TE Vwgh Beschluss 2019/12/11 Ra 2019/05/0299

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Veröffentlicht am 11.12.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
B-VG Art133 Abs6 Z1
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/05/0300

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones und den Hofrat Dr. Enzenhofer sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision 1. der K R und

2. der P W, beide in M, beide vertreten durch Mag. Thomas Pfaller, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 12-14/19, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 9. August 2019, LVwG-AV-1321/001-2018, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages in einer baurechtlichen Angelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Stadtrat der Stadtgemeinde M; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: R GmbH in M), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

4 Nach ständiger hg. Judikatur hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. etwa VwGH 25.6.2019, Ra 2019/05/0084, mwN).

5 Mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde M. (im Folgenden: Stadtrat) vom 22. November 2018 hat dieser über den Antrag der Revisionswerberinnen, beide vertreten durch DI G., wegen behaupteter Verletzung der Entscheidungspflicht durch den Bürgermeister der Stadtgemeinde M. als Baubehörde I. Instanz hinsichtlich des Antrages vom 4. August 2017 auf Zusendung aller Baubescheide, die seit Ende Februar 2015 für Bauvorhaben auf einer näher bezeichneten Parzelle ausgestellt worden waren, dahin entschieden, dass die "Säumnisbeschwerde" (der Devolutionsantrag) der durch DI G. vertretenen Revisionswerberinnen vom 7. Mai 2018 zurückgewiesen wurde.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde (unter Spruchpunkt 1.) die von den Revisionswerberinnen gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und (unter Spruchpunkt 2.) eine ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt.

7 Dazu führte das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) im Wesentlichen (u.a.) aus, DI G. habe mit Antrag vom 4. August 2017 bei der Stadtgemeinde M. um Akteneinsicht betreffend "alle Baubescheide, die seit Ende Februar 2015 für Bauvorhaben auf der Parzelle ..."

ausgestellt worden seien, ersucht. Konkret sei beantragt worden, den Eigentümern der Immobilie F. (gemeint: den Revisionswerberinnen) alle Bescheide, die seit Ende Februar 2015 für Bauvorhaben auf der genannten Parzelle ausgestellt worden seien, zu übersenden. Mit Schreiben vom 14. August 2017 habe das Bauamt der Stadtgemeinde M. dem DI G. mitgeteilt, dass diesem keine Einsichtsrechte zukämen und dieses Recht nur Nachbarn im Zusammenhang mit dem Bauvorhaben auf der genannten Parzelle zustehe. Am 16. August 2017 - nach Stellung dieses Antrages - habe DI G. die schriftliche Vollmacht der Revisionswerberinnen der Baubehörde nachgereicht. Die Vollmacht sei von den Vollmachtgebern unterfertigt und mit 9. August 2017 datiert gewesen. Seitens der Baubehörde I. Instanz seien keine Bescheide an die Revisionswerberinnen oder an DI G. übermittelt worden. Eine weitere Eingabe des DI G. an die Baubehörde I. Instanz sei nicht erfolgt. Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2018 habe DI G. namens der Revisionswerberinnen "Säumnisbeschwerde" erhoben, die mit dem genannten Bescheid des Stadtrates zurückgewiesen worden sei.

8 Nach Bezugnahme (u.a.) auf § 17 und § 73 AVG führte das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, dass die am 9. August 2017 ausgestellte Vollmacht bei der Behörde am 16. August 2017 eingelangt sei, die Bestellung eines Vertreters mit der Vorlage der schriftlichen Vollmacht an die Behörde dieser gegenüber wirksam werde und, wenn ein Vollmachtverhältnis erst nach Vornahme einer Verfahrenshandlung begründet werde, nach der (näher zitierten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Sanierung nicht möglich sei. Dieser Fall liege hier vor, weil der Antrag auf Akteneinsicht bzw. Übermittlung von Bescheiden vom 4. August 2017 von DI G. vor Begründung des Vollmachtverhältnisses (am 9. August 2017) gestellt worden sei und er zu diesem Zeitpunkt nicht Partei bzw. Parteienvertreter gewesen sei, sodass er kein Recht auf Akteneinsicht durch Zusendung von Aktenbestandteilen gehabt habe (Hinweis auf hg. Judikatur). Mangels Stellung eines neuerlichen Antrages in Vertretung der Revisionswerberinnen habe diesen gegenüber keine Säumnis eintreten können.

9 Unabhängig davon habe auch deshalb keine Entscheidungspflicht der Behörde über diesen Antrag vom 4. August 2017 - und zwar weder gegenüber DI G. noch gegenüber den Revisionswerberinnen - bestanden, weil kein Antrag auf Durchführung eines Verwaltungsverfahrens bzw. auf Erlassung eines Bescheides vorgelegen sei, sodass entgegen der Ansicht der Revisionswerberinnen die Entscheidungspflicht des Bürgermeisters nach § 73 Abs. 1 AVG nicht ausgelöst worden sei (Hinweis auf VwGH 18.2.2002, (richtig:) 2000/10/0130). Das Begehren auf Setzung eines tatsächlichen Vorganges allein begründe keine Verpflichtung der Behörde zu einer Sachentscheidung, und von der Verletzung einer Entscheidungspflicht könne daher nur dann ausgegangen werden, wenn eine Behörde mit einer gegenüber der Partei zu erlassenden Sachentscheidung in Verzug geblieben sei, wobei überdies nur jene unerledigten Anträge durch Devolution auf eine Behörde übergehen könnten, die durch Bescheid zu erledigen seien. Im vorliegenden Fall behaupteten die Revisionswerberinnen eine Verletzung der Entscheidungspflicht durch mangelnde Übermittlung von Aktenbestandteilen, und es werde somit das Unterlassen der Setzung einer faktischen Handlung moniert, sodass durch diesen Antrag keine Entscheidungspflicht der Behörde ausgelöst worden sei (Hinweis auf VwGH 18.2.2002, 2000/10/0130, und VwGH 29.1.2007, 2005/10/0191).

10 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung (§ 28 Abs. 3 VwGG) im Wesentlichen vor, die Revisionswerberinnen hätten nicht die Übermittlung eines Protokolls oder eines Amtsvermerkes beantragt, sondern die Übermittlung der "die Bauverfahren" abschließenden Bescheide. Erst "durch diese Bescheide" komme die Behörde ihrer Entscheidungspflicht in den jeweiligen Verfahren nach. Solange die Behörde einer Partei im Bauverfahren gegenüber dieser Verpflichtung nicht durch Zustellung der Bescheide nachgekommen sei, sei sie mit ihrer Entscheidung säumig. Die in diesem Verfahren zu klärende Frage des Verfahrensrechtes sei daher, ob der Antrag auf Zustellung eines Baubescheides durch die Grundstücksnachbarn eine Entscheidungspflicht der Behörde auslöse oder nicht.

11 Mit diesem Vorbringen werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

12 Das angefochtene Erkenntnis beruht auf einer Alternativbegründung. So hat das Verwaltungsgericht die Unzulässigkeit des Devolutionsantrages vom 7. Mai 2018 und die Abweisung der gegen den Bescheid des Stadtrates vom 22. November 2018 erhobene Beschwerde auch damit begründet, dass DI G., der den oben genannten Antrag vom 4. August 2017 gestellt hatte, erst am 9. August 2017 von den Revisionswerberinnen gegenüber der Behörde wirksam bevollmächtigt worden sei, eine Sanierung des Vollmachtmangels, wenn das Vollmachtverhältnis erst nach Vornahme einer Verfahrenshandlung begründet werde, nach der (näher zitierten) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht möglich sei und mangels Stellung eines neuerlichen Antrages gegenüber den Revisionswerberinnen keine Säumnis der Behörde habe eintreten können.

13 Diesen Ausführungen des Verwaltungsgerichtes tritt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht entgegen, sodass bereits deshalb den in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgeworfenen Fragen keine hier entscheidungswesentliche Bedeutung zukommt. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof auf Grund von Revisionen gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG jedoch nicht zuständig (vgl. etwa VwGH 25.9.2019, Ra 2019/05/0101, mwN).

14 Im Hinblick darauf war die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 11. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019050299.L00

Im RIS seit

30.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.01.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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