Index
L55001 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz BurgenlandNorm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der Niederösterreichischen Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes
Niederösterreich vom 2. Oktober 2018, Zl. LVwG-AV-532/002-2015, betreffend Zuerkennung einer Vergütung gemäß § 23 Abs. 1 NÖ Naturschutzgesetz 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: M H in R, vertreten durch Dr. Maximilian Schaffgotsch, LL.M., Rechtsanwalt in 1010 Wien, Postgasse 6), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Das Land Niederösterreich hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 1.1. Mit (rechtskräftigem) Bescheid der belangten Behörde vom 6. März 2013 wurde - im Instanzenzug - ein Antrag der Rechtsvorgänger des Mitbeteiligten auf Bewilligung einer Aufforstung mit Fichten auf den Grundstücken Nr. 351, 352 und 356 KG L., gemäß § 10 NÖ Naturschutzgesetz 2000 - NÖ NSchG 2000 abgewiesen, weil die Aufforstung zu einer erheblichen Beeinträchtigung (negatives Ergebnis der Naturverträglichkeitsprüfung) des Europaschutzgebietes Waldviertel führe.
2 1.2. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 24. Jänner 2014 wurde ein Antrag des Mitbeteiligten vom 28. Juni 2013 auf Vergütung vermögensrechtlicher Nachteile aufgrund des genannten Bescheides vom 6. März 2013 gemäß §§ 23 und 30 NÖ NSchG 2000 abgewiesen.
3 Der Begründung dieses Bescheides ist (unter anderem) zu entnehmen, eine Einschränkung der Bewirtschaftungs- oder Nutzungsmöglichkeiten (im Sinn des § 23 Abs. 1 erster Satz NÖ NSchG 2000) durch die versagte Bewilligung einer Fichtenproduktion könne im Bescheid vom 6. März 2013 durchaus erkannt werden. Bei der Beurteilung einer Entschädigungspflicht nach § 23 NÖ NSchG 2000 komme allerdings ein Vergleich mit einer Variante nicht in Betracht, für die keine Bewilligung erlangt werden könne.
4 1.3. Eine gegen diesen Bescheid vom Mitbeteiligten erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zunächst mit Erkenntnis vom 10. März 2015 ab, wobei es den Entschädigungsantrag als verspätet zurückwies, weil die zugrunde liegende Verordnung über die Europaschutzgebiete bereits am 30. Juli 2009 in Kraft getreten sei und der gegenständliche Antrag vom 28. Juni 2013 somit außerhalb der Zweijahresfrist nach § 30 Abs. 3 NÖ NSchG 2000 gestellt worden sei.
5 Dieses Erkenntnis wurde mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. September 2015, Zl. E 865/2015, aufgehoben, wobei der Verfassungsgerichtshof zur Begründung (im Kern) ausführte, die konkrete Eigentumsbeschränkung und die dadurch bewirkte Ertragsminderung des Mitbeteiligten resultiere (erst) aus dem die Bewilligung der Fichtenaufforstung versagenden Bescheid vom 6. März 2013, sodass der Entschädigungsantrag des Mitbeteiligten rechtzeitig sei (Punkt III.1.5. des Erkenntnisses). 6 1.4. Mit dem nunmehr angefochtenen (Ersatz-)Erkenntnis vom 2. Oktober 2018 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge und erkannte diesem wegen der aufgrund des Bescheides vom 6. März 2013 entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile gemäß § 23 Abs. 1 NÖ NSchG 2000 eine Entschädigung von EUR 4.799,-- zu.
7 Dem legte das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren relevant - zugrunde, eine forstliche Nutzung der gegenständlichen Grundstücke in Form einer Fichtenaufforstung sei "aus naturschutzrechtlichen Gründen nicht zulässig" (Hinweis auf den Bescheid der belangten Behörde vom 6. März 2013). Die Höhe der zuerkannten Entschädigung begründete das Verwaltungsgericht (näher ausgeführt) mit einem Vergleich der jährlich erzielbaren Pachterlöse für die (derzeit verpachteten) Grundstücke mit einem prognostizierten Jahreserlös aus einer Fichtenaufforstung. 8 In rechtlicher Hinsicht berief sich das Verwaltungsgericht u. a. auf das aufhebende Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 21. September 2015, wonach erst das mit Bescheid vom 6. März 2013 ausgesprochene konkrete Verbot einer Fichtenaufforstung zu einer Einschränkung der Bewirtschaftungs- und Nutzungsmöglichkeiten des Mitbeteiligten geführt habe. 9 1.5. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision der Niederösterreichischen Landesregierung (als der belangten Behörde vor dem Verwaltungsgericht).
10 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet. 11 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in
nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 14 3. Vorliegend sind folgende Bestimmungen des NÖ Naturschutzgesetzes 2000 - NÖ NSchG 2000, LGBL. 5500- 0 idF LGBl. Nr. 12/2018, in den Blick zu nehmen:
"§ 10
Verträglichkeitsprüfung
(1) Projekte,
-
die nicht unmittelbar mit der Verwaltung eines Europaschutzgebietes in Verbindung stehen oder hierfür nicht notwendig sind und
-
die ein solches Gebiet einzeln oder in Zusammenwirkung mit anderen Plänen oder Projekten erheblich beeinträchtigen könnten,
bedürfen einer Bewilligung der Behörde.
(2) Die Behörde hat auf Antrag eines Projektwerbers oder der NÖ Umweltanwaltschaft mit Bescheid festzustellen, dass das Projekt weder einzeln noch im Zusammenwirken mit anderen Plänen oder Projekten zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Europaschutzgebietes führen kann. Dabei sind bereits erfolgte Prüfungen in vorausgegangenen oder gleichzeitig durchzuführenden Verfahren zu berücksichtigen.
(3) Im Rahmen des Bewilligungsverfahrens hat die Behörde eine Prüfung des Projektes auf Verträglichkeit mit den für das betroffene Europaschutzgebiet festgelegten Erhaltungszielen, insbesondere die Bewahrung oder Wiederherstellung eines günstigen Erhaltungszustandes der natürlichen Lebensräume und wildlebenden Tier- und Pflanzenarten in diesem Gebiet, durchzuführen (Naturverträglichkeitsprüfung).
(4) Hat die Behörde aufgrund der Ergebnisse der Naturverträglichkeitsprüfung festgestellt, dass das Gebiet als solches nicht erheblich beeinträchtigt wird, ist die Bewilligung zu erteilen.
(5) Hat die Behörde aufgrund der Ergebnisse der Naturverträglichkeitsprüfung festgestellt, dass das Gebiet als solches erheblich beeinträchtigt wird (negatives Ergebnis der Naturverträglichkeitsprüfung), hat sie Alternativlösungen zu prüfen.
(6) Ist eine Alternativlösung nicht vorhanden, darf die Bewilligung nur erteilt werden, wenn das Projekt
-
bei einem prioritären natürlichen Lebensraumtyp und/oder einer prioritären Art aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses im Zusammenhang mit der Gesundheit des Menschen, der öffentlichen Sicherheit oder maßgeblichen günstigen Auswirkungen für die Umwelt und nach Stellungnahme der Europäischen Kommission auch aus anderen zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses
-
ansonsten aus zwingenden Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses einschließlich solcher sozialer oder wirtschaftlicher Art gerechtfertigt ist (Interessenabwägung).
(7) Dabei hat die Behörde alle notwendigen Ausgleichsmaßnahmen vorzuschreiben, um sicherzustellen, dass die globale Kohärenz von Natura 2000 geschützt ist. Die Europäische Kommission ist von diesen Maßnahmen zu unterrichten.
(...)
§ 23
Entschädigungsanspruch
(1) Ergeben sich aus dem Inhalt einer Verordnung oder eines Bescheides, denen Vorschriften dieses Gesetzes zugrunde liegen, für ein Grundstück oder eine schon vor der Erlassung der Verordnung oder des Bescheides errichtete Anlage eine erhebliche Minderung des Ertrages oder eine nachhaltige Erschwernis der Wirtschaftsführung oder die Unzulässigkeit oder wesentliche Einschränkung von Bewirtschaftungs- oder Nutzungsmöglichkeiten, ist dem Eigentümer oder mit Zustimmung des Eigentümers dem Nutzungsberechtigten auf Antrag eine Vergütung der hiedurch entstehenden vermögensrechtlichen Nachteile zu leisten. Bei der Bemessung der Höhe der Entschädigung sind wirtschaftliche Vorteile, die sich aus der naturschutzbehördlichen Maßnahme ergeben, zu berücksichtigen.
(...)
§ 30
Entschädigungsverfahren
(1) Die Naturschutzbehörde hat aus Anlass eines Verfahrens, in dem Entschädigungsansprüche gemäß § 23 Abs. 1 geltend gemacht werden, danach zu trachten, vor Bescheiderlassung eine gütliche Übereinkunft über die geltend gemachte Entschädigung zu erzielen.
(2) (...)
(3) Kann keine Einigung im Sinne des Abs. 1 erzielt werden, ist ein Antrag auf Entschädigung nach § 23 vom Grundeigentümer oder vom Berechtigten, bei sonstigem Anspruchsverlust, innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten der Verordnung oder nach Eintritt der Rechtskraft der das Verfahren abschließenden Erledigung bei der Landesregierung einzubringen. Die Landesregierung hat über das Bestehen des Anspruches und über die Höhe der Entschädigung oder des Einlösungsbetrages mit Bescheid zu entscheiden.
(...)"
15 3. In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.
16 3.1. Darin weist die Revisionswerberin zunächst auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hin, wonach eine Entschädigung dort nicht in Frage komme, wo sich Beschränkungen schon (unmittelbar) aufgrund des Gesetzes ergäben (Hinweis auf VwGH 14.5.2002, 2000/10/0124). Dies sei vorliegend - was die Revisionswerberin näher ausführt - der Fall.
17 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof in dem erwähnten Erkenntnis vom 21. September 2015 - für das Verwaltungsgericht in der vorliegenden Rechtssache gemäß § 87 Abs. 2 Verfassungsgerichtshofge setz 1953 bindend - ausgesprochen hat, dass die Eigentumsbeschränkung und die dadurch erwirkte Ertragsminderung - welche der Mitbeteiligte mit seinem Antrag geltend macht - "zweifelsohne" aus dem die Bewilligung der geplanten Fichtenaufforstung versagenden Bescheid vom 6. März 2013 resultiere (vgl. Punkt III.1.5. dort).
18 3.2. Im Weiteren bringt die Revisionswerberin in ihren Zulässigkeitsausführungen vor, das angefochtene Erkenntnis weiche vom hg. Erkenntnis vom 16. September 1985, 84/10/0139 = VwSlg. 11.852 A, insofern ab, als eine Entschädigung für eine zwar geplante, aber im Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Unterschutzstellungserklärung noch nicht realisierte Wirtschaftsführung (ertragsbringende Bewirtschaftung) nicht normiert sei. Überdies könne aus einer rechtmäßig nicht realisierbaren Wirtschaftsvariante kein Ertragsentgang geltend gemacht werden.
19 Damit lässt die Revisionswerberin allerdings außer Acht, dass die in dem angeführten Erkenntnis angewendete Bestimmung (§ 23 Abs. 1 des Burgenländischen Naturschutzgesetzes, LGBl. Nr. 23/1961 idF LGBl. Nr. 9/1974) - unter bestimmten Voraussetzungen - eine Entschädigung für eine "wesentliche Erschwerung der Wirtschaftsführung" oder eine "erhebliche Ertragsverminderung" vorsah. Damit ist die Rechtslage nach dem hier zugrunde liegenden § 23 Abs. 1 erster Satz dritte Alternative NÖ NSchG 2000, welcher auf die "Unzulässigkeit von Bewirtschaftungs- oder Nutzungsmöglichkeiten" (Hervorhebungen durch den Gerichtshof) abstellt, nicht vergleichbar.
20 4. Die Revision war daher zurückzuweisen.
21 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 21. November 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018100200.L00Im RIS seit
21.01.2020Zuletzt aktualisiert am
21.01.2020