeitslosenversicherung. Das Armenwesen als Kompetenzgrundlage setzt voraus, dass eine Person nicht ohne fremde Hilfe in der Lage ist, durch den Einsatz der eigenen Arbeitskraft (oder von vorhandenem Vermögen) seinen nptwendigen Lebensunterhalt (einschließlich eines Minimums an Teilhabe am sozialen Leben) zu bestreiten. Die Kompetenzgrundlage ermöglicht die Leistung der zur Überwindung dieser (in aller Regel unverschuldeten) Notlage (auch dann, wenn diese auf Behinderung zurückzuführen ist) erforderlichen Hilfestellung durch Geld- oder Sachleistungen. Die (sprachliche und gesellschaftliche) Integration von Personen mit Migrationshintergrund ist hingegen ausschließlich Aufgabe des Bundes.

Der Bundesgesetzgeber hat in diesem Zusammenhang im Rahmen des zeitgleich novellierten Integrationsgesetzes in §4 Abs2a des Integrationsgesetzes vorgesehen, dass 'von Deutschkursen gemäß Abs1 […] jene Personen [ausgenommen sind], denen sprachqualifizierende Leistungen im Rahmen des §5 Abs9 des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, BGBl I Nr 41/2019, zukommen.' Damit nimmt der Bundesgesetzgeber eine Verschiebung des Aufgabenbereiches der Erbringung von Sprachkursen für Asylb

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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