TE Vwgh Erkenntnis 1975/2/25 0959/73

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Veröffentlicht am 25.02.1975
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Index

Gesundheitswesen

Norm

ABGB §141
ABGB §166
ABGB §166a
KAG OÖ 1958 §35 Abs1
KAG OÖ 1958 §35 Abs2
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §41 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):1993/73

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Loebenstein und die Hofräte Dr. Zach, Dr. Jurasek, Dr. Draxler und Großmann als Richter, im Beisein des Schriftführers Finanzkommissär Dr. Schwärzler, über die Beschwerden der TK in L, vertreten durch Dr. Otto Haselauer, Rechtsanwalt in Linz, Schillerstraße 17, gegen die Bescheide der Oberösterreichischen Landesregierung 1.) vom 29. März 1973, Zl. SanRL - 1907/9-1972-St, und 2.) vom 6. November 1973, Zl. SanRL - 1907/13-1973-St, betreffend den Ersatz von Pflegegebühren nach dem Oberösterreichischen Krankenanstaltengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 2.527,80 und von S 2.512,80, das sind zusammen S 5.040,60, binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den beiden im Instanzenzug ergangenen Bescheiden der Oberösterreichischen Landesregierung vom 29. März 1973 (1) und vom 6. November 1973 (2) wurde die Beschwerdeführerin unter Berufung auf § 35 Abs. 2 des Oberösterreichischen Krankenanstaltengesetzes, LGBl. Nr. 19/1958, verpflichtet, für Anstaltsaufenthalte ihres unehelichen Sohnes HA, der sich in der Zeit zwischen dem 12. und dem 17. August 1969 und vom 21. August bis zu seinem Entweichen aus der Krankenanstalt am 5. September 1969 wegen Polytoxikomanie (Drogenabhängigkeit) im Linzer Wagner -Jauregg-Krankenhaus und vom

18. bis 21. August 1969 zur Behandlung einer anderen Krankheit in der dermatologischen Abteilung des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Linz in stationärer Pflege befunden hatte, Pflegegebühren in der Gesamthöhe von S 5.200,-- zu bezahlen. In der Begründung beider Bescheide ging die belangte Behörde davon aus, daß die Hospitalisierung vom medizinischen Standpunkt zur Remission des Medikamentenmißbrauchs bzw. zur Behandlung der aufgetretenen Geschlechtskrankheit erforderlich gewesen sei. A habe seinen eigenen Angaben nach nicht nur Heroin zu sich genommen, sondern injiziere sich - bisweilen zusätzlich mit Rum - täglich größere Mengen des ebenso wie Heroin zur Sucht führenden Rilatin. Er sei als schwer süchtig zu bezeichnen und habe infolge dieses Zustandes ebenso wie bereits aus Anlaß eines früheren, auf demselben Einweisungsgrunde beruhenden Spitalsaufenthaltes (28. Februar bis 15. März 1969) seine Selbsterhaltungsfähigkeit eingebüßt. Die aufgelaufenen Pflegegebühren für die Anstaltsaufenthalte im Sommer 1969 könnten weder vom Pflegling selbst hereingebracht werden noch sei eine Deckung aus der Krankenversicherung gegeben. Ungeachtet der Volljährigkeit des am 10. Februar 1946 geborenen HA zur Zeit der Anstaltspflege in den Monaten August und September 1969 treffe die Ersatzpflicht daher die zunächst unterhaltspflichtige Beschwerdeführerin, die im übrigen auch schon für die im Februar und März 1969 entstandenen Pflegegebühren für die stationäre Behandlung ihres Sohnes aufgekommen sei.

In ihren gegen beide Bescheide erhobenen Beschwerden beantragt die Beschwerdeführerin, die von ihr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Verwaltungsakte wegen Rechtswidrigkeit der Bescheidinhalte, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. In der Hauptsache erachtet sie sich dadurch in ihren Rechten verletzt, daß die belangte Behörde - ungeachtet des schon im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Einwandes, ihr unehelicher Sohn HA sei gesund und durchaus in der Lage gewesen, sich selbst zu erhalten, habe aber ihm angebotene Arbeitsmöglichkeiten ohne Grund ausgeschlagen - es unterlassen habe, hinreichende Feststellungen über die Selbsterhaltungsfähigkeit (Erwerbsfähigkeit) des HA in der Zeit vor seiner Einlieferung in das Krankenhaus (12. August 1969) und nach seinem Entweichen aus der Anstalt (5. September 1969) zu treffen. Zu Unrecht unterblieben seien auch Feststellungen darüber, daß das Bezirksgericht Linz mit Beschluß vom 3. September 1969 auf Grund eines medizinischen Sachverständigengutachtens ausdrücklich die Anhaltung des HA. mit der Begründung für unzulässig erklärt habe, daß zwar eine Sucht vorliege, jedoch keine psychiatrischen Symptome von Krankheitswert gegeben seien. In ihrer Rechtsrüge wendet sich die Beschwerdeführerin im besonderen dagegen, daß die belangte Behörde die Frage, wann und unter welchen Umständen eine bereits erloschene Unterhaltspflicht wiederauflebt, unzutreffend beurteilt und außer Betracht gelassen habe, daß die als Folge des Rauschgiftkonsums selbstverschuldet eingetretene Erwerbslosigkeit nicht mit Erwerbsunfähigkeit gleichzusetzen sei. Die Annahme der Behörde, die Beschwerdeführerin könne unter dem Titel eines Wiederauflebens ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihrem volljährigen unehelichen Sohn zum Ersatz von Pflegegebühren herangezogen werden, beruhe auf einem Rechtsirrtum und lasse sich auch daraus nicht ableiten, daß sie schon einmal für Pflegegebühren aufgekommen sei, die sich aus einem früheren Anstaltsaufenthalt ihres Sohnes ergeben haben. In ihrer gegen den zweitangefochtenen Bescheid gerichteten Beschwerde macht die Beschwerdeführerin überdies geltend, daß die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen über die Rauschgiftsüchtigkeit ihres Sohnes und die daraus folgende Einbuße der Selbsterhaltungsfähigkeit zur Zeit seines Aufenthaltes in der dermatologischen Station des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Linz (18. bis 21. August 1969) in den diesen Spitalsaufenthalt betreffenden Verwaltungsakten keine Deckung fänden. Dieser Mangel verliere nicht dadurch an Bedeutung, daß sich die Behörde auf einen aus dem Jahre 1972 stammenden Polizeibericht bezieht, da es im Streitfalle ja nur auf die tatsächlichen Umstände in der zweiten Augusthälfte 1969 ankommen könne. Der zweitangefochtene Bescheid sei aber auch deshalb mit wesentlichen Verfahrensmängeln belastet, weil er auf Tatsachenfeststellungen gegründet werde, die die belangte Behörde ohne vorherigen Vorhalt zu Unrecht aus anderen, HA. betreffenden Verwaltungsakten getroffen hat. Dadurch sei die Beschwerdeführerin auch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die beiden vorliegenden, wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 35 Abs. 1 des Oberösterreichischen Krankenanstaltengesetzes ist zur Bezahlung der in einer Krankenanstalt aufgelaufenen Pflege(Sonder)gebühren in erster Linie der Pflegling selbst verpflichtet, sofern und soweit nicht eine andere physische oder juristische Person auf Grund der Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes oder sonstiger gesetzlicher Vorschriften hiezu verpflichtet ist oder hiefür Ersatz zu leisten hat. Können die Gebühren weder beim Pflegling selbst noch - etwa aus dem Grunde von Leistungsansprüchen des Pfleglings aus der Krankenversicherung - von einem anderen aus dem im Abs. 1 des § 35 umschriebenen Personenkreis hereingebracht werden, so sind dem Abs. 2 des § 35 leg. cit. zufolge die für den Pflegling Unterhaltspflichtigen zum Ersatz heranzuziehen. In den beiden der entscheidenden Rechtsfrage nach gleichgelagerten Beschwerdefällen ging die belangte Behörde nicht nur von der Annahme, daß der Pflegling selbst zur Deckung der aufgelaufenen Pflegegebühren außerstande sei, sondern insbesondere auch davon aus, daß weder unter dem Blickwinkel des § 35 Abs. 1 noch unter dem des § 35 Abs. 2 des Oberösterreichischen Krankenanstaltengesetzes in Verbindung mit den im Gegenstand in Betracht kommenden unterhaltsrechtlichen Regelungen der §§ 141, 143, 166 und 166 a ABGB eine der Beschwerdeführerin in der Verpflichtung zum Pflegekostenersatz vorgehende Person ermittelbar ist. Damit aber sei die volle Ersatzpflicht der Beschwerdeführerin ohne Rücksicht darauf gegeben, daß ihre Unterhaltspflicht gegenüber ihrem unehelichen Sohn HA bereits erloschen war, dieser längst volljährig ist und die Einbuße der Selbsterhaltungsfähigkeit des Pfleglings auf dessen eigenes Verschulden zurückgeht.

Nach Lage der Akten des Verwaltungsverfahrens im Verein mit dem eigenen Vorbringen der Beschwerdeführerin kann diesen Erwägungen der belangten Behörde im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte (vgl. § 41 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG 1965) insoweit gefolgt werden, als - den Pflegling selbst zunächst ausgenommen - die Existenz eines gesetzlich zur Übernahme der Pflegekosten im Sinne des § 35 Abs. 1 Oberösterreichisches Krankenanstaltengesetz Verpflichteten nicht erweislich ist. Ebenso unbedenklich ist die Ansicht der belangten Behörde, daß die Erlangung der Selbsterhaltungsfähigkeit es ebensowenig wie die Erreichung der Volljährigkeit ausschließt, daß es zu einem Wiederaufleben der Unterhaltspflicht dann kommen kann, wenn die Selbsterhaltungsfähigkeit in der Folge wieder verloren geht und der ehedem Unterhaltsberechtigte - obgleich vielleicht zwischenweilig selbsterhaltungsfähig geworden - wieder unterhaltsbedürftig wird. Sohin bleibt zunächst die Frage, ob die Behörde mit der von ihr offenkundig vertretenen Anschauung im Recht ist, daß es im Anwendungsbereich des § 35 Abs. 2 Oberösterreichisches Krankenanstaltengesetz nur darauf ankomme, wen die Unterhaltspflicht trifft, und die Frage nach einem Verschulden am Verlust der einmal bereits erlangten Selbsterhaltungsfähigkeit oder dem im Einzelfalle konkret gegebenen Umfang der Unterhaltspflicht rechtlich unerheblich sei.

Mit diesem Problem hat sich der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 9. Mai 1967, Zl. 1747/66, (auf dessen Inhalt im einzelnen unter Erinnerung an Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, verwiesen wird) befaßt und darin ausgesprochen, daß der rechtliche Gehalt des § 35 Abs. 2 Oberösterreichisches Krankenanstaltengesetz sich nicht in der Festlegung desjenigen Personenkreises erschöpft, der zum Ersatz des Pflegegebührenaufwandes herangezogen werden soll, sondern daß er auch das Ausmaß der Heranziehung zur Ersatzleistung begrenzt, so zwar, daß die Ersatzpflicht zur Deckung aufgelaufener Pflegegebühren den Umfang der Unterhaltspflicht nicht übersteigen darf. An dieser Rechtsmeinung hält der Gerichtshof auch in den beiden gegenständlichen Beschwerdefällen fest. Auf dem Boden dieser Rechtsanschauung ist bei den folgenden rechtlichen Überlegungen also davon auszugehen, daß die bezogene Gesetzesstelle die an die Unterhaltspflicht gebundene Ersatzpflicht ebenso wie deren Umfang nicht abstrakt bestimmt. Vielmehr folgt aus ihr, daß die rechtliche Möglichkeit, eine gegenüber dem Pflegling zur Unterhaltsleistung verpflichtete Person zum Pflegegebührenersatz heranzuziehen, dort ihre Schranken findet, wo nach den besonderen Verhältnissen die Unterhaltspflicht etwa auf die Leistung des notdürftigen Unterhaltes (wozu zweifelsohne auch der Ersatz der Kosten notwendiger ärztlicher Hilfe und Anstaltspflege zu zählen wäre) beschränkt oder überhaupt aufgehoben ist.

Während sowohl in der Rechtsprechung (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. November 1950, Slg. 1774/A, sowie die Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes SZ VII/40 und SZ XVII/62) als auch in der Lehre (Klang2, Kommentar zum Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuch, 1. Bd., 2. HBd., S. 34 f., und Gschnitzer, Familienrecht, 1963, S. 84) die Möglichkeit des Wiederauflebens einer bereits erloschen gewesenen Unterhaltspflicht bei Verlust der Selbsterhaltungsfähigkeit und zwar ungeachtet des Umstandes bejaht wird, daß der Unterhaltsberechtigte bereits volljährig ist, wird dagegen die Frage, ob und inwieweit ein Verschulden des Kindes auf das Wiederaufleben der Unterhaltspflicht von Einfluß ist, nicht einheitlich beantwortet. In der früheren Rechtspraxis (siehe die Ausführungen bei Klang2, aaO.) wurde hiezu offenbar einhellig der Standpunkt vertreten, daß es für das Wiederaufleben einer Unterhaltspflicht rechtlich bedeutungslos sei, ob die die Unterhaltspflicht bedingende Notlage vom Unterhaltsberechtigten verschuldet worden ist oder nicht. Diese Rechtsmeinung wurde in der Folge zunächst von der Lehre und später auch in der Rechtsprechung (vgl. etwa die Entscheidung SZ XVII/62) von der Ansicht abgelöst, daß das Verschulden am Verlust der eigenen Selbsterhaltungsfähigkeit zwar nicht für das Wiederaufleben der Unterhaltspflicht dem Grunde nach bedeutsam sei, gleichwohl aber einen Umstand darstelle, der das Ausmaß der Unterhaltspflicht (d.i. der Umfang der geschuldeten Unterhaltsleistung) bestimme. In diesem Sinne wurde bei einem vom Unterhaltsberechtigten verschuldeten Wiederaufleben der Unterhaltspflicht ein Anspruch auf die Gewährung eines angemessenen Unterhaltes verneint und lediglich ein Recht auf die Zuwendung des notdürftigen Unterhaltes anerkannt (SZ XVII/62).

In der weiteren Entwicklung der Rechtsfindung (s. u. a. SZ XIX/125 und 153), aber auch der Rechtswissenschaft (s. Gschnitzer aaO.) wurde ein Wiederaufleben der Unterhaltspflicht dann abgelehnt, wenn der an sich Unterhaltsberechtigte die aufgetretene Notlage selbst dadurch verschuldete, daß er eine ihm angebotene angemessene Erwerbsmöglichkeit grundlos ausgeschlagen hat. Auf dem Boden dieser rechtlichen Beurteilung hat der Oberste Gerichtshof auch in seiner Entscheidung vom 28. Jänner 1970, GZ. 6 Ob 1/70, JBl. 1970 S. 426 ff, unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die in der SZ XIX unter den Nummern 125 und 153 veröffentlichten Vorjudikate ausgesprochen, daß selbst eine (vorübergehende) Erkrankung des ehedem Unterhaltsberechtigten für sich allein noch nicht ein Wiederaufleben der Unterhaltspflicht bewirkt. Dies insbesondere dann nicht, wenn sich der Unterhaltsberechtigte absichtlich in den Zustand der Erwerbslosigkeit versetzt, der potentiell zur Unterhaltsleistung Verpflichtete aber sich ernstlich bemüht hat, sein wieder unterhaltsbedürftig gewordenes Kind zu einem arbeitsamen Lebenswandel anzuhalten und er das Verhalten des Kindes nur deshalb hingenommen hat, weil es ihm nicht möglich gewesen ist, seinen Willen durchzusetzen.

Der Verwaltungsgerichtshof tritt dieser Rechtsauffassung bei, wobei er sich im besonderen auch von der Erwägung leiten läßt, daß nach § 141 ABGB die Pflicht, für den Unterhalt der Kinder zu sorgen, nur solange andauert, "bis sie sich selbst ernähren können", aus dem Worte "können" aber zu folgern ist, daß eine Unterhaltspflicht dann nicht besteht bzw. nicht wieder auflebt, wenn das Kind objektiv in der Lage ist, sich selbst zu ernähren. Auf der Grundlage all dieser Überlegungen kann in den beiden vorliegenden Beschwerdefällen die Beschwerdeführerin nur dann und insoweit zum Ersatz der Pflegegebühren für die beiden wegen ihres zeitlichen Zusammenhanges als eine Einheit zu betrachtenden Anstaltsaufenthalte ihres volljährigen unehelichen Sohnes im Sommer 1969 herangezogen werden, wenn a) die stationäre Pflege aus medizinischen Gründen erforderlich war, b) die Notwendigkeit der Krankenhausaufenthalte nicht ausschließlich auf ein Verschulden des Pfleglings zurückgeht und c) die Beschwerdeführerin nicht schon vor dem Eintritt der Notlage alles ihr nach den Umständen Zumutbare unternommen hat, um die schließlich offenbar als Folge des Lebenswandels des HA tatsächlich eingetretene Hilfsbedürftigkeit abzuwehren. Hiebei hat nach Meinung des Gerichtshofes der Umstand, daß HA naturgemäß während der beiden Anstaltsaufenthalte außerstande war, einem Erwerb nachzugehen, außer Betracht zu bleiben.

Von diesen Erwägungen ausgehend, wäre es Sache der belangten Behörde gewesen, sich in der Begründung nicht nur mit dem Widerspruch auseinanderzusetzen, der sich ganz offensichtlich daraus ergibt, daß zum einen von ärztlicher Seite des Wagner-Jauregg-Krankenhauses (vgl. das bei den Verwaltungsakten erliegende Gutachten vom 7. Juli 1972) die Unerläßlichkeit der seinerzeitigen stationären Behandlung des HA bescheinigt, anderseits aber auf Grund eines medizinischen Sachverständigengutachtens vom Bezirksgericht Linz mit Beschluß vom 3. September 1969 die Entlassung des Angehaltenen mit der Begründung angeordnet wurde, daß er keine psychiatrischen Symptome von Krankheitswert aufweise. Ebensowenig hätte die Behörde auch den von der Beschwerdeführerin sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Rechtsmittelverfahren vorgebrachten Einwand übergehen dürfen, daß HA - obwohl gesund - jede Arbeit niedergelegt und die Annahme einer ihm angebotenen Arbeit grundlos abgelehnt und die Beschwerdeführerin selbst, allerdings stets erfolglos, mehrmals versucht habe, ihren Sohn zur Annahme einer von ihr ausgesuchten Arbeit zu bewegen.

Damit erweisen sich die beiden angefochtenen Bescheide wegen unzureichender Begründung und wegen Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes als fehlerhaft. Da diese Verfahrensmängel (bei deren Vermeidung die Behörde möglicherweise zu einem anderen Resultat gekommen wäre) augenscheinlich auf der - wie dargetan - rechtsirrigen Annahme beruhen, daß bei der Beurteilung der Ersatzpflicht nach § 35 Abs. 2 des Oberösterreichischen Krankenanstaltengesetzes die Frage des Verschuldens des Pfleglings unberücksichtigt zu bleiben habe, und zudem auch der Hinweis der belangten Behörde darauf, daß die Beschwerdeführerin Pflegegebühren aus einem früheren Anstaltsaufenthalt des HA beglichen habe, rechtlich nicht geeignet ist, die Entscheidung der Behörde zu tragen, waren die beiden angefochtenen Bescheide sohin gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf weitere Beschwerdeeinwendungen im einzelnen einzugehen. Mit der in der Begründung des zweitangefochtenen Bescheides erwähnten Kostentragungsregel des § 10 Abs. 1 des Geschlechtskrankheitengeset zes, StGBl Nr. 152/1945, und der Auslegung, die diese Bestimmung durch die belangte Behörde gefunden hat, konnte sich der Gerichtshof im besonderen deshalb nicht auseinandersetzen, weil er bei seiner Prüfung an die in der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdepunkte gebunden ist (§ 41 Abs. 1, § 28 Abs. 1 Z. 4 VwGG 1965) und sich die Beschwerdeführerin durch die Außerachtlassung der vorhin angeführten Regelung nicht für beschwert erachtete.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit den Art. I und IV Abs. 2 der Verordnung vom 19. Dezember 1974, BGBl. Nr. 4/1975, über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Wien, am 25. Februar 1975

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1975:1973000959.X00

Im RIS seit

20.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

20.01.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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