TE Vwgh Erkenntnis 2019/11/20 Ro 2018/15/0024

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Veröffentlicht am 20.11.2019
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag

Norm

ABGB §143
ABGB §234 idF 2013/I/015
ABGB §946
ABGB §947
EStG 1988 §34 Abs1
EStG 1988 §34 Abs3
EStG 1988 §34 Abs7 Z4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Graz-Stadt in 8010 Graz, Conrad von Hötzendorfstraße 14-18, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 25. Juli 2018, Zl. RV/2101241/2015, betreffend Einkommensteuer 2012 (mitbeteiligte Partei: R B in G, vertreten durch die TPG Steuerberatung und Wirtschaftsberatung GmbH & Co KG in 8041 Graz, Am Stadionplatz 2/3), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Der am 10. Mai 2013 verstorbene Vater des Mitbeteiligten war - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - in der Zeit von 28. Juli 2011 bis zu seinem Tod in einem Pflegeheim untergebracht. Für das Jahr 2012 verrechnete das Pflegeheim für Aufenthalt und Pflege insgesamt 41.725,44 EUR. Der Betrag von 15.120,00 EUR wurde durch das Bundespflegegeld des Vaters abgedeckt, der Pflegegeld der Pflegestufe 6 bezog. Die Differenz von 26.605,44 EUR bezahlte der Mitbeteiligte und machte diesen Betrag als außergewöhnliche Belastung im Rahmen seiner Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 2012 geltend. 2 Der Vater des Mitbeteiligten bezog im Jahr 2012 eine Pension in Höhe von brutto 19.300,54 EUR. Sein zu versteuerndes Einkommen betrug 14.221,25 EUR. Die Mutter des Mitbeteiligten, die mit ihrem Ehemann bis zu dessen Unterbringung im Pflegeheim im gemeinsamen Haushalt lebte, bezog im Jahr 2012 eine Pension in Höhe von 5.950,96 EUR.

3 Mit Schenkungsvertrag vom 26. Mai 2010 hatte der Vater des Mitbeteiligten dessen Bruder eine Liegenschaft (Grundstück samt Gebäude) mit einem Einheitswert von 42.900 EUR (Stichtag 1. Jänner 2007) geschenkt. In dem auf dieser Liegenschaft befindlichen Zweifamilienhaus wohnten zum Zeitpunkt der Schenkung sowohl der Vater und die Mutter als auch der Bruder des Mitbeteiligten (Geschenknehmer). Der Bruder des Mitbeteiligten erzielte im Jahr 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 716,23 EUR. Sein zu versteuerndes Einkommen betrug in diesem Jahr 364,98 EUR.

4 Bei der Veranlagung der Einkommensteuer des Mitbeteiligten für das Jahr 2012 berücksichtigte das Finanzamt die geltend gemachten Aufwendungen nicht als außergewöhnliche Belastung. 5 Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde, in der er geltend machte, die gesamte, von ihm im Jahr 2012 für die Heimunterbringung seines Vaters geleistete Zahlung in Höhe von 26.605,44 EUR sei als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, weil es sich dabei um eine Unterhaltsleistung gehandelt habe, zu der er gemäß § 143 ABGB verpflichtet gewesen sei.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das BFG der Beschwerde Folge und setzte die Einkommensteuer zu Gunsten des Mitbeteiligten neu fest. Begründend führte es aus, die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Heimunterbringung des Vaters stellten dem Grunde nach unbestritten eine außergewöhnliche Belastung dar, weil die Unterhaltspflicht eines Kindes auch Heimkosten umfasse, wenn der Aufenthalt des unterhaltsberechtigten Elternteils in einem Heim notwendig sei, was beim Vater des Mitbeteiligten, der im Streitjahr Pflegegeld der Pflegestufe 6 bezogen habe, vorgelegen habe.

7 Die Unterhaltspflicht eines Kindes gegenüber seinen Eltern gemäß § 143 Abs. 1 ABGB bestehe jedoch nur insoweit, als die Eltern nicht imstande seien, sich selbst zu erhalten. Auch wenn der Vater des Mitbeteiligten im Streitjahr nur ein zu versteuerndes Einkommen von 14.221‚25 EUR bezogen habe, sei er verpflichtet gewesen, die Kosten seiner Heimunterbringung - soweit möglich - selbst zu übernehmen. Der notwendige Lebensunterhalt einer zu pflegenden Person, der dieser nicht zur Deckung der Pflegekosten zur Verfügung stehe, sei zu schätzen. Bei der Schätzung der Kosten, die die zu pflegende Person aus ihrem eigenen Einkommen zu tragen habe, sei zu berücksichtigen, dass sie in einem Heim untergebracht sei und dort voll verpflegt werde. Dieser Person müsse daher nur ein Taschengeld bleiben, das üblicherweise mit 20% des Ausgleichszulagenrichtsatzes bemessen werde. Darüber hinaus verblieben der zu pflegenden Person allfällige Sonderzahlungen. Sei die zu pflegende Person verheiratet und lebe ihr/e Ehepartner/in noch in der bisherigen Ehewohnung, sei ein allfälliger Unterhaltsanspruch zu berücksichtigen, der - unter Anrechnung des eigenen Einkommens - mit dem Ausgleichszulagenrichtsatz angesetzt werde. Im Revisionsfall ergebe sich für den Vater des Mitbeteiligten somit der folgende Betrag, den er selbst für seine Heimunterbringung hätte aufwenden müssen:

Pflegeheimkosten

 

41.725,44 EUR

abzügl. Haushaltsersparnis 156,96 x 12

 

 -1.883,52 EUR

abzügl. Pflegegeld

 

-15.120,00 EUR

 

Zwischensumme

24.721,92 EUR

Einkommen der zu pflegenden Person

14.725,44 EUR

 

\td\20% des Ausgleichszulagenrichtsatzes 814,82 EUR x 12 = 9.777,84 EUR, davon 20% ("Taschengeld") /td/

 -1.955,57 EUR

 

 

\td\Einkommen der Ehegattin: 5.950,96 EUR Differenz zum Ausgleichszulagenrichtsatz von 9.777,84 EUR (Unterhalt für Ehegattin)/td/

-3.826,88 EUR

 

 

Kostenübernahme der zu pflegenden Person

8.942,99 EUR

 

 

 

 -8.942,99 EUR

Vom Unterhaltsverpflichteten zu übernehmender Anteil

 

15.778,93 EUR

8 Nur die Differenz in Höhe von 15.778,93 EUR zu den gesamten Kosten (abzüglich des Pflegegeldes) in Höhe von 26.605,44 EUR umfasse (bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen) die Unterhaltspflicht der Angehörigen.

9 Gemäß § 143 Abs. 2 letzter Satz ABGB hätten mehrere Kinder den Unterhalt anteilig nach ihren Kräften zu leisten. Sei ein Aufenthalt in einem Heim notwendig und könne der Unterhaltsberechtigte die Kosten nicht oder nicht zur Gänze selbst tragen, so habe der Unterhaltspflichtige nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit die Bedarfslücke zu füllen (Hinweis auf OGH 21.11.2006, 4Ob192/06y). Da der Bruder des Mitbeteiligten im Streitjahr lediglich ein zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 364,98 EUR erzielt habe, treffe ihn keine Unterhaltspflicht aus seinem laufenden Einkommen.

10 Gemäß § 143 Abs. 3 ABGB mindere sich der Unterhaltsanspruch eines Elternteils außerdem insoweit, als ihm die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar sei. Der Vater des Mitbeteiligten habe im Jahr 2012 über kein eigenes Vermögen mehr verfügt, weil er die in seinem Eigentum stehende Liegenschaft bereits im Jahr 2010 an den Bruder des Mitbeteiligten übergeben habe. Nach Ansicht des Finanzamts wäre aus diesem Grund in erster Linie der Bruder des Mitbeteiligten verpflichtet gewesen, die Kosten der Heimunterbringung des Vaters zu tragen bzw. seien die Kosten der Heimunterbringung so lange nicht als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen, als diese Kosten den Verkehrswert der übertragenen Liegenschaft nicht überstiegen.

11 Diese Argumentation treffe für den Bereich des Zivilrechts jedoch nur bei "verwertbarem" Vermögen zu. Nur "verwertbares" Vermögen des Unterhaltsberechtigten mindere die Pflicht der Angehörigen zur Unterhaltsleistung bzw. beeinflusse nur "verwertbares" Vermögen eines Angehörigen die Höhe seiner Unterhaltspflicht. Die Verwertung einer als Wohnsitz dienenden Liegenschaft für Zwecke der Erfüllung der Unterhaltspflicht sei nach Zivilrecht unzumutbar.

12 Bei der Liegenschaft, die der Vater des Mitbeteiligten im Jahr 2010 an dessen Bruder übergeben habe, habe es sich um ein Zweifamilienhaus gehandelt, das der Vater bis zu seiner Heimunterbringung gemeinsam mit der Mutter und dem Bruder des Mitbeteiligten bewohnt habe und das danach weiterhin von diesen bewohnt worden sei. Bei dieser Liegenschaft handle es sich somit um nicht "verwertbares Vermögen". Die Höhe der nach Zivilrecht zu bemessenden Unterhaltspflicht des Mitbeteiligten sei durch die Übertragung der als Wohnsitz dienenden Liegenschaft an seinen Bruder somit nicht beeinflusst worden. Die rechtliche Verpflichtung und damit die Zwangsläufigkeit der Unterhaltsleistung des Mitbeteiligten gegenüber seinem Vater sei im Streitjahr somit gegeben. Eine ausdrückliche vertragliche Verpflichtung zur Übernahme der Heimunterbringungskosten sei dafür nicht erforderlich.

13 Im Revisionsfall habe der Mitbeteiligte weder im Streitjahr noch in den Jahren davor oder danach ein freiwilliges Verhalten gesetzt, das zur Vermögenslosigkeit seines Vaters und zur daraus folgenden Notwendigkeit der Unterhaltsleistung geführt hätte. Er habe weder eine Schenkung von seinem Vater entgegen genommen noch habe er nach dessen Ableben eine Erbschaft angetreten. Insofern unterscheide sich der Fall von jenen, die den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. November 2013, 2010/15/0130, und vom  21. Oktober 2015, Ro 2014/13/0038, zugrunde lägen. Dem Mitbeteiligten sei weder vor noch während oder nach der Heimunterbringung seines Vaters von diesem Vermögen übertragen worden. Eine Gegenüberstellung der Kosten der Heimunterbringung mit dem Verkehrswert der an den Bruder des Mitbeteiligten übertragenen Liegenschaft habe daher nicht zu erfolgen. 14 Der Mitbeteiligte habe im Streitjahr ein zu versteuerndes Einkommen (vor Abzug der außergewöhnlichen Belastung) in Höhe von 120.170,21 EUR erzielt. Da er zur Unterhaltsleistung gemäß § 143 ABGB verpflichtet gewesen sei, sein Bruder hingegen nicht, sei die Tragung der Kosten für die Heimunterbringung seines Vaters in Höhe von 15.778,93 EUR für ihn zwangsläufig. Da es sich dabei um Aufwendungen handle, die auch beim Mitbeteiligten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden, sei dieser Betrag gemäß § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 zu berücksichtigen. 15 Die Revision ließ das BFG zu, weil "zur Frage, ob eine außergewöhnliche Belastung im Sinn des § 34 EStG 1988 vorliegt, wenn ein Nachkomme im Rahmen seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht (§ 143 ABGB) die Kosten der Heimunterbringung eines Elternteils übernimmt, während einem anderen Nachkommen (Bruder) Vermögen, welches nach Zivilrecht jedoch nicht ‚verwertbar' ist, von jenem Elternteil zugewendet wurde, noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt".

16 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die ordentliche Revision des Finanzamts. Diese macht geltend, eine Berücksichtigung von Pflegeheimkosten sei erst dann möglich, wenn die übernommenen Pflegekosten den Verkehrswert der - an den Bruder des Mitbeteiligten übertragenen - Liegenschaft (Grundstück samt Gebäude) überstiegen. Der auf dieser befindliche Wohnsitz der Mutter und des Bruders des Mitbeteiligten schließe eine Verwertung der Liegenschaft nicht aus, weil eine solche nicht nur durch Verkauf, sondern auch durch Belastung erfolgen könne, wodurch die Nutzung des Objektes für den Wohnbedarf nicht eingeschränkt werde. Im Übrigen wäre dem Mitbeteiligten jedenfalls ein Pflichtteil aus der Liegenschaft zugestanden, wobei ein Verzicht darauf die später von ihm getragenen Pflegekosten nicht zu zwangsläufig erwachsenen außergewöhnlichen Belastungen mache. Eine Absetzbarkeit bestehe daher jedenfalls erst dann, wenn der anteilige Pflichtteil an der Liegenschaft, auf den der Mitbeteiligte Anspruch habe, durch die pflegebedingten Zahlungen überschritten worden sei. 17 Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

19 Die Amtsrevision ist zulässig; sie ist auch begründet.

20 Bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt

Steuerpflichtigen sind gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss außergewöhnlich sein (Abs. 2), zwangsläufig erwachsen (Abs. 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4). Sie darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein. 21 Nach § 143 ABGB (idF vor BGBl. I Nr. 15/2013, vgl. nunmehr § 234 ABGB) schuldet das Kind seinen Eltern unter Berücksichtigung seiner Lebensverhältnisse den Unterhalt, soweit der Unterhaltsberechtigte nicht imstande ist, sich selbst zu erhalten, und sofern er seine Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind nicht gröblich vernachlässigt hat. Gemäß Abs. 3 der zitierten Bestimmung mindert sich dieser Unterhaltsanspruch insoweit, als dem Unterhaltsberechtigten die Heranziehung des Stammes eigenen Vermögens zumutbar ist (vgl. im Einzelnen Barth/Neumayr, in Klang3 § 143; Neuhauser, in Kodek/Schwimann, ABGB Band 14 § 143; sowie Stabentheiner/Reiter, in Rummel/Lukas, ABGB4 § 234). 22 Unterhaltsleistungen sind gemäß § 34 Abs. 7 Z 4 EStG 1988 nur insoweit abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden. Die mit der Unterbringung in einem Altersheim verbundenen Kosten stellen außergewöhnliche Belastungen dar, sofern die Unterbringung durch Krankheit, Pflege- oder Betreuungsbedürftigkeit verursacht wird (vgl. für viele VwGH 26.5.2010, 2007/13/0051).

23 Im Revisionsfall liegen solche besonderen Umstände der Heimunterbringung unstrittig vor. In Streit steht lediglich, ob zwischen der Vermögensübertragung vom Vater auf den Bruder des Mitbeteiligten einerseits und der Beteiligung des Mitbeteiligten an den Kosten der Heimunterbringung des Vaters andererseits ein Zusammenhang besteht, der die (volle) Berücksichtigung der Heimkosten als außergewöhnliche Belastung beim Mitbeteiligten ausschließt.

24 § 34 Abs. 3 EStG 1988 macht den Anspruch auf Steuerermäßigung wegen außergewöhnlicher Belastung davon abhängig, dass die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwächst; dies ist dann der Fall, wenn der Steuerpflichtige sich der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann. Dabei ist die Zwangsläufigkeit des Aufwandes stets nach den Umständen des Einzelfalles zu prüfen (vgl. Hofstätter/Reichel, § 34 Abs. 2 bis 5 EStG54 1988 Tz 7). 25 Aufwendungen, die Folge eines Verhaltens sind, zu dem sich der Steuerpflichtige aus freien Stücken entschlossen hat, sind nicht zwangsläufig erwachsen. So können etwa Aufwendungen, die Folge der Abgabe einer unbedingten Erbserklärung oder der Einwilligung in eine einvernehmliche Scheidung sind, zu keiner Steuerermäßigung nach § 34 EStG 1988 führen (vgl. VwGH 21.10.2015, Ro 2014/13/0038).

26 Das BFG hat die Zwangsläufigkeit der Heimkostenbeiträge des Mitbeteiligten unter Hinweis auf seine Unterhaltsverpflichtung gemäß § 143 ABGB bejaht, wobei es eine Unterhaltsverpflichtung des vom Vater mit der Schenkung der Liegenschaft bedachten Bruders des Mitbeteiligten unter Hinweis auf dessen niedrige Einkünfte im Streitjahr verneinte und die Verwertung einer als Wohnsitz dienenden Liegenschaft für Zwecke der Erfüllung der Unterhaltspflicht für von Vornherein unzumutbar hielt. 27 Der unterhaltspflichtige Mitbeteiligte kann allerdings für die Übernahme von Aufwendungen für die Heimunterbringung seines Vaters nur insofern außergewöhnliche Belastungen geltend machen, als ihm diese zwangsläufig erwachsen. Soweit er ohne rechtliche Verpflichtung freiwillig einen größeren Anteil der Aufwendungen übernimmt und andere Unterhaltspflichtige damit entlastet, liegen keine außergewöhnlichen Belastungen vor (VwGH 21.11.2013, 2010/15/0130).

28 Der Unterhaltsanspruch gegen Nachkommen, der nach der Wertung des § 143 ABGB einen Ausnahmefall darstellt, setzt nach § 143 Abs. 1 ABGB fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit der unterhaltsberechtigten Eltern voraus (vgl. zB OGH 9.6.2009, 1 Ob 88/09m). Mehrere Nachkommen gleichen Grades schulden den Unterhalt anteilig nach Kräften (OGH 21.11.2006, 4 Ob 192/06y, mwN).

29 Vor diesem zivilrechtlichen Hintergrund fehlen im angefochtenen Erkenntnis nähere Feststellungen zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Bruders des Mitbeteiligten. So hat sich das BFG zu dessen Einkommenssituation auf die Feststellung beschränkt, dass dieser "im Jahr 2012 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 716,23 EUR" erzielte. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Bruders im Rahmen seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem Vater ist die isolierte Betrachtung der Einkommenshöhe eines Wirtschaftsjahrs allein jedoch nicht aussagekräftig.

30 Darüber hinaus ist angesichts der Grundstücksschenkung des pflegebedürftigen Vaters zu beachten, dass dem Geschenkgeber noch § 946 ABGB zwar in der Regel nicht das Recht zusteht, die Schenkung zu widerrufen, ihm aber Ansprüche nach § 947 ABGB zustehen, die wie andere vermögensrechtliche Ansprüche gegen Dritte zu behandeln sind, welche ein Elternteil zur Deckung seines Bedarfs einsetzen kann und daher auch einsetzen muss. Ein Unterhaltsanspruch gegen Kinder kommt nach der Rechtsprechung des OGH daher nur in Betracht, soweit trotz des Bestehens von Ansprüchen nach § 947 ABGB die Selbsterhaltungsfähigkeit zu verneinen ist, dh im Umfang der verbleibenden "Bedarfslücke" (OGH 21.11.2006, 4 Ob 192/06y). Gerät der Geschenkgeber nach einer Schenkung in der Folge in eine solche Dürftigkeit, dass es ihm an dem nötigen Unterhalte gebricht, so ist er nach dieser Bestimmung nämlich befugt, jährlich von dem geschenkten Betrage die gesetzlichen Zinsen, insoweit die geschenkte Sache oder derselben Wert noch vorhanden sind, und ihm der nötige Unterhalt mangelt, von dem Beschenkten zu fordern, wenn sich dieser nicht selbst in gleich dürftigen Umständen befindet.

31 Bei der Beurteilung der Notlage des Vaters des Mitbeteiligten sind demnach auch Ansprüche des Vaters nach § 947 ABGB als "eigene Mittel" zu berücksichtigen, wenn ihre Geltendmachung zumutbar ist und sie rechtzeitig durchgesetzt werden können (vgl. zB OGH 21.11.2006, 4 Ob 192/06y, mwN). Ob ein solcher Anspruch des Vaters gegen den Bruder des Mitbeteiligten als Geschenknehmer des Grundstücks im Revisionsfall bestand, hängt damit wiederum von den Feststellungen zu dessen Einkommens- und Vermögensverhältnissen ab. Bejahendenfalls würden diese Zinsen den Unterhaltsanspruch des Vaters gegen seine Kinder bereits von Vornherein mindern.

32 Da sich die Unterhaltsverpflichtung des Mitbeteiligten und damit die Zwangsläufigkeit der getätigten Aufwendungen ohne diese Feststellungen nicht bestimmen lässt, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen prävalierender Rechtswidrigkeit seines Inhaltes (Fehlen wesentlicher Feststellungen auf Grund unrichtiger Rechtsansicht) aufzuheben.

Wien, am 20. November 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2018150024.J00

Im RIS seit

21.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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