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E1ENorm
AVG §38Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revisionen der T.LTD in M, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 26. Februar 2019, Zl. RV/2100826/2016, betreffend Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2014, den Beschluss gefasst:
Spruch
Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom 29. Juli 2019, RE/2100001/2019 (beim EuGH anhängig unter C-593/19), vorgelegten Fragen ausgesetzt.
Begründung
1 Die Revisionswerberin ist eine in Australien ansässige Mobilfunkgesellschaft, die an ihre ebenfalls in Australien ansässigen Kunden im Revisionszeitraum Telekommunikationsdienstleis tungen in Österreich erbracht hat.
2 Um den Kunden der Revisionswerberin während deren Aufenthalten in Österreich die Benützung von Mobiltelefonen zu ermöglichen, stellte ein österreichischer Netzbetreiber (Provider) der Revisionswerberin sein Netz gegen Verrechnung von Benützungsgebühren unter Ausweis österreichischer Umsatzsteuer zur Verfügung. Die Revisionswerberin verrechnete ihren Kunden für die Nutzung des österreichischen Netzes Roaming-Gebühren.
3 Die Revisionswerberin beantragte für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2014 die Erstattung der ihr vom österreichischen Netzbetreiber in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nach dem Verfahren gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995.
4 Das Finanzamt versagte die Erstattung der Vorsteuern. 5 Der dagegen eingebrachten Beschwerde der Revisionswerberin
gab das Bundesfinanzgericht nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung keine Folge und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens sei ausgeschlossen, weil die im Revisionsfall anwendbare Telekom-VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 eine Leistungsortverlagerung der Umsätze der Revisionswerberin soweit es das "Roaming" in Österreich betreffe ins Inland bewirke. Von einer Leistungsortverlagerung in das Inland sei in unionsrechtskonformer Interpretation jedenfalls dann auszugehen, wenn die Leistung im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliege. Ein Steuersatz von 10%, der dem inländischen ermäßigten Steuersatz entspreche, könne nicht als vergleichbare Steuerbelastung angesehen werden.
6 In der dagegen gerichteten Revision wird unter anderem geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht habe sich mit der in § 1 der VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 geforderten Nutzung oder Auswertung im Inland nicht auseinandergesetzt, obwohl eine solche nur vorliege, wenn der Leistungsempfänger im Inland ansässig sei. Es habe nicht geprüft, ob der Tatbestand des § 1 der VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009, nämlich ob die Leistung im Inland genutzt oder ausgewertet werde, überhaupt erfüllt sei. Entgegen dem Standpunkt des Bundesfinanzgerichtes treffe es auch nicht zu, dass bei einem Umsatzsteuersatz von 10% von keiner vergleichbaren Steuerbelastung im Drittland auszugehen sei.
7 Mit dem im Spruch genannten Beschluss vom 29. Juli 2019 hat das Bundesfinanzgericht dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"1) Ist Artikel 59a lit. b der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung Art. 2 der Richtlinie 2008/8/EG dahin auszulegen, dass die Inanspruchnahme von Roaming in einem Mitgliedstaat in Form des Zugriffs auf das inländische Mobilfunknetz zur Herstellung von ein- und ausgehenden Verbindungen durch einen sich vorübergehend im lnland aufhaltenden, ‚nichtsteuerpflichtigen Endkunden' ein ‚Nutzen und Verwerten' im Inland darstellt, das zur Verlagerung des Leistungsortes aus dem Drittland in diesen Mitgliedstaat berechtigt, obwohl sowohl der leistende Mobilfunkbetreiber als auch der Endkunde nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und der Endkunde auch keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat?
2) Ist Art. 59a lit. b der Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung Art. 2 der Richtlinie 2008/8/EG dahin auszulegen, dass der Ort von Telekommunikationsdienstleistungen wie in Frage 1) beschrieben, die nach Art. 59 Richtlinie 2006/112/EG in der Fassung Art. 2 der Richtlinie 2008/8/EG außerhalb der Gemeinschaft liegen, in das Gebiet eines Mitgliedstaates verlagert werden kann, obwohl sowohl der leistende Mobilfunkbetreiber als auch der Endkunde nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig sind und der Endkunde auch keinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat, nur weil die Telekommunikationsdienstleist ungen im Drittland keiner der unionsrechtlichen Mehrwertsteuer vergleichbaren Abgabe unterliegen."
8 Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt auch für die Behandlung der vorliegenden Revision Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, weshalb das Revisionsverfahren auszusetzen war.
Wien, am 10. Dezember 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019150011.J00Im RIS seit
06.02.2020Zuletzt aktualisiert am
06.02.2020