TE Vwgh Beschluss 2019/12/4 Ra 2019/12/0073

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Veröffentlicht am 04.12.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz

Norm

AVG §56
BDG 1979 §27
B-VG Art130 Abs3
B-VG Art133 Abs4
B-VG Art20 Abs1
B-VG Art7 Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §27
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofrätinnen Mag.a Nussbaumer-Hinterauer und MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Mag. D P in I, vertreten durch Dr. Peter Klaunzer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Juli 2019, Zl. W122 2218644-1/6E, betreffend Feststellung i.A. der Verpflichtung zur Absolvierung einer Grundausbildung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesminister für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Er ist im Ressortbereich des Bundesministeriums für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz der Justizanstalt Innsbruck zur Dienstleistung zugewiesen. Mit Wirkung vom 1. Mai 2018 wurde er auf eine Planstelle der Verwendungsgruppe A1, Funktionsgruppe 1, ernannt.

2 Das Bundesverwaltungsgericht ging von folgendem - in der Zulässigkeitsbegründung nicht bestrittenen - Sachverhalt aus:

Nachdem der Revisionswerber angewiesen worden war, dass er die diesbezügliche Grundausbildung zu absolvieren habe, legte dieser mit Eingabe vom 28. Juni 2018 dar, dass er seiner Auffassung nach nicht verpflichtet sei, die in Rede stehende Ausbildung zu absolvieren. Die Verordnung der Bundesministerin für Justiz über die Grundausbildung für die Bediensteten der Entlohnungsgruppe v1 im Planstellenbereich Justizanstalten (im Folgenden: Grundausbildungsverordnung), BGBl. II Nr. 129/2011, sei auf ihn nämlich nicht anwendbar.

3 Mit Schreiben vom 16. November 2018 wiederholte die Behörde die in Rede stehende Weisung.

4 Am 28. Dezember 2018 beantragte der Revisionswerber im Wege seiner anwaltlichen Vertretung für den Fall, dass die Behörde an ihrer Rechtsansicht festhalte, die Erlassung eines Feststellungsbescheides betreffend die Frage, ob er die oben genannte Grundausbildung zu absolvieren habe.

5 Mit Bescheid vom 3. April 2019 stellte die Dienstbehörde im Hinblick auf diesen Antrag fest, dass der Revisionswerber verpflichtet sei, die Grundausbildung für die Bediensteten der Entlohnungsgruppe v1 im Planstellenbereich Justizanstalten zu absolvieren.

6 Begründend führte die Behörde aus, die Grundausbildungsverordnung sei auch auf den Revisionswerber anwendbar. Eine andere Grundausbildungsverordnung, die für den Revisionswerber in Betracht käme, existiere nicht mehr. Die von der Behörde vertretene Rechtsansicht werde auch durch die Bestimmung des § 20 Abs. 4 Grundausbildungsverordnung in der Fassung BGBl. II Nr. 85/2012 bestätigt. Diese Bestimmung ordne das Außerkrafttreten der Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 15. Dezember 1982 über die Grundausbildung für die Verwendungsgruppe A in den Justizanstalten und in der Bewährungshilfe, BGBl. Nr. 628/1982, mit Ablauf des 31. Mai 2012 an. Würde man ausschließlich aufgrund der in § 1 Grundausbildungsverordnung genannten Wortfolge "Entlohnungsgruppe v1" davon ausgehen, dass der Revisionswerber keine Grundausbildung zu absolvieren hätte, würde dies zu einer unsachlichen Differenzierung zwischen privat-rechtlichen und öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen führen. Dass die für all diese Dienstverhältnisse zu absolvierenden Grundausbildungen vergleichbar seien und die diesbezüglichen Vorschriften in engem inhaltlichen Zusammenhang stünden, zeigten überdies die Bestimmungen der §§ 65 und 67 Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG), BGBl. Nr. 86.

7 Der Revisionswerber erhob Beschwerde.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

9 Das Gericht verwies u.a. auf § 27 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333. Diese Bestimmung berechtige die Behörde, den Revisionswerber zur Grundausbildung zuzuweisen. Der Bescheid, mit dem der Revisionswerber in die Verwendungsgruppe A1, Funktionsgruppe 1, ernannt worden sei, stehe der ihm von der Behörde auferlegten Verpflichtung zur Absolvierung der Grundausbildung nicht entgegen.

10 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 23. September 2019, E 3040/2019-6, gemäß Art. 144 Abs. 2 B-VG die Behandlung der Beschwerde ablehnte und diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof abtrat. 11 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes verbunden mit dem Antrag geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis aus diesem Grund aufzuheben. 12 Zur Begründung ihrer Zulässigkeit beruft sich die Revision auf das Fehlen von Rechtsprechung zur Frage, ob Grundausbildungsverordnungen für Vertragsbedienstete auch auf Beamte anwendbar seien. Es stelle sich zudem die Frage, in welcher Weise § 27 BDG 1979 und die Anlage 1/01 zum BDG 1979, insbesondere deren Z 1.20, auszulegen seien.

13 Sofern das dem hg. Erkenntnis vom 16. September 2010, 2009/12/0170, zugrundeliegende Ausgangsverfahren mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbar sei, liege auch eine Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. In der zuletzt genannten Entscheidung habe der Verwaltungsgerichtshof festgehalten, dass ein Anspruch einer Berufsmilitärperson auf Zulassung zur Grundausbildung der höheren Verwendungsgruppe nicht bestehe, weil eine solche Grundausbildung nicht Definitivstellungserfordernis für jene Verwendungsgruppe sei, in welche die Berufsmilitärperson ernannt worden sei. Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

14 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

15 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Hat das Verwaltungsgericht - wie im gegenständlichen Fall - ausgesprochen, dass die Revision nicht gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist, hat die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. 16 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof hingegen nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 17 Mit dem durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigten Bescheid vom 3. April 2019 stellte die Dienstbehörde im Hinblick auf den Antrag des Revisionswerbers vom 28. Dezember 2018 fest, dass dieser verpflichtet sei, die Grundausbildung für die Bediensteten der Entlohnungsgruppe v1 im Planstellenbereich Justizanstalten zu absolvieren. Bei der Beurteilung, ob diese Verpflichtung zu Recht festgestellt wurde, ist die aus der - vom Bundesverwaltungsgericht unangefochten festgestellten - Weisung resultierende Befolgungspflicht in Betracht zu ziehen. 18 Einer solchen Befolgungspflicht könnte nur die Unwirksamkeit der Weisung entgegen stehen, was dann der Fall ist, wenn diese von einem unzuständigen Organ erteilt wird, ihre Befolgung gegen strafrechtliche Vorschriften verstößt oder dem weisungserteilenden Vorgesetzten "Willkür" vorzuwerfen ist (VwGH 20.11.2018, Ra 2017/12/0123).

19 Darüber, welche Umstände vorliegen müssen, um Willkür anzulasten, lässt sich keine allgemeine Aussage treffen. Ob Willkür vorliegt, kann nur dem Gesamtbild des Verhaltens der Behörde im einzelnen Fall entnommen werden. Ein willkürliches Verhalten liegt nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes u.a. in der gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außerachtlassen des konkreten Sachverhaltes. Entsprechendes gilt in Ansehung der Prüfung einer Weisung auf "Willkürlichkeit" (siehe ebenfalls VwGH 20.11.2018, Ra 2017/12/0123).

20 Im Rahmen der Beurteilung der Befolgungspflicht einer Weisung ist die Dienstbehörde lediglich gehalten, eine "Grobprüfung" derjenigen Weisung, deren Befolgungspflicht zu beurteilen ist, auf "Willkür" vorzunehmen. Nichts anderes gilt für die vom Verwaltungsgericht (durch Abweisung der Beschwerde) getroffene Entscheidung in dieser "Sache" (VwGH 10.12.2018, Ra 2018/12/0060).

21 Somit hat die Dienstbehörde (und das Verwaltungsgericht) betreffend die Frage, ob eine "willkürliche" Weisung vorliegt, die zu ihrer Rechtsunwirksamkeit führt und daher auch nicht zu befolgen ist, nur zu prüfen, ob diese qualifiziert fehlerhaft ist. Hingegen ist für die Befolgungspflicht die Frage, ob eine rechtswirksam ergangene Weisung rechtmäßig ist, nicht zu beurteilen, weil auch eine (schlicht) gesetzwidrige Weisung zu befolgen ist und daher die nach dem Gesetz daran geknüpften Folgen auslöst (VwGH 19.10.2016, Ra 2016/12/0078).

22 Dass im Sinne dieser Rechtsprechung von der Unwirksamkeit der in Rede stehenden Weisung auszugehen sei, legt die Zulässigkeitsbegründung, die auf die Frage der Befolgungspflicht und die dem Revisionswerber erteilte Weisung in keiner Weise Bezug nimmt, nicht dar. Die Frage betreffend eine allfällige "schlichte" Rechtswidrigkeit der Weisung, also eine solche, die die Pflicht zu ihrer Befolgung nicht berührt (vgl. dazu z.B. VwGH 30.5.2017, Ra 2016/12/0066), war jedenfalls ebenso wenig Gegenstand des vorliegenden Verfahrens wie die in der Zulässigkeitsbegründung angesprochene Frage, ob einem Beamten Anspruch auf Zulassung zur Grundausbildung zukommt.

23 Dass die vorliegende Weisung von einem unzuständigen Organ erteilt worden wäre oder ihre Befolgung gegen strafrechtliche Vorschriften verstieße, ist nicht ersichtlich. Für das Vorliegen von "subjektiver" Willkür des Weisungserteilenden bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Dass fallbezogen von "objektiver" Willkür auszugehen wäre, wird in der Zulässigkeitsbegründung, die zu diesem Gesichtspunkt - wie bereits erwähnt - keinerlei Vorbringen enthält, nicht stichhaltig aufgezeigt. Es wird in diesem Zusammenhang insbesondere versäumt, konkret darzulegen, weshalb die dem Revisionswerber erteilte Weisung nicht einmal geeignet sein könnte, eine "denkmögliche" Konkretisierung der in §§ 25 ff BDG 1979 getroffenen Regelungen darzustellen. 24 Da aus den dargelegten Erwägungen die Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen, war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Wien, am 4. Dezember 2019

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung FeststellungsbescheideErmessen VwRallg8Organisationsrecht Diverses Weisung Aufsicht VwRallg5/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019120073.L00

Im RIS seit

21.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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