TE Vwgh Beschluss 2019/12/6 Ra 2017/06/0207

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Veröffentlicht am 06.12.2019
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Index

L85003 Straßen Niederösterreich
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §8
LStG NÖ 1999
LStG NÖ 1999 §12
LStG NÖ 1999 §13
LStG NÖ 1999 §4 Z5
LStG NÖ 1999 §9 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2017/06/0208 B 06.12.2019

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Hofrätin Mag.a Merl und Hofrat Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima, LL.M., über die Revision 1. des Dr. E M und 2. der E M, beide in N und vertreten durch Dr. Josef Lindlbauer, Rechtsanwalt in 4470 Enns, Bräuergasse 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 21. Juli 2017, LVwG-AV-1261/001-2016, betreffend eine Angelegenheit nach dem Niederösterreichischen Straßengesetz 1999 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeinderat der Marktgemeinde Neustadtl an der Donau; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben der Marktgemeinde Neustadtl an der Donau Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Die revisionswerbenden Parteien sind jeweils Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ X, KG S., mit dem Grundstück Nr. A. In unmittelbarer Umgebung ist die Liegenschaft EZ Y, KG S., der Ehegatten K. mit den Grundstücken Nr. B, C, D/2, E und F/1 situiert.

2 Auf den Grundstücken Nr. G, H und I/2 der Liegenschaft EZ Z, KG S., befindet sich eine öffentliche Gemeindestraße im Eigentum der Marktgemeinde N. (öffentliches Gut). Dieser Weg (Ackerweg bzw. geschotterter Weg) steht der Allgemeinheit zum Gebrauch zur Verfügung und dient dem Verkehr von Menschen, Fahrzeugen oder Tieren. Er führt hinter dem Anwesen der Ehegatten K. vorbei zum Anwesen der revisionswerbenden Parteien und verbindet zwei Landstraßen. Die Widmung dieses Weges wurde von der Marktgemeinde N. nicht aufgehoben. Weder den revisionswerbenden Parteien noch den Ehegatten K. wurden an diesem Weg Sonderrechte eingeräumt.

3 Sowohl das Anwesen der revisionswerbenden Parteien als auch das Anwesen der Ehegatten K. ist durch einen weiteren Straßenzug (öffentliche Gemeindestraßen) erschlossen.

4 Im Zuge der Errichtung von Stallungen wurde von den Ehegatten K. der Weg über die Grundstücke Nr. I/2 und H umgeackert bzw. mit Bauschutt bedeckt und in weiterer Folge bewirtschaftet. Seit April 2014 bildet der Weg mit den daneben liegenden Wiesen eine Einheit, er ist begrünt und nicht mehr erkennbar. Von den Ehegatten K. werden zweimal jährlich Mäharbeiten durchgeführt. Sie haben am seinerzeitigen Beginn und am Ende des Weges Schilder mit der Aufschrift "Achtung hier wächst Futter für Milchvieh! Wir bitten um Verständnis. Kein Reitweg" angebracht. Den revisionswerbenden Parteien ist es ebenso wie anderen Anrainern, Wanderern oder sonstigen Personen nicht mehr möglich, den Weg zum Spazieren oder Reiten zu benutzen. Der Weg in seiner ursprünglichen Form existiert nicht mehr.

5 Mit Eingabe vom 13. Juli 2015 beantragten die revisionswerbenden Parteien beim Bürgermeister der Marktgemeinde N., gegen die Störungen und Eingriffe der Ehegatten K. "am Gemeingebrauch der öffentlichen Wege auf den Parzellen I/2 und G" unverzüglich Abhilfe zu schaffen. 6 Der aufgrund eines Devolutionsantrages zuständig gewordene Gemeinderat der Marktgemeinde N. wies diesen Antrag mit Bescheid vom 28. Juli 2016 nach dem NÖ Straßengesetz 1999 als unzulässig zurück. Den revisionswerbenden Parteien komme mangels Geltendmachung eines subjektiv-öffentlichen Rechts keine Parteistellung zu.

7 Nach Erhebung einer Beschwerde durch die revisionswerbenden Parteien gegen diesen Bescheid erließ der Gemeinderat der Marktgemeinde N. gemäß § 14 VwGVG zunächst die Beschwerdevorentscheidung vom 21. Oktober 2016, mit der die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde.

8 Die revisionswerbenden Parteien stellten einen Vorlageantrag.

9 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich (LVwG) vom 21. Juli 2017 wurde die Beschwerde der revisionswerbenden Parteien abgewiesen. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.

10 In seinen Erwägungen hielt das LVwG im Wesentlichen fest, § 13 NÖ Straßengesetz 1999 regle die Parteistellung von Personen im Bewilligungsverfahren nach § 12 NÖ Straßengesetz 1999. Eine weiterreichende Parteistellung werde in diesem Gesetz nicht eingeräumt. Ferner ergebe sich aus § 9 NÖ Straßengesetz 1999 die Erhaltungspflicht der Eigentümer öffentlicher Straßen. Der Landesgesetzgeber habe bewusst ausschließlich in bestimmten Verfahren (Bewilligungsverfahren) einem bestimmten Personenkreis die Parteistellung einräumen wollen, nicht hingegen weitere Parteienrechte nach diesem Gesetz.

11 Die revisionswerbenden Parteien hätten kein subjektivöffentliches Recht nach § 13 NÖ Straßengesetz 1999 auf Erhaltung des Gemeingebrauches gegenüber der Behörde. Der Verwaltungsgerichtshof habe festgehalten, dass einem bloß am Gemeingebrauch einer öffentlichen Straße Interessierten ein subjektiv-öffentliches Recht weder im Verfahren über die Widmung, noch in jenem über die Endigung der Öffentlichkeit einer Straße zukomme, vielmehr sei der Gemeingebrauch nur ein Reflex des objektiven Rechts. Weiters komme nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in Verfahren betreffend die Feststellung, ob die Straße als öffentlich anzusehen sei, den Personen, die diese Straße aufgrund des Gemeingebrauches benutzten, keine Parteistellung zu. Obgleich diesen Entscheidungen andere Sachverhaltskonstellationen zugrunde gelegen seien, zeige sich anhand dieser Rechtsprechung, dass der Gemeingebrauch keine subjektiv-öffentlichen Rechte begründe.

12 Aus dem NÖ Straßengesetz 1999 könne auch kein subjektives Recht des Einzelnen auf Einhaltung der Bestimmungen über Pflichten im Zusammenhang mit der Erbauung und Erhaltung von öffentlichen Straßen abgeleitet werden.

13 Auch aus der von den revisionswerbenden Parteien genannten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 6. Juli 2009, 1 Ob 126/09z, lasse sich kein Antragsrecht bzw. keine Parteistellung der revisionswerbenden Parteien im gegenständlichen Verfahren ableiten.

14 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird mit dem Primärantrag die Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit begehrt.

15 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Revision kostenpflichtig zurückzuweisen, in eventu das Revisionsverfahren wegen Gegenstandslosigkeit einzustellen, in eventu die Revision als unbegründet abzuweisen. 16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 19 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

20 Wie bereits im angefochtenen Erkenntnis zutreffend beschrieben, kommt nach der hg. Rechtsprechung einem bloß am Gemeingebrauch einer öffentlichen Straße Interessierten ein subjektiv-öffentliches Recht weder im Verfahren über die Widmung noch in jenem über die Endigung der Öffentlichkeit einer Straße zu. Vielmehr ist der Gemeingebrauch nur ein Reflex des objektiven Rechts (vgl. etwa die zum Kärntner Straßengesetz ergangenen Erkenntnisse VwGH 29.4.1997, 96/05/0281, und 22.9.1998, 98/05/0168). Ferner haben nach der hg. Rechtsprechung diejenigen Personen, die die Straße lediglich aus dem Grunde des Gemeingebrauchs benützen, auch dann, wenn sie Antragsteller sind, im Verfahren betreffend die Feststellung, ob eine Straße als öffentliche Straße anzusehen ist, keine Parteistellung (vgl. dazu VwGH 18.10.2012, 2010/06/0093, mwN).

21 Der Verwaltungsgerichtshof hat ebenso bereits festgehalten, dass, sofern das Gesetz nicht Abweichendes regelt, der Gemeingebrauch kein subjektives öffentliches Recht darstellt (VwGH 12.11.2012, 2011/06/0145). Dass diese Ausführungen im Zusammenhang mit einem Feststellungsverfahren gemäß § 7 NÖ Straßengesetz 1999 getätigt wurden (und dementsprechend schlussfolgernd ausgeführt wurde, dass daher niemand einen Rechtsanspruch auf die Feststellung der Öffentlichkeit der Straße habe), mindert nicht deren grundsätzliche Bedeutung auch für das gegenständliche Verfahren.

22 Diese hg. Rechtsprechung steht auch mit der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes im Einklang, wonach niemandem ein subjektives Recht auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauches an einer öffentlichen Straße zukommt (VfSlg. 17.703/2005; VfGH 28.2.2008, V 78/07; 19.2.2016, V 150-151/2015-4; 24.11.2017, V 92/2017-8). Der Verfassungsgerichtshof hat auch in jenen Fällen die unmittelbare Betroffenheit in Rechten verneint, in denen sich die behaupteten Wirkungen (dort: einer Verordnung) ausschließlich als wirtschaftliche Reflexwirkungen darstellten (VfGH 24.11.2017, V 92/2017-8, mwN). Eine unmittelbare Betroffenheit in Rechten wurde in der verfassungsgerichtlichen Judikatur in ähnlichen Zusammenhängen nur bei Vorliegen besonderer Konstellationen angenommen, so etwa dann, wenn durch eine Verordnung dem Antragsteller die einzige rechtliche Möglichkeit genommen wird, seinen zulässigerweise verfolgten Interessen nachzugehen (vgl. erneut VfGH 24.11.2017, V 92/2017-8, mwN). So stellte der Verfassungsgerichtshof etwa darauf ab, ob die Erschließung der Liegenschaft eines Antragstellers nach wie vor gesichert ist (VfGH 28.2.2008, V 78/07, mwN).

23 Im gegenständlichen Verfahren machten die revisionswerbenden Parteien die Beeinträchtigung des Gemeingebrauches an einem öffentlichen Weg geltend. Es steht fest, dass die Erschließung der Liegenschaft der revisionswerbenden Parteien auch ohne den hier in Rede stehenden Weg gesichert ist. 24 Ein subjektiv-öffentliches Recht am Gemeingebrauch bzw. auf Aufrechterhaltung des Gemeingebrauches wird im NÖ Straßengesetz 1999 nicht eingeräumt (vgl. in diesem Sinne betreffend die Auflassung von Gemeindestraßen auch VfSlg. 17.703/2005; VfGH 28.2.2008, V 78/07). Ein solches Recht ergibt sich auch nicht aus den von den revisionswerbenden Parteien zitierten und andere Sachverhalte regelnden Bestimmungen dieses Gesetzes, insbesondere auch nicht aus § 9 Abs. 1 leg. cit., der Planung, Bau und Erhaltung von Straßen regelt.

25 Da es nach der zitierten Judikatur bereits an einem subjektiv-öffentlichen Recht der revisionswerbenden Parteien am Gemeingebrauch mangelt, zeigt das Vorbringen zur Zulässigkeit der Revision, es fehle Rechtsprechung zur Frage, ob die revisionswerbenden Parteien in dem von ihnen beantragten Verwaltungsverfahren Parteistellung hätten, und sie hätten nicht die Feststellung der Öffentlichkeit einer Straße begehrt (wie dies in bestimmten hg. Entscheidungen gegenständlich gewesen sei), keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf. 26 Die revisionswerbenden Parteien verweisen ferner auf den Beschluss des Obersten Gerichtshofes vom 6. Juli 2009, 1 Ob 126/09z. Darin wurde ausgeführt, dass über Störungen und Eingriffe in den Gemeingebrauch öffentlicher Wege nach der ständigen Judikatur des OGH die Verwaltungsbehörde unter Ausschluss des Rechtswegs auch dann entscheide, wenn der Grund, über den der Weg verlaufe, im Privateigentum stehe. Auch zur Entscheidung der Frage, ob ein Weg öffentlich sei, seien ausschließlich die Verwaltungsbehörden zuständig. Zur Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs unter Berufung auf den Gemeingebrauch sei daher der Rechtsweg verwehrt. Auch der Einzelne, der in der Ausübung des Gemeingebrauchs gestört werde, könne selbst dann, wenn die Störung von einem Privaten ausgehe, Abhilfe nur von der zuständigen Verwaltungsbehörde verlangen, weil sein Anspruch aus einem öffentlichen Recht auf Benutzung einer dem Gemeingebrauch gewidmeten Sache abgeleitet werde.

27 Aus diesen Ausführungen des OGH zur Unzulässigkeit des Rechtswegs bezüglich Anträgen betreffend die Störung des Gemeingebrauchs ist jedoch nichts für die Frage zu gewinnen, welche Rechte den aus dem Gemeingebrauch Berechtigten nach den öffentlich-rechtlichen Vorschriften (hier: dem NÖ Straßengesetz 1999) zukommen.

28 Die Revision war daher zurückzuweisen.

29 Aus diesem Grund war auf die von der belangten Behörde

angesprochene Gegenstandslosigkeit der Revision nicht näher einzugehen.

30 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 6. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2017060207.L00

Im RIS seit

31.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

31.01.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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