TE Vwgh Erkenntnis 1998/9/15 95/09/0320

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Veröffentlicht am 15.09.1998
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
VStG §9 Abs2;
VStG §9 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Fuchs und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des HR in W, vertreten durch Dr. Ernst Schmerschneider, Dr. Hilbert Aubauer, Dr. Peter Berethalmy, Dr. Karl Fritsche und Dr. Christiane Berethalmy-Deuretzbacher, Rechtsanwälte in Wien I, Rosenbursenstraße 8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 26. Juli 1995, Zl. UVS - 07/03/573/92, betreffend Bestrafung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Partei: Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 13.010,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 20. Oktober 1992 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der Pero Geflügelhandelsges.m.b.H. zu verantworten, daß von dieser am 21. August 1992 in Wien 20, Marchfeldstraße 17, der türkische Staatsbürger Cahit Karaman ohne Vorhandensein entsprechender Bewilligungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) beschäftigt worden sei.

Die belangte Behörde bestätigte das erstinstanzliche Straferkenntnis, in dem wegen Verwaltungsübertretungen nach den §§ 3 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a AuslBG (i.V.m. § 9 Abs. 1 VStG) eine Geldstrafe von S 20.000,-- (für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Wochen) verhängt worden war, mit der Maßgabe , daß der Beschwerdeführer die Verwaltungsübertretung als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Pero Geflügelhandelsges.m.b.H. mit Sitz in 1232 Wien, Großmarkt Inzersdorf, zu verantworten habe und der zweite Strafsatz des § 28 Abs. 1 Z. 1 AuslBG zur Anwendung komme.

Die belangte Behörde folgte bei ihrer Entscheidung u.a. nicht der Verantwortung des Beschwerdeführers, wonach nicht er, sondern der nach Ansicht des Beschwerdeführers bestellte verantwortliche Beauftragte im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG Heinz Heinzl (im folgenden:H) verwaltungsstrafrechtlich zur Verantwortung zu ziehen gewesen wäre. Dazu wird im angefochtenen Bescheid ausgeführt, das Berufungsvorbringen gehe dahin, daß H seit 1. Oktober 1987 schriftlich zum verantwortlichen Filialinspektor bestellt sei, um u. a. auch die Einhaltung aller Bestimmungen des AuslBG wahrzunehmen. Zum Beweis dafür sei in der Berufung auf die "Bestellungsurkunde vom 1. Oktober 1987", die Akten MBA 10 - 18/051/St und MBA 10 - S/7826/91 sowie auf die Einvernahme des H verwiesen worden. Auf Vorhalt der belangten Behörde vom 20. Februar 1995 habe der Beschwerdeführer eine Kopie einer Aktennotiz vom 24. September 1987 übermittelt und auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1992, 92/18/0313, (sowie auf die Berufungsbescheide der belangten Behörde vom 31. August 1993, UVS-07/22/460/93, vom 5. November 1993, UVS-07/12/469/93, und vom 16. November 1993, UVS-04/19/609/93) hingewiesen. Die vom Beschwerdeführer vorgelegte Aktennotiz vom 24. September 1987 habe folgenden Wortlaut:

"Herr H geboren am 17.11.1947, wohnhaft in 1060 Wien, Marchettigasse 12/29, wird ab 1.10.1987 von uns als Filialinspektor eingesetzt. Herr H wird in dieser Funktion für die Kontrolle und Gebarung sämtlicher Filialen der Firma Pero verantwortlich sein.

Außerdem ist Herr H für Personal und arbeitsrechtliche Angelegenheiten, sowie gewerberechtliche Probleme zuständig, und wird diese (teilweise nach Rücksprache mit Hr. (Beschwerdeführer)) selbständig erledigen.

Hr. H ist verpflichtet Hr. (Beschwerdeführer) regelmäßig (alle 1-2 Wochen) zu berichten."

Zu dieser Aktennotiz - so die belangte Behörde weiter in ihrer Begründung - habe der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 3. Dezember 1992, 92/18/0313, ausgesprochen:

"Der belangten Behörde ist zwar darin beizupflichten, daß aus den von ihr angeführten zutreffenden Gründen mit der erwähnten Aktennotiz nicht der Nachweis der Bestellung des H zum verantwortlichen Beauftragten erbracht werden kann; diese Urkunde steht aber andererseits auch nicht der Annahme entgegen, daß der Genannte tatsächlich - wie vom Beschwerdeführer behauptet - zum verantwortlichen Beauftragten für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften bestellt wurde.

...

Im Beschwerdefall hat der als verantwortlicher Beauftragte namhaft gemachte H in einer vor der Begehung der hier inkriminierten Taten aufgenommenen Niederschrift anläßlich seiner Einvernahme in einer Angelegenheit betreffend 'Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen' bestätigt, von der Pero Ges.m.b.H. zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG bestellt worden zu sein."

Zur vom Verwaltungsgerichtshof "bezogenen Aussage" des H, auf welche sich der Beschwerdeführer auch im gegenständlichen Verfahren berufe, stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid weiters fest, diese sei aufgrund einer Ladung vom 10. August 1990, MBA 10-18/051/09 Str, in der Angelegenheit "Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung von Arbeitnehmerschutzbestimmungen" erfolgt und habe folgenden Wortlaut gehabt:

"Ich wurde von der Firma Pero Geflügelhandelsges.m.b.H. zum verantwortlichen Beauftragten im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG 1950 bestellt und ich werde die Bestellung binnen vier Wochen vorlegen."

Im Anschluß an dieses Zitat ist im angefochtenen Bescheid die Feststellung enthalten, "eine solche Vorlage ist im weiteren Verfahren nicht erfolgt".

Nach Ansicht der belangten Behörde könne aus der - eben zitierten - Aussage des H vor dem Magistrat der Stadt Wien vom 6. September 1990 eine nach § 9 Abs. 2 und 4 VStG zu fordernde räumliche oder sachliche Abgrenzung des Bereiches, für den die Verantwortlichkeit übertragen worden sei, nicht entnommen werden. Im Zusammenhalt mit dem Gegenstand des Verfahrens MBA 10-18/051/09 Str, in dem diese Aussage getätigt worden sei, insbesondere mit dem in der Ladung vom 10. August 1990 angeführten Gegenstand der Vernehmung, könne aber, "in Ermangelung jeder anderen Abgrenzung", der Zeugenaussage der Inhalt beigemessen werden, daß sich die Verantwortlichkeit auf die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen im Rahmen der Tätigkeit der Pero Geflügelhandelsges.m.b.H. erstreckt habe. Dementsprechend sei die belangte Behörde auch in den Berufungsbescheiden vom 31. August 1993, vom 5. November 1993 und vom 16. November 1993 davon ausgegangen, daß H wirksam die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit für die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen im Sinne des § 9 Abs. 2 und 4 VStG übertragen worden sei. Im vorliegenden Berufungsfall sei der Beschwerdeführer jedoch wegen Verletzungen der Bestimmungen des AuslBG bestraft worden. Diese Bestimmungen seien arbeitsmarktrechtlicher Natur und auch bei "weitester Auslegung" nicht unter dem Begriff "Arbeitnehmerschutz" zu subsumieren. Ein aus einem Zeitpunkt vor der Begehung der Tat stammender Nachweis dafür, daß H über den Bereich des Arbeitnehmerschutzes hinaus die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortlichkeit auch für andere Bereiche übertragen worden sei, sei vom Beschwerdeführer nicht erbracht worden. Von einem aus der Zeit vor der Begehung der Verwaltungsübertretung stammenden Zustimmungsnachweis könne nur dann gesprochen werden, wenn ein die Zustimmung zur Bestellung betreffendes Beweisergebnis schon vor der Begehung der Tat vorhanden gewesen sei (etwa in Form einer Urkunde oder einer Zeugenaussage etc.). Es genüge zur Erbringung des vom Gesetzgeber geforderten Zustimmungsnachweises jedenfalls nicht, wenn sich der diesbezüglich Beweispflichtige auf erst im Verwaltungsstrafverfahren abzulegende Zeugenaussagen, wie die des verantwortlichen Beauftragten, berufe, mit denen dessen Zustimmung zur Bestellung unter Beweis gestellt werden solle. Es sei daher der belangten Behörde ebenso verwehrt gewesen, zur Beurteilung der Frage des Umfanges des Verantwortlichkeitsbereiches des H die im Verfahren vor der belangten Behörde zur Zl. 07/22/460/93 am 31. August 1993 getätigte Zeugenaussage heranzuziehen, wie den Zeugen H, wie vom Beschwerdeführer beantragt, im gegenständlichen Verfahren über den Umfang seines Verantwortlichkeitsbereiches ergänzend zu befragen. Die seitens des Beschwerdeführers geäußerte Ansicht, diese Auslegung wäre "zu formalistisch und würde dem Parteiwillen widersprechen", könne die belangte Behörde nicht teilen. Darauf, ob die Parteien die Absicht gehabt hätten, H auch für den Bereich des AuslBG die Verantwortlichkeit zu übertragen, komme es bei der gegebenen Sachlage zur Beurteilung der Rechtswirksamkeit der Übertragung der verwaltungsstrafrechtlichen Verantwortlichkeit nicht an.

In der Beschwerde werden Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Der Beschwerdeführer bringt hiezu u.a. im Beschwerdepunkt vor, er sei in seinem Recht darauf verletzt, nicht als strafrechtlich Verantwortlicher für die in Rede stehende Verwaltungsübertretung nach § 9 Abs. 1 VStG herangezogen zu werden. In der Beschwerde wird dazu wie bisher im Verwaltungsverfahren damit argumentiert, daß H als gemäß § 9 Abs. 2 VStG verantwortlicher Beauftragter rechtswirksam bestellt worden sei, und dies von der belangten Behörde auch im Rahmen der anderen vorgelegten Berufungsbescheide (im Anschluß an das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1992), bei denen es im übrigen nicht nur um Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzes gegangen sei, so gesehen worden sei (in diesem Sinne habe auch bereits die Behörde erster Instanz ein nach dem AuslBG laufendes Verwaltungsstrafverfahren gegen ihn zu Zl. MBA 3-S 8395/92 eingestellt).

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt, jedoch "im Hinblick auf die Bescheidbegründung" auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In dem zur Frage der Bestellung des H als verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 VStG von beiden Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens herangezogenen Erkenntnis vom 3. Dezember 1992, 92/18/0313, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, daß die belangte Behörde in dem damals angefochtenen Bescheid die Rechtslage verkannt habe, wenn sie zur Frage der rechtswirksamen Bestellung eines verantwortlichen Beauftragten nur die vorgelegte Aktennotiz vom 24. September 1987 herangezogen habe. Der Nachweis zur Zustimmung des verantwortlichen Beauftragten zu seiner Bestellung könne nämlich auch durch eine Zeugenaussage erbracht werden, sofern dieses Beweismittel schon vor der Begehung der Tat vorhanden gewesen sei. Ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht habe es die belangte Behörde unterlassen, sich mit der Zeugenaussage des H vom 6. September 1990 auseinanderzusetzen.

Der belangten Behörde ist zwar darin Recht zu geben, daß im damaligen Beschwerdefall die Übertretung von Arbeitnehmerschutzvorschriften Verfahrensgegenstand war (und auch deshalb in dem zitierten Erkenntnis nur auf diese Bezug genommen wurde), die sachliche Abgrenzung des - allenfalls - zum verantwortlichen Beauftragten bestellten H ergab sich allerdings bereits aus der Aktennotiz vom 24. September 1987 dahingehend, daß darin u.a. die Zuständigkeit zur selbständigen Erledigung auf das Personal bezogener arbeitsrechtlicher Angelegenheiten genannt war. In diesem Zusammenhang ist auch der in der Beschwerde erhobene Vorwurf der Aktenwidrigkeit gerechtfertigt, wonach die belangte Behörde zu Unrecht im Anschluß an die Zitierung der Zeugenaussage des H zur Vorlage einer Bestellung zum verantwortlichen Beauftragten festgestellt habe, eine "solche Vorlage" sei im weiteren Verfahren nicht erfolgt. Tatsächlich wurde nämlich - wie sich dies aus der Sachverhaltsschilderung im Erkenntnis 92/18/0313 ergibt - im Anschluß an die niederschriftliche Einvernahme des H neuerlich die seinerzeitige Aktennotiz vom 24. September 1987 vorgelegt. Damit war aber insgesamt davon auszugehen, daß im Zusammenhalt mit der Aussage des H vom 6. September 1990 eine rechtswirksame Bestellung des Filialinspektors zum verantwortlichen Beauftragten nach § 9 Abs. 2 und 4 VStG für den im Schriftsatz vom 24. September 1987 enthaltenen räumlichen und sachlichen Verantwortungsbereich erfolgt war. Daß die Einhaltung der Vorschriften nach dem AuslBG zu den arbeitsrechtlichen Angelegenheiten betreffend das Personal gehört, bestreitet auch die belangte Behörde nicht.

Da somit die belangte Behörde zu Unrecht keine Bestellung des H zum verantwortlichen Beauftragten für den Bereich der Einhaltung der Bestimmungen des AuslBG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor dem Antimißbrauchsgesetz BGBl. Nr. 895/1995) annahm, war der angefochtene Bescheid bereits aus diesem Grund wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Auf das weitere Beschwerdevorbringen (etwa dahingehend, die belangte Behörde hätte aufgrund der vorliegenden Beweisergebnisse nicht von einer Beschäftigung des Ausländers im Filialbetrieb der Pero GmbH ausgehen dürfen) brauchte daher nicht mehr eingegangen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Die Abweisung des Mehrbegehrens

betrifft Stempelmarken in Höhe von S 150,-- für zur Rechtsverfolgung vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht notwendige der Beschwerde angeschlossene Beilagen.

Wien, am 15. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1995090320.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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