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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AVG §62 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Nedwed sowie die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. August 2019, W121 2193695-1/11Z, betreffend eine Asylangelegenheit (mitbeteiligte Partei: S K), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 22. Oktober 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 27. März 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag zur Gänze ab, erteilte dem Mitbeteiligten keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine 14-tägige Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) gab - entsprechend der mit 12. August 2018 datierten und genehmigten Urschrift - der vom Mitbeteiligten gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde statt, erkannte ihm gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 den Status des Asylberechtigten zu und stellte gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 fest, dass ihm damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
4 Die genannte Urschrift enthält - anders als die den Parteien zugestellten Ausfertigungen - in ihrem Begründungsteil inhaltliche Ausführungen auch zur Beweiswürdigung sowie zur die Stattgabe der Beschwerde betreffenden, rechtlichen Beurteilung des Gerichts. Die den Parteien des Verfahrens zugestellten Ausfertigungen weichen von der genehmigten Urschrift insofern ab, als sowohl die in der Urschrift enthaltenen Feststellungen zu den Fluchtgründen des Mitbeteiligten als auch - abgesehen von der zu den Überschriften "2. Beweiswürdigung", "3. Rechtliche Beurteilung" sowie "Zu A) Stattgabe der Beschwerde" erfolgten Untergliederung - die gesamten Ausführungen zur Beweiswürdigung sowie zur (die Stattgabe der Beschwerde betreffenden) rechtlichen Beurteilung fehlen.
5 Mit dem angefochtenen Beschluss vom 20. August 2019 sprach das BVwG aus, dass "das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.08.2019" gemäß § 62 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG dahingehend berichtigt werde, dass die Textteile zu
"2. Beweiswürdigung und 3. Rechtliche Beurteilung sowie zu
A) Stattgabe der Beschwerde" eingefügt werden würden. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
6 In rechtlicher Hinsicht führte das BVwG aus, es seien im Erkenntnis vom 12. August 2019 die Textteile zur Beweiswürdigung und zur rechtlichen Beurteilung nicht abgebildet worden. Dabei handle es sich um einen offensichtlichen Aufmerksamkeitsfehler und damit um ein offenkundiges Versehen, welches im Zusammenhang mit dem Verwaltungsakt und dem im Erkenntnis beschriebenen Verfahrensgang leicht erkennbar und daher berichtigungsfähig sei.
7 Weiters finden sich in der Begründung des angefochtenen Beschlusses unter der Darstellung des Verfahrensganges jene Textpassagen, die entsprechend dem Spruch des Berichtigungsbeschlusses im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. August 2019 einzufügen seien.
8 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit - unter dem Gesichtspunkt einer Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - zusammengefasst vorbringt, das BVwG habe aus näher dargestellten Gründen die gemäß § 62 Abs. 4 AVG zulässigen Grenzen der Berichtigung überschritten.
9 Der Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Die Revision ist zulässig und begründet.
11 Zunächst ist der Revision darin beizupflichten, dass in einer Konstellation, in der die Urschrift sowie die Ausfertigungen der Entscheidung von der für eine Berichtigung in Betracht gezogenen Fehlerhaftigkeit gleichermaßen betroffen wären, § 62 Abs. 4 AVG für eine Berichtigung in dem hier in Rede stehenden Ausmaß keinesfalls Deckung bieten würde. Eine Berichtigung im Sinne des § 62 Abs. 4 AVG ist nämlich unter anderem überall dort ausgeschlossen, wo sie die Sanierung eines unterlaufenen Begründungsmangels bewirkt (vgl. z.B. VwGH 22.2.2018, Ra 2017/09/0006, mwN).
12 Im vorliegenden Fall scheint das BVwG allerdings keinen Begründungsmangel in Urschrift und Ausfertigungen korrigieren zu wollen, sondern lediglich eine Übereinstimmung von Urschrift und Ausfertigungen anzustreben. Dies ist hier jedoch nicht erfolgt. Die Urschrift vom 12. August 2019 enthält - wie erwähnt - Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Mitbeteiligten, die in den Berichtigungsbeschluss des BVwG keinen Eingang gefunden haben.
13 Der angefochtene Berichtigungsbeschluss erweist sich somit in jedem Fall als rechtswidrig. Auf den Umstand, dass den Parteien des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht eine mit der Urschrift vom 12. August 2019 übereinstimmende Ausfertigung nach der Aktenlage nicht zugegangen ist, sowie auf die sich daraus allenfalls für die Frage einer rechtswirksamen Erlassung des Erkenntnisses des BVwG ergebenden Konsequenzen (VwGH 12.12.2012, 2012/18/0157), war daher aus Anlass des vorliegenden Revisionsfalls nicht weiter einzugehen.
14 Aus den dargelegten Erwägungen belastete das BVwG den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 6. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019180373.L00Im RIS seit
21.01.2020Zuletzt aktualisiert am
21.01.2020