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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 98/18/0171 E 17. September 1998Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde des D S, vertreten durch Dr. Gunther Gahleithner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schottengasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 30. April 1998, Zl. SD 164/98, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 30. April 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen der Jugoslawischen Föderation, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei im Jahr 1988 sichtvermerksfrei in das Bundesgebiet eingereist, habe sich am 23. März 1988 an einer näher bezeichneten Adresse gemeldet und habe am 16. Juni 1988 erstmalig einen Sichtvermerksantrag gestellt. Seit diesem Zeitpunkt halte sich der Beschwerdeführer rechtmäßig in Österreich auf. Am 14. Juni 1989 sei der Beschwerdeführer vom Bezirkspolizeikommissariat Favoriten wegen Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO 1960 rechtskräftig bestraft und am 14. August 1989 vom Strafbezirksgericht Wien wegen fahrlässiger Körperverletzung zu einer Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24. November 1995 sei der Beschwerdeführer wegen schwerer Körperverletzung zu einer (bedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt worden. Dieser in Rechtskraft erwachsenen Verurteilung sei zugrundegelegen, daß der Beschwerdeführer mit einem anderen Mann in Streit geraten sei, in dessen Verlauf beide aufeinander mit Fäusten eingeschlagen hätten. Der Widersacher des Beschwerdeführers (dieser sei selbst verletzt worden) habe eine Schädelprellung erlitten, weiters einen Unterkieferbruch, einen Jochbodenbruch sowie einen Bruch im Bereich des Augenhöhlenbogens.
Daraufhin sei der Beschwerdeführer am 14. Mai 1996 von der Behörde niederschriftlich einvernommen und ausdrücklich darauf hingewiesen worden, daß er bei einem neuerlichen Rechtsbruch mit fremdenpolizeilichen Maßnahmen zu rechnen hätte.
Dies habe den Beschwerdeführer aber nicht davon abgehalten, neuerlich straffällig zu werden. Am 12. Oktober 1997 habe der Beschwerdeführer gemeinsam mit seiner Ehegattin etwa 110 Gramm Heroin aus der Jugoslawischen Föderation über Ungarn nach Österreich eingeführt und am 13. Oktober versucht, dieses Suchtgift durch Verkauf an einen "verdeckten Ermittler" in Verkehr zu setzen. Durch diesen und geplante weitere Suchtgiftverkäufe hätten sich der Beschwerdeführer und seine Ehegattin eine fortlaufende Einnahmequelle verschaffen wollen, um so über ihre finanziellen Probleme hinwegzukommen. Wegen dieser Straftaten sei der Beschwerdeführer
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ebenso wie seine Ehegattin - am 29. Jänner 1998 vom Landesgericht für Strafsachen Wien gemäß § 28 Abs. 2 und 3 erster Fall des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von eineinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Sohin liege der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG vor.
Das dargestellte Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers, das eine krasse Geringschätzung strafrechtlicher Normen zum Ausdruck bringe, gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit in einem hohen Maße, sodaß sich die Erlassung des Aufenthaltsverbotes
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vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 FrG - im Grunde des § 36 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise. Aufgrund des langjährigen inländischen Aufenthaltes und im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin und seinen beiden Kindern im gemeinsamen Haushalt lebe, liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in sein Privat- und Familienleben vor. Dessen ungeachtet sei die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG zu bejahen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, nämlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Freiheiten anderer sowie zum Schutz der Gesundheit, als dringend geboten zu erachten. Im Rahmen der nach § 37Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den etwa zehnjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet Bedacht zu nehmen gewesen. Gleichzeitig sei aber zu berücksichtigen gewesen, daß der daraus ableitbaren Integration kein entscheidendes Gewicht zukomme, weil die dafür wesentliche soziale Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten erheblich beeinträchtigt werde. Auch das Gewicht der Beziehung zu seiner Ehegattin werde schon im Hinblick darauf, daß gegen diese - aufgrund der Verurteilung wegen Suchtgifthandels - ebenfalls ein Aufenthaltsverbot habe erlassen werden müssen, relativiert. Im übrigen könne der Beschwerdeführer den Kontakt zu seiner Familie, insbesondere zu seinen beiden Kindern, dadurch aufrecht erhalten, daß er von diesen im Ausland besucht oder dorthin begleitet werde.
Diesen - solcherart geminderten - privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen sei die belangte Behörde zur Auffassung gelangt, daß die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie keineswegs schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.
Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Bestimmung des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG komme vorliegend nicht zum Tragen. Die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 setze - unter anderem - einen zehnjährigen ununterbrochenen ordentlichen Wohnsitz des Fremden voraus. Die am 29. Jänner 1998 erfolgte und am 2. Februar 1998 in Rechtskraft erwachsene Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien hätte aber jedenfalls zur Folge gehabt, daß einer allfälligen Verleihung "die Bestimmungen und wohl auch die des § 10 Abs. 1 Z. 6" des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 entgegengestanden wären. Das Aufenthaltsverbot erweise sich demnach auch aus dem Blickwinkel des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG als zulässig.
Zutreffend habe die Erstbehörde die vorliegende Maßnahme auf unbestimmte Zeit (unbefristet) ausgesprochen. Im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und der damit verbundenen Wiederholungsgefahr, die im Beschwerdefall aufgrund der gewerbsmäßigen Tatbegehung besonders groß sei, könne derzeit nicht vorhergesehen werden, wann der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgebliche Grund, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet, weggefallen sein werde.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, daß vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 (erster Fall) FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von eineinhalb Jahren bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.
2.1. Der Beschwerdeführer vertritt indes die Meinung, daß in seinem Fall - entgegen der belangten Behörde - die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme nicht gerechtfertigt sei. Die Schuld des Beschwerdeführers sei - was eine (von der Behörde unterlassene) Einsichtnahme in die "strafgerichtlichen Akten" hätte zu Tage treten lassen - "tatsächlich so gering", daß die Annahme der Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit durch den Beschwerdeführer unrichtig sei.
2.2. Demgegenüber ist unter Zugrundelegung der vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten - insbesondere des der genannten Verurteilung im Jahr 1998 zugrundeliegenden Suchtgiftdeliktes - der Auffassung der belangten Behörde beizupflichten, daß das Fehlverhalten des Beschwerdeführers - insbesondere im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität - eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit begründet erscheinen lasse, weshalb die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG gerechtfertigt ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. April 1998, Zl. 98/18/0083, mwH).
2.3. Vor diesem Hintergrund ist die Verfahrensrüge, die belangte Behörde hätte mit Blick auf § 36 Abs. 1 FrG den Sachverhalt - insbesondere wegen der Unterlassung einer Einsicht in die Strafakten - nicht hinreichend ermittelt, nicht zielführend.
3.1. Die Beschwerde bekämpft den angefochtenen Bescheid weiters im Grunde des § 37 FrG. Der Beschwerdeführer befinde sich seit 1988, sohin seit etwa zehn Jahren in Österreich und lebe hier mit seiner gesamten Familie. Dem Beschwerdeführer seien "durchgehend" Sichtvermerke bzw. Aufenthaltsbewilligungen erteilt worden, weiters habe er zuletzt auch in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis gestanden und könne jederzeit wieder in ein solches gelangen. Vor diesem Hintergrund wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie - auch unter Berücksichtigung des Hinweises der belangten Behörde, daß der Beschwerdeführer von seiner Familie im Ausland besucht oder dorthin begleitet werden könnte - ungleich schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von einem Aufenthaltsverbot, weshalb dieses zu Unrecht verhängt worden sei.
3.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
3.2.1. Die Behörde hat im Hinblick auf den langjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers und im Hinblick darauf, daß dieser mit seiner Ehegattin und seinen beiden Kindern im gemeinsamen Haushalt lebt, zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers angenommen.
Wenn die belangte Behörde trotzdem die Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG bejaht hat, ist dies nicht als rechtswidrig zu erkennen. Die belangte Behörde hat zu Recht die Auffassung vertreten, daß im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität diese Maßnahme auch unter Bedachtnahme auf die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers aus den im Art. 8 Abs. 2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen (konkret: mit Rücksicht auf die Verhinderung von strafbaren Handlungen, auf den Schutz der Freiheiten anderer und auf den Schutz der Gesundheit) dringend geboten ist (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 30. April 1998, mwH). Diese Notwendigkeit wird im vorliegenden Fall noch dadurch unterstrichen, daß - zum einen - dem Beschwerdeführer ein Verstoß gegen § 28 Abs. 3 erster Fall des Suchtmittelgesetzes, also die gewerbsmäßige Begehung des in § 28 Abs. 2 leg. cit. umschriebenen Suchtgiftdeliktes zur Last liegt und er die strafbare Handlung somit in der Absicht vorgenommen hat, sich durch ihre wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70 StGB), und - zum anderen - der Beschwerdeführer dieses Fehlverhalten unbestritten trotz des ausdrücklichen Hinweises der Behörde im Jahr 1996, bei einem neuerlichen Rechtsbruch mit fremdenpolizeilichen Maßnahmen rechnen zu müssen, gesetzt hat.
3.2.2. Im Lichte dieser Erwägungen erweist sich auch das Ergebnis der von der belangten Behörde gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorgenommenen Beurteilung als unbedenklich. Die aus dem langjährigen Aufenthalt ableitbare Integration hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die vom Beschwerdeführer begangenen Straftaten (vor allem das besagte Suchtgiftdelikt in der Form der gewerbsmäßigen Begehung, aber auch das den Verurteilungen wegen Körperverletzung, insbesondere der wegen schwerer Körperverletzung im Jahr 1995, sowie das der rechtskräftigen Bestrafung wegen Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO 1960 zugrundeliegende Fehlverhalten) eine ganz erhebliche Minderung erfahren. Die familiäre Beziehung zum Ehepartner des Beschwerdeführers ist zudem dadurch relativiert, daß über diesen ebenfalls ein rechtskräftiges unbedenkliches Aufenthaltsverbot verhängt wurde (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 98/18/0171). Abgesehen davon ist mit der belangten Behörde festzuhalten, daß aufgrund der in hohem Maß sozialschädlichen Suchtgiftdelikte selbst eine ansonsten volle soziale Integration des Beschwerdeführers der Erlassung des Aufenthaltsverbotes aus der Sicht des § 37 Abs. 2 FrG nicht entgegenstünde (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 30. April 1998, mwH). Von daher gesehen hat die belangte Behörde auch unter Berücksichtigung der beachtlichen privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers der durch sein gravierendes Fehlverhalten bewirkten nachhaltigen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes zutreffend größeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine und seiner Familie Lebenssituation.
3.3. Vor diesem Hintergrund ist die Rüge, die belangte Behörde habe den angefochtenen Bescheid im Umfang der Abwägung der persönlichen mit den öffentlichen Interessen nicht ausreichend begründet, nicht zielführend.
4.1. Die Beschwerde führt gegen den angefochtenen Bescheid ins Treffen, daß dem vorliegenden Aufenthaltsverbot § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG entgegenstehe, weil dem Beschwerdeführer vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können, zumal er nur zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren rechtskräftig verurteilt worden sei.
4.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Nach § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG darf ein Aufenthaltsverbot nicht erlassen werden, wenn dem Fremden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 hätte verliehen werden können, es sei denn, der Fremde wäre wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung rechtskräftig zu mehr als zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt worden.
Zur Auslegung dieser Bestimmungen ist zunächst die Frage zu beantworten, was unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" zu verstehen ist. Diese Wortfolge war bereits in § 20 Abs. 2 des Fremdengesetzes aus 1992 enthalten. Zu dieser Bestimmung hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/0009, vom 11. April 1996, Zl. 94/18/0219, und vom 13. März 1997, Zl. 95/18/0904, ausgesprochen, daß im Fall mehrerer Verurteilungen oder Bestrafungen der Zeitpunkt der Rechtskraft der vorletzten dieser Verurteilungen oder Bestrafungen maßgeblich sei. Etwa im Erkenntnis vom 23. Februar 1995, Zl. 95/18/0063, hat er auch ausgeführt, es komme auf den Zeitpunkt unmittelbar vor der letzten rechtskräftigen Verurteilung an.
Dem liegt der Gedanke zugrunde, daß es sich bei dem maßgeblichen Sachverhalt um alle jene Umstände handelt, die für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes in ihrer Gesamtheit maßgeblich waren, und der "maßgebliche Sachverhalt" daher erst mit dem Eintritt des letzten dieser Umstände verwirklicht wird.
Demgegenüber hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom 21. Februar 1996, Zl. 95/21/0372, vom 20. März 1996, Zl. 95/21/0775, vom 29. Jänner 1997, Zl. 96/21/0177, und vom 5. November 1997, Zl. 96/21/0605, judiziert, daß als "maßgeblicher Sachverhalt" nur jene Umstände herangezogen werden dürften, die zu einem Zeitpunkt eingetreten seien, in dem der Fremde die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 nicht (mehr) erfüllt habe.
Diese Auffassung führt zu dem Ergebnis, daß ein Aufenthaltsverbot dann unzulässig ist, wenn dem Beschwerdeführer im Zeitpunkt vor Eintritt bereits des ersten jener Umstände, die in ihrer Gesamtheit das Aufenthaltsverbot tragen, die Staatsbürgerschaft hätte verliehen werden können, weil in diesem Fall für das Aufenthaltsverbot auch Umstände herangezogen würden, die zu einem Zeitpunkt eingetreten sind, in dem der Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (noch) erfüllte.
Der Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" liegt somit nach der erstgenannten Auffassung vor Eintritt des letzten und nach der zweitgenannten vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände. Da diese Judikaturdivergenz zur Frage der Auslegung von § 20 Abs. 2 des Fremdengesetzes aus 1992 bestand und im vorliegenden Fall die im Fremdengesetz 1997 - somit in einem neuen Gesetz - enthaltene (gleichlautende) Wortfolge "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" auszulegen ist, liegt kein Grund für die Verstärkung des Senates gemäß § 13 VwGG vor (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltunsgerichtsbarkeit3, Seite 162 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zur Frage der Auslegung des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG die Ansicht, daß unter dem Zeitpunkt "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" der Zeitpunkt vor Eintritt des ersten der in ihrer Gesamtheit für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Umstände zu verstehen ist. Diese Auffassung erscheint deshalb sachgerechter, weil sie in den praktisch häufigen Fällen, in denen dem Aufenthaltsverbot mehrere strafbare Handlungen des Beschwerdeführers zugrunde liegen, nicht zu dem Ergebnis führt, daß die vor der letzten strafbaren Handlung liegenden Taten zugleich einen Teil des für das Aufenthaltsverbot "maßgeblichen Sachverhaltes" und einen Umstand darstellen, der der Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 entgegensteht.
Festgehalten sei, daß es sich beim "maßgeblichen Sachverhalt" im Falle eines auf strafbare Handlungen gegründeten Aufenthaltsverbotes nicht um die Verurteilung bzw. Bestrafung, sondern um das zugrundelegende Fehlverhalten handelt, weil nur dieses die in § 36 Abs. 1 Z. 1 oder 2 umschriebene, für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes notwendige Annahme rechtfertigen kann (vgl. aus der ständigen - auf diesen Fall übertragbaren - hg. Judikatur zu § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes aus 1992 etwa die Erkenntnisse vom 23. Oktober 1997, Zl. 97/18/0510, und vom 4. Dezember 1997, Zl. 97/18/0544).
Weiters sei klargestellt, daß der maßgebliche Sachverhalt alle Umstände umfaßt, die die Behörde zur Begründung des im konkreten Fall in der festgesetzten Dauer (bzw. auf unbestimmte Zeit) verhängten Aufenthaltsverbotes herangezogen hat. Es ist jedoch nicht zulässig, auch ein solches Fehlverhalten dem Aufenthaltsverbot zugrundezulegen, das unter Berücksichtigung des seither verstrichenen Zeitraumes nicht (mehr) geeignet ist, eine relevante Vergrößerung der von dem Fremden ausgehenden Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen herbeizuführen, weil es die Behörde dadurch in der Hand hätte, den für die Beurteilung der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbotes gemäß § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG maßgeblichen Zeitpunkt soweit nach vorne zu verschieben, daß der Fremde "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" die zehnjährige Wohnsitzfrist des § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 nicht erfüllt.
Bei der Beurteilung der Zulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 38 Abs. 1 Z. 3 FrG ist also zu prüfen, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten der von der Behörde zulässigerweise zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogenen Umstände, die in ihrer Gesamtheit die Maßnahme tragen, die Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 erfüllte.
Vorliegend kann es dahinstehen, ob die belangte Behörde im Sinn der obigen Ausführungen zulässigerweise das der Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Übertretung des § 5 Abs. 2 StVO 1960 am 14. Juni 1989 und das der gerichtlichen Verurteilung wegen fahrlässiger Körperverletzung vom 14. August 1989 zugrundeliegende Fehlverhalten dem Aufenthaltsverbot zugrunde gelegt hat, weil der Beschwerdeführer, der erst seit März 1988 im Bundesgebiet gemeldet ist, im Zeitpunkt vor Begehung der - für die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr jedenfalls einen relevanten Stellenwert aufweisenden - schweren Körperverletzung, derentwegen er am 24. November 1995 verurteilt wurde, die für die Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 erforderliche Dauer des inländischen Hauptwohnsitzes von mindestens zehn Jahren noch nicht erfüllte.
5.1. Der Beschwerdeführer wendet sich schließlich auch dagegen, daß das Aufenthaltsverbot unbefristet verhängt wurde. Er meint, daß sein Fehlverhalten - zumal seine Schuld "tatsächlich so gering" sei - die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes nicht rechtfertige und weiters auch die von ihm geltend gemachten persönlichen Interessen (vgl. Punkt II.3.1.) einer unbefristeten Dauer des Aufenthaltsverbotes entgegenstünden.
5.2. Dieses Vorbringen ist ebenfalls nicht zielführend. Die belangte Behörde stellte bezüglich der Dauer des verhängten Aufenthaltsverbotes zutreffend auf die - wegen der bei Suchtgiftdelikten bestehenden großen Wiederholungsgefahr gegebene - Unvorhersehbarkeit des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ab. Der Beschwerdeführer zeigte seinerseits nicht auf, welche Umstände die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, zu dem Ergebnis zu gelangen, es sei vorhersehbarerweise nach Verstreichen eines bestimmten Zeitraumes mit einem Wegfall der für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Gründe zu rechnen.
6. Schließlich ist der Rüge, die Unterlassung der Anführung des § 39 Abs. 1 FrG im Spruch des angefochtenen Bescheides mache "den gesamten Bescheid" - "infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften" - rechtswidrig, schon deswegen kein Erfolg beschieden, weil es der Beschwerdeführer unterläßt, auch nur ansatzweise die Relevanz dieses behaupteten Mangels darzutun (vgl. § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG).
7. Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 17. September 1998
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1998:1998180170.X00Im RIS seit
18.02.2002