TE Vwgh Beschluss 2019/12/12 Ra 2019/01/0249

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Veröffentlicht am 12.12.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren
41/02 Staatsbürgerschaft

Norm

AVG §6
B-VG Art130 Abs1 Z3
StbG 1985 §44 Abs2
StbG 1985 §49
StbG 1985 §50
StbG 1985 §51
VwGVG 2014 §8 Abs1

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2019/01/0250

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revisionen der 1. M P und 2. A P, beide in M und vertreten durch Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 22-24/4/9, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 26. April 2019, Zlen. 1. VGW- 152/089/4757/2019-2 und 2. VGW-152/089/4760/2019, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

Vorgeschichte

1 Mit Schriftsatz vom 3. August 2018 stellten die minderjährigen Revisionswerberinnen, vertreten durch ihre (den Eintragungen in den mexikanischen Geburtsurkunden der Revisionswerberinnen folgend) Mütter, bei der belangten Behörde die Anträge, bescheidmäßig festzustellen, dass die Revisionswerberinnen österreichische Staatsbürgerinnen seien. 2 Weiters stellten die Revisionswerberinnen mit diesem Schriftsatz die (im vorliegenden Revisionsverfahren maßgeblichen) an die belangte Behörde gerichteten Anträge, die Revisionswerberinnen in das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister einzutragen, ihnen je einen Staatsbürgerschaftsnachweis auszustellen und diesen zu Handen des ausgewiesenen Rechtsvertreters zuzustellen und über diese Anträge bescheidmäßig abzusprechen.

3 Am 2. März 2019 erhoben die Revisionswerberinnen Säumnisbeschwerde an das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht), in der sie die Entscheidungspflicht der belangten Behörde geltend machten.

Angefochtenes Erkenntnis

4 Mit Erkenntnis vom 26. April 2019 stellte das Verwaltungsgericht gemäß § 42 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985

(StbG) fest, dass die minderjährigen Revisionswerberinnen die österreichische Staatsbürgerschaft jeweils mit ihrer Geburt gemäß § 7 StbG erworben haben (Spruchpunkt I.).

5 Mit dem (in der vorliegenden Revision angefochtenen) Spruchpunkt II. wurde die Säumnisbeschwerde hinsichtlich des Antrages auf bescheidmäßige Absprache über die vorzunehmende Eintragung der Revisionswerberinnen im Zentralen Staatsbürgerschaftsregister und des Antrages auf bescheidmäßige Absprache über die vorzunehmende Ausstellung von Staatsbürgerschaftsnachweisen betreffend die Revisionswerberinnen zu Handen ihres Rechtsvertreters als unzulässig zurückgewiesen. 6 Eine ordentliche Revision wurde für unzulässig erklärt (Spruchpunkt III.).

7 Begründend führte das Verwaltungsgericht zu Spruchpunkt II. unter Hinweis auf § 51 StbG aus, ein Recht auf bescheidmäßige Absprache über die vorzunehmende Eintragung im Zentralen Staatsbürgerschaftsregister kenne das StbG nicht. Im gegenständlichen Fall sei auch das für einen Feststellungsbescheid nach § 42 Abs. 2 StbG erforderliche rechtliche Interesse nicht gegeben, weil die Eintragung im Zentralen Staatsbürgerschaftsregist er nur deklarative Wirkung habe. Damit habe die belangte Behörde betreffend diesen Antrag nicht säumig werden können, weshalb die Säumnisbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei. 8 Weiter führte das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf § 44 Abs. 1 StbG aus, durch die Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises werde die Staatsbürgerschaft nicht konstitutiv erworben, sondern der Staatsbürgerschaftsnachweis habe rein deklarative Wirkung. Daher mangle es den Revisionswerberinnen an einem für einen Feststellungsbescheid nach § 42 Abs. 2 StbG erforderlichen rechtlichen Interesse. Zwar bestehe nach § 44 Abs. 2 StbG die Verpflichtung der zuständigen Behörde, auf Antrag einen Staatsbürgerschaftsnachweis auszustellen, ein Recht auf bescheidmäßige Absprache über die Verpflichtung zur Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises kenne das StbG hingegen nicht. Damit habe die belangte Behörde betreffend diesen Antrag aber nicht säumig werden können, weshalb die Säumnisbeschwerde auch diesbezüglich als unzulässig zurückzuweisen gewesen sei.

9 Die Unzulässigkeit der ordentlichen Revision begründete das Verwaltungsgericht mit kurzer Begründung.

10 Gegen Spruchpunkt II. des Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 7 VwGG unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.

11 Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie im Wesentlichen vorbringt, nicht die belangte Behörde, sondern das österreichische Berufskonsulat sei im Sinne des § 41 Abs. 2 StbG zuständige Behörde für die Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises. Die Staatsbürgerschaftsevidenz diene ausschließlich behördeninternen Zwecken. Die §§ 49 bis 51 StbG normierten lediglich eine Selbstbindung und räumten keine subjektiven Ansprüche ein. Daher stehe auch niemandem ein Anspruch auf Verzeichnis in der Staatsbürgerschaftsevidenz bzw. im Zentralen Staatsbürgerschaftsregister zu. Dies zeige sich auch daran, dass es sich bei Auszügen aus dem Zentralen Staatsbürgerschaftsregister lediglich um Bestätigungen, nicht um rechtskraftfähige Bescheide handle (Verweis auf VwGH 22.3.2000, 99/01/0338). Daher sei die Säumnisbeschwerde vom Verwaltungsgericht zu Recht zurückgewiesen worden.

Zulässigkeit

Allgemein

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 14 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Zulässigkeitsvorbringen

15 Die Revisionswerberinnen erachten sich in ihrer Revision im Recht auf Sachentscheidung und Abstandnahme von einer Zurückweisung sowie auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Vornahme der begehrten Registereintragungen und für die Ausstellung der begehrten Urkunden verletzt.

16 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision im Wesentlichen vor, das Verwaltungsgericht weiche im angefochtenen Spruchpunkt II. des Erkenntnisses von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach das Verwaltungsgericht auf Grund einer Säumnisbeschwerde festzustellen habe, dass die Voraussetzungen für den begehrten Realakt (die Urkundenausstellung, die Auskunftserteilung, die Gewährung von Akteneinsicht, die Vornahme von Registereintragungen etc.) gegeben oder nicht gegeben seien (Verweis auf VwGH 24.5.2018, Ro 2017/07/0026, und ältere Rechtsprechung). Weiters habe der VwGH ausgesprochen, dass das Verwaltungsgericht beantragte Registereintragungen selbst vornehmen könne (Verweis auf VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0015). Von dieser Rechtsprechung weiche das Verwaltungsgericht ab, wenn es der Auffassung sei, eine Behörde könne mit einer Registereintragung sowie mit einer Urkundenausstellung nicht säumig werden, weshalb entsprechende Säumnisbeschwerden unzulässig seien.

17 Vielmehr sei das Gegenteil der Fall: Würden bei einer Behörde die Ausstellung einer Urkunde und die Vornahme einer Registereintragung begehrt, so habe diese Behörde innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist entweder diesem Begehren (faktisch) zu entsprechen oder aber einen das Begehren abweisenden Bescheid zu erlassen (Verweis wiederum auf VwGH 24.5.2018, Ro 2017/07/0026, und ältere Rechtsprechung). Tue sie dies nicht, werde sie säumig und habe das Verwaltungsgericht über die Begehren in der Sache zu entscheiden (Verweis wiederum auf VwGH 24.5.2018, Ro 2017/07/0026, und VwGH 14.12.2018, Ro 2018/01/0015, sowie ältere Rechtsprechung).

18 Die von der Revision solcherart aufgeworfenen Rechtsfragen stellen sich in der vorliegenden Revisionssache aus folgenden Gründen nicht:

Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde

19 Die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde setzt die Säumnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde voraus, deren Entscheidungspflicht geltend gemacht wird, und somit die Verpflichtung dieser Behörde, über den bei ihr eingebrachten Antrag mittels Bescheid zu entscheiden. Fehlt es (mangels Zuständigkeit) an der Säumnis der Behörde, so ist die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen (vgl. etwa VwGH 28.3.2019, Ra 2018/14/0286, mwN, sowie Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Aufl. (2017) K 12. zu § 24 VwGVG).

20 Die Entscheidungspflicht trifft im Anwendungsbereich der amtswegigen Überweisungspflicht nach § 6 AVG nur die sachlich zuständige Behörde. Die Verletzung der Pflicht zur Weiterleitung gemäß § 6 AVG stellt keine Verletzung der Entscheidungspflicht dar (vgl. VwGH 10.12.2018, Ro 2018/12/0017, mwN).

Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises 21 In der vorliegenden Rechtssache wurden durch die Revisionswerberinnen an die Wiener Landesregierung zunächst die Anträge gestellt, ihnen je einen Staatsbürgerschaftsnachweis auszustellen und diesen zu Handen des ausgewiesenen Rechtsvertreters zuzustellen. Weiters wurde beantragt, über diese Anträge bescheidmäßig abzusprechen.

22 Gemäß § 39 Abs. 1 StbG ist zur Erlassung von Bescheiden in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft unbeschadet des § 41 StbG die Landesregierung zuständig.

23 Gemäß § 41 Abs. 1 StbG ist, von Fällen des Abs. 2 abgesehen, zur Ausstellung von Bestätigungen in Angelegenheiten der Staatsbürgerschaft und zur Entscheidung über derartige Anträge jene Gemeinde (Gemeindeverband) zuständig, an die (den) sich der Antragsteller im Inland wendet. Liegt der Hauptwohnsitz dieser Person nicht im Gebiet der Republik, so ist gemäß (der Verfassungsbestimmung des) § 41 Abs. 2 StbG das österreichische Berufskonsulat, wo jedoch ein solches nicht besteht, die österreichische diplomatische Vertretungsbehörde zuständig, in deren Bereich der Hauptwohnsitz liegt.

24 Die Wiener Landesregierung als vorliegend belangte Behörde ist jedoch - wie sie in der Revisionsbeantwortung zutreffend vorbringt - nicht für die Ausstellung des beantragten Staatsbürgerschaftsnachweises und zur Entscheidung über derartige Anträge zuständig (vgl. zur Zuständigkeit der österreichischen diplomatischen Vertretungsbehörde bereits VwGH 22.3.2000, 99/01/0338).

25 Aus diesem Grund hat das Verwaltungsgericht die Säumnisbeschwerde der Revisionswerberinnen, soweit sie sich auf die Ausstellung eines Staatsbürgerschaftsnachweises nach § 41 StbG bezieht, im Ergebnis zu Recht als unzulässig zurückgewiesen. Eintragung in das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister 26 Gleiches gilt betreffend die beantragte Eintragung in das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister:

27 Während ein Staatsbürgerschaftsnachweis gemäß § 44 Abs. 2 StbG auf Antrag auszustellen ist, ist ein Staatsbürger durch die jeweilige Evidenzstelle (Gemeinde oder Gemeindeverband) gemäß § 51 StbG von Amts wegen in der Staatsbürgerschaftsevidenz zu verzeichnen.

28 Die Amtswegigkeit der Eintragung macht § 51 zweiter Satz StbG deutlich, wonach die Evidenzstelle "soweit dies ohne übermäßigen Verwaltungsaufwand möglich ist, von Amts wegen jede Gelegenheit wahrzunehmen" hat, um sich die Kenntnis über die (in § 51 erster Satz StbG genannten) die den Staatsbürgerschaftserwerb begründenden Umstände zu verschaffen. Somit ist der belangten Behörde Recht zu geben, wenn sie vorbringt, die Staatsbürgerschaftsevidenz diene ausschließlich behördeninternen Zwecken und die §§ 49 bis 51 StbG normierten lediglich eine Selbstbindung der Evidenzstellen.

29 Wie angeführt, ist die Eintragung in das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister gemäß § 51 StbG durch die jeweilige Evidenzstelle vorzunehmen. Gemäß § 49 Abs. 2 lit. c StbG ist Evidenzstelle für Personen, die im Ausland geboren sind, die Gemeinde Wien.

30 Im Hinblick darauf, dass die Anträge der Revisionswerberinnen vorliegend in erster Linie auf die Eintragung in das Zentrale Staatsbürgerschaftsregister gerichtet waren, bestand auch für diese Anträge keine Zuständigkeit und Entscheidungspflicht der Wiener Landesregierung als belangte Behörde.

Ergebnis

31 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 12. Dezember 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019010249.L00

Im RIS seit

27.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

27.02.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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